Beiträge von Hubert

    Hallo zusammen,


    wenn es nach der Befreiung der kohlhaaschen Rappen heißt, „Aber gleich standen sie aufrecht …“ dann war das imo im Zusammenhang mit dem „willigen Mädchen“ im folgenden Satz, eine der Stellen, bei denen Kafka beim Vorlesen im privaten (Männer-)Kreis vor Lachen weilchenweise nicht weiterlesen konnte.
    :breitgrins:


    Danke Hubert, ich habe gerade diese Arbeit überflogen und auch wenn es sich fast ausschließlich auf Freud bezieht, gibt es einige sehr interessante Ansätze.


    Da Bluebell und Du Steffi, in der Erzählung „Ein Landarzt“ richtigerweise einen Traum erkannten, muss es bei Konrad Kurzacz Arbeit über „Traumhafte Elemente …“ natürlich interessante Ansätze geben, zumindest hat sich K.K. einige Gedanken gemacht, wenn auch manchmal die falschen und nicht nur, wie Gerrit Schneider, eine literaturwissenschaftliche Methode abgearbeitet.


    Unter Punkt 3. schreibt K.K.: „In einem Traum passiert es oft, dass sich eine Persönlichkeit in mehrere spaltet, …… Diese Persönlichkeitsspaltung wurde schon oft in der Literaturgeschichte verarbeitet.“ Soweit richtig und K.K. hätte als Beispiel „Faust & Mephisto“, „Dr. Hekyll & Mr. Hyde“ oder „Hans Giebenrath & Hermann Heilner“ anführen können, aber mit „Karl & Franz Moor“ liegt er imo falsch.


    „Der Knecht und der Landarzt können als eine Person betrachtet werden …“, schreibt K.K. weiter und auch das ist imo richtig, allerdings belegt K.K. diese These mit 3 falschen Beispielen wie z.B., dass sowohl der Pferdeknecht, als auch der Landarzt die Pferde mit dem Ruf „Munter“ in Bewegung setzen , überliest dabei aber, dass der Ruf nur bei dem Knecht seine Wirkung erzielt.


    Zur Verdeutlichung:


    Wenn man aber schon mal gehört hat, dass Kara Ben Nemsi mit dem Ruf „Rih“ den Turbo bei seinem legendären Rappen einschaltet dann wird man das bei Gelegenheit auch versuchen, wenn es nicht funktioniert, heißt das aber doch nicht, dass man jetzt mit Kara Ben Nemsi identisch ist sondern zeigt eher das Gegenteil, da man halt eben nicht weiß, dass der Ruf allein zuwenig ist, es braucht auch noch die Berührung an einer bestimmten Körperstelle.


    Trotzdem, auch ich denke, dass der Knecht als agressiv-männlicher Teil des Landarztes betrachtet werden kann, der dem Dienstmädchen gewaltsam eine Wunde zufügt, was eine Entjungferung andeuten könnte, - ab jetzt hat das vorher namenlose Mädchen auch eine Namen: Rosa! – Rosa ist auch die Wunde des Patienten, womit angedeutet ist, dass der Patient die andere Seite des Mädchen ist – auch hier eine Persönlichkeitsspaltung. Der Arzt wird von der Dorfbevölkerung und insbesondere der Familie gezwungen das entjungferte Mädchen zu heilen, sprich zu heiraten, er wird dem Patienten/Mädchen quasi ins Bett gelegt, anderenfalls so wird ihm schon vorher durch den Schulchor gedroht wird er nicht überleben.


    LG


    Hubert


    Den Kohlhaas-Bezug hätte ich nicht erkannt,


    „Michael Kohlhaas“ war eines der Lieblingswerke von Kafka und er hat diese Erzählung nach eigenen Angaben mindestens zehnmal gelesen.


    Es gibt sicher noch viele literarische Anspielungen in Kafkas Erzählung „Ein Landarzt“, auf eine, weil sie imo für die Interpretation entscheidend ist, will ich noch hinweisen:


    Kafka beschreibt die Wunde des Patienten wie folgt:


    „Rosa, in vielen Schattierungen, dunkel in der Tiefe, hellwerdend zu den Rändern, zartkörnig, mit ungleichmäßig sich aufsammelndem Blut, offen wie ein Bergwerk obertags.“


    Indem Kafka „Rosa“ großgeschrieben an den Satzanfang setzt, macht er deutlich, dass es sich bei dem Patienten eben nicht um den Landarzt handelt, wie Konrad Kurzacz in seiner Arbeit u.a. vermutet, sondern um Rosa. Den Zusatz auf das Tageberwerk hätte es eigentlich nicht mehr gebraucht, auch so ist deutlich was Kafka hier beschreibt, sicher keine Kastrationswunde. Mich lässt ein Obertagebergwerk immer an das Bergwerk von Falun denken.


    Literarisch vielfach bearbeitet, hier ein Zitat aus „Die Bergwerke zu Falun“ von E.T.A. Hoffmann:
    aus Kapitel 2


    Als nun Elis Fröbom hinabschaute in den ungeheueren Schlund, kam ihm in den Sinn, was ihm vor langer Zeit der alte Steuermann seines Schiffs erzählt. Dem war es, als er einmal im Fieber gelegen, plötzlich gewesen, als seien die Wellen des Meeres verströmt, und unter ihm habe sich der unermeßliche Abgrund geöffnet, so daß er die scheußlichen Untiere der Tiefe erblickte, die sich zwischen Tausenden von seltsamen Muscheln, Korallenstauden, zwischen wunderlichem Gestein in häßlichen Verschlingungen hin und her wälzten, bis sie mit aufgesperrtem Rachen, zum Tode erstarrt, liegen geblieben. ……. Daran dachte Elis, denn wohl bedünkte ihm der Abgrund wie der Boden der von den Wellen verlassenen See, und das schwarze Gestein, die blaulichen, roten Schlacken des Erzes schienen ihm abscheuliche Untiere, die ihre häßlichen Polypenarme nach ihm ausstreckten.


    Also ich bin mir sicher, Kafka hat sich zu seinen rosafarbenen fingerdicken Würmern von Hoffmanns Untieren mit Polypenarmen (beides imo Phallus-Hinweise) anregen lassen und nicht von Freud und die Wunde des Patienten ist ebenso wie der Schlund der Erzgrube bei Hoffmann ein Vagina-Hinweis.


    Heute ist hundertster Geburtstag von Luise Rinser.


    Dieses Jahr häufen sich die 100. Geburtstage der Literaten. Wer hätte auf Anhieb gewußt, dass die folgenden Dichter im gleichen Jahr geboren sind:


    Tennesee Williams (einer meiner 7 Lieblingsdramatiker) am 26. März 1911,
    Luise Rinser am 30. April 1911,
    Max Frisch (mein Schweizer Lieblingsschriftsteller) am 15. Mai 1911 und
    Nagib Mahfuz (einer der großen der Weltliteratur) am 11. Dezember 1911.
    ?

    Heute vor neun Jahren wurde das Klassikerforum in seiner heutigen Form eröffnet. Der älteste noch erhaltene Beitrag stammt vom 29. April 2002:


    http://www.klassikerforum.de/i…hp/topic,4.msg4.html#msg4


    Da das Klassikerforum imo schon vorher, wenn auch in anderer Form, bestand fand diese Leserunde auch schon ein Jahr vorher statt, ist aber vermutlich nicht mehr nachzulesen – schade!


    Trotzdem, liebes Klassikerforum, alles Gute zum 9. Geburtstag und Dir, liebe nimue, vielen Dank, dass Du uns dieses Forum geschenkt hast!


    :blume: :blume: :blume:


    Hallo Hubert,


    Was Courbet und de Chirico verbindet, entzieht sich meinen Kenntnissen, auf jeden Fall können die Farben, der Pinselduktus, die Farbstruktur, die Themen usw. verschiedener nicht sein... Aber warum soll man anderes nicht schätzen und von ihm lernen?


    Grüße, FA


    Hallo F.A.


    Deiner Aussage kann man natürlich zunächst zustimmen, trotzdem will ich Dir das folgende
    Zitat aus dem Frankfurter Katalog: „Courbet – Ein Traum von der Moderne“ S. 89 nicht vorenthalten:


    „Mitte der 1920er Jahre hatte sich de Chirico zwar bereits vom Surrealismus ab- und einer romantisierenden Deutung der klassischen Malerei zugewandt. In der Praxis aber stand ihm Courbet seit seiner Münchner Zeit nahe … Bilder aus den Jahren 1913 bis 1916 wie „Der verwandelte Traum“ oder „Melancholie eines Nachmittags“ zeigen nicht nur die überragende selbstreflexive Bedeutung des Stillebens für de Chirico wie für Courbet, sondern auch die überdimensionale Größe einzelner Früchte, Fische oder Skulpturen. In „Karfreitag“ (1915, Privatsammlung) zeigen die Äpfel sogar die wurmstichigen Stellen, die de Chirico aus Courbets Münchner „Stilleben mit roten Äpfeln“ vertraut waren. Das „Metaphysische Interieur“ (1916, Staatsgalerie Stuttgart) ist mit seiner Disparatheit und dem realen Himmel im Zentrum sogar Courbets „Atelier“ ähnlich. Von Courbet angeregt ist ferner die Wendung nach innen in einigen Bildnissen und Selbstporträts de Chiricos.“


    Die Angaben in Klammern sind z. T. von mir ergänzt.


    Hallo Hubert,


    grundsätzlich okay. Könntest du das aber bitte mit den beiden Leserunden terminlich präzisieren?


    Super, das Dir mein Vorschlag gefällt. Die Termine für die beiden anderen Leserunden:


    „Unwiederbringlich“: voraussichtlich 30. Mai 2011
    http://www.klassikerforum.de/i…56.msg46350.html#msg46350


    „Die Kartause von Parma“: voraussichtlich 18. Juli 2011
    http://www.klassikerforum.de/i…32.msg46406.html#msg46406


    sodass für mich ein Lesebeginn zwischen dem 20. und dem 25. Juni ideal wäre?


    LG


    Hubert


    Hui, die lässt mich im ersten Augenblick sehr durcheinander zurück. Ich will jetzt gar nicht sofort etwas dazu schreiben, sondern die Geschichte erst einmal setzen lassen und dann deine weiterführenden Links lesen, Hubert. Jedenfalls eine sehr intensive, sehr (alp-)traumhafte Angelegenheit ...


    „Eine sehr intensive, sehr (alp-) traumhafte Angelegenheit“, liebe Bluebell, damit hast du den Nagel auf dem Kopf getroffen und dein Ersteindruck gefällt mir zehnmal besser als das Ergebnis von Gerrit Schneiders wissenschaftlicher Arbeit das ich zuerst mal würdigen möchte, bevor ich in meinem nächsten Beitrag meine Interpretation abgebe:



    Gerrit Schneider kommt in seiner „Basisinterpretation zu Franz Kafkas ‚Ein Landarzt’“ mit Hilfe der ‚kognitiven Hermeneutik’ zu dem Ergebnis, dass Kafka mit dieser Erzählung seinen Lesern eine rätselhafte Textwelt hinterlassen hat.


    Ihnen Herr Schneider, ihrem Professor Dr. Peter Tepe und dem gesamten Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gilt mein besonderer Dank für diese gewagte These, die imo ohne die literaturwissenschaftliche Methode der ‚kognitiven Hermeneutik’ mit einem so hohen Grad an Wissenschaftlichkeit nicht möglich gewesen wäre und für die 13 Seiten, die ich lesen durfte um zu dieser Offenbarung zu gelangen
    :breitgrins:


    LG (Dir Bluebell)


    Hubert


    Also - das Buch heißt "Die keltische Frau" und stammt von Jean Markale.


    Liebe Bluebell, vielen Dank dafür, dass Du einen Teil der Osterfeiertage dafür geopfert hast um für mich zu recherchieren. Anscheinend gibt es das Buch in Deutsch nicht mehr, aber ich denke es handet sich um dieses Buch:


    http://www.amazon.com/Women-Celts-Jean-Markale/dp/0892811501


    Dann werde ich mir das demnächst besorgen, zumal ich jetzt noch ein anderes Buch von Markale entdeckt habe:


    “Cathedral of the Black Madonna: The Druids and the Mysteries of Chartres”


    das mich als Freund und Kenner? der gotischen Kathedrale von Chartres sehr interessiert.


    Aktuelle Lektüre: Diverse Bücher zu Bob Dylan;


    Hallo Giesbert,


    welche Bücher zu Bob Dylan kannst Du empfehlen, - Dylan ist ja ein Thema, das mich auch sehr interessiert.


    Dir und natürlich auch allen anderen Mitgliedern des Klassikerforums wünsche ich „Frohe Ostern“


    LG


    Hubert

    Da könnte ich schmerzfrei meine Mark Twain-Wette verlieren. Ich habe mir zwischen den Jahren bei Zweitausendeins ein hier als "Anatevka"bezeichnetes Exemplar des Tewje vom Grabbeltisch gegriffen, weil ich wie du das Musical nach dem Roman ganz gerne mag, wenn ich auch sonst nicht allzu viel von diesem Genre schätze.
    Würde also mitmachen!


    Frostern!


    finsbury


    Hallo finsbury,
    das wäre ja schön, wenn wir so unsere Wette zu Ende bringen würden. Es sind ja noch gut 5 Wochen und imo ist noch alles offen. Vielleicht können wir uns schon jetzt auf folgendes einigen: Der Gewinner der Wette macht einen Lesevorschlag zu „Anatevka“ bzw. „Tewje ...“ und der Verlierer muss sich diesem Lesevorschlag anschließen. Lesezeit wäre für mich ideal zwischen der Leserunde „Unwiederbringlich“ und „Die Kartause von Parma“.
    Dir und natürlich auch allen anderen Mitgliedern des Klassikerforums wünsche ich „Frohe Ostern“
    LG
    Hubert


    Aber auch wenn mir die ersten drei mehr zugesagt haben, hat mir ehrlich gesagt bisher noch keine Erzählung so gut gefallen wie "Amerika/Der Verschollene" ... vielleicht liegen mir Kafkas Romane generell mehr. Vom "Prozess" habe ich jedenfalls neulich die ersten ein, zwei Seiten gelesen und die klangen wieder nach etwas, das mir sehr gefallen könnte!


    Hallo Bluebell,


    wenn Dir ev. auch „Das Schloss“ gefallen könnte und Du Lust dazu hast, könnten wir das hier im Anschluss an die Erzählungen noch lesen, bis zu Fontane ist ja noch 5 Wochen Zeit. Den „Prozess“ hab' ich im Klassikerforum schon mal gelesen. Gerne hätte ich durch einen Link auf die Leserunde hingewiesen, aber sie ist, wie das Bibelprojekt, verschwunden.



    Ich werde nachsehen! Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich eine keltische Sage war oder eine vom Fischerkönig (dem Gralshüter), was dann ja eher ein keltisch-christlich-mythologisches Mischmasch wäre - jedenfalls kenne ich die Geschichte aus meiner Keltenphase und habe eine Handvoll Bücher im Kopf, die dafür in Frage kommen. Ich werde am Osterwochenende mal danach suchen!


    Das, liebe Bluebell, wäre sehr, sehr nett.



    Mir hat bis jetzt die Strafkolonie am besten gefallen. Wenn wir durch sind, könnten wir ja zum Spaß jeder eine persönliche Reihung posten und vergleichen, wer womit wie viel oder wie wenig anfangen konnte! :smile:


    Super Idee, dieses Ranking sollten wir auf jeden Fall machen, ich bin sicher, es wird sehr unterschiedliche Listen geben.



    Nette Anekdote mit den Komponisten übrigens - generell würde ich ja auch Kafka statt Blumen bevorzugen, aber wenn ich gerade wegen einer OP im Krankenhaus läge und mir brächte jemand den "Landarzt", würde ich ihn der Person wahrscheinlich um die Ohren hauen! :elch:


    Ich hab' mich auch gefragt, ob Alban Berg Kafka nur verschenkt oder auch gelesen hat?



    Die Erzählung „Ein Landarzt“ habe ich begonnen, bin aber durch die literarischen Anspielungen so abgelenkt worden, dass ich nicht sehr weit kam. Gleich zu Beginn bei „..... aber das Pferd fehlte, das Pferd“ habe ich automatisch laut gesagt: „A horse, a horse, my kingdom for a horse!“ und dann erst mal den 5. Akt von „Richard III“ wieder einmal gelesen und dann bei


    „gequält stieß ich mit dem Fuß an die brüchige Tür des schon seit Jahren unbenutzten Schweinestalles. Sie öffnete sich und klappte in den Angeln auf und zu. Wärme und Geruch wie von Pferden kam hervor. Eine trübe Stalllaterne schwankte drin an einem Seil. Ein Mann, zusammengekauert in dem niedrigen Verschlag, zeigte sein offenes blauäugiges Gesicht. »Soll ich anspannen?« fragte er, auf allen Vieren hervorkriechend. …......
    uund zwei Pferde, mächtige flankenstarke Tiere, schoben sich hintereinander, die Beine eng am Leib, die wohlgeformten Köpfe wie Kamele senkend, nur durch die Kraft der Wendungen ihres Rumpfes aus dem Türloch, ….


    hat's mich fast aus dem Lesesessel gehauen, da befreit doch Kafka zumindest literarisch tatsächlich die zwei kohlhaaschen Rappen aus dem Schweinekoben der Tronkenburg und ich konnte nicht anders und musste erstmal das Gespräch zwischen Kohlhaas und seinem Pferdeknecht Herse nachlesen und bin dann bei Kleist hängengeblieben.


    Dir und natürlich auch allen anderen Mitgliedern des Klassikerforums wünsche ich „Frohe Ostern“


    LG


    Hubert

    Die fünfte Erzählung heißt: „Ein Landarzt“. Die Erzählung ist gleichzeitig titelgebend für einen Sammelband, der auch „Ein Bericht für eine Akademie“ und zwölf weitere zum Teil sehr kurze Erzählungen enthält. Welche das sind kann man dem unten verlinkten wikipedia-Artikel entnehmen.

    Hier findet man den Text:
    http://www.textlog.de/32067.html


    hier den Wikipedia-Artikel:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Landarzt


    hier eine Basisinterpretation von Gerrit Schneider (Uni Düsseldorf):
    http://www.mythos-magazin.de/methodenforschung/gs_kafka.pdf


    hier ein Thesenpapier von der Uni Heidelberg:
    http://dokumente-online.com/ka…arzt-zusammenfassung.html


    und hier eine Arbeit über traumhafte Elemente in Kafkas „Ein Landarzt“:
    http://franzkafka.ovh.org/opinie_pliki/kurzacz%203.pdf

    Hallo zusammen,


    schade, dass euch „Ein Bericht für eine Akademie“ nicht so gefallen hat, von allen bisher gelesenen Erzählungen halte ich persönlich diese für die gelungenste. Aber die Geschmäcker sind verschieden und es muss ja nicht jeder/m alles gefallen. Kommen wir zur vorletzten Erzählung in unserer kleinen aber feinen Leserunde: „Ein Landarzt“.


    Text und ein paar Links findet man wie immer im Materialordner.


    Der Komponist Alban Berg, der Kafka sehr verehrte, hat gerne zu Geburtstagen oder ähnlichen Anlässen Bücher von diesem verschenkt. Einmal als sein „Lehrer“ Arnold Schönberg wegen einer Blinddarmoperation in einem Wiener Krankenhaus lag hat er diesem statt Blumen Kafkas Erzählung „Ein Landarzt“ geschickt. Ob dieses Geschenk zur schnelleren Genesung von Arnold Schönberg beigetragen hat ist allerdings nicht überliefert.


    LG


    Hubert


    Dann wäre die "Mistkäfer"-Aussage der Haushälterin also eher umgangssprachlich zu verstehen.


    Wie das wirklich zu verstehen ist, kann natürlich niemand beweisen, ich zumindest verstehe das genau so!



    In diese Richtung hatte ich auch überlegt, weil mich die Sache an eine keltische Sage erinnert hat, die ich vor einigen Jahren gelesen habe. Darin wird ein König am Oberschenkel verletzt und ist daraufhin bettlägrig, und sein Land geht währenddessen vor die Hunde. Es handelt sich dabei um eine Metapher für Impotenz, und seither bin ich sensibilisiert, wenn ich von Verletzungen in einem gewissen Radius rund um den männlichen Intimbereich lese. :breitgrins:


    Das ist ja sehr interessant, die alten Kelten mit ihren kafkaesken Sagen - weißt du noch, liebe Bluebell, wie die Sage hieß oder wo man die finden kann?


    Das leuchtet ein und ist auch schlüssig - ein Ausweg, der nicht unbedingt zu mehr Glück und Zufriedenheit verhilft.


    Sicher nicht, Steffi, zumindest bei Kafka war es ja auch nur ein befristeter Ausweg!


    LG


    Hubert

    Bei einer Recherche nach Kafka & das Judentum bin ich wieder einmal auf den Schriftsteller Scholem Alejchem gestoßen, einem Klassiker der jiddischen Literatur. Eines seiner Werke „Tewje, der Milchmann“ wurde als Musical „Fiddler on the Roof“ 1964 am Broadway uraufgeführt, vier Jahre später erfolgte die deutsche Erstaufführung als „Anatevka“ in Hamburg. Obwohl ich mir Musiktheater eigentlich erst ansehe, wenn ich die literarische Vorlage kenne, ist es mir in diesem Fall noch nicht gelungen das Buch zu lesen und trotzdem ist „Anatevka“ eines meiner Lieblingsmusicals. Aus diesem Grund und auch weil imo in dem Buch die Rolle des Vaters in der jüdischen Familie geschildert wird, würde ich das Werk als Ergänzung zu Kafka in absehbarer Zeit lesen wollen. Kennt jemand von euch schon „Tewje, der Milchmann“ oder ein anderes Werk von Scholem Alejchem oder hätte jemand von euch Lust das Buch in einer gemeinsamen Leserunde zu lesen?


    LG


    Hubert


    Heute habe ich den "Bericht an eine Akademie" gelesen. Diese Geschichte hatte eine ganz eigenartige Wirkung auf mich. Der Affe legt seine Affennatur ab und sich menschliche Verhaltensweisen zu, aber obwohl ihn das theoretisch auf eine höhere Stufe heben sollte (was er selbst ja auch so empfindet, und anscheinend auch die Menschen in seiner Umgebung), erniedrigt er sich dadurch doch ganz fürchterlich. ...... Wie ging es euch?


    Mir ging es ähnlich wie Dir, - auch Max Brod spielt wohl auf diese Erniedrigung an, wenn er im Anschluss an eine öffentliche Lesung dieser Erzählung durch seine Frau schreibt: „Ist das nicht die genialste Satire auf die Assimilation, die je geschrieben wurde. …. Der Assimilant, der nicht Freiheit … will, nur einen Ausweg, einen jämmerlichen Ausweg! Es ist grotesk und erhaben in einem Atemzug.“ (Sowohl Brods als auch Kafkas Familien gehörten dem assimilierten, jüdischen Bürgertum Prags an, die jüngere Generation empfand diese Assimilation, auch angeregt durch Gastspiele ostjüdischer Theatergruppen, als erniedrigend.)


    Der Ansatz von Brod ist sicher richtig aber er macht auch den Fehler, Kafka auf ein Thema zu verengen. Wie viel mehr steckt in dieser Erzählung? Auf zwei Punkte will ich noch hinweisen. Sehr raffiniert bringt Kafka das psychoanalytische Thema der Kastrationsangst ins Spiel,


    http://www.psychology48.com/de…ngst/kastrationsangst.htm


    wenn er Rotpeter von dem zweiten Schuss der ihn unterhalb der Hüfte getroffen hat, erzählen lässt, - Rotpeter kann deshalb auch ungeniert die Hose runterlassen, da ist nichts mehr wofür er sich genieren müsste, nur eine Narbe und wohlgepflegter Pelz.


    Auch die Problematik, dass ein Leidender, durch den Ausweg der Kunst überleben kann, steckt in der Erzählung. Rotpeter wollte nicht die Freiheit, den er wusste, das wäre der Tod gewesen, er suchte nur einen Ausweg, den er als Varietekünstler fand. Auch Kafka war ein Leidender. Den Weg in die Freiheit hat er im „Urteil“ dargestellt in dem er quasi Schiller zitiert („ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei“ aus dem Tell, ein Zitat das auch Koeppen als letzten Satz in seinem „Treibhaus“ verwendet). Kafka (wie Koeppen, Thomas Mann u.a.) hat diesen Weg in die Freiheit nicht gewählt (vielleicht sein Bruder Georg, aber das ist noch Spekulation), Kafka nahm den Ausweg den er im „Bericht“ beschreibt, zum Künstler.


    Liebe Grüße


    Hubert


    Najaaa ... wenn ich morgen mit 6 anstatt meiner gewohnten 2 Füßchen aufwachen sollte, dann wären das für mich durchaus "viele". :breitgrins:
    Und ist nicht an irgendeiner anderen Stelle durchaus von sechs die Rede, oder habe ich das falsch in Erinnerung?


    Hallo zusammen,


    Dein Einwand, Bluebell, ist sicher berechtigt. Ich habe deshalb „Die Verwandlung“ mal elektronisch durchsucht und wenn meine Suchfunktion richtig funktioniert, kommt „Sechs“ im Zusammenhang mit Füßen oder Beinen nicht vor. Aber dreimal wird auf die vielen Beinchen hingewiesen, einmal sogar mit zusätzlich zwei Händen und kein Tier hat viele Beinchen und zusätzlich Hände, oder? Mir scheint, Kafka hat bewusst auf viele Beine hingewiesen ohne eine genaue Zahl zu nennen damit eben nicht auf eine bestimmte Klasse im Tierreich hingewiesen wird.


    Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.


    Er hätte Arme und Hände gebraucht, um sich aufzurichten, statt dessen aber hatte er nur die vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung waren und die er überdies nicht beherrschen konnte.


    der sich schon am Geländer des Vorplatzes lächerlicherweise mit beiden Händen festhielt; fiel aber sofort, nach einem Halt suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder