Hallo Berch,
Du hast gepostet:
darüber hinaus bin ich der Ansicht, daß ein Autor, der sich die Mühe gemacht hat, ein feines Geflecht aus Anspielungen, Hintergründen und verstecken, über den Text hinaus weisenden, Problemstellungen zu verfertigen, es auch verdient hat, daß man diese rückverfolgt.
Da sprichst Du mir aus dem Herzen und ich denke ich habe das weiter oben ähnlich formuliert.
Interessant der Ansatz (vereinfacht ausgedrückt) der russischen Formalisten (etwa 20er/30er Jahre des 20. Jahrhunderts): Der Autor ist nichtig, nur der Text ist von Bedeutung. Faust und Hamlet wären auch entstanden, wenn Goethe und Shakespeare nie gelebt hätten. Der Stoff selbst drängte danach, veröffentlicht zu werden. Goethe hat lediglich die Chance ergriffen. Hätte er es nicht getan, wäre es jemand anders gewesen. Deshalb ist aus jeder Interpretation der Autor heraus zu halten, nur der Text selbst ist zu betrachten.
Diese These ist auch in meinen Augen zu radikal.
Ehrlich gesagt, ist mir der Ansatz der russischen Formalisten so nicht bekannt gewesen, aber ich finde diese These nur dann zu radikal, wenn man sie auf alle Texte anwendet, den dass sich die Kunst den Künstler sucht (und nicht umgekehrt) ist meine Überzeugung von wahrer Kunst. Und mit Faust und Hamlet hast Du gute Beispiele genannt. Ich bin überzeugt, dass Goethe die Bedeutung seines Faust nicht richtig einschätzte, d.h. im Faust steckt mehr „als unsere und Goethes Schulweisheit sich träumt“ Das gilt auch für die Musik von J.S.Bach und für die Kunst eines Michelangelo. Kunst kann sich m.M. nach durchaus einen Künstler suchen, um geschaffen zu werden, allerdings sucht sie sich dann selten einen Künstler, der sagen wir mal, sich zu bestimmten Zeiten an den Schreibtisch setzt, um „Kunst“ zu schaffen. Deshalb frage ich mich bei Romanen von z.B. Thomas Mann schon, was will uns der Künstler damit sagen, beim Faust frage ich mich dagegen, was sagt mir das Kunstwerk. Na ja, vielleicht bin ich jetzt wirklich etwas radikal? :zwinker:
Gruß von Hubert