Beiträge von Zefira

    Ich habe mit "Nie wieder Höhenluft" von Octave Mirbeau angefangen und tue mich etwas schwer damit, weil das Buch voller Anspielungen auf Zeitgenossen steckt - Politiker, Theaterleute, Ärzte etc. -, deren Namen mir nichts sagen. Das Buch hat zwar erklärende Anmerkungen im Anhang, trotzdem ist die Lesefreude bei mir nicht so, wie sie für echte Kenner der Epoche und Gesellschaft wäre.

    Das das Buch sehr episodisch geschrieben ist, kann ich gut hin und wieder mal ein paar Kapitel lesen. Einiges ist sehr vergnüglich.

    Den zweiten Teil des Romans fand ich weniger reizvoll. Rudolph verschreibt seine Seele dem Beelzebub und damit hebt der Erzähler penetrant den Zeigefinger. Sowohl die Plotstruktur als auch der Erzählton ähneln immer mehr Lewis' "Mönch" - eine Passage etwa, in der eine Frau während eines hysterischen Anfalls "ungewollt ihre Reize enthüllt", könnte direkt aus Lewis' Feder stammen. Übrigens heißt es auch in dem Wiki-Artikel zu Lewis, er sei "von deutschen Trivialautoren vom Schlage eines Christian Heinrich Spieß beeinflusst".


    Ein nettes Zitat: Rudolph schachert mit Beelzebub um die verbleibende Zeit seiner Lebensjahre. Beelzebub will seine Seele in zwölf Jahren einheimsen, Rudolph verlangt vierzig. Beelzebub darauf: "Solch einen Termin gibt der Elendeste meiner Teufel nicht, geschweige denn ihr Oberster. Guter Freund, die Ware (gemeint ist die Seele) ist nicht mehr so theuer; man kann sie wohlfeiler haben.(...) Die Wollust und der Luxus sind gute Kunden, sie versehen mich hinlänglich. Krieg und Faustrecht schleppt mir auch genug zu, und in Zukunft wird es noch besser werden. Ehe noch fünfhundert Jahre vergehen, wird man Seelen umsonst haben und nicht zu kaufen brauchen; da werden die Leute keinen Gott mehr glauben und meinen Teufeln selbst in die Klauen laufen."

    Ich lese gerade mit großer Freude diesen Roman aus dem Jahr 1791, auf den ich durch Zufall gestoßen bin.

    Das Petermännchen ist eine Art Hausgeist, der in der Familie des Hauptprotagonisten, des Ritters Rudoph, seit langer Zeit auftritt. Rudolph macht sich den kleinen Geist gefügig und erbittet bzw. verlangt von ihm alle möglichen Dienste, vor allem bei seinen Liebeshändeln. Amüsant ist, dass das Petermännchen verheiratet ist mit einem Peterweibchen, aber von diesem getrennt und verfeindet lebt. Auch das Peterweibchen steht Rudolph zu Diensten, versucht aber gleichzeitig das Petermännchen auszustechen. Die beiden versehen Rudolph mit allen möglichen zauberischen Gegenständen, z.B. einem Gürtel, der vor sexueller Versuchung schützt, und einem Hut, der unverwundbar macht; liegen dabei aber ständig in Konkurrenz und versuchen ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Rudolph will es mit beiden nicht verderben und laviert immer hin und her.


    Die menschlichen Protagonisten - Rudolph und seine verschiedenen Geliebten - erscheinen von ihren Leidenschaften getrieben und wenig vernünftig. Rudolph fühlt sich zu immer neuen Frauen hingezogen und muss im zweiten Teil sogar seine Seele dem Teufel verkaufen. In manchen Punkten erinnert der Plot an den berühmten Schauerroman "Der Mönch", der 1796 erschien. Allerdings moralisiert Spieß sehr viel weniger als der Autor des "Mönch" und hat auch wesentlich mehr Humor. Ich kann das Buch empfehlen. Bin noch nicht ganz durch und sehr gespannt, wie es ausgeht.

    Um es zu präzisieren (wenn ich darf, denn wie gesagt habe ich das Buch von M.M. immer noch nicht gelesen, es steht auf der Liste):

    Die Informationsgesellschaft ändert die menschliche Natur nicht. Das ist manchmal schwer zu verstehen.

