Hallo Harald,
hallo alle,
Harald hat gepostet:
Für mich ist die Liebesgeschichte ein Teil von Rodions geistiger/seelischer Entwicklung, nicht umgekehrt
Ob die Liebesgeschichte ein Teil von Rodjas Entwicklung ist, oder umgekehrt, kann ja jeder sehen wie er will, die Tatsache, dass es eine Liebesgeschichte gibt, hast Du damit aber zugegeben, und mehr wollte ich auch nicht beweisen.
Deshalb kann man keineswegs sagen, dass der Roman irgendetwas beweist, so etwa wie "Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt" - das kann kein Roman darstellen, und beweisen schon gar nicht
Da hast Du mich wohl mit Daniela verwechselt. Nicht ich habe geschrieben, dass „Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt“ Thema des Romans ist, sondern Daniela. Ich hatte eigentlich die gleiche Meinung vertreten, die Du jetzt gegen mich stellst.
Dass diese Geschichte mystisch-religiös sein soll, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Sie ist für mich psychologisch überzeugend, d.h. vollkokmmen realistisch.
Der Mörder, der wochenlang plant und nach dem Mord vergisst die Tür abzusperren, die Zwei, die nach den Morden an der Tür klopfen, merken dass jemand in der Wohnung ist, aber kurz mal davon laufen, damit der Mörder fliehen kann, der Inspektor, der den Mörder überführt hat, ihn aber laufen lässt, damit der sich selbst stellt – da habe ich eine andere Vorstellung von Realität.
Dass die Geschichte religiös sein soll, war eigentlich auch eine These von Daniela, aber da hat sie auch recht. Weil ich keine Lust auf eine Dostojewskij-Diskussion habe, gebe ich jetzt nicht meine Interpretation von „Schuld und Sühne“ wieder, sondern zitiere aus „Gott und Mensch in Dostojewskijs Werk“ von Prof. Martin Doerne:
„In „Schuld und Sühne“, dem Raskolnikow-Roman, ist Dostojewskijs anthropologischer Grundentwurf mit dem christlichen Wesensbilde des Menschen zur Einheit zusammengewachsen. Die religiöse Integration, die sich hier vollzogen hat, steht im Zeichen des christlichen Gottesglaubens, und die Humanität, die sie bezeugten, bewahren und erneuern will, ist eine Humanität von Christus her. - ... – Als Raskolnikow zum erstenmal Sonja aufsucht, sieht er auf dem Tisch ein Buch liegen, es ist das Neue Testament, dasselbe, das der ermordeten Lisaweta gehörte. Gegen ihr heftiges Wiederstreben muß Sonja ihm aus diesem Neuen Testament die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus vorlesen Denn am Nachmittag hat Petrowitsch ihn gefragt, ob er an diese Geschichte buchstäblich glaube, unmittelbar nach der Frage: „Glauben Sie an Gott?“ ... Für Dostojewskij kommt es eben auf diesen Zusammenhang an: Wirklicher Glaube an Gott ist Glaube an die Auferstehung. ... Weder der Tod noch die Sünde, .. können der Lebensgewissheit des Glaubenden
Abbruch tun.... Mit der Geschichte zwischen Rodion und Sonja stellt der Dichter uns vor ein Gleichnis hin. Die schöpferische Liebeserkenntnis, Gottes Reservat, bildet sich selbst ab in Sonjas Liebe.... Sonjas Handeln ist „Nachahmung“ des schöpferischen Handelns Gottes. Darum ist die Geschichte zwischen Sonja und Rodion aus dem Bereich des Eros herausgenommen ... von der Lektion der Lazarusgeschichte her ist auch ihrer beider Geschichte unter das Zeichen des biblischen Wortes gestellt.“
Vor allem in Russland wird Dostojewskij als religiöser Autor gesehen. Der russische Schriftsteller Dimitri Mereschkowski bezeichnete z.B. die fünf großen Romane Dostojewskijs, zu denen auch „Schuld und Sühne“ gehört, als „russischen Pentateuch“, wobei er auf die fünf Bücher Moses anspielt, für die Juden der wichtigste Teil der Heiligen Schrift. Wer Dostojewskijs religiöse Botschaft nicht erkannt hat, hat m.M. nach "Schuld und Sühne" umsonst gelesen.
Sagt Dir auch Miss Marple nichts? 16.50 Uhr ab Paddington? Der Orient-Express? Hast Du mal den Namen Agatha Christie gehört? Die meistgelesene Schriftstellerin (und das schließt Schriftsteller ein) in englischer Sprache, und wahrscheinlich in jeder Sprache? Das ist natürlich kein Qualitätsmerkmal, aber wer Agatha Christie als "Trivial"-Schriftstellerin abtut, macht es sich etwas zu einfach. Das ist aber ein anderes Thema
Von der Figur Miss Marple habe ich schon gehört, ich habe sogar die Filme „Death on the Nile“ und „Murder on the Orient Expres“ sowie in London das Theaterstück „Die Mausefalle“ gesehen, alles hat mich aber so gelangweilt, dass ich nicht auch noch ein Buch dazu lesen wollte. Dass Agatha Christie eine Trivial-Schriftstellerin ist, habe ich nie gesagt, ich denke sie ist eine gute Kriminalschriftstellerin, trotzdem interessieren mich ihre Bücher nicht. Das ein Schriftsteller viel oder sogar meistgelesen ist, ist für mich kein Argument ihn zu lesen, eher eins ihn nicht zu lesen. Sonst müsste ich ja auch noch Konsalik lesen. . Wer war jetzt eigentlich Hercule Poirot?
Gruß von Hubert