Ich bin bis zum 9. Gesang vorgestoßen.
Losgelöst von der Lesechronologie lohnt es, ein wenig über Miltons Paradiesbeschreibung und Naturschilderungen nachzudenken. Das Wort "Paradies" ist nach meinen Recherchen altpersischen Ursprungs und bezeichnet einen umzäunten Garten und/oder Tierpark. Viele Kulturen verbanden und verbinden damit die Vorstellung eines Jenseitsorts, der innere Ruhe, Überfluss und Genüsse aller Art verspricht. Die monotheistischen Religionen machten daraus eine Sphäre, die man nur nach einem tugendhaft absolvierten Leben erreichen kann.
Miltons Paradies ist auch ein mythischer Ort, ein Platz göttlicher Ordnung und ursprünglicher Unverdorbenheit. Was mir jedoch auffiel: Die Beschreibungen evozieren eine ungezähmte tropische Dschungelwildnis, eine Landschaft wilder (Natur)Exzesse. Dieses "Herz der Finsternis" (Conrad kann einem durchaus in den Sinn kommen ...) hat der kultivierte Engländer des 17. Jahrhunderts eigentlich zutiefst verabscheut (man werfe nur einen Blick auf die durchgestylten Parks jener Zeit). Milton entwirft sein Paradies also nicht als wunderbaren "Barock-Themenpark" oder eine Art christianisiertes Arkadien, mit putzigen Schäfchen, lieblichen Olivenhainen und sanft geschwungenen Hügeln, sondern als ein Stück Natur, das in der damaligen Zeit eher als Bedrohung, ganz gewiss aber nicht als Ort des Heils und der Glückseligkeit empfunden wurde. Das kann eigentlich nur eines bedeuten: Milton war seinen Zeitgenossen in Sachen Naturverständnis um Jahrhunderte voraus.
Wenn wir einen Blick auf die Menschen des Paradieses werfen, also auf Adam und Eva, dann fehlt nicht der bekannte biblische Hinweis, der Mensch solle sich die Natur Untertan machen. Milton (bzw. der Engel Raphael) verbindet dies allerdings mit der Mahnung, sorgsam und kultiviert mit der Schöpfung und all dem paradiesischen Überfluss umzugehen. Auch das klingt doch wie ein Broschüre der frühen "Grünen"!
Milton als Visionär in Sachen Ökologie? Warum eigentlich nicht ...
Es grüßt
Tom