Beiträge von giesbert

    Die Reclam-Ausgabe habe ich mir inzwischen auch besorgt. Falls ich die wenigen Seiten nicht in den nächsten Wochen irgendwann zwischendurch lese, bin ich evtl.bei der Leserunde dabei.


    Die Ausgabe ist zwar einerseits sehr schön (schon allein, weil sie die einzige ist ;-), aber auch weil sie den Text, dem ersten Anblättern nach, sehr solide und zitierfähig ediert hat), zeigt aber im Anmerkungsteil das ganze Elend der Germanistik, die jeden assoziativen Furz meint als Kommentar auf die Nachwelt bringen zu müssen. Die Kommentarteile sind zu gefühlten 99% zwar korrekt, tragen aber zu höchsten 0,1% zum Textverständnis bei und stellen ansonsten nur aus, was die Kommentatoren aus anderen Kommentaren, Lexika und Nachschlagewerken herbeizuschleppen wussten. Fürchterlich. Deartige WasserkopfKommentare sind verantwortlich für den schlechten Ruf, unsere Klassiker seien schwer verständlich oder gar unlesbar.

    Nachdem ich es schon vor drei oder vier Wochen zur Hand nahm, durch andere Lektüre aber abgelenkt wurde, lese ich jetzt wieder mit wachsender Begeisterung Wolf von Niebelschütz, Die Kinder der Finsternis. Auch im zweiten Durchgang (die Erstlektüre liegt rund 20 Jahr zurück) ein überwältigendes Prosa-Erlebnis. Muss man kennen.


    Ich kenne die Läden in Stuttgart und München und finde vor allem die Verkäufer furchtbar. Die sind alle so mega-hyper-ultra-alternativ. Beratung gibt's auch keine. Selbst wenn sie mal helfen wollen, Ahnung haben sie keine.

    Och, hier in München ist das doch ganz ok. Die stehen hinter der Kasse, füllen Regale auf und halten sich ansonsten raus. So soll's sein. Wer Kauf-Beratung sucht, ist bei 2001 definitiv fehl am Platz, das gehörte noch nie zum Ladenkonzept, bei dem es ausschließlich darum geht, möglichst viele Produkte auf möglichst kleinem Raum unterzubringen.

    Nur der Vollständigkeit halber: der Link führt nicht um Spiegel, sondern zum Stern. Und dort findet sich kein genuiner Stern-Beitrag, sondern der dpa-Text (der noch in etlichen Zeitungen erscheinen wird).

    In der Süddeutschen Zeitung rezensiert Ijoma Mangold "Beim Häuten der Zwiebel":

    Sollte man Grass als Künstler weiter ehren


    wenn man ihn als Künstler nie geehrt, sondern immer nur kreuzlangweilig gefunden hat, lässt sich dieser gruslige Altherrenzirkus etwas besser ertragen. (Joachim Fest, Ralph Giordano, Rolf Hochhuth, Martin Walser, Walter Jens, Erich Loest, Dieter Wellershoff, Walter Kempowski geben ihr Verständnis, ihre Bestürzung, ihre Enttäuschung, selbst ihren Ekel zu Protokoll - keiner ist unter 75. Eva Menasse und Michael Kumpfmüller in der SZ von heute. Ne, von gestern)


    Ich hab von Grass nicht viel gelesen (Treffen in Telgte und Ein weites Feld). Es hat mich nicht dazu animiert, mehr von diesem immer gleichen Sprachpampf lesen zu wollen. Und das, was ich über die jüngeren Werke mitbekommen habe, in Kombination mit dem, was Grass öffentlich hier und da verlautbart, hat mein minimales Interesse endgültig zum Erliegen gebracht.

    Weil seine Lage unabänderlich war, mußte Abschaffel arbeiten.
    (Genazino, Abschaffel)


    Als Mary K.s Gatte noch lebte, Oskar hieß er, und sie selbst noch auf zwei sehr schönen Beinen ging (das rechte hat ihr, unweit ihrer Wohnung, am 21. September 1925 die Straßenbahn über dem Knie abgefahren), tauchte ein gewisser Doktor Negria auf, ein junger rumänischer Arzt, der hier zu Wien an der berühmten Fakultät sich fortbildete und im Allgemeinen Krankenhaus seine Jahre machte.
    (Doderer, Die Strudlhofstieg)

    Im Grunde genommen sind das doch lauter Gemeinheiten.


    Auch wenn es Zusammenhänge zwischen Dämonen und Strudlhofstiege gibt, kann man die beiden Romane durchaus auch für sich lesen. Generell würde ich die Strudlhofstiege dringend empfehlen, ein großartiger Roman. Wenn einem der gefällt, sollte man sich an die Dämonen machen. Die Bekanntschaft mit dem Sektionsrat Gyrenhoff sollte man nicht versäumen. Und die Schilderung der Julirevolte 1927 in Wien ist umwerfend. Hat mich schwer beeindruckt.


    Wem das zu dick ist und wer Spaß an Grotesken hat, der könnte einen Blick in Die Merowinger werfen. Sehr komisch, aber auch sehr abgründig (wie Doderer überhaupt ein Autor mit einem ausgeprägten Sinn für grotesken Humor ist).


    Recht geradlinig und unkompliziert, fast schon ein Krimi ist Ein Mord, den jeder begeht


    Auch Doderers Essays, hier besonders über die Wiederkehr der Drachen sind wichtig.


    Ein Kritiker meinte mal, wenn Eckhard Henscheid ein paar Jahrzehnte früher geboren und in Wien gelebt hätte, hätte er geschrieben wie Heimito von Doderer. Schief wie alle Vergleiche, aber so schief dann doch wieder nicht.