    Ich habe - um ein Beispiel zu nennen, das mit den Zuständen in Deutschland nichts zu tun hat - irgendwann in den Siebzigern, als die "Emma" gegründet wurde, in einer Ausgabe zum ersten Mal von Genitalverstümmelung an Frauen gelesen. Damals hieß es, das Thema würde totgeschwiegen. Heute gilt das mit Sicherheit nicht mehr. Es gibt prominente Frauen und etliche politische und humanitäre Institutionen, die sich mit dem Thema befassen, aufklären, anprangern.
    Ich war dreimal in Afrika und sah dort Massai in traditioneller Kleidung (Tücher, Schuhe aus Autoreifen, Speer) mit schicken Smartphones hantieren. Keiner von ihnen kann da noch behaupten, er wisse von nichts, wie es in der Welt zugeht. Trotzdem werden die Frauen immer noch verstümmelt. Daran ändert die ungebremste Verbreitung von Information "in Echtzeit" nichts; weder die Verbreitung der Meinung des Großteils der Welt zu diesem Thema noch medizinische Aufklärung, auch wenn wir uns das oft wünschen würden. Kurz gesagt, früher wussten die Leute es nicht besser und machten es, heute könnten sie es besser wissen und machen es trotzdem; und überdies sehe ich mich durch die Medien immer wieder (wesentlich öfter als früher) mit diesem quälenden Thema konfrontiert.
    Genau dieser Umstand ist es, mit dem ich sehr schwer umgehen kann, und das gilt für viele meiner Generation. (Allgemein gesprochen natürlich, nicht nur in bezug auf die Genitalverstümmelung.)

    Schon die alten Griechen fanden, dass die Welt in ihrer Jugend schöner und besser gewesen sei...


    Und dass die Jugend keinen Respekt vor dem Alter hätte, ich weiß.

    Was ich über die heutige Popmusik so zu sagen hätte, klingt auch nicht viel anders als das, was meine Mutter in den Siebzigern über die Musik der Stones sagte.

    Und man muss ja auch mal das Positive sehen; ich weiß noch, wie stolz wir Teenager auf unsere mühsam ergatterten Baumwollblusen aus Indien waren - das war damals so eine Art Szenemode. Heute bestelle ich mir ganz locker meine Stoffe zum Nähen meiner Kleidung aus Hongkong. Schon mehrmals. Wenn mir das damals jemand gesagt hätte ...
    In den Neunzigern, als ich Internet bekam, habe ich mich im Forum des Literaturcafés angemeldet, das gab es damals noch. Der Tag, an dem ich mich anmeldete, war mein Geburtstag. Ich bekam "in Echtzeit" einen Geburtstagsglückwunsch von den Philippinen. Das konnte ich damals gar nicht fassen.

    ... da wird spätestens auch dem letzten Leser klar: Ja, früher war alles besser. Im oben zitierten Text weist Kaube darauf hin, wie befremdlich solche Äußerungen gerade aus dem Mund einer Generation klingen, die noch mit den Morden der RAF, dem Kalten Krieg und der Ölkrise erwachsen wurden. Aggressive Nostalgie nennt er das.


    Ich beschäftige mich oft gedanklich mit diesem Punkt, weil meine eigenen Töchter - 31 und 28 Jahre alt - meine Sorgen über den Zustand unseres Landes nicht recht nachvollziehen können, außer vielleicht was die Umweltverschmutzung und verwandte Themen angeht. Dafür hat mich meine Jüngere schon mehrmals gefragt, ob ich in meiner eigenen Jugend nicht ständig Angst vor der Atombombe gehabt hätte.

    Hatte ich nicht - ich hatte überhaupt sehr viel weniger Angst als jetzt. Mir scheint, wir hätten damals auf einer Insel der Seligen gelebt. Wie gesagt, ich frage mich oft, ob ich womöglich die erkannten Veränderungen irgendwie verzerrt wahrnehme.

    Ich habe beim Aufräumen im Keller "Berlin Alexanderplatz" gefunden. Wusste gar nicht, dass ich das besitze! Wahrscheinlich ist es aus dem Nachlass meiner Eltern zu mir ins Haus gewandert.

    Meine derzeitige Lektüre, ein Nichtklassiker, aber m.E. erwähnenswert: "Die Quelle" von Catherine Chanter. Es geht um eine weltweite Dürre; nirgends regnet es mehr ausreichend, nur auf dem (gerade erst gekauften) Bauernhof der Erzählerin Ruth gibt es Wasser satt. Das erregt nat+rlich Neid und und Verdächtigungen. Mir fällt andererseits auf, dass von Anfang an Ruth und ihr Mann Mark wenig Gemeinsinn zeigen und alles tun, heranpilgernde Hilfesuchende draußen zu halten, und sei es mit Stacheldraht. Eine Parabel wie etwa "Animal Farm" ist das Buch wahrscheinlich nicht, dafür ist die Handlung zu kompliziert. Ich habe bisher ungeführ die Hälfte gelesen, aber dass alles in einer Katastrophe endet, weiß ich bereits.

    Bin gerade in Kapitel 21 (zweiter Teil) auf folgenden Absatz gestoßen; der Schauplatz ist, wenn ich richtig verstanden habe, die Verhandlung der Maslowa-Sache vor dem Kassationsgericht:


    ... und kamen ins Gespräch über einen Fall,der damals (...) alle Petersburger beschäftigte. Es war die Sache eines Departementsdirektors, der des Verbrechens, das im Artikel 995 vorgesehen ist, überführt worden war.

    "Wie abscheulich", sagte mit Ekel Bee.

    "Was ist denn dabei so Schlimmes. Ich möche Sie in unserer Literatur auf das Projekt eines deutschen Schriftstellers hinweisen, der geradezu vorschlägt, so etwas nicht mehr für ein Verbrechen zu halten, so dass die Ehe zwischen Männern möglich wäre", sagte Skoworodnikow (...).

    "Aber das ist doch unmöglich", sagte Bee.


    Worum es geht, ist hinreichend klar, aber gibt es dieses "Projekt eines deutschen Schriftstellers" wirklich und wenn ja, wer war das? Hat jemand eine Ahnung?



    Ich habe mir den MoE mal auf dem Flohmarkt für einen Euro gekauft. Seitdem liegt das Buch hier. Ich erinnere mich noch an die Reaktion meines Vaters, der damals noch lebte: "Willst du dir das wirklich antun?"

    Eine recht belesene Bekannte, die ich aus einem anderen Forum kenne, riet mir zu. Sie selbst hätte das Buch in der Straßenbahn gelesen. Jeden Tag ein paar Seiten. Hat gedauert, gefiel ihr aber gut.

    Ich bin noch am Überlegen, welchen Brocken ich zuerst wälze - den MoE oder die Strudlhofstiege.

    Hab ich leider nicht. Ich habe versucht, die tschechische Wikiseite zum Autor von Google übersetzen zu lassen, vielleicht probiere ich es nachher noch mal, wenn ich einen besseren Übersetzungsdienst finde. Immerhin gibt es von dem Autor noch mindestens ein weiteres Buch in Deutsch, "Petroleumlampen", das ein ähnlich düsteres Thema zu haben scheint.

    Gelesen für den Klassiker-Forumswettbewerb 2018. - ein nett gebundener Roman mit acht gruseligen Illustrationen von G. Böttger.


    Der Ich-Erzähler Petr Švajcar stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Er schafft es durch Glück und Berechnung, die reiche Fabrikantentochter Sonja Hajn zu heiraten. Im Haushalt der Hajns, in dem das junge Paar lebt, gibt es einen geisteskranken Onkel namens Cyril, der sich einbildet, unsichtbar zu sein. Er hält sich für allmächtig und stiftet ständig Unruhe. Nach Sonjas Heirat richtet er ein eigensinniges sexuelles Interesse auf die junge Frau und bringt es einmal um ein Haar fertig, sie zu vergewaltigen. Fortan ist Sonja überzeugt, das Kind, das sie erwartet, sei nicht von ihrem Mann, sondern vom Onkel. Ihre wachsende Verwirrung führt dazu, dass man ihr das Kind nach der Geburt wegnehmen muss, was sie vollends in den Wahnsinn treibt. Der Erzähler Švajcar nimmt bis zu diesem Zeitpunkt alles, was geschieht, mit Gleichmut hin, in der Hoffnung, dass er eines Tages in diesem Clan das Sagen haben wird. Er treibt Sonjas nachgiebigen Vater aus der Fabrik und übernimmt selbst das Ruder, er sorgt dafür, dass Sonja weggesperrt wird etc. Alles soll für seinen Sohn sein: „Zuerst werde ich ihn zur Reinlichkeit und Zartheit anhalten, dann zur Wahrheitsliebe, zum Stolz und zur Standhaftigkeit, schließlich zum Fleiß und zum Studieren. (…) Er wird nicht geduldeter Gast in besseren Familien sein …“ Für die Mutter des Kindes, die ihren Zweck mit der Geburt erfüllt hat, empfindet er keine Liebe, nicht einmal Mitgefühl.


    Da Petr Švajcar all dies aus der Rückschau erzählt und schon im Eingangskapitel bekennt, dass er nunmehr, elf Jahre später, völlig allein ist (und nicht einmal wohlhabend), weiß der Leser von Anfang an, dass seine Pläne scheitern werden. Die Geschichte ist recht spannend, aber wegen der Persönlichkeit des Erzählers eher unangenehm zu lesen. Immer wieder betont Švajcar, dass ihm alle anderen Menschen völlig gleichgültig seien; für seine Ehefrau Sonja (selbst zum Zeitpunkt der Hochzeit, als sie durchaus vernünftig und liebeswert erscheint) findet er kaum ein freundliches Wort. Die Eckpunkte des Verhängnisses sind zu erkennen: hätte zum Beispiel das junge Paar eine eigene Wohnung genommen, statt in der Villa Hajn zu leben, oder hätte der Erzähler während Sonjas Schwangerschaft mehr Einfühlung gezeigt, hätte hätte Fahrradkätte - wäre vielleicht alles anders gekommen – der Leser kann nicht umhin, sich solche Gedanken zu machen, aber der Erzähler weist all dies von sich: „Wo ich hingelangt bin, bin ich nicht durch eigene Schuld hingelangt!“

    An allem Unheil, resümiert er zum Schluss, ist der Unsichtbare schuld, der Wahnsinn in der Familie und das Schicksal.


    „Der Unsichtbare“ erschien erstmals 1937. Vielleicht hat Havlíček ein Sinnbild für den Verfall der großbürgerlichen Kultur schaffen wollen – wobei, sinnbildlich, die nachdrängende Arbeiterklasse ebenfalls scheitert. Leider habe ich weder über en Autor noch über das Buch Näheres erfahren können. Ich empfehle es auch nicht unbedingt zum Nachlesen. Aber interessant ist es allemal.

    Ich war verreist - gerade eben zurück - und habe die halbgelesene "Auferstehung" nicht mitgehabt, dafür aber eines der Bücher von meiner Klassikerforums-Wettbewerbsliste. Werde es demnächst vorstellen.

    Ich habe den ersten Teil inzwischen fertig gelesen und war mehrmals beeindruckt von Nechljudows Energie, mit der er von Pontius zu Pilatus läuft, um für "die Maslowa" bzw. auch für andere Gefängnisinsassen etwas zu erreichen. Das ist übrigens ein Motiv, das auch bei Zola sehr oft vorkommt. Jemand will irgendetwas bei einer Behörde erreichen und läuft stundenlang von einer Adresse zur anderen. Bei Zola geht das so weit, dass seine Protagonisten in Bälle und Gesellschaften eindringen, zu denen sie nicht geladen sind, weil die verzweifelt gesuchte Person dort gerade zu Gast sein soll.

    Vermutlich war das damals gar nichts Besonderes, in den Zeiten vor Telefon und E-Mail.

    Am interessantesten finde ich die Lektüre immer dann, wenn es um N.s persönliche Gefühle geht "... jenes Gefühl, gemischt aus Neugier, Gram, Nichtbegreifenkönnen und moralischer, fast ins Physische gehenden Übelkeit" zum Beispiel, als er realisiert, dass im Nebenzimmer Gefangene gezüchtigt werden. Ich habe versucht, mir dieses Gefühl genau vorzustellen, und finde es sehr fein beschrieben.

    Es ist seltsam, dass der Ostergottesdienst so hervorgehoben wird, während der Gefängnisgottesdienst wie ein schlechtes Theaterstück erscheint.


    Ich komme nur langsam vorwärts, weil ich nebenher noch etwas anderes lese, aber ich bleibe dran.

    Soeben war Nechljudovs Besuch im Gefängnis an der Reihe (Kapitel 43), wieder mal ein Kabinettstück psychologischer Feinbeobachtung. Ich habe großen Respekt vor Nechljudov. Er geht seinen Weg unbeirrt trotz erheblicher Anfechtungen.

