Beiträge von Leibgeber

    Appenzellische Jahrbücher / Band 133 (2005).
    Themenheft Robert Walser.


    Daraus:
    Polizeifoto des toten Robert Walser.


    Wikipedia:

    Zitat


    Robert Walser liebte lange, einsame Spaziergänge. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1956 starb er an einem Herzschlag bei einer Wanderung durch ein Schneefeld, wo er kurz darauf gefunden wurde. Die Fotografien des toten Spaziergängers im Schnee erinnern fast unheimlich an ein ähnliches Bild eines Toten im Schnee aus Robert Walsers erstem Roman Geschwister Tanner.


    Gruß
    Leibgeber

    Die steht bei mir demnächst auf der Tagesordnung.


    1912 – Mission Moderne
    Die Jahrhundertschau des Sonderbundes.
    Große Retrospektive mit van Gogh, Gauguin, Picasso, Munch & Co


    Vor 100 Jahren fand in Köln eine der wichtigsten Ausstellungen der jüngeren Kunstgeschichte statt. Die heute legendäre Kölner Sonderbundausstellung war im Sommer 1912 angetreten, dem konservativen Kaiserreich die moderne Kunst nahe zu bringen – mit durchschlagendem Erfolg. Die Schau wurde in Deutschland zum wichtigsten Wegbereiter für die Moderne. Qualität und Quantität der Exponate waren atemberaubend. Rund 650 Kunstwerke – darunter alleine 130 Gemälde von van Gogh, 26 von Cézanne, 25 von Gauguin, 32 von Munch und 16 von Picasso – waren in der eigens für die Schau errichteten Ausstellungshalle zu sehen. Das Spektrum der ausgestellten Kunst reichte vom Postimpressionismus bis hin zum deutschen Expressionismus, den jungen Malern der Brücke und des Blauen Reiters.


    Anlässlich des Jubiläums der Sonderbundausstellung zeigt das Wallraf mit „1912 – Mission Moderne“ vom 31. August bis 30. Dezember 2012 einen spektakulären Rückblick auf diese Jahrhundertschau. Mit mehr als hundert Meisterwerken, die damals zu sehen waren, wird die ursprüngliche Ausstellung in ihren Schwerpunkten und Zielsetzungen rekonstruiert.


    Siehe auch hier.


    Das Internet machts möglich:
    den Katalog der Ausstellung von 1912 gibts hier.


    Gruß
    Leibgeber

    Die Jagd nach dem Meteor.
    Und zwar die dort unten erwähnte Neuübersetzung des Urtextes bei Piper.
    Oder jedenfalls parallel zur Ausgabe Bärmeier&Nikel bzw. Fischer.
    Diese Bücher sind zwar schön illustriert, aber unmöglich übersetzt, bearbeitet verhunzt.


    Die "Reise zum Mittelpunkt der Erde" war eines DER Jugendbücher; ich hab es auch später noch mal wiedergelesen.
    Die Übersetzung des Diogenes-Verlags hat Arno Schmidt böse verrissen. Wenn man seine literaturhistorischen Ansichten auch stets mit Vorsicht genießen sollte - lesenswert ist das allemal. ("Das Leptothe-Herz", zuerst Haffmans,1987)


    Gruß, Leibgeber


    Grüß Gott,
    Versehen. Dialektologe bin ich gerade nicht ...
    Servus!
    Leibgeber :winken:

    Dann hier mal was Ernsthaftes und garantiert kein Spam :zwinker:

    Zitat


    Schon seit den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts findet in Deutschland ein veränderter Umgang mit Tradition statt. Mit der Wiedervereinigung stellte sich einerseits die Frage nach Identität neu. Zugleich erlebten wir in westeuropäischen Gesellschaften – poetisch ausgedrückt – „das Ende der großen Metaerzählungen“. Also traditionelle Ordnungssysteme wie Familie, Beruf, Herkunft, ja auch nationales Selbstverständnis lösen sich auf und bieten dem Individuum kein stabiles, selbstverständliches Identifikationsmuster mehr. Das Individuum reagiert darauf, indem es jetzt sich seine Identität selbst schafft und sich traditioneller Symbole bedient, diese aber spielerisch und selbstbewusst rekombiniert.


    Grüezi
    Leibgeber

    Im von mir verlinkten Artikel über Dmitrij Mamin-Sibirjak über Pjotr Dimitrijewitsch Boborykin.


    Zitat


    Boborykin z. B. wird im größten deutschsprachigen Literaturlexikon Kindlers (22 Bände à jeweils ca. 1000 Seiten) nicht einmal erwähnt, dabei ist er der russische Schriftsteller mit dem umfangreichsten Werk - sein Schaffen füllt 100 Bände!


    Der Roman

    Zitat


    Kitaj-Gorod – Roman aus dem Moskauer Kaufmannsleben, 1882 im Original, 1895 in der Übersetzung von Erwin Bauer erschienen.


    liegt auf dem Schriftenserver der UB Frankfurt digitalisiert vor.


    Qualität nicht so berühmt, aber schön, dass es da ist :klatschen:


    Die Übersetzungslage bei Boborykin ist katastrophal.


    Zeit, russisch zu lernen, auch noch aus anderen Gründen :smile:


    Gruß, Leibgeber


    Veröffentlicht 1883.


    Nach langem Aufenthalt in St. Petersburg kehrt Sergej Alexandrowitsch Priwalow in seine Heimatstadt Usel (fiktiv, nehme ich an) im Ural zurück.
    Von den im Titel erwähnten Millionen erfahren wir bald, dass sie im Wesentlichen auf dem Papier existieren, sowie in den Köpfen der "gehobenen" Useler Gesellschaft.
    Die den Neuankömmling, ohne seine Zustimmung allerdings, umgehend auf den Heiratsmarkt bringen will.
    So gesehen ist das ein Tanz ums Goldene Kalb, nur ohne Kalb.


    Priwalow, Idealist und Pragmatiker in einem, beschäftigt sich lieber mit dem Aufbau einer Getreidemühle, als in den Prozess und die Intrige um die ihm zustehenden Schatrow-Werke einzugreifen. Es geht um Gold- und Erzschürferei, Industriebarone, Ural und Sibirien im beginnenden Industriezeitalter. Und um die Veränderungen, die dies für die Ureinwohner des Gebietes mit sich bringt. Landnahme, Hungersnot, Ausbeutung. Die Leibeigenschaft ist aufgehoben, stattdessen müssen sich die landlosen Bauern in den den neu entstehenden Fabriken und Bergwerken verdingen.


    Priwalow möchte die Schuld abtragen, die er auf sich lasten fühlt, weil seine Vorfahren Land und Bewohner skrupellos ausgebeutet haben.


    So sind denn die in diesem Roman geschilderten Salons nicht jene des Adels oder Großbürgertums, wie wir es aus vielen Romanen des 19. Jahrhunderts kennen. In Usel regiert eine Kaste von Emporkömmlingen. Nicht, dass es weniger verlogen zuginge ...


    Wie es in einem Roman dieser Länge sein sollte, gibt es nicht die eine Hauptperson. Priwalow kommt einen guten Teil der Handlung über hauptsächlich in den Köpfen anderer vor. Und wird dadurch facettenreicher.


    Überhaupt ist es ja schön, zu erfahren, was die Mitmenschen so über einen denken :zwinker:


    Der Klappenzettel meiner Ausgabe gibt an, Mamin-Sibirjak habe den Ural und Sibirien als Schauplatz in die russische Literatur eingeführt.
    Wenn ich an dem Roman überhaupt was auszusetzen habe, dann, dass beide eher am Rande vorkommen. Von Ausflügen in die Schatrow-Werke und Priwalows Mühle mal abgesehen.


    Ansonsten wird ge- und entliebt, gemauschelt, intrigiert, prozessiert, wie es in Gesellschaftsromanen eben so ist.
    Und das ist sehr gekonnt geschrieben, mit Giftigkeit, wenn erforderlich.
    Ob Mamin nun Realist, Naturalist, oder sonstwas war, ist mir nicht so wichtig; ich kann mit derlei nicht so viel anfangen.
    Satire konnte er offenkundig.


    Dmitrij Mamin,1852-1912.
    Wikipedia gibt als Geburtsort

    Zitat


    Nizhny Tagil, near Yekaterinburg in the Urals


    an.
    Aber im Nachwort meiner Ausgabe (durch Übersetzer Bruno Goetz) steht:

    Zitat


    Mamins Geburtsort war die vom weithin bekannten Multimillionär Demidow gegründete industrielle Siedlung Wissimo-Schaitansk im Permschen Gouvernement.


    Und hier (auch hier, lesenswert!) findet sich

    Zitat


    Visim, Gebiet Ekaterinburg (Swerdlowsk) … Der Geburtsort von Dmitri Mamin ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein einmal gemachter Fehler über Generationen von Wissenschaftlern hinweg vererbt. Irgendjemand hatte "in Erdkunde nicht gut aufgepasst und am Fluss Kama im Gouvernement (heute "Oblast") Perm das Dorf Visim gefunden; dass Perm nicht in Sibirien liegt, ist ihm nicht aufgefallen, und auch nicht, dass es dort im Dorf Visim kein Hüttenwerk namens Visimo Šajtansk (gesprochen Wissimo-Schajtansk) gibt.
    Der in fast allen Nachschlagewerken angegeben Geburtsort "Wissimo-Schajtansk", Oblast (Gebiet) Perm ist also falsch; Mamin wurde im Dorf Visim am Westhang des südlichen Ural, etwa 100 km nordnordwestlich von Ekaterinburg im gleichnamigen Gouvernement (respektive Oblast Swerdlowsk) geboren. In diesem Dorf hatte der Industriemagnat Demidow ein Hüttenwerk mit Siedlung errichtet, das den Namen Visimo Šajtansk erhielt.


    Noch Fragen? :zwinker:
    Der Zuname "Sibirjak" bedeutet, klar, "Der Sibirer".


    Über den Ankauf des Romans "Korn" denke ich dann mal nach; mit welchem Ergebnis, ist ja abzusehen.


    Lesenswert!


    Gruß, Leibgeber


    Ich habe unterdessen ungefähr die Hälfte gelesen. Nicht übel, das Ganze. :breitgrins:


    Wenn man es garstig mag :breitgrins:


    Maxim Gorki: Foma Gordejew. Eine Beichte. Das Werk der Artamonows. Drei Romane.


    Eines der länger liegengebliebenen Bücher ... vornedrin steht das Kaufdatum: 13.02.1987.
    Stand mal in der zweiten, mal in der dritten Reihe, zwischendurch Umzugskartons, so knapp ein halbes Leben ... woran es nur liegen mag.
    An der Qualität bestimmt nicht.


    Romane aus dem Kaufleute-, Händler- und Fabrikantenmilieu.


    Ich erinnere mich, vor -zig Jahren "Die Mutter" gelesen zu haben.
    Und das kam mir ein wenig, nun, als Tendenzliteratur :zwinker: vor.
    Werde das aber mal überprüfen.
    Glaube nicht, dass ich sonst je was von Gorki gelesen hab.


    Grüße
    Leibgeber


    Nachtrag:
    Ich kann es nicht lassen, hab in eine sehr preiswerte Ausgabe von "Klim Samgin" investiert.


    Ich hab das gerade abgeschlossen.
    Wollte was darüber schreiben, aber hier steht das viel besser.


    Zitat


    Gern wird er als der russische Flaubert bezeichnet, seine dichten atmosphärischen Bilder lassen beim Lesen impressionistische Gemälde vor dem inneren Auge des Lesers entstehen.


    Bunin war ein Meister in Landschaftsschilderungen, aus denen heraus er ein Klima der Versteppung und Aussichtslosigkeit erstehen lässt. Aber es sind auch Bilder von großer Schönheit.
    Russische Endzeit, kurz vor der Revolution.


    Bis vor kurzem kannte ich ihn nur dem Namen nach; dass er der erste russische Literaturnobelpreisträger war, hatte ich nicht gewusst. Er ist einer von denen, die wirklich gelesen werden sollten.


    Es ist eine schöne Ausgabe, die allerdings zu dem Preis auch hätte fadengeheftet sein können :zwinker:
    Ich werde wohl weitere Bände daraus kaufen.


    Ein unbekannter Freund ist von Swetlana Geier übersetzt.


    Gruß
    Leibgeber


    Moin, Moin!



    Mist, dann hätte man sich die ganzen Revisionen der Lutherbibel sparen können. SCNR.


    IMHO war das nur, um die ganzen Übersetzungsfehler rauszuschmeißen, Interpunktion und Orthographie behutsam zu modernisieren, sowie diese grässliche altdeutsche Schrift neuzudeutschen. SCNR.
    :breitgrins:

    Giesbert hat es aufgeschrieben, was meist passiert.



    Mal so auf die Schnelle (für Genaueres müsste man sich die Ausgaben mal ansehen und mit dem Original* vergleichen): Das klassische Verfahren ist "behutsam modernisiert". Dabei wird nicht in den Wortlaut eingegriffen, wohl aber in die Orthographie. Und in ganz, ganz seltenen Fällen auch in die Grammatik.


    * Wobei die Frage auftaucht: Was ist das Original? Erstausgabe? Ausgabe letzter Hand? Historisch-kritische Ausgabe? Ich fürchte, wir lesen die Klassiker immer schon in einer irgendwie bearbeiteten/modernisierten Ausgabe.


    Eben.
    Fügen wir hinzu:
    einheitliche Editionsprinzipien gibt es eh nicht.



    Diese Frage - wie werden Klassiker, z.B. ein Achim von Arnim, oder noch älterer Autor bearbeitet, werden sie neu-gedeutscht? - beschäftigt mich schon eine Weile. Ich habe versucht, danach zu googlen, bin aber nicht fündig geworden.
    Seit ich Klassiker auf dem kindle lese (wo ich aus Geldmangel die meisten gebunkert habe), sehe ich immer wieder den Vermerk >überarbeitet<. Wird z.B. das Deutsch eines Hölderlin ins Deutsch unseres Zeitalters >übersetzt?<. Ich könnte es garnich erkennen... Bei einer Novelle von Achim von Arnim (Holländische Liebhabereien) allerdings hatte ich eher das Gefühl, es sei nicht >geglättet< worden...
    Weiß von Euch Jemand, vielleicht aus dem Verlagswesen, was da gemacht wird, und wer macht es, wenn?
    Das würde mich sehr viel wissender machen :breitgrins:


    Wieso, das kannst du doch alles selber rauskriegen
    Das ist ganz einfach. Oft jedenfalls.
    Schnapp dir einen Klassiker deiner Wahl, also, sagen wir, Achim von Arnim.


    Mir liegt von ihm die dreibändige Hansersche Werkausgabe, Lizenz der WBG, vor.


    Vor Kronenwächtern und Gräfin Dolores hab ich mich allerdings bis heute gedrückt :zwinker:


    In Band 3, Seite 822-824, werden, hansergründlich, die Editionsprinzipien, also Modernisierung von Lautstand, Orthographie und anderes, erläutert. Sollte Standard sein so, ist es aber nicht grundsätzlich.
    Oder nimm einen Band des Deutschen Klassiker Verlags.


    Will heißen:
    gute Einzel- und Werkausgaben weisen das nach.


    Häufig wird das so nett „behutsam modernisiert“ genannt. Was da passiert.
    Verhunzung jener wunderschönen Rechtschreibung und Interpunktion aus der Großen Zeit vor der Totnormierung durch Konrad Duden :grmpf:


    Wenn du dich mal eingelesen hast, wirst du irgendwann automatisch „Thor“ lesen statt „Tor“ und „seyn“ statt „sein“. Oder? :breitgrins:


    Und, weiter geführt:
    du musst ja heutzutage keine teuren Antiquaria mühsam zusammenkaufen.
    So wie der arme Arno Schmidt :cry:


    Suche nach Digitalisierungen.


    Für die Kronenwächter-Erstausgabe wirst du bspw. hier fündig.


    Und, as You like it, du kannst sogar testen, inwieweit schon im 19. Jahrhundert „behutsam modernisiert“ wurde.
    Arnims sämmtliche Werke, 1857.
    Und hier nochmal, aus der Endlos-Reihe „Deutsche National-Litteratur“.
    Sind da schon Abweichungen zur Erstausgabe 1817?
    Und das ist nur der erste Band ...


    Nix Kindle.
    Falls du es noch nicht getan hast, stöbere mal hier.


    Und ein paar Internetadressen sollte man für solche Recherchen eben drauf haben.


    Den Exegesen sind keine Grenzen gesetzt.
    Nur, hab ich mich jetzt schon wieder eine halbe Stunde drin verzettelt - virtuell, meine ich
    Statt zu lesen :zwinker:


    Seh ich doch gerade die Zeitung für Einsiedler :geil:


    Liebe Grüße
    Leibgeber


    Zu stark besiedelt ist das Bezuggebiet auch gerade nicht :zwinker:.


    finsbury


    finsbury


    Ja, und außerdem arm, und die Menschen sind bodenständig. Und der Bräsig urig :smile:


    Kann man einen Begriff, eine literarische Gattung anwenden auf Autoren einer Zeit, zu der dieser Begriff, diese Gattung wohl noch nicht eindeutig fixiert waren?


    Wikipedia bietet zwar nicht Reuter unter den Vorläufern, aber er gehört da rein, so viel oder wenig wie die anderen, die da stehen.


    Muss nicht ein Unterschied gemacht werden zwischen Heimatliteratur, und Literatur, in der es auch um Heimat geht?


    Ich hab seit längerem eine Roman von Josef Winkler aufliegen.
    Und der wird zur "modernen" Heimatliteratur gerechnet.
    Siehe mal nicht die Wikipedia, sondern hier.


    Dieses Wiki hat mich gerade auch zu ihm geführt, was es alles für Autoren gibt ...


    Muss man nicht Thomas Bernhard auch unter (kritische) Heimatliteratur rechnen?


    Grüezi
    Leibgeber


    Ich schiebe gleich mal Die Herren Golowlew nach.


    Seite 21/22.

    Zitat


    Porfiri Wladimyritsch hatte von der Familie drei Spitznamen erhalten: "Juduschka"*, "Blutsauger" und "ehrlicher Junge", Namen, die er seinem Bruder Stepka, dem Grobian, zu verdanken hatte. Von der Kindheit an liebte er es, sich zärtlich an das liebe Mamachen zu schmiegen, heimlich ihre Schulter zu küssen und manchmal auch seine Geschwister anzuschwärzen. Leise pflegte er die Tür ins Zimmer der Mutter zu öffnen, sich lautlos einzuschleichen, sich still in eine Ecke zu setzen und wie verzaubert die Mutter anzustarren, als könne er, während sie schrieb und lange Rechnungen aufstellte, den Blick nicht von ihr wenden. Aber Arina Petrowna verhielt sich schon damals diesem einschmeichelnden Benehmen gegenüber skeptisch. Damals schon erschien ihr der aufmerksam, auf sie gerichtete Blick rätselhaft, und sie vermochte nicht zu ergründen, ob er das Gift einer Schlange oder die Erfurcht eines Sohnes verriet.
    Ich verstehe nicht, was er für Augen hat, dachte sie. Schaut er mich an, so habe ich das Gefühl, als werfe er eine Schlinge um meinen Hals. Wie Gift ist es, das einen lockt.


    * Verkleinerung von Judas. (Anm. d. Ü.)


    Womit die beiden Hauptpersonen vorgestellt sind.
    Der Vater, Arinas Mann, eine Nebenperson im Clan, wie auch die Söhne sind dem Trunk verfallen.
    Mit dem erwähnten Bruder Stepka und dem anderen Bruder Pawel nimmt es schon frühzeitig ein Ende. Kein gutes. Ebenso mit der Schwester, die zwei Töchter hinterlässt, denen die Katastrophe in die Wiege gelegt ist. So wie auch Porfiris beiden Söhnen.


    Arina, hartherzig und geizig, büßt für das, was sie ihren Kindern weitergab. Bzw. nicht gab.
    Juduschka, Heuchler, Geizkragen, Lügner, stürzt seine Verwandten und Nachkommen ins Unglück.
    Der vorgeblich Fromme nimmt sich eine Magd zur Geliebten, das gemeinsame Kind steckt er ins Findelhaus.


    In sieben Episoden, von den 1850er bis in die -70er Jahre, schildert Saltykow den Untergang einer Familie des Landels im fiktiven Golowlewo, irgendwo in Russland.
    Und seziert damit die Lage zur Zeit der Aufhebung der Leibeigenschaft (1861).


    Literarisch ist das gut bis brillant.
    Ich möchte es Gogols "Die toten Seelen" an die Seite stellen.


    In pointierten Dialogen und geistreichen Abschweifungen (lest mal den Diskurs über das Heucheln, Seite 156-160) entwirft Saltykow seine Sicht der Lage, schildert ein grauenhaftes Guts- und Dorfleben, gibt auch dem geistlichen Stand, was ihm gebührt, und erzeugt einen Sog der Vernichtung, dem niemand entrinnen kann. Und am Schluss steht die nächste Verwandtschaft, um sich das zu holen, was übrigblieb.
    Die Dienstboten und Bauern stehen der Herrschaft in nichts nach.


    Misshandlung von Leibeigenen, Alkohol, Geiz, Lieblosigkeit und Habsucht lassen in dieser bitterschwarzen Satire nichts Positives und keine Hoffnung übrig. Versuche politischer Änderungen sind in einem korrupten System zum Scheitern verurteilt. Nicht einmal die Religion wird als Rettungsanker angeboten.
    Verfall einer Familie als Abbild des gesamten Verfalles.


    Gruß, Leibgeber

    Ich hab keinen Thread zu Klaus Mann allgemein gefunden und mache daher mal einen auf.


    Digitalisiert


    Titel Tagebuch. 1931-1949
    Verfasser Mann, Klaus DNB Wikipedia
    Ort / Datum
    Verschiedene Entstehungsorte, 1931-1949
    Umfang 21 Bände Handschriften
    Nachlass Konv. Klaus Mann
    Signatur
    KM D 70


    Mal wieder, mit vielem Dank, über Archivalia.


    Leibgeber


    Mannomann, das ist ja ein echtes Pfund! Ich hab's soeben heruntergeladen und werde nachher in Ruhe das Inhaltsverzeichnis und ggf. ein wenig mehr studieren.


    Tausend Dank für den Link!!!


    Hier ist noch ein Nachschlag


    KLICK


    Falls der Link nicht klappt
    http://www.digitale-sammlungen.de/index.html?c=suchen&l=de


    aufrufen, bei
    "Suche nach Digitalisaten im OPAC der BSB"


    robert musil


    eingeben (oder sonstwas) ...


    ... freuen.


    Die BSB ist bei der Digitalisierung eine der Vertrags- oder sonstwie Bibliotheken von Google.
    Mag man zu stehen wie man will ... ich hab da schon öfters Nützliches gefunden.


    Leibgeber

    Geschichte einer Stadt / Michail Saltykow-Schtschedrin hab ich heute beendet.


    Das ist eine präzis erzählte, garstige Satire mit absolut allgemeinen Qualitäten.


    Dumburg ist eine bizarre (Gegen-)Welt, in der Raum und Zeit aufgehoben scheinen, und zum Schluss auch die Geschichte ihren Lauf einstellt. Das geht über Kritik an Zuständen jener Zeit, an Zarenreich und Leibeigenschaft, weit hinaus.
    Und weist zum Schluss (Stumpf-Grunzig ist der furchtbarste und am besten gelungene der Stadthauptmänner) auf den Stalinismus hin.


    Ein Roman ist das nicht, oder wenn doch, ein sehr experimenteller.
    Eher eine Abfolge von Szenen mit bewusst eingeschobenen Brüchen.


    Die Geschichte von den Dumburgern, die meinen, sich Herrscher wählen zu müssen, und dann deren Knute ertragen, legt Mechanismen offen, die über Zeit- und Nationengrenzen hinaus gültig sind.


    So muss es Satire ja auch machen -
    um auch nach 150 Jahren noch genießbar zu sein.


    Klar dass man ohne detaillierte Kenntnis russischer Geschichte vieles nicht versteht.
    Ein Anmerkungsapparat hätte das Buch wohl auch auf doppelten Umfang gebracht.
    Die (oft sprechenden) Eigennamen sind ins Deutsche gebracht so gut möglich.


    Ich schiebe gleich mal Die Herren Golowlew nach.


    Und dies zur Vertiefung.


    By the way, er hieß Michail Jewgrafowitsch Saltykow.
    Schtschedrin ist Pseudonym.


    Gruß
    Leibgeber