Beiträge von giesbert


    ich frage mich jedes Jahr aufs Neue, was hat Bob Dylan da zu suchen.


    Dazu habe ich schon mal vor 5 Jahren was notiert:
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    Dylan und das Nobeldiplom


    Seit Jahren gehört es bei den beinharten Dylan-Fans zum guten Ton, für His Bobness den Literaturnobelpreis zu fordern. Ein eher albernes Unterfangen, das aber wohl noch einige Zeit so weiter gehen wird. Nur bei Focus hat man mal wieder überhaupt nichts verstanden und sieht in dem fruchtlosen Missverständnis derer, die für den ja doch irgendwie Protestsänger sich keine schönere Würdigung wissen, als dass ein Haufen befrackter Greise ihm gönnerhaft auf die Schulter klopft, damit auch alle anderen, die immer die Nase rümpften, wenn man Dylan auflegte, endlich doch zugeben müssen, dass man immer schon den richtigen Riecher gehabt hat und Papa und Mama einsehen, dass das blöde Balg da seit Jahren einen 1a-Künstler mit Nobeldiplom verehrt und nicht … ach, was soll’s. Wo war ich? Ah ja, hier, bei diesem Blödsinn aus dem Focus:


    Zitat

    Dass nicht nur seine Musik, sondern auch seine Songtexte von exzellenter Qualität sind, beweist die Tatsache, dass er in den 90er-Jahren offiziell für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde


    Das, mein lieber Focus, beweist nichts weiter, als dass ein paar altgewordene Dylan-Fans in saturierter Position auch noch das letzte bisschen Widerstand aus ihrem Lebenslauf bügeln wollen und wäre weit eher ein Indiz für Dylans Mittelmäßigkeit, müsste man es ernst nehmen. Aber das muss man ja glücklicherweise nicht.


    http://www.damaschke.de/notize…ylan-und-das-nobeldiplom/
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    Inzwischen habe ich die ersten Seiten gelesen. Mein erster Eindruck ist, dass der Erzähler sehr ausführlich berichtet, das Ganze wirkt auf mich, im Vergleich mit Fontane, alles andere als modern.


    Wo hätte Fontane (oder ein anderer Zeitgenosse Raabes) einen Ich-Erzähler eingesetzt, dessen Ich sich bereits im ersten Satz als in den Grundfesten erschüttert präsentiert? Der sich selbst erzählen muss, um zu beweisen (wem eigentlich? doch nur sich selbst), dass er noch "zu den Gebildeteten [sich] zählen darf"? Also im Prozess des Erzählens nicht nur versucht, sich das "objektiv" Erlebte in Erinnerung zu rufen, um es im Akt des Erzählens sich strukturierend anzueignen bzw. den eigene Verstehensstrukturen anzupassen, sondern das sich selbst im Erzählen überhaupt erst wieder konstruiert?


    Dieses erzählende Ich im Stopfkuchen ist ganz entschieden modern. Und moderner als 99% dessen, was heutige Autoren in Buchform bringen - die fallen allesamt noch hinter Fontane zurück.


    Zitat

    als vielmehr dem Naturalismus verpflichtet fühlt. Dagegen habe ich nichts einzuwenden.


    aber ich ;-). Also nicht gegen den Naturalismus, aber gegen den Eindruck, Stopfkuchen wäre ein naturalistischer Roman ;-). Das ist ein hoch komplexes Spiel mit Perspektiven und verschiedenen individuellen Weltwahrnehmungen - dem Ich Eduards wird das Ich Schaumanns gegenüber gestellt, wobei wir Schaumanns Ich nur in der Brechung der Erzählung Eduards kennen lernen, und zwar als das für Eduard schlechthin Inkomensurable. Oder so 8-).

    Ah, Dickens greift den Schatten in Bezug auf Ada & Richard wieder auf. Wir erinnern uns - in Kapitel 13 hieß es:


    Zitat

    So jung, so schön, so hoffnungsfreudig gingen sie leichten Schrittes dahin durch die Sonnenstreifen, wie ihre eignen glücklichen Gedanken jetzt vielleicht über die Jahre der Zukunft hinschweiften und sie zu Jahren der Freude machten. Dann traten sie in den Schatten und verschwanden.


    In Kapitel 17 nun:


    Zitat

    Ich erinnerte mich noch recht gut des Blickes, mit dem er sie und Richard betrachtet hatte, als sie beim Schein des Kaminfeuers gesungen, und es war nur sehr wenig Zeit vergangen, seit wir sie aus dem sonnenerleuchteten Zimmer in den Schatten hatten treten sehen,


    Sucht man die Stelle mit dem Kaminfeuer heraus (Kapitel 6) findet sich auch da der Schatten:


    Zitat

    An der Wand verschmolzen ihre Schatten miteinander, umgeben von seltsamen Gestalten, die in dem flackernden Schein des Feuers gespenstisch zu schwanken schienen.


    In dem Text steht wohl wirklich nichts zufällig.


    Wenn Lady Dedlock eine mögliche Mutter Esthers sein könnte, so scheint der unbekannte Tote, "Nemo", den Mr. Tulkinhorn im 10. Kapitel auffindet, vielleicht ihr Vater zu sein, so deuten die Reaktionen der Lady zumindest an.


    Davon können wir wohl inzwischen ausgehen. In Kapitel 16 wird das noch deutlicher.

    Ach, ein nettes Detail habe ich da noch.


    Gleich im ersten Absatz lässt Dickens einen Megalosaurus auftreten:


    Zitat

    … und es gar nichts Wunderbares wäre, wenn man einen vierzig Fuß langen Megalosaurus begegnete, wie er gerade … Holborn Hill hinaufwatschelte.


    Dazu hat das "Dickens Dictionary" von John Sutherland einen eigenen Eintrag, der uns darüber informiert, dass zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung (März 1852) die "Great Exhibition" in London erst wenige Monate (Mai bis Oktober 1851) zurücklag, bei der man auch Zement-Modelle von Dinosauriern sehen und Dickens davon ausgehen konnte, dass seinen Lesern diese Ausstellung noch gut in Erinnerung war. Die Zement-Modelle sind dann 1854 Sydenham Park im Süden Londons aufgestellt worden:


    Zitat

    So while Bleak House was in serial publication, a megalosaurus really was wandering across the capital.


    inzwischen seid ihr E-Book-Leser mir bestimmt schon weiter davon galoppiert


    ich bin kaum zum Lesen gekommen: Kapitel 14.


    Ich spoiler mal ein ganz klein wenig, gegen Ende von Kapitel 13:


    Zitat

    So jung, so schön, so hoffnungsfreudig gingen sie leichten Schrittes dahin durch die Sonnenstreifen, wie ihre eignen glücklichen Gedanken jetzt vielleicht über die Jahre der Zukunft hinschweiften und sie zu Jahren der Freude machten. Dann traten sie in den Schatten und verschwanden.


    Ich fürchte, mit den beiden nimmt es kein gutes Ende.


    Da Dickens ja schon im Vorwort ausplaudert, dass Krook an "spontaner Selbstentzündung" stirbt, kann ich auch kurz auf seinen ersten Auftritt hinweisen:


    Zitat

    Er war klein, leichenhaft und verwittert; der Kopf stak ihm schief zwischen den Schultern, und wie der Atem als sichtbarer Dampf aus seinem Munde kam, sah der Mann aus, als ob er innwendig brenne.


    Das sind so die kleinen Nebensächlichkeiten, mit denen Dickens gleich zu Beginn einen Motivfaden knüpft.


    Zum einen gefällt mir, dass Dickens eine weibliche Ich-Erzählerin Teile erzählen lässt, umso mehr kann dadruch der zweite Erzähler durch Ironie glänzen !


    Das macht er ungeheuer geschickt.


    Erzähler: ironischer alles überblickender Geist im Präsenz - der allerdings nur eine Außenßerspektive beibehält und uns nicht verrät, was die Personen denken.


    Esther = klassischer Ich-Erzähler, erzählt in der Verangenheitsform - und gewährt uns die Innen-Perspektive.


    IMHO ist nicht nur der Erzähler ironisch, sondern Esther auch. Irgendwie ;-). Als scharfe Beobachterin gewinnen ihre imho nur scheinbar navien Schilderungen der bigotten Frömmelei einer Mrs. Jellyby oder eines skrupellosen Schmarotzers wie Skimpole mitunter eine ziemlich satirische Schärfe.

    Hatten wir eigentlich schon mal Arno Schmidts Auslassung zum Roman? Anyway - ich setz’ das noch mal hierher:


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    A. (fest): Ich wiederhole: BLEAKHAUS. – Jeder Selbst=Schreibende sollte es mehrfach, in verschiedenen Stadien seiner Entwicklung, lesen, und davon lernen. Es ist, allein was das ‹Gerüst› der Fabel, die Konstruktion im Großen wie im Kleinsten, anbelangt, von mathematischer Perfektion. Der bloße ‹Leser› merkt das, bewußt, zunächst überhaupt nicht; wogegen der Fachmann auf jeder der 1000 Seiten ein paarmal neidisch die Zähne aufeinandersetzen, und bewundernd die Luft einziehen muß. Es gibt in der ganzen Weltliteratur nur noch 3 oder 4 weitere, ähnlich umfangreiche Stücke, die derart ‹berechnet› wären, derart ‹aufgebaut›. / Vom ersten Satz an, wo Nebel und Dämmerung und die übliche unmenschliche Staats=Justiz=Maschinerie mit einander identifiziert werden, steht kein Wort, keine Episode mehr umsonst: nie sind Zufall – oder, wenn Sie so wollen, Notwendigkeit! – als so eisernes Netz über Menschen und Dinge gespannt worden. Scheinbar zufällige Nebensätzlichkeiten, Ausrufe, Einsilbiges aller Art: wirken sich im Lauf der Handlung aus. Scheinbar belanglose – nicht ‹Taten›, sondern Handgriffe! – führen maschinenhaft, 500 Seiten später, Verbrechen & Tod herbei, Glück oder Unglück Unbekannter, Nie=Gesehener, Nie=Bedachter. Um die 57 Hauptpersonen kreist unermüdlich der Planetoidenring der Nebengestalten, immer zunehmend an Zahl und Bedeutsamkeit. Und gleichermaßen spielen die bloßen Dinge mit: Bilder & Besen; Taschentücher & Schlüsselkörbchen; eiserne Lineale & abgeschnittenes Frauenhaar: 3 Säcke voll!


    B. (unbehaglich): Ein düsteres Buch also? Ein ausgesprochen pessimistisches: edax rerum?


    A.: Ja. Noch kein Glücklicher hat je ein gutes Buch geschrieben. / Äußerlichster – nicht ‹Goldrand› sondern eher ‹Eisenreifen› – der Fabel ist ein Zivilprozeß, der seit rund 70 Jahren ‹läuft›; und an dem sich allmählich sämtliche Personen des