    Im meiner Familie gibt es auch so eine Geschichte: Der Bruder meines Mannes (damals waren wir noch nicht verheiratet) starb als 18jähriger unter ungeklärten Umständen, bis heute ist die Familie überzeugt, dass Fremdverschulden im Spiel war, und auch da kam es nie zur Anklage. Leider kann man als Laie nicht viel machen, wenn ein Verfahren einfach eingestellt wird. Ich bekam leider von der Sache kaum etwas mit, war selbst noch Schülerin und erfuhr nur am Rande davon.


    Kommt es aber erstmal zum Gerichtsverfahren, weht ein anderer Wind. Jedenfalls, wie gesagt, wenn es um Schwerverbrechen geht. Da nehmen sich die Gerichte sehr in acht und führen eher endlose Beweisaufnahmen, als ein angreifbares Urteil zu fällen.

    Obwohl ich Jura studiert habe und juristische Spitzfindigkeiten gewohnt bin, ist es mir doch extrem negativ aufgefallen, wie bei einem Nachbarstreit, in den mein Schwiegervater - ein ganz einfacher Mann - verwickelt war, die Anwälte über seinen Kopf hinweg diskutiert haben mit Ausdrücken und Redewendungen, die er nicht verstehen konnte. Ich musste ihm alles hinterher erklären. (Verstanden hat er es trotzdem nicht, aber das gehört nicht hierher ...)

    Noch mehr aufgefallen ist mir bei den Gerichtsszenen aber das offenkundige Desinteresse der Geschworenen - ein Phänomen, das auch oft in zeitgenössischen Krimis auftaucht; ich kenne es aus britischen Justizkrimis der sechziger und siebziger Jahre. Solche Publikationen werfen kein gutes Licht auf Laienrichter allgemein bzw. auf das System.


    Zitat

    ....eine Gründlichkeit bei der Beweisaufnahme an den Tag gelegt wurde, die es unter Umständen in unseren Tagen nicht mehr gibt, da etliche Gerichte hoffnungslos überlastet sind.


    Hier muss ich widersprechen. Das gilt vielleicht für kleinere Prozesse, aber nicht dann, wenn es um Mord und Totschlag geht. Zumindest nach meienr Erfahrung nicht. Richter neigen eher dazu, gerade bei großen Prozessen übervorsichtig zu sein, weil es auch für sie üble Folgen haben kann, wenn ein Urteil in höherer Instanz kassiert wird. Das führt zu immer längeren Wartefristen, aber schlampig gearbeitet wird meiner Meinung nach nicht.

    Von der - ich nenne es mal so - Unsitte, neugeborene Kinder einfach dem Tod durch Vernachlässigung anheimzugeben, habe ich schon öfter gelesen. Zola erwähnt in mindestens einem seiner Romane (leider weiß ich nichts Genaueres mehr), wie Pariser Arbeiterfrauen ihre Kinder "zu einer Amme aufs Land geben", wo sie mangels Pflege in kurzer Zeit zugrunde gehen. Auch in Süskinds "Parfum" ist davon die Rede, dass Grenouilles Mutter ihre Neugeborenen einfach auf den Fischabfällen liegen lässt.

    Ich wage mal die These - angesichts der Kindersterblichkeit vergangener Zeiten (Goya zum Beispiel hatte zwanzig Kinder, von denen nur eines das Erwachsenenalter erreichte) konnte man sich das, was wir heute unter Mutterliebe verstehen, oft gar nicht leisten, wenn man psychisch überleben wollte. (Mit "man" meine ich hier eher die Frauen ....)

    Oh, ich glaube, das muss ich auch mal lesen.

    Hab es ja hier liegen, in einem Schuber zusammen mit ein paar anderen Sachen von Roth ...

    Der Stapel Bücher, die ich unbedingt ganz bald lesen will, wird immer höher.
    (Dazu kann ich aber zum Glück auch sagen: Nachdem ich von vier Krimis, die ich innerhalb einer Woche bei der Onleihe runtergeladen habe, drei bereits nach dem Lesen der ersten zehn Seiten zurückgegeben habe - ja, es gibt eine vorzeitige Rückgabe bei der Onleihe -, gibts jetzt erstmal definitiv KEINE KRIMIS MEHR!) <X:saint: