Hallo zusammen,
gestern Abend habe ich das Buch zu Ende gelesen und muss sagen, dass ich es zum ersten Mal am Ende eines so dicken Romans bedauert habe, dass nun leider Schluss ist. Schon öfter habe ich Bücher, auch Romane, über 1000 Seiten gelesen, und wenn es rückblickend auch tolle Bücher waren, so war ich am Schluss doch meistens froh, dass es geschafft war. Bei Dos Passos hätte ich dagegen, gerne noch weitergelesen. Wie Atomium schon festgestellt hat, es war nie langweilig, ja es war nicht nur vom Inhalt sondern auch von der Präsentation des Inhaltes sehr abwechslungsreich.
Einiges haben wir sicher aus verschiedenem Blickwinkel gesehen aber auch das spricht ja eher für das Buch, als dagegen, wenn verschiedene Deutungen möglich sind. Aber manchmal, bin ich mir auch gar nicht sicher, warum wir verschiedenes nicht ähnlich beurteilen. z.B. habe ich das folgende Statement von Sandhofer nicht verstanden:
Keiner macht (im bürgerlichen Sinn) Karriere
Auch nicht Margo. Von ihr heisst es an der Party, zu der Ada Mary French mitschleppt, ihre Karriere sei zu Ende, da ihre Stimme für den Tonfilm nicht geeignet sei. (Was ja tatsächlich vielen Stummfilmstars passiert ist!)
Meiner Meinung nach machen genau 2/3 der 12 Protagonisten (denen mindestens eine Kapitelüberschrift gewidmet ist) eine bürgerliche Karriere (natürlich nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten und auch wenn diese Karriere durch Tod oder ähnliches beendet wird, wurde sie ja zunächst gemacht), oder wie sollte man die folgenden Entwicklungen beschreiben:
MAC beginnt, nachdem die Druckerei seines Onkels in Konkurs geht, als fliegender Händler für Druckerzeugnisse aller Art und bringt es zum selbständigen Buchhändler in Mexiko-City.
JANEY das schüchterne Mädchen aus Georgetown ist am Ende Chefsekretärin eines der bedeutendesten Männer der USA
J.W.MOOREHOUSE, der nach einem Unfall seines Vaters, sein Studium abbrechen muss, um als kleiner Angestellter in einem Maklerbüro zu arbeiten, wird die größte Persönlichkeit in der amerikanischen (und damit weltweiten) Werbebranche und zählt zu den 60 wichtigsten Männer der USA
ELEANOR STODDARD beginnt als kleine Verkäuferin in einem Spitzengeschäft und ist am Schluss eine von allen bewunderte Geschäftsfrau, der es sogar gelingt einen russischen Adligen zu ehelichen
CHARLEY ANDERSON der als Gehilfe in der Fordwerkstatt seines Bruders entlassen wird, nachdem er besoffen den Firmenwagen zu Schrott fährt, bringt es zum Großaktionär mehrerer Firmen
EVELINE HUTCHINS wird berühmte Bühnenbildnerin am Broadway, auf deren Partys, nicht nur das New Yorker Partyvolk erscheint, sondern auch schon mal Filmstars aus Hollywood.
RICHARD SAVAGE, dessen Vater, Sträfling im Zuchthaus von Atlanta war, bringt es zum zweiten Mann, in einer großen Werbefirma, die als nationale Institution gilt
MARGO DOWLING, schafft die Traumkarriere, vom Tingel-Tangel-Girl zum Filmstar in Hollywood und auch wenn ihre Karriere durch den Tonfilm wieder beendet wird (was aber nicht sicher ist, sondern nur mal von neidischen Zicken auf einer Party kurz als Gerücht erwähnt wird), so hätte sie doch zunächst mal Karriere gemacht und als Ehefrau eines bedeutenden Filmproduzenten kann sie sicher auch auf weitere Filmgagen verzichten.
Ich denke, die meisten Menschen träumen von solchen Karrieren! Zugegeben beim Lesen ist es mir auch nicht so aufgefallen, wie viele Karrieren in diesem Roman gemacht werden. Also der amerikanische Traum ist möglich. Fast ist es mir jetzt im Rückblick ein wenig zu viel. Aber da Dos Passos auch die dunklen Seiten dieser Karrieren zeigt und auch zeigt, dass solche Karrieren auch wieder schnell zu Ende gehen können, ist es nicht nur erträglich sondern sicher auch realistisch. – Also ich bleibe dabei: EIN GROSSES BUCH
Gruß von Hubert