Beiträge von klassikfreund

    Zwei Lyrikerinnen Nora Gomringer und Zsuzsanna Gahse wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.


    Uelzen mit Zsuszanna Gahse. Wer kennt schon Uelzen? Eine Kleinstadt vor den Toren Hamburgs. Mit einem Bahnhof von Hundertwasser gestaltet. Man besuche die öffentlichen (kostenpflichtigen) Toiletten, denn gerade dort gibt es Hundertwasserkunstdetails zu bestaunen. In Uelzen sitzt auch die Werner-Bergengruen-Gesellschaft, ein wenig bekannter deutsch-baltischer Schriftsteller. Eine Jury vergibt jedes Jahr einen Preis, der 2017 an Zsuzsanna Gahse geht. Am Vorabend eine Lesung im Weinkeller. Als ich am Nachmittag in der Weinhandlung nach einer Karte frage, sagte man mir, dass das schwierig sei. Erst später bemerkte ich den norddeutschen Humor dieser Aussage. Ich entgegnete gleich, dass ich mir eine Karte zurücklegen habe lasse und so holte man diese aus dem Tresor. Sollte die Veranstaltung wirklich ausverkauft sein? Ich begab mich rechtzeitig in die Weinhandlung, in dessen Gewölbekeller, Raumhöhe nur etwas über 2m, der Boden mit Holzschnitzel ausgelegt, etwa 50 Stühle standen. Urgemütlich. Der schönste Leseort, den ich bisher hatte. Am Ende waren nur 20 Plätze besetzt. In diesem kleinen Kreis entspann sich eine besondere Atmosphäre zwischen der Autorin und dem Publikum. Gahses Gedichte sind nicht auf Reime angelegt, sie lassen sich fast wie kleine Geschichten lesen. Zwischendurch immer wieder hilfreiche Erläuterungen. Über ihre "Donauwürfel", ein Fluss, den Gahse beeindruckt und den sie literarisch in eine 10 Silben - 10 Zeilenform gegossen hat. Ganz ungeplant gab es dann auch noch eine Lesestelle aus ihrem Roman "Oh, Roman", der leichter konsumierbar ist als ihre Gedichte, die zum Innehalten auffordern. Sie hat auch Esterhazy aus dem Ungarischen übersetzt, oder Peter Nadas, dessen Fotoband ich (von Nadas) signiert dabei habe. Sie hat die Texte dazu ins Deutsche übertragen.


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    Schifferstadt mit Nora Gomringer. Wer kennt schon Schifferstadt? Eine Kleinstadt in der Pfalz, die als deutsche Hochburg des Ringens von sich Reden gemacht hat. Ein kleiner Kuturverein hat es geschafft, Nora Gomringer in eine alte Scheune zu einer Lesung einzuladen. Sehr privater Rahmen mit vielleicht 50 Zuhörern. Gomringer muss man als Leserin erleben, das ist auch der Grund, weshalb ihren Büchern von ihr selbstbesprochene CDs beigelegt werden. Gomringer liest nicht nur, sie spielt ihre Gedichte, sie lautmalert sie. Da kann es dann schon mal eine halbe Minute dauern bis das Wort "langsam" fertig ausgesprochen wird. Ihre Gedichte sind nah am Leben, relativ leicht zu verstehen, ohne allzu viel doppelten Boden. Dennoch oft überraschend. Sie leitet ein Künstlerhaus in Bamberg und schreibt über vielfältige Themen. Für die katholische Kirche schreibt sie Gebete, für einen Schulbuchverlag ein dreiteiliges Gedicht über den Holocaust. Viele ihrer Bände sind in Zusammenarbeit mit einem Illustrator entstanden. Sie lässt keine Themen aus, das Gedicht über den weiblichen Uterus hat ein Gynäkologe gekauft und an seine Praxisdecke pinseln lassen, so dass Frauen nun während der Untersuchung diese ironisch-respektvollen Zeilen lesen können. Oder ein Paartherapeut, der zwei Zeilen eines Paargedichtes an die Wand anbrachte und nun jedes Jahr ein Paar mit dem Sofa davor fotografiert und dieses Foto dann an Frau Gomringer schickt. Sie wechselt die Sujets. Moden, Krankheiten. Eines ihrer Gedichte war Abitur(wahl-)thema. Die meisten Schüler haben dann doch lieber Goethe gewählt. Eine Schülerin rief an und fragte, ob sie das denn richtig interpretiert habe. Gomringer war ganz begeistert. Und rief dann im Kultusministerium an, denn eine Musterlösung war nicht zuvor mit ihr abgesprochen. Und ein kleines Filmchen gab es auch noch. Eine Schriftstellerin, die ich unbedingt live empfehle.


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    Das war ein merkwürdiger Abend. Jakob Augstein und sein Vater Martin Walser lesen aus ihrem Gesprächsbuch "Das Leben wortwörtlich". Ein 350 Seiten langes Gesprächsbuch. Man hätte sich am gestrigen Abend auch einfach über die dort behandelten Themen unterhalten können. Aber nein, beide lesen ihre eigenen Gespräche. Nach wenigen Minuten ist man irritiert, die reden gar nicht miteinander, sie lesen Texte, die wirken als seien sie nicht ihren eigenen Mündern entsprungen. Hölzern und konstruiert wirkt das alles. Da schaut man sich auch beim Lesen nie in die Augen, so weit sind Vater und Sohn voneinander entfernt. Der Inhalt der Lesestellen: Es geht um Liebe und es geht um Politik (der 60er). Augstein sieht sich als Ideengeber, als Konstrukteur für das Buch. Er bringt immer wieder kürzere und längere Zitate aus den verschiedenen Büchern seines Vaters, der sich dann 60 Jahre später nicht weiter verwunderlich über so manchen Satz wundert, den er fabriziert haben soll. Ich bin mir nicht sicher, ob man Walser in diesem Buch wirklich nahe kommen kann. Es soll auch Textstellen über den Tod geben, die hoffentlich nicht ganz so kühl und konstruiert wirken wie die vorgetragenen Textstellen. Die Tagebücher Walsers wirken in den Zitaten viel echter. 200 Zuhörer und ein Fernsehteam waren gestern in Stuttgart dabei.


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    Will man einem Menschen nahe kommen, dann greife man lieber zu Peter Nadas "Aufleuchtende Details", der sehr bewegend aus seiner Kindheit und Jugendzeit berichtet. Schon der Anfang schockiert (wenn auch nicht von ihm in der Lesung vorgetragen, aber man kann das bereits in der Leseprobe lesen), wenn er darüber berichtet, wie der Vater mit der Pistole vor seinen beiden Kindern stand und diese dann doch nicht mit in den Tod nahm. Nadas beschreibt ein Familienleben mit Hauspersonal, lässt auch kleinste Details über die Sonntagssuppe oder die Reinigung der Bettwäsche mit Spermaflecken nicht aus. Und schafft zugleich ein Panorama der Zeit. 1300 Seiten, die ich für eines der wichtigsten Bücher dieses Jahres halte.


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    Schöne Grüße, Thomas

    Es gibt noch einiges aus den letzten Wochen nachzuberichten. Mein Job hat mich daran gehindert, diesen Thread nicht schon früher aufzumachen. Nora Gomringer, Peter Nadas und Zsusanna Gahse waren absolute Highlights in den letzten Wochen und in diesem Jahr insgesamt. Auch darüber schreibe ich noch was.

    Hallo


    da ich deutlich mehr auf Lesungen bin als Bücher im Jahr lese, dieser Thread.


    Heute bin ich bei Martin Walser, der sich mit seinem Sohn Jakob Augstein untrrhält. Moderieren wird Thea Dorn im Stuttgarter Literaturhaus. Es wird die einzige Veranstaltung mit beiden Autoren sein. Ich werde später noch berichten.


    Gruss Thomas

    Hallo,


    der Preisträger steht fest: Eric Vuillard - L'ordre du jour (dt. "Tagesbefehl" - deutsche Übersetzung steht noch aus).


    Interessant die Gedanken des DLF-Redakteurs _vor_ der Preisverleihung. Dirk Fuhrig tippt auf alle möglichen Bücher, den jetzt gekürten Sieger hat er ausgeschlossen:


    http://www.deutschlandfunkkult…ml?dram:article_id=399903


    Hier dann noch über das Gewinnerbuch:


    http://www.deutschlandfunkkult…ml?dram:article_id=399969


    http://www.zeit.de/kultur/lite…literaturpreis-frankreich


    Der zeitgleich vergebene Prix Renautdot ging an Olivier Guez.


    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=400008


    Die deutsche Übersetzung wird wohl bei Matthes & Seitz erscheinen. Man gönnt es dem Verlag, da er auch bisher seine Bücher (sicherlich in kleiner Auflage) verlegt hat.


    Gruß, Thomas

    Inzwischen führe ich weder eine Lesetagebuch noch eine Liste der angeschafften Bücher, so wie in meinen früheren Jahren. Aber meine Lesungsbesuche und gesammelten Signaturen werden noch feinsäuberlich notiert. In diesem Jahr auf 44 Lesungen gewesen. Ein paar folgen noch.


    Gruß, Thomas

    Kleiner Nachtrag: Im neuen Spiegel ist nochmal ein Interview mit Houellebecq, seine letzte öffentliche Äußerung, wie er darin selber sagt. Er schreibt aber weiterhin Bücher, sitzt gerade an einem Roman, dessen Ende er nicht absehen kann. Die Thematik natürlich geheim.

    Buchmesse 2017
    Da ich im großen Forum nicht mehr aktiv bin, poste ich hier im Klassiker-Forum meine diesjährige Buchmesse-Bilanz. Und im Klassiker-Forum sollte man doch mit Klassikern anfangen. Und in diesem Zusammenhang fällt mir die Literaturbeilage der Süddeutschen Zeitung auf, die mit einer Zeichnung einer französischen Autobahn eröffnet wird. Über dieser Autobahn ist eines der riesigen Schilder mit Leuchtbotschaften, die man von zu Zeit dort findet, zu sehen. Wenn auf diesen Schildern nun in Wirklichkeit „Longtemps, je me suis couché de bonne heure“ – der erste Satz aus Prousts Recherche – aufleuchten würde, so wie auf der Zeichnung, dann würden die Autofahrer sicherlich sofort vernünftig fahren. Gehen Sie früh schlafen, wenn Sie einen Unfall vermeiden wollen – so die SZ. Die Zeichnungen der SZ-Beilage sind von Catherine Meurisse, die dem „Charlie-Hebdo“-Attentat nur durch Zufall entkam. Sie erzählt in Ihrer Graphic Novel „Die Leichtigkeit“ vom seelischen Überleben nach dem Anschlag.


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    Apropos „Erster Satz“. Es gab jeden Tag ein einstündiges Gespräch mit mehreren bedeutenden und weniger bedeutenden Autoren aus Frankreich. „INCIPIT“ (lat. „es beginnt“) hieß die interessante Reihe, in der durchaus tiefgründig über das neueste Werk der anwesenden Autoren gesprochen wurde, wobei aufgrund des Titels nicht weiter verwunderlich nur der 1. Satz und den Schwierigkeiten diesen zu finden im Vordergrund stand. Die Gespräche wurden simultan übersetzt, Kopfhörer mit Funkempfänger konnte man kostenfrei ausleihen. Kommen wir noch mal auf Proust zurück. Proust selber hat drei Jahre benötigt, um seinen ersten Satz zu finden. Zwei verworfene Versionen wurden vorgestellt. Für die Leser dieses Forums sicher nicht uninteressant, hier diese alternativen Anfänge: „J’etais couché depuis une heure environ.“ (Ich hatte ungefähr eine Stunde geschlafen.) und „Jusque vers l‘age de vingt ans, je dormis la nuit.“ (Übersetzung habe ich nicht fotografiert). Die Autoren waren sich einig, dass diese ersten Sätze nicht so gut klingen, wie der von Proust später gewählte so berühmte Anfang. Man war sich jedoch auch einig, dass selbst der letztlich gewählte Satz nicht besonders gut ist und dieser Satz erst seine Berühmtheit aufgrund des Gesamtwerks erlangen konnte.


    Mit dem Partnerland Frankreich gab es nun für mich erstmalig ein Land, bei dem ich viele Autoren (zumindest dem Namen nach) schon kannte. Und so besuchte ich regelmäßig die Große Bühne im Ehrengast-Pavillon. Gleich zur Eröffnung am Mittwochmorgen war eine illustre Schar von Schriftstellern versammelt. Man traute seinen Augen kaum, dass dort vorne nur wenige Meter entfernt Tahar Ben Jelloun, Eric-Emmanuel Schmitt und der Nobelpreisträger J.M.G Le Clézio saßen. All diese Schriftsteller hatten keine sonderlich aktive Rolle, sie gehören der Jury des Prix des cinq continents de la Francophonie an und bildeten nur den Rahmen für die dann folgende Preisverleihung mit der frz. Kultusministerin. Und es folgten auf dieser Bühne noch viele weitere Veranstaltungen mit so illustren Namen wie Philippe Claudel, Jerome Ferrari, Didier Eribon, Mathias Enard, Catherine Millet, Tristan Garcia, Jean-Philippe Blondel, Philipe Dijan und Pierre Michon.


    Mir war im Vorfeld der Messe nicht bekannt, wer welche Rolle in der frz. Gegenwartsliteratur spielt. Iris Radisch hat in der ZEIT Literaturbeilage dazu einen sehr lesenswerten, kurzen Überblick verfasst. Daraufhin holte ich mir ihr Buch „Warum die Franzosen so gute Bücher schreiben“, welches auf auf 240 Seiten einen knappen Abriss über die französische Literatur von Sartre bis Houllebecq gibt. Die Statements sind recht knapp, tragen aber zum Verständnis bei, warum welcher Autor heute von Bedeutung ist.


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    Houllebecq selber war nicht auf der Messe, es gab jedoch eine restlos ausverkaufte Abendveranstaltung. Er brachte sich seine eigene Moderatorin aus Paris mit, die ihm die Fragen stellen sollte, da er nur dieser Person besonderes Vertrauen entgegenbringe, so die Anmoderation. Einige einleitende Worte wollte Houllebecq zunächst ans deutsche Publikum richten, bevor es dann mit den Fragen und einer deutschen Lesung aus „Unterwerfung“ weiterginge. Diese einleitenden Worte (inkl. der immer wieder erfolgten Übersetzung durch die ebenfalls anwesende Übersetzerin) dauerten dann eine ganze Stunde und man kann es nun im Spiegel nachlesen, dass die deutschen Autoren doch pornografischere Bücher schreiben sollten. Über Frankreich, Deutschland, Literaturkritik und seine Bücher sprach Houllebecq bevor die extra angereiste Moderatorin dann doch noch drei Fragen stellen durfte. Die Lesung der Textstelle musste wohl etwas gekürzt werden, man überzog aber die 1,5stündige Veranstaltung, im Anschluss fand im gleichen Saal die Lesung mit Daniel Kehlmann statt. Bedauerlich, dass Houllebecq anschließend nicht signierte.


    Da wir im Klassikerforum sind, hier noch mal zurück zu Proust. Bei Reclam ist die Neuübersetzung nun abgeschlossen, doch es gab – anders als im letzten Jahr – keine begleitenden Veranstaltungen am Reclam-Stand. Vermutlich eine Sparmaßnahme, zudem ist der Stand für Lesungen etc. ohnehin etwas zu klein.


    Am zweiten Tag war nun Salman Rushdie anwesend. Er bewegt sich frei ohne Leibwächter und gibt sowohl auf dem Blauen Sofa als auch dem Spiegel ein Interview. Es wurde anschließend signiert, wobei mir mein Isolde-Ohlbaum-Bildband, der vor der Messe 98 Signaturen aufwies, besonders am Herzen lag. Mit etwas Grummeln hat er dann sein Bild darin doch signiert. Uwe Kolbe, Tahar Ben Jelloun und Pierre Michon konnte ich ebenfalls auf der Messe hinzufügen. In meinem Mangoldt-Bildband kamen neben Uwe Kolbe noch Gerhard Falkner und Birgit Vanderbeke dazu. Peter Nadas war der zweite große Autor, der an diesem Tag anwesend war. Da er jedoch in einigen Tagen nochmals in Frankfurt ist, habe ich nur seinem Interview beigewohnt.


    Am dritten Tag war Udo Lindenberg sicher der berühmteste Messegast, der dann ein 45minütiges Konzert für die wenigen Hundert Zuhörer zum Besten gab. Er wollte im Anschluss seinen Bildband signieren, ich stand an aussichtsreicher 20. Stelle in der Signierschlange (wobei ich nur eine Signatur für mein Fotoalbum mitgenommen hätte), doch dann wurde die Signierschlange an einen anderen Ort verlegt, wodurch die Abendveranstaltung mit Yasmina Reza verpasst hätte. Reza ist die weltweit bedeutendste Autorin von Theaterstücken und war mir persönlich, der sich in der Theaterszene gar nicht auskennt, bis dahin unbekannt. Inzwischen schreibt sie auch Romane. Babylon heißt ihr neuestes Werk, welches von der deutschen Kritik durchwachsen wahrgenommen wurde. Radisch publiziert in ihrem Buch am Ende eine Liste mit empfehlenswerter Lektüre, darunter Rezas Werk „Nirgendwo.“


    Am vierten Tag standen die Asterix-Autoren Jean-Yves Ferri und Didier Conrad auf meiner persönlichen Besuchsliste im Mittelpunkt. Daniel Scheck hat beide Autoren eine Stunde lang interviewt und so erfuhr man viel über die Arbeitsweise der beiden. Signiert wurde wieder nicht, Verlagsmitarbeiter sind relativ harsch dazwischen gegangen, mein „Der Papyrus des Cäsar“ – Band weist nun dennoch beide Signaturen auf. Wie das gelang, wäre eine eigene Geschichte wert. Bodo Kirchhoff konnte man zusammen mit seinem Verleger Joachim Unseld bei einer der zahlreichen Open Books Veranstaltungen besuchen. Er hat nach dem Buchpreis nun ein „Zwischenbuch“ verfasst, schnell heruntergeschrieben, handelt es von der Antwort eines Schriftstellers auf die Einladung zu einer Kreuzfahrt. Nicht sonderlich tiefgehend, aber mit viel Witz versehen, die teilweise negativen Amazon—Rezensionen gehen mit einer falschen Erwartungshaltung an dieses Kirchhoff-Buch heran. Der Autor arbeitet jedoch inzwischen wieder an etwas ganz anderem – er hat nicht verraten woran.


    Zum Schluss kann ich jedem nur raten, die Buchmesse in den ersten drei Tagen zu besuchen. Nach nur einem Tag hatte ich jedes Mal das Gefühl, dass man nur ganz wenige Autoren treffen konnte, nach zwei oder besser drei Tagen stellt sich hingegen eine große Befriedigung ein, man ärgert sich dann auch nicht, wenn ein Interview mal nicht so interessant war, eine Lesung nicht so gelungen oder dann doch mal eine Signatur fehlt.


    Gruß, Thomas


    Hier noch (mehr für mich) meine Buchmessebilanz:


    Jean-Philippe Blondel (Album und 1 Buch signiert)
    Mirko Bonné (Leseprobe und Essay 1. Buch signiert)
    Philippe Claudel (Album und 2 Bücher signiert)
    J.M.G. Le Clézio (Album und 2 Bücher signiert)
    Didier Conrad (Asterix-Band signiert)
    Eva Demski (Essay 1. Buch signiert)
    Philippe Dijan (Album signiert)
    Didier Eribon (Lesung besucht)
    Annie Ernaux (Album und 1 Buch signiert; Lesung besucht)
    Gerhard Falkner (Album, Leseprobe und Essay 1. Buch signiert)
    Jerome Ferrari (Album und 1 Buch signiert)
    Jean-Yves Ferri (Asterix-Band signiert)
    Tristan Garcia (Album und 1 Buch signiert; Lesung besucht)
    Michel Houllebecq (Lesung besucht, hat leider nicht signiert)
    Christoph Höhtker (Leseprobe signiert; Lesung besucht)
    Tahar Ben Jelloun (Album und Bildband (Ohlbaum) signiert)
    Daniel Kehlmann (Album signiert)
    Bodo Kirchhoff (Essay über 1. Buch signiert, Lesung besucht)
    Uwe Kolbe (Album und 2 Bildbände (Ohlbaum + Mangoldt) signiert; Lesung besucht)
    Renate Künast (Interview besucht)
    Kathrin Kunkel-Razum (Chefredakteurin des Duden, persönliches Gespräch)
    Udo Lindenberg (45minütiges Konzert besucht)
    Edouard Louis (Album und 1 Buch signiert)
    Robert Menasse (1 Buch signiert)
    Pierre Michon (Album, Bildband (Ohlbaum) und 3 Bücher signiert)
    Catherine Millet (Veranstaltung besucht)
    Peter Nadas (Interview besucht)
    Sten Nadolny (Interviewband signiert)
    Marie NDiaye (Album signiert)
    Robert Prosser (Leseprobe signiert)
    Iris Radisch (Fernsehinterview besucht und 1 Buch gekauft)
    Sven Regener (Album und Leseprobe signiert)
    Yasmina Reza (Lesung besucht)
    Salman Rushdie (Bildband (Ohlbaum) und ein Buch signiert)
    Eric-Emmanuel Schmitt (Album signiert)
    Ingo Schulze (Album, Leseprobe, Interviewband und Essay über 1. Buch signiert)
    Leila Slimani (Album und Gutenbergpresse-Druck signiert)
    Uwe Timm (Album und Essay über 1. Buch signiert)
    Birgit Vanderbeke (Album, Bildband (Mangoldt) und Abitur-Rede signiert)
    Michael Wildenhain (Leseprobe signiert)
    Julia Wolf (Leseprobe signiert)

    Vermutlich hat Platthaus mit seiner Kritik durchaus recht, dass es literarisch stärkere Bücher gibt. Ich habe jeweils nur kurze Lesepassagen in Frankfurt gehört (Falkner war jedoch nicht anwesend) und am Ende des Abends war eigentlich klar, dass Menasse das Rennen machen wird, da eben auch die anderen Autoren im Gespräch sich durchaus auf ihn bezogen. Auch das Publikum war bei diesem Buch einfach am meisten bei der Sache. Wenn er nun schreibt, dass Poschmann den besseren Text abliefere, dann mag das auf der sprachlichen Ebene der Fall sein. Meines Erachtens kommt das Thema dieses Ehebetrugs und der Flucht nach Japan nicht so zwingend daher (im Sinne, dass man diese Geschichte gerade heute erzählen muss), mich hat die kurze Lesestelle nicht in den Bann gezogen. Keine Ahnung, ob da auch Jurymitglieder in der Veranstaltung saßen. Aber wenn es der Fall war, dann haben sie sich anstecken lassen.

    Bernd-Jürgen Fischer - Handbuch zu Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"


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    Bernd-Jürgen Fischer hat auf 820 Seiten eine wahre Fundgrube zu Prousts Meisterwerk der "Suche nach der verlorenen Zeit" zusammengestellt.


    1. Das Buch startet mit einer Kurzbiografie (S. 9 - 51), die sich aus verschiedenen Teilen zusammensetzt:
    a) Überblick über andere Biografien und Erinnerungen (ca. 5,5 Seiten)
    b) Herkunft, Ausbildung und Beruf, Gesundheit. Liebschaften, Bekanntschaften (ca. 24 Seiten)
    c) Curriculum vitäe mit den wichtigsten Lebens- und Publikationsdaten (12 Seiten)


    2. Im zweiten Teil folgt ein kurzer Abriss über seine frühen Werke (12 Seiten). Darin enthalten ist auch der Abdruck des Fragebogens, der Proust einmal 1886 und zum zweiten Mal 1891 oder 1892 vorgelegt wurde. Es handelt sich hierbei um kein Werk im engeren Sinne, dennoch sind die Antworten Prousts sehr aufschlussreich. Auf die anderen Werke, wie Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge oder auch auf seine Zeichnungen wird nur mit jeweils einer halben Seite eingegangen, was etwas knapp ist.


    3. Der dritte Teil widmet sich der "Suche nach der verlorenen Zeit". Dabei werden folgende Themen behandelt:
    a) Materialien (4 Seiten)
    b) Veröffentlichungen (2 Seiten)
    c) Die Erstausgabe (9 Seiten)
    d) Zur Rezeption (55 Seiten). Hier wird auf jeden Band einzeln eingegangen.
    e) Übersetzungen (62 Seiten). Aufschlussreich sind hier die Anmerkungen zur vorliegenden Reclam-Übersetzung. So macht Fischer deutlich welchen Schwierigkeiten er während seiner Arbeit ausgesetzt war. Als Beispiel bringt er einen französischen Absatz, der besonders viele f- und p-Laute enthält und so zugleich Anschläge des Pianos und die Striche der Violine zum Ausdruck bringen sollen. Selbst so mancher französischer Leser wird diese Feinheit nicht bemerken, dieses "onomatopoetische Spiel" ins Deutsche zu übertragen, kann natürlich nicht in gleicher Weise gelingen.
    f) Umsetzung in audio-visuelle Medien (5 Seiten)
    g) Verfilmungen, Balett, Vertonungen (7 Seiten)
    h) Zum Aufbau der "Suche" behandelt Makrostruktur, innere Struktur und chronlogische Struktur (28 Seiten)
    i) Die "Suche" und ihre Zeit setzt sich mit Technik, Wissenschaft, Kunst sowie gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen auseinander (42 Seiten).


    Die Teile 4 - 8 enthalten Informationen zur Korrespondenz, Bibliografien, Marcel-Proust-Gesellschaften, Geografie der "Suche" sowie die Stammbäume Marcel Prousts, Reynaldo Hahns und der Guermantes (45 Seiten).


    Der Teil 9 stellt das Register zu den Bänden dar:
    a) Namensverzeichnis (388 Seiten). Bei jedem Eintrag wird kurz erläutert, in welchem Band, auf welcher Seite und in welchem Zusammenhang der Name im Werk vorkommt. Auch wenn sich die Seitenzahlen auf die Reclam-Ausgabe beziehen, ist ganz hinten im Buch eine Umrechnung der Seitenzahlen für andere Ausgaben beigefügt. Das ist eine Formel, mit der man ungefähr diese Stellen in anderen Ausgaben auffinden kann.
    b) Titelverzeichnis (37 Seiten). Es enthält Titel von Kunstwerken, Bühnenstücken oder Romanen, die im Werk vorkommen.
    c) Das Themenverzeichnis (56 Seiten) hätte für meinen Geschmack noch ausführlicher ausfallen dürfen. Das Thema "Lüge" wird auf einer Seite abgehandelt und findet sich in jedem Band wieder, dem Thema "Liebe" sind ca. 1,5 Seiten gewidmet.


    Ergänzt wird der Band durch 36 Abbildungen (darunter auch ein Foto der Grabstätte oder die letzte Seite des Manuskripts).


    Insgesamt eine empfehlenswerte Anschaffung, selbst wenn man nicht die Reclam-Ausgabe in Gänze besitzt. Doch in den Einzelbänden der Reclam-Ausgabe finden sich viele weitere wertvolle Kommentare, die im Namens- und Themenverzeichnis des Bandes nicht wiederholt werden.