August 2003 - Jean Paul Sartre: Das Spiel ist aus

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    Die Sartre Gesellschaft


    Sartre Biographie


    englische Sartre Seite mit ein paar Bildern


    Das Spiel ist aus als Schauspiel



    Inhalt


    Pierre, der Revolutionär, und Eve, eine Dame der Gesellschaft, sterben zu gleicher Stunde durch GEwalt, begegnen sich in einer Welt der SChatten, verlieben sich bis zu dem gewagten Anspruch "Ich gäbe meine Seele, wenn ich um deinetwillen noch einmal leben dürfte". Sie dürfen leben. Die Uhr des Schicksals wird zurückgestellt unter der Bedingung, dass sie sich vorbehaltlos der Liebe ergeben, um derentwillen ihnen das Leben wieder verliehen wurde. Aber die Vergangenheit stellt ihre Forderungen, und sie verlieren das zweite Leben an der Unfreiheit des ersten.



    Kindler´s Neues Literaturlexikon:



    Les jeux sont faits
    Filmdrehbuch von Sartre, erschienen 1947; als Theaterstück in der von Sartre selbst redigierten Bearbeitung von Th. van Alst und G. Fleckenstein am 30.10.1958 im Neuen Theater in Münster uraufgeführt.
    Die Handlung dieses Szenariums spielt in einem noicht näher bezeichneten Land der Gegenwart am Vorabend eines geplanten Aufstands gegen eine faschistische Diktatur. Der Arbeiter Pierre Dumaine, Anführer der proletarischen Untergrundbewegung, fällt dem Anschlag eines Polizeispitzels zum Opfer. Zur gleichen Stunde wird eine Dame aus besten Kreisen, Èveline Charlier, die Frau des Polizeichefs, von ihrem Mann, einem gewissenlosen Mitgiftjäger, vergiftet.
    Pierre und Ève treffen sich im Reich der Toten, wo sie frei und ungebunden sind, ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit eines Sich-Engagierens und Handelns in der Welt der Lebenden versagt bleibt. Bei Sartre wandeln die Toten zwischen den Lebenden, können aber von diesen nicht gesehen werden. Zwischen den beiden nebeneinander existierenden Seins-Dimensionen- dem Dasein der Lebenden und dem der Toten- ist keine Kommunikation möglich. Für die Toten les jeux sont faits, da sie auf die Rolle des Zuschauers reduziert sind, während sich die Welt vor ihren Augen als ein Schauspiel vollzieht. Ève und Pierre verlieben sich ineinander und erfahren, dass nur auf Grund eines Irrtums der "direktion" ihre Wege sich nicht schon im irdischen Leben gekreuzt haben. Um diesen Fehler wieder gutzumachen, gibt man ihnen die Chance, ein neues Erdendasein zu beginnen. Einzige Bedingung ist, dass sie in 24 Stunden lernen, sich vorbehaltlos zu lieben. Mit dem festen Vorsatz, die ihnen auferlegte Probezeit zu bestehen, kehren beide ins Leben, aber auch in ihre frühere Umwelt zu ihren alten Problemen zurück. Pierre, der im Reich der Toten erfahren hat, dass der Diktator über den Aufstandsplan genau unterrichtet ist, versucht verzweifelt, seine Kameraden an der Ausführung des Unternehmens zu hindern. In dem Augenblick, als der Treffpunkt der Revolutionäre von Truppen umstellt ist, läuft seine Frist ab. Er muss zu den Toten zurückkehren - zusammen mit Ève, die ihn zwar, wenn auch vergeblich, an die Bedingung der "direktion" erinnert, diese aber bereits selbst missachtet hat: Mit allen Mitteln hat sie versucht, ihre jüngere Schwester dem verhängnisvollen Einfluss ihres, Èves, Ehemanns und Mörders zu entziehen.
    Als Ève und Pierre wieder als Lebende auf die Welt zurückkehren, fallen sie sofort wieder in die Denkmuster ihrer alten Rollen zurück. Die unbedingte Selbstverständlichkeit der Toten, "sáimer en toute confiance" ("sich in vollem Vertrauen zu lieben"), ist für sie als Lebende nicht mehr möglich. Sie sind nicht in der Lage, ihren Grundentwurf zu ändern, und geraten wieder in die Automatismen des "Lebensschauspiels", das sie im Dasein als Tote als Quelle des Scheins und der Lüge durchschauten. Ève ist ganz von der Verpflichtung gegenüber ihrer Schwester, Pierre von der Verpflichtung gegenüber seinen Kameraden erfüllt. Beide scheitern, da sie sich nicht aus ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Gebundenheit in der realen Welt befreien können.Nur wenn sie stets gemeinsam gehandelt hätten, wie sie es einmal taten, als sie ein kleines Mädchen aus den Händen grausamer Eltern retteten, hätte ihre Liebe sich bewährt, wäre ihre Bezeihung ein "Symbol der Verbindung der Arbeiterklasse mit der fortschrittlichen existentiellen Intelligenz" (Lausberg) geworden.
    Sartre enthüllt in Les jeux sont faits mit der Rouletteformel die Gefahr des Verspielens und die Bedingtheit menschlichen Seins durch determinierende Einflüsse. "Lex jeux sont faits, voyez-vous, on ne prend pas son coup." (Wenn die Kugel einmal rollt, sehen Sie, kann man eben seinen Einsatz nicht mehr ändern). Obwohl der Satz am Ende des Films ihre Resignation gegenüber dem Unabänderlichen ausdrückt, raten die beiden Gescheiterten einem jungen Paar, an dem die "Direktion" ebenfalls ein Versäumnis gutzumachen hat, seine Chance wahrzunehmen. Hier scheint der Schlüssel zu liegen, Sartres Drehbuch - das auf den ersten Blick deterministisch erscheint - selbst als ein literarisches Spiel zu deuten, das mit den Ideen des Determinismus und Existentialismus spielt, denn natürlich ist im existentialistischen Sinn Sartres das Spiel nie aus, besteht die Chance, determinierende Strukturen und Automatismen zu durchbrechenund trotz gesellschaftlicher Zwänge immer wieder neu zu beginnen.



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    Und???
    Ich bin jetzt auf Seite 70, habe also gut die Hälfte hinter mir. Bis jetzt finde ich das Ganze sehr gut geschrieben, sehr amüsant. Besonders die Stellen am Anfang, wo Pierre und Éve feststellen, dass sie als Tote "durch´s Lben gehen" und von ihren Mitmenschen nicht gesehen werden. Das hat mich sehr an den Film "Ghost" erinnert (obwohl Sartre natürlich eher den Film inspiriert hat als umgekehrt :wink: ).Und als die beiden dann zu dieser Verwaltungsstelle mussten, um ihren Tod noch einmal zu unterschreiben und dann zu einer bestimmten Tür (sehr symbolisch), nämlich nicht der Tür, durch die sie hereingekommen sind, herausgehen müssen. Und später, nachdem sie sich kennengelernt haben, stellen wir fest, dass von dieser Verwaltung, also quasi einer übergeordneten Instanz, einer tiefen und sehr lauten Stimme nämlich, angeordnet wird, dass eben gerade diese Zwei noch einmal unter die Lebenden zurückkehren dürfen.
    Weiter bin ich noch nicht, es zieht mich aber jetzt schon förmlich wieder auf´s Sofa, so gespannt bin ich.
    Und man merkt, dass Sartre aus dem Buch einen Film machen wollte, nicht?
    Viele Grüsse, Nele

  • Hallo,


    ich bin sogar schon etwas weitergekommen, obwohl ich das Buch heute erst im Zug angefangen habe. Aber es lässt sich ja sehr sehr flüssig lesen. Deshalb bin ich schon auf Seite 86 und Éve und Pierre sind bereits wiedergeboren.


    Mich hat das Buch bisher übrigens auch an einen Film erinnert: An Sixth Sense. Am Anfang ist den Toten nicht bewusst, dass sie tot sind. Sie wandeln durch die Welt an den Lebenden vorbei und wundern sich, dass sie nicht beachtet werden. Ein bißchen unheimlich, wenn man sich vorstellt, dass man von Toten umgeben ist, aber andererseits auch sehr schön, weil man dann gewiss sein kann, dass man Menschen wiedertrifft, die man mal geliebt hat (das passiert ja auch Ève, als sie zurückkehrt).


    Interessant fand ich auch, dass die Bürokratie sogar vor den Toten nicht Halt macht *gg* Sartre lässt sie tatsächlich ihren Tod unterschreiben!


    Schön war für mich auch die Stelle, als Ève und Pierre die feine Dame und den Arbeiter beobachten und Pierre meint, dass die beiden unterschiedlicher Qualität seien und aneinander vorbeilaufen würden, obwohl sie füreinander bestimmt sein könnten.


    Ich überlege mir schon die ganze Zeit, ob ich selbst so eine zweite Chance nutzen könnte. Ob man alle Fesseln des Lebens abschütteln kann? Ich bezweifle es ehrlich gesagt.


    Zitat

    Und man merkt, dass Sartre aus dem Buch einen Film machen wollte, nicht?


    Wusste ich gar nicht! Wollte er das?


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo Davor,


    ich glaube, das Buch wird Dir gefallen. Es ist wirklich interessant und spannend und vor allem kann man es in einem Rutsch durchlesen (hätte ich auch getan, aber mein Bus stand dann schon vor unserem Bürogebäude *seufz*). 30 Minuten mehr und ich hätte es nun schon durch.


    Liebe Grüße
    nimue

  • hallo,
    ich bin jetzt mittendrin - habe gerade die stelle gelesen, als pierre von seinen mitverschwoerern abgesetzt wurde.


    ich bin wirklich ganz begeistert - ich mag sartre sowieso sehr (obwohl ich mich bisher nur im zusammenhang mit simone de beauvoir beschaeftigt habe)


    ich finde es so suess, wie eve immer voller vertrauen und ueberzeugung an sie beide glaubt. wie klar sie der wahrheit ins auge blickt und voller optimismus an ihr leben mit pierre denkt.


    ihre schwester finde ich allerdings ganz schoen nervig - wie auch den rest ihrer umgebung (die "amazone" etc.). :arrow: furchtbare menschen!


    ich finde, das sartre ganz wunderbar schreibt; so plastisch! ich musste auch gleich denken: mensch, das waere ein toller film.


    die idee von all den toten umgeben zu sein .... ich weiss nicht, auf der einen seite ist es schoen, auf der anderen aber auch eher schrecklich. dass hiesse ja, dass man nie allein ist ... und ich glaube, es waere - fuer die toten - nach einer gewissen zeit auch sehr langweilig + auch deprimierend. wenn sie sehen, dass ihre nachfahren gar nicht mehr an sie denken etc.


    hm, ich hoffe jedenfalls heute noch zum ende zu kommen und melde mich morgen noch einmal!


    doro
    xxx

  • Hallo Ihr Lieben,


    Zu Kindler´s Neues Literaturlexikon:


    Keine ganz grosse Weisheit, oder? :wink: Darauf sind bestimmt auch schon alle gekommen. Naja.
    Ich fand das Buch trotzdem sehr schön zu lesen und für die damalige Zeit auch vom Inhalt her sehr gut.
    Als erstes hat sich mir gleich die, zugegebenermassen etwas überflüssige :lol: Frage gestellt, wie die ganzen Toten eigentlich irgendwann eigentlich mal in unsere Welt passen sollen, es werden ja immer mehr.
    Ausserdem habe ich noch einige Unregelmässigkeiten festgestellt, die ihre Eigenschaften betreffen: Der Greis ist ja einmal komplett durch ein Auto durchgelaufen, vor dem Pierre, mangels Erfahrung, zurückspringt. Später kann er aber, als er an der Tür zu dem Treffen seiner Mitverschwörer horcht, diese nicht durchdringen.
    Traurig fand ich, dass die beiden sich später auch im Reich der Toten so getrennt haben, als wären sie nie zusammen gewesen, als würde nichts sie verbinden. Sie hätten ja wenigstens gute Freunde bleiben können, wenn sie auch resigniert haben. :wink: So als Happy End für mich. Obwohl mir das gerade schon am Rand zum Kitsch erschien, wie die beiden das Mädchen gerettet haben. Von daher- vielleicht war es doch ein besserer Schluss so wie er ist.


    Was sagt Ihr zu dem Buch?
    Viele Grüsse von Nele (mit wunden Fingern vom Tippen)

  • hallo,


    ich bin auch etwas enttaeuscht vom ende. allerdings kann ich schon verstehen, warum sie sich so foermlich trennen. immerhin haben sie ihr schicksal einfach weggeworfen. ich denke, daran will man auch nicht immer erinnert werden, wenn man sich dauernd sieht.


    was mich so traurig macht ist die dummheit von pierre - der ueberhaupt nichts begriffen hat.
    das stoert mich etwas an der interpretation aus dem literaturlexikon. ich hatte nicht das gefuehl, das "Ève ganz von der Verpflichtung gegenüber ihrer Schwester" erfuellt ist. am anfang - ja, aber nachdem sie mit pierre gegangen ist, steht sie - meiner meinung nach - ganz bei ihm.


    immerhin ist eve ja spaeter nur zu ihrer schwester und andré gegangen, als klar war, das pierre zu seinen verschwoerern gehen wuerde. ich glaube, ihr war ihr eigenes leben wichtiger. es war dann nur ein letzter versuch - weil sie wusste, dass es, wenn pierre nicht zurueckkaeme, sowieso vorbei waere. und was sollte sie schon alleine waehrend dieser zeit tun? pierre liess sich ja in keinster weise von eve ueberzeugen.


    sehe ich das falsch?? ich weiss nicht - so wirkte es jedenfalls auf mich.


    uebrigens, nele, ich habe das gleiche gedacht: es muss furchtbar voll auf der erde sein, wenn saemtliche toten dort "herumgeistern"
    :lol:


    aber ernsthaft: ich fand das buch ganz wunderbar + bin froh, es durch dieses forum doch endlich gelesen zu haben .... :)


    viele gruesse + euch allen ein schoenes wochenende!
    doro
    xxx

  • Hallo


    Ich lese zwar nicht mit, weil ich immer noch mit dem "Don Quijote" beschäftigt bin, verfolge aber interessiert eure Beiträge. Schon öfter wurde geschrieben, daß sich das Buch sehr zur Verfilmung eignen würde. Ich habe das Buch zwar noch nicht gelesen, soviel ich aber weiß, hat Sartre es aber auch als Filmerzählung konzipiert. Der Film wurde 1947 von Jean Delannoy inszeniert und lief auch bei uns vor nicht allzu langer Zeit im Fernsehen, auf ARTE. Der Film hat mich sehr beeindruckt, und obwohl ich ja normalerweise mit Literaturverfilmungen eher etwas auf Kriegsfuß stehe, hatte ich den Eindruck, daß der "Geist" des Buches sehr gut rüberkommt. Jedenfalls hat mir die Verfilmung große Lust gemacht, auch mal das Buch zu lesen - und eure Beiträge jetzt erst recht. Sobald ich mit dem "Don Quijote" fertig bin, werde ich das mal tun. Allzu dick scheint es ja nicht zu sein.


    Danke für die Anregung.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen!


    Tja, da habt Ihr mich abgehängt. (Is' aber auch unfair: aufm Weg zur Arbeit lesen! *g*)


    Im Ernst: Einerseits hat mich meine Buchhandlung eiskalt im Stich gelassen, was ich sonst nicht von ihr kenne, andererseits ist seit Donnerstag die ganze Familie krank, und als einzig Gesunder hatte ich anderes zu tun, als zu lesen. Ich werde den Sartre aber noch a.s.a.p. nachholen und meine Eindrücke posten.


    Vielleicht klappt's nächstes Mal besser...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallihallo,


    enttäuscht war ich überhaupt nicht von dem Ende. Ich hatte nie einen schnulzigen, positiveren Schluß - ein Happy End - erwartet.


    Mit der Definition vom Literaturlexikon bin ich auch nicht so ganz einverstanden, weil ich auch finde, daß Ève diejenige war, die sich für die Liebe entschieden hatte und nicht für die Verpflichtungen. Pierre war derjenige, der alles zerstört hat.


    Ich versuche jetzt mal ein paar Gedanken in Worte zu fassen. Meiner Meinung nach handelt die Geschichte davon, daß es Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind. Das bedeutet jedoch noch nicht, daß sie nichts dafür tun müssen und daß alleine nur die Liebe zählt. Außerdem glaube ich auch nicht, daß die beiden so etwas wie Liebe empfunden haben. Vielmehr eine gegenseitige Anziehung, die vielleicht nur aufgrund ihrer Bestimmung vorhanden war.


    Interessant fand ich, daß diese Anziehungskraft im Reich der Toten sehr viel stärker zwischen den beiden bestand. Als sie wieder lebten, waren sie einander fremd, mussten sich erst beschnuppern und kennenlernen.


    Übrigens finde ich nicht, daß sie ihr Schicksal weggeworfen haben. Sartre hat das doch eigentlich sehr schön gelöst. Ich empfand jedenfalls keinen Verlust am Ende des Buches, sondern eher Nüchternheit. Vielleicht haben die beiden ihre Liebe zueinander nicht gefunden, aber keiner von beiden schien mir darunter sehr zu leiden.


    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich diese Chance ergriffen hätte. Stellt euch nur mal vor: Menschen, die ihr im Leben geliebt habt, schweben nun in großer Gefahr und ihr müsst euch entscheiden zwischen der Liebe zu einem "Fremden" oder der Möglichkeit, eure Kinder, euren Mann, eure Frau zu retten. Ich glaube, daß ich mich für letzteres entschieden hätte. Allerdings hätte ich diese Menschen dann aufgegeben, wenn sie sich so aufgeführt hätten wie die Leute im Buch.


    Ein weiterer Gedanke: Eigentlich war von vornherein klar, daß die beiden mit ihrer Rettungsmission scheitern mussten. Sie konnten nicht in den Lauf der Dinge eingreifen, sondern lebten nur wieder, um sich zu finden. Lucette und die Verschwörer streubten sich und _wollten_ nicht gerettet werden. Es war Pierre und Ève unmöglich, die Vorhersehung zu ändern. Trotzdem muß ich nochmal sagen: Auch ich hätte es versucht.


    Klar, daß es furchtbar voll auf der Erde sein müsste - der Gedanke kam mir auch irgendwann, aber ich denke, das ist für das Buch - genauso wie die Logik über das Verhalten der Geister - nicht wirklich relevant.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo,
    klar ist der Gedanke, dass es auf der erde ganz schön voll sein müsste mit all den Toten, nicht relevant für den hergang der Geschichte, aber er kam anscheinend fast allen beim Lesen, deswegen war es einfach witzig.
    Also, enttäuscht war ich auch nicht vom Ende, im Gegenteil, ein schnulziges Sich-in-den-Armen-liegen hätte viel kaputt gemacht von der Stimmung des Buches. Ich fand es nur erstaunlich, dass sich die Zwei einfach so, ohne sich wenigstens für die Zukunft mal verabredet zu haben, trennten und ihrer Wege gingen. Da habe ich bei mir gedacht, dass das mit der grossen Liebe ja wirklich nicht so weit her sein kann. Ich denke auch, dass das mehr auf gegenseitiger Anziehung beruhte, besonders unter den ungewohnten Umständen. Das ist ja auch oft im wirklichen Leben so, dass eine vermeintliche Liebe (z.B. eine Urlaubsliebe oder so) im Alltag nicht Bestand hat. Genauso muss es auch bei Pierre und Ève gewesen sein. Ich hätte jedoch wahrscheinlich genauso gehandelt wie die beiden, es sei denn, ich hätte wirklich gespürt, dass Pierre der Mann meines Lebens gewesen wäre.
    Und so kam dann am Schluss die grosse Ernüchterung.


    Mit der Definition vom Literaturlexikon bin ich auch nicht so ganz einverstanden, weil ich auch finde, daß Ève diejenige war, die sich für die Liebe entschieden hatte und nicht für die Verpflichtungen. Pierre war derjenige, der alles zerstört hat. Das sehe ich genauso, Ève hatte einfach die grössere Phantasie und Vorstellungskraft. Ich denke auch, dass sie in ihrem Leben einfach viel weniger kämpfen musste, für das, was sie wurde. Pierre musste kämpfen, sich alles erarbeiten und konnte deshalb auch viel schlechter loslassen (bzw. gar nicht). Liebe hat auch viel mit Gemeinsamkeit zu tun. Im Reich der Toten hatten sie etwas gemeinsam, nämlich den Tod. Als sie wieder unter den Lebenden waren, verschwammen die Gemeinsamkeiten angesichts der Tatsachen, die beiden im vorherigen Leben wichtig gewesen waren.


    Zitat

    Ein weiterer Gedanke: Eigentlich war von vornherein klar, daß die beiden mit ihrer Rettungsmission scheitern mussten. Sie konnten nicht in den Lauf der Dinge eingreifen, sondern lebten nur wieder, um sich zu finden.


    Ja, das stimmt - um mit so etwas erfolgreich zu sein, müssen eben alle am gleichen Strang ziehen, nicht nur zwei. Der Sinn, dass die beiden noch einmal leben durften, war, dass sie sich ja vorher nie begegnet waren, d.h., ihre Liebe ja nie eine Chance hatte. Sie hatten beide die Möglichkeit, diese Chance zu ergreifen.


    Ich glaube, Sartre ist sehr realistisch gewesen und ein guter Gedanke ist, dass er auch aufzeigen wollte, wie Du sagst, Nimue, dass es nicht genügt, wenn die Liebe zwischen zwei Menschen besteht, sondern dass jeder aktiv etwas dazu tun muss, damit diese Liebe unter allen Umständen bestand hat.
    Auf jeden Fall ein tolles Buch, vor allem mit unserer Diskussion hier.
    Das Literaturlexikon allein hat mich ja nicht vom Hocker gerissen. Allein die Zusammenfassung fand ich schon relativ schlecht geschrieben. Ich hätte mir wahrscheinlich so meine Gedanken gemacht nach der Lektüre, aber weniger intensiv als mit Euch. Da sieht man mal, was Gemeinsam Lesen so alles bewirken kann... :wink:
    Viele Grüsse,
    Nele *dieamFreitagindenUrlaubfliegtundzweiWochenaussetzenmussfallsIhrwasNeueslest*

  • Hallo zusammen


    OK, ich habe nun wenigstens bis S. 96 gelesen (und ein bisschen vorgeblättert...) und war eigentlich positiv überrascht. Ich habe seit Jahren keinen Sartre mehr gelesen, und hatte ihn - im Gegensatz zu Camus - viel pessismistischer in Erinnerung, als er sich hier gezeigt hat.


    Mir ist v.a. aufgefallen, dass der deutsche Titel eigentlich falsch ist. "Les jeux sont faits" heisst nicht "Das Spiel ist aus". Es ist, was der Croupier beim Roulette ruft, und dann hinzufügt: "Rien ne va plus!" Also: Die Einsätze sind gemacht, nichts kann/darf mehr geändert werden. Und das ist offenbar die Erfahrung, die Ève und Pierre machen: Wenn die Kugel rollt, und Du nur 24h Zeit hast, kannst Du Deinen (Lebens-)Einsatz nicht mehr ändern. "Das Spiel ist aus" würde heissen, dass man verloren hat. Im Moment, wo die Kugel rollt, weiss man das aber noch nicht. Die Gewinnchancen im Roulette sind allerdings klein...


    Woraus sich für mich die Konsequenz ergibt, dass man halt seinen Einsatz vorher gründlich überlegen soll. (Immer mit dem Vorbehalt im Hinterkopf, dass man halt letztlich nicht weiss, wohin die Kugel rollt...) Ich habe, wie sonst nie bei Sartre, oft an Camus' Sysiphus denken müssen.


    Hoffentlich komme ich heute anbend zum Fertiglesen...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hi!


    Bin immer noch nicht fertig, habe offenbar nicht so viel Zeit wie Ihr zum Lesen. Sniff. Werd's zwar diese Wochenende wohl noch schaffen, "Les jeux sont faits" fertig zu lesen. Soweit ich Eure Postings durchgelesen haben, gibt's aber für mich wohl eh nix Neues mehr zu sagen. Werd' mich dann auch aus dem «Gemeinsamen Lesen» wieder ausklinken. Auf mich wartet immer noch der Börne zum Fertiglesen. Nachher werde ich mit Sartre weiterfahren - Das Sein und das Nichts.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    das ist ja sehr interessant. Der deutsche Titel ist dann ja wirklich sehr frei übersetzt. Da Du anscheinend gut französisch kannst: Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob die Straße bzw. der Name der Straße, die sie nach ihrem Tod aufsuchen, eine Bedeutung haben mag? Kannst Du mir da weiterhelfen?


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo!


    Nimue, Du fragst: " Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob die Straße bzw. der Name der Straße, die sie nach ihrem Tod aufsuchen, eine Bedeutung haben mag?" - Nicht, dass ich wüsste. Und meine Wörterbucher geben auch keine Auskunft. Bin aber kein Sartre-Spezialist...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus