Beiträge von Leibgeber


    Benito Cereno halte ich für mindestens ebenbürtig.


    Ist er.
    Ich lese mich so peu à peu durch diese unglaubliche, irgendwie phantastisch-surrealistische Passage auf Cerenos Schiff und frage mich, wie das wohl ausgeht ... bloß nix verraten, ja? :zwinker:



    Ob Melville Motive aus den Erzählungen von Poe kannte, habe ich mich auch schon öfter gefragt. Die Biografen liefern da allenfalls Allgemeinplätze. Aktueller Anlass bei mir: in der Erzählung "William Wilson" tritt eine Person mit dem Namen "Glendinning" auf. Das war in Melvilles "Pierre" der Familienname des Helden. Zeitlich würde das passen, die Mehrzahl der Erzählungen von Poe stammt aus der Zeit um 1840.


    Das ist ein Tipp ... ich hab "Pierre" vor ca. 6-7 Jahren gelesen, und wie üblich ist nicht sehr viel hängengeblieben.
    Ich hab die Hanser Ausgabe (Lizenz der WBG). Mit gewohnt gutem Kommentar.
    Werde nachstöbern, ob sich da was darüber findet.
    Oder ob der Kommentar der Poe-Wollschläger'schen Poe-Übesetzung was hergibt?


    Ich habe bisher keine Melville-Biographie gelesen. Kannst du eine empfehlen?


    Das erinnert mich an eine weibliche Nebenperson in Dickens "Nicolas Nickleby", die auf naiv-dreiste Art von sich selbst überzeugt ist. Auch das ist am Anfang interesant (und lustig), aber auf die Dauer nervt es.


    Stimmt.
    Aber Dickens kommt einem da besonders in den Kopf, weil es bei dem so auffällig ist.
    Denn er verwendet immer dieselben paar Verhaltensweisen bzw. Redewendungen, um eine Person zu charakterisieren.
    Klassisch bei Mr. Micawber mit seiner Redewendung von den "Einkommen 20 Pfund ...."
    Was dann werweißwieoft immer wieder vorkommt.



    Es drehte sich um das Ergründen des "Geheimnisses", dass dann ja doch "nur" des Rätsels Lösung in der Romantik des Helden lain Flickwerk, obwohl es immer noch eine starke Geschichte ist.


    Zustimmung.


    Aber über Jims Charakter grübele ich immer noch ......


    Waren Marlow und Stein "auch mal Jim" und haben ihren Weg da raus gefunden?
    So wie Brierly "auch mal Jim war" und den Weg nicht fand ?


    Der Roman bleibt auf dem Schreibtisch, bis ich in der Biographie von F. Karl die darauf bezüglichen Passagen gelesen hab.

    Gerade beendet:
    Melville's "Bartleby"


    Und jetzt: "Benito Cereno".


    Ich glaub, "Bartleby" ist eine der besten Novellen, die ich je gelesen habe.
    Eine unglaublich starke Studio eines "Mannes aus der Masse", eines völlig gesichtslosen Menschen.


    Kannte Melville Poe's "The Man of the Crowd"?.
    Sehr lange her, dass ich Poe gelesen habe, aber dieses Werk ist bis heute hängengeblieben.


    ich habe nach "Lord Jim" noch "Taifun" gelesen.


    Ja, das hab ich auch gekauft.



    Genau die habe ich gestern in meinenEinkaufskorb bei amazon getan, nachdem ich meine Chancen bedacht hatte, noch vor den Feiertagen eine nicht-virtuelle Buchhandlung aufzusuchen. Freu mich schon drauf, vor allem weil auch "Almayers Wahn" in dem Band enthalten ist, den ich auch noch lesen wollte.
    finsbury


    Das ist ein sehr guter Roman, ja.
    Habe übrigens gefunden, dass es thematisch verwandt sei mit "Der Verdammte der Inseln".
    Die alte Ausgabe bei S.Fischer hat denn auch beide in einem Band.


    Alles in allem ein toller Roman, dem das Streichen von 50 Seiten Redundanzen moralischer Ergüsse noch mehr Wucht verliehen hätten.


    Jeder liest ein Buch anders.
    Ich hab's nicht als Moralisiererei empfunden.


    Ich wäre interessiert, zu wissen, auf welche Passagen ihr euch bezieht.


    Ich hab mich selten so oft, wie bei JC, selber drauf gestoßen, dass es gilt, einen Unterschied zu machen zwischen dem Autor, und den Personen, denen er seine Geschichte in den Mund legt.
    Hier ja ganz wörtlich – Marlow erzählt sie (den größten Teil davon) einem Kreis von Zuhörern.


    Und mag sein, dass, was wir als Weitschweifigkeit und Moralisiererei empfinden, so sein MUSS.
    Weil Marlow so ist.
    Ein in seiner Gesetztheit (wie alt ist der eigentlich?) manchmal etwas nervender Typ.


    Wir haben zwei, die moralisieren. Marlow, und, durch seine Erzählung, Stein.
    Und wir haben Jim.
    Mag sein, Jim + Marlow + Stein = ich (Conrad) ?


    Was mich eher gestört hat, ist das Ungleichgewicht der beiden Teile, überhaupt die sehr offenkundige Zweiteilung. Wenn es so ist, dass ursprünglich nur die Pilgerschiff-Episode da war, dann mag es JC nicht gelungen sein, beides richtig miteinander zu verstricken.


    Wie es am Anfang der "Author's Note" steht

    Zitat


    When this novel first appeared in book form a notion got about that I had been bolted away with.


    Fritz Lorch übersetzt: der Roman sei mit ihm durchgegangen


    Und wie JC es so fast 20 Jahre später aufschreibt, finde ich nicht unwitzig.


    Also, meiner Ansicht nach ist er mit ihm durchgegangen.
    Das Werk ist nicht so geschlossen, wie der (umgangreichere) "Nostromo" oder "Sieg."


    Ich halte JC aber zugute, dass "Lord Jim" ein frühes Werk ist.
    Die vorherigen "Almayers Wahn" und "Herz der Finsternis" sind vielleicht kompositorisch besser, aber ja auch kürzer.


    Mir sind die meisten großen Autoren als Personen ziemlich unsympathisch.


    Sympathie wäre mir kein Kriterium
    Sondern Interessantheit.
    Arno Schmidt hat es vorgemacht, der hat ja mal Goethe getroffen :zwinker:


    Bei mir, klar:
    Jean Paul. Sowie:
    Lawrence Sterne.
    Jonathan Swift.


    Novalis.


    Abgesehen mal davon würde ich gerne kennenlernen die Autoren der Bücher Hiob und Prediger.
    Allerdings sind die meines Wissens nicht bekannt, und die Sprach- und kulturelle Barriere wäre wohl doch recht groß.


    Von noch lebenden fällt mir keiner ein.
    Von noch nicht so lange toten, ja:


    Thomas Bernhard.
    Sowie einige der Science Fiction Autoren, die ich früher so viel gelesen hab.
    Bspw. Theodore Sturgeon.


    Kann auch sein, das ich mich mit Schopenhauer gut verstehen würde.


    Sowie Faulkner und Hammett, und Malcolm Lowry.
    Ich glaub allerdings nicht, dass mir eine Sauftour mit denen gut täte.


    Erstaunlich, dass bisher noch niemand an


    Melville: Moby-Dick


    gedacht hat.


    Hatte ich schon.
    Die Crux dabei ist aber, wie auch bei anderen der genannten Titel, in welchem Umfang es eigentlich um Schiffbruch geht.
    Und der Anteil scheint mir meist eher gering zu sein.
    Davon abgesehen - ist das Schiffbruch, wenn ein Wal das Schiff versenkt ???
    Ich hab mir aber eben mal den Spaß gemacht und ins Blaue getippt, also, im Browser eingegeben
    (das bringt auch sonst manchmal lustige Ergebnisse)
    http://www.schiffbruch.de


    :winken:


    Wie im link steht, 39,80 €. Ist aber bebildert :zwinker:


    finsbury


    Sparsam :zwinker:


    Nur so by the way ist da ein Photo drin von eine Netta Peacock.
    Über die man, übliche Schnellsuche bei Google, wenig, aber immerhin ein bisschen was findet.
    Anscheinend eine englische (?) Journalistin, die so zwischen 1900 und 1910 in Russland unterwegs war.


    In einem Buch habe ich übrigens gelesen, dass es für Jim ein reales Vorbild gab:


    Der Schiffbruch, der JC als Vorlage diente, wird auch in der Biographie von Frederick R. Karl erwähnt.
    Ich hab die Stelle aber, trotz Werkregister, eben nicht wiedergefunden.
    Und es gab ein Vorbild für Jim, namens Jim Lingard.
    Aber so weit bin ich noch nicht.


    Auf eine Metapher im Patusan-Teil möchte ich jedoch noch eingehen, jedenfalls glaube ich, dass es eine Metapher ist:
    Das Gebirgsmassiv mit den zwei Gipfeln, getrennt durch eine tiefe Schlucht, durch die der Mondschein zwischen Geäst fällt, wirkt in Kapitel 34 auf mich wie ein Bild für das Trennende zwischen Jim und seiner Partnerin, die Schuld, in die er sich verstrickt hat und für die er anscheinend immer noch nicht genug gebüßt hat, trennt ihn von ihr und sie ist sich sicher, dass er sie eines Tages verlassen wird: Dieses Gestrüpp trennt sie, trotz des Mondscheins, der vielleicht ihre Liebe symbolisiert.


    Ich hatte weitaus primitiver interpretiert:
    nämlich handfest sexuell.

    Ich hab beendet:


    Geschichten der Unrast und Sechs Erzählungen.
    Tales of Unrest (1898).
    A Set of Six (1908).


    Zu der ein- und anderen der Erzählungen werde ich noch was schreiben -- wenn ich es fertig bekommen habe, mich zum Geheimagenten zu äußern.


    Für jetzt unterbreche ich mich mal bei Mr. Conrad.


    Es liegt hier schon seit einiger Zeit:
    Herman Melville: Billy Budd : die großen Erzählungen.
    Billy Budd und Bartleby hab ich mal gelesen, vor sehr langer Zeit.


    Alle, die sich für Melville interessieren, kennen es wohl eh, also für alle anderen:
    Klasse-Blog!
    Geht über Melville weit hinaus, so viel zur (nicht nur amerikanischen) Literatur ...


    Bin akut in Gefahr, mich im Beitrag über Mark Twain festzulesen.


    Gruß, Leibgeber

    By the way und à propos "Patna", es hat sich ja herausgestellt, dass die Flucht von Bord nicht nur feige war, sondern völlig überflüssig. Denn die wird von einem französischen Schiff nach Athen geschleppt (ich durchstöbere wieder nur meinen Schädel), und die Seeleute finden eine Leiche, die von George, und ansonsten geht es allen gut.


    Tragisch ..... wenn Jim seine Feigheit überwunden hätte, wäre ER der einzige gewesen, der an Bord ausgeharrt hätte.
    Und das hätte seinem Ruf genützt.


    Hallo finsbury,
    im 1. Kapitel heißt es:
    He was spotlessly neat, apparelled in immaculate white from shoes to hat.....
    hier täuscht er eine Makellosigkeit vor, die er innerlich nicht empfindet.


    Das können wir auch anders sehen.


    Beschreibungen von Weißen (Offizieren, See- und Handelsleuten und anderen), die in den Tropen verlottern, sich gehen lassen, inclusive Suff, sind Legion.
    Solche finden wir ja auch bei Conrad. Auch in "Lord Jim".


    Kleidung hat was mit Stil zu tun, und der auch mit dem Versuch, seinen Platz im Leben zu finden, und fraglos sucht Jim.
    Mag sein, feine Kleidung - nehmen wir mal an, dass Waschen und sonstige Pflege aufwendig waren, trotz jeder Menge einheimischer "Helfer/innen" - will eine Haltung vortäuschen, mit der Jim innerlich so seine Schwierigkeiten hat.


    Aber soll er sich denn verlottern lassen?


    Wer ist verkommener, der Problemfall Jim, oder der Kapitän der "Patna"?
    Ich erinnere mich, ohne sie jetzt wiederzufinden, an die Szene, wo Marlow den sieht, und er trägt einen völlig verdreckten Schlafanzug. Oder so ähnlich.


    Und Weiß ist ja, mag es auch Konnotationen anderer Art haben, vor allem tropentauglich.


    Leibgeber, chronischer Schwarzträger :winken:

    Dem Joseph Conrad auch mal fremdgehen :zwinker:


    Orlando Figes, Nataschas Tanz.
    Breitwandgemälde russischer Kultur, aucb wenn Mr. Figes die erst mit Peter dem Großen beginnen lässt.
    Liest sich gut weg.
    Gefällt mir.


    Kleine Nebenlektüre:
    wie Mr. Figes als "Historian" ins Gerede kam.
    (Und andere, einfach nach [url=http://www.google.de/#sclient=psy-ab&hl=de&source=hp&q=figes+amazon&pbx=1&oq=figes+amazon&aq=f&aqi=g-L1g-vL3&aql=1&gs_sm=e&gs_upl=1550l3223l2l3562l7l4l0l3l3l1l337l1063l2-3.1l7l0&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.,cf.osb&fp=eadadcc4644669e9&biw=1024&bih=569]figes amazon[/url] googlen.)


    Nein, das ist gar nicht komisch. Aber Entlarvendes hat auch was.


    Die Ausgabe der WBG kostet Euro 14,90, ist aber Paperback, und, glaub ich, verkleinert.


    Gruß, Leibgeber


    Ist es ein philosophischer Exkurs seitens Stein wenn er u.a. sagt:


    Möglich.
    JC kannte ja seine Schopenhauer etc.
    Allerdings sollte man es vielleicht, in Anbetracht der Häufigkeit von Begriffen wie "sein", "bin" etc. nicht überbewerten.
    Die nun mal sowohl ganz normale alltägliche Verhaltensweisen beschreiben, wie auch philosophische Problemstellungen.


    (Ich versuche jetzt seit zwei Wochen, was zum "Geheimagent" zu schreiben., Aber komme irgendwie zu nix ...)


    Gruß, Leibgeber


    Brierly als Kontrast zu Jim.


    Ich hab nochmal über diese Episode nachgedacht.


    In der es, so ganz nebenbei, immerhin um einen Selbstmord geht.
    Genauer:
    um ein möglichst unauffällig inszeniertes, und ganz geordnetes Verschwinden aus der Welt.
    Unter Zurücklassen seiner Uhr:
    "t was Captain Brierly's gold chronometer watch carefully hung under the rail by its chain. "


    Makaber.


    Und daran anschließend der Grund für diese Abschweifung:
    Brierly spricht mit Marlow, und es geht darum, Jim zu bewegen, Geld anzunehmen, und zu verschwinden.
    (to clear out, schreibt JC, ich hab es gerade nachgelesen)


    Dazu kommt es dann ja nicht.


    Die Sache findet statt nur kurz vor Brierlys Selbstmord.
    Könnte es sein, dass Jim die Ursache ist ...


    Marlow:
    "I wondered greatly at the direction of his thoughts, but now I strongly suspect it was strictly in character: at bottom poor Brierly must have been thinking of himself. "


    ... dass die Sache Brierly so tief betroffen macht, weil er selbst in seinem Leben einen Punkt hatte, FLECKEN -
    where he cleared out --


    wo er sich dünnemachte -
    anstatt sich, wie Jim es jetzt immerhin tut, der Sache zu stellen?


    Und jetzt ist diese Affäre, an der er als Beisitzender teilhat, so das letzte, was es noch braucht, dass er verzweifelt, an sich ...


    Nein, ich glaub nicht, dass Brierly ein Kontrast zu Jim ist.
    Eher eine Spiegelung?
    Jim, das bin ich ...


    Die Episode wurde mal nachträglich veröffentlicht.
    Des Geldes wegen, klar :zwinker:


    Ich frage mich aber wie auch bei anderen etwas herausgelöst wirkenden Episoden, ob eventuell etwas vorab da war, und er hat es dann für den Roman benutzt.
    So, wie er ja auch schreibt, dass der Patna-Teil vorab da war.