Gelesen für den Klassiker-Forumswettbewerb 2018. - ein nett gebundener Roman mit acht gruseligen Illustrationen von G. Böttger.
Der Ich-Erzähler Petr Švajcar stammt aus ärmlichen
Verhältnissen. Er schafft es durch Glück und Berechnung, die reiche
Fabrikantentochter Sonja Hajn zu heiraten. Im Haushalt der Hajns, in dem das
junge Paar lebt, gibt es einen geisteskranken Onkel namens Cyril, der sich
einbildet, unsichtbar zu sein. Er hält sich für allmächtig und stiftet ständig
Unruhe. Nach Sonjas Heirat richtet er ein eigensinniges sexuelles Interesse auf
die junge Frau und bringt es einmal um ein Haar fertig, sie zu vergewaltigen. Fortan ist Sonja überzeugt, das Kind, das sie
erwartet, sei nicht von ihrem Mann, sondern vom Onkel. Ihre wachsende
Verwirrung führt dazu, dass man ihr das Kind nach der Geburt wegnehmen muss,
was sie vollends in den Wahnsinn treibt. Der Erzähler Švajcar nimmt bis zu
diesem Zeitpunkt alles, was geschieht, mit Gleichmut hin, in der Hoffnung, dass
er eines Tages in diesem Clan das Sagen haben wird. Er treibt Sonjas
nachgiebigen Vater aus der Fabrik und übernimmt selbst das Ruder, er sorgt
dafür, dass Sonja weggesperrt wird etc. Alles soll für seinen Sohn sein: „Zuerst
werde ich ihn zur Reinlichkeit und Zartheit anhalten, dann zur Wahrheitsliebe,
zum Stolz und zur Standhaftigkeit, schließlich zum Fleiß und zum Studieren. (…)
Er wird nicht geduldeter Gast in besseren Familien sein …“ Für die Mutter des
Kindes, die ihren Zweck mit der Geburt erfüllt hat, empfindet er keine Liebe,
nicht einmal Mitgefühl.
Da Petr Švajcar all dies aus der Rückschau erzählt und schon
im Eingangskapitel bekennt, dass er nunmehr, elf Jahre später, völlig allein ist
(und nicht einmal wohlhabend), weiß der Leser von Anfang an, dass seine Pläne
scheitern werden. Die Geschichte ist recht spannend, aber wegen der Persönlichkeit des
Erzählers eher unangenehm zu lesen. Immer wieder betont Švajcar, dass ihm alle
anderen Menschen völlig gleichgültig seien; für seine Ehefrau Sonja (selbst zum
Zeitpunkt der Hochzeit, als sie durchaus vernünftig und liebeswert erscheint)
findet er kaum ein freundliches Wort. Die Eckpunkte des Verhängnisses sind zu
erkennen: hätte zum Beispiel das junge Paar eine eigene Wohnung genommen, statt
in der Villa Hajn zu leben, oder hätte der Erzähler während Sonjas
Schwangerschaft mehr Einfühlung gezeigt, hätte hätte Fahrradkätte - wäre vielleicht alles anders gekommen –
der Leser kann nicht umhin, sich solche Gedanken zu machen, aber der Erzähler weist all dies von sich: „Wo ich hingelangt bin, bin
ich nicht durch eigene Schuld hingelangt!“
An allem Unheil, resümiert er zum Schluss, ist der
Unsichtbare schuld, der Wahnsinn in der Familie und das Schicksal.
„Der Unsichtbare“ erschien erstmals 1937. Vielleicht hat Havlíček
ein Sinnbild für den Verfall der großbürgerlichen Kultur schaffen wollen – wobei, sinnbildlich, die nachdrängende Arbeiterklasse ebenfalls scheitert. Leider habe ich weder
über en Autor noch über das Buch Näheres erfahren können. Ich empfehle es auch
nicht unbedingt zum Nachlesen. Aber interessant ist es allemal.