    Zitat

    "Die Zeit" legt Klassik-Edition auf
    Start im Oktober


    Ab Oktober präsentiert der Zeit Verlag in einer eigenen Reihe Klassik-Empfehlungen aus 60 Jahren "Zeit". Die Edition ist auf 20 Bände angelegt; jeder Band umfasst Buch und CD. ... Partner im Tonträgervertrieb ist EMI Classics, im Buchhandel der Verlag J. B. Metzler, Stuttgart.


    In Beiträgen über Freud wird immer wieder die "Traumdeutung" als sein Hauptwerk bezeichnet.


    Das stimmt natürich "irgendwie" (wobei man sich allerdings mal über den Begriff "Hauptwerk" unterhalten sollte). Die Traumdeutung kann man vielleicht als Gründungsdokument der Psychoanalyse bezeichnen und sie kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Aber das heißt ja nicht, dass alles andere vergleichsweise unwichtig wäre oder man nun partout damit beginnen müsste 8-)


    Man darf auch nicht vergessen, dass die Traumdeutung am Anfang der Psychoanalyse steht. Ist ja nicht so, dass Freud die nächsten 30 Jahre nix mehr eingefallen wäre 8-)


    (Ich bin übrigens alles andere als ein Experte. Und es ist ziemlich lange her, dass ich zuletzt einen längeren Text von Freud gelesen habe. Sollte ich vielleicht mal wieder tun. Aber wann lese ich dann die gefühlten 2 Millionen Klassiker, die noch auf meiner (Wieder)leseliste stehen?)


    Interessant, danke. Wer hat denn den Ovid übersetzt? Prosa oder Vers?


    "Nach der ersten deutsche Prosaübersetzung durch August von Rode neu übersetzt und herausgegeben von Gerhard Fink".


    Das ist die Winkler-Ausgabe ("(c) 1989, 1994 Artemis & Winkler Verlag"); am Seitenfuß findet sich zur Orientierung die entsprechende Buch & Vers-Angabe.


    Textlich ist die wohl ok, zumindest als Lese-Ausgabe. Aber wie gesagt - das fasst sich wirklich unangenehm an. Kann ich nicht empfehlen.


    Na, mal sehen - ich hab gestern sechs Bände bestellt. Wenn das Paket eintrifft, kann ich ja mal kurz berichten.


    Das Paket ist gestern gekommen. Also:



    [li]Victor Hugo: Die Elenden. Rund 1750 Seiten. Güter Dünndruck, gut gedruckt. Mit Anmerkungen und Zeittafel, kein Nachwort. Fester, glänzend lackierter Pappeinband. (14,95)[/li]
    [li]Tolstoi: Krieg und Frieden. Rd. 1600 Seiten. Dünndruck, aber etwa dicker als bei Hugo. Etwas enger Satzspiegel, aber noch ok. Anhang: Personenverzeichnis, Anmerkungen, Zeittafel, Literaturverzeichnis, Nachwort. Scheint also ein kompletter Nachdruck der ursprünglichen Winkler-Ausgabe zu sein. Fester, matt lackierter Pappeinband. (12,95)[/li]
    [li]Ovid: Metamorphosen. Rd. 390 Seiten. Dickes, stumpfes Papier, das sich eher unangenehm anfasst. Kein Anhang. Pappeinband mit Schutzumschlag. (9,95)
    [/li]
    [li]Andersen: Sämtliche Märchen. Rd. 1400 Seiten. Zwei Bände in einem, etwas unhandlich. Dünndruck auf grauem Recycling-Papier, leichte Zeitungsanmutung, aber immer noch besser als beim Ovid. Mit Illustrationen, ohne Anhang. Pappeinband mit Schutzumschlag. (12,95)
    [/li]
    [li]Emily Bronte: Sturmhöhe. Rd. 480 Seiten. Dickes, etwas stumpfes Papier (der Band ist ungefähr so dick wie der Hugo, bei etwa einem Drittel des Umfangs). Genealogische Tafel, Zeittafel. Pappeinband, glänzend lackiert. (9,95)
    [/li]
    [li]Puschkin: Meistererzählungen. Rd. 450 Seiten. Wie Bronte (9,95)
    [/li]


    Kurz: Tolstoi und Hugo sind gute, empfehlenswerte Ausgaben. Die anderen - naja.


    Aber womit als blutiger Laie beginnen? Die "Traumdeutung" ist da wohl Pflicht.


    Aber nicht doch. Das ist ein recht dickes und mäßig spannendes Buch. Nein, Freud für Einsteiger heißt zB:


    Vorlesungen zur Einführungen in die Psychoanalyse
    Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse


    (die beiden Bände ergänzen einander und sollten auch im Zusammenhang gelesen werden, die "Vorlesungen" stammen aus den Jahren 1915-1917, die "Neue Folge" dagegen aus dem Jahr 1932)


    Totem und Tabu (1912/1913)
    Das Unbewußte (1915)
    Jenseits des Lustprinzips (1920)
    Das Ich und das Es (1923)
    Die Zukunft einer Illusion (1927)
    Das Unbehagen in der Kultur (1930)


    Man sollte nicht vergessen, dass es "die" Freudsche Lehre nicht gibt, das ist ein ständig sich weiterentwickelnder Denkprozess und was als gängiges Klischee kursiert kaum mehr als eine Zustandsbeschreibung zu einem mehr oder weniger willkürlich herausgegriffenen Zeitpunkt.


    Wobei die späten Schriften, ca. ab "Jenseits des Lustprinzips" die wohl wirkungsmächtigsten und spannendsten Werke sind.


    In Summe sind die genannte Titel übrigens nicht sehr viel umfangreicher als die Traumdeutung ;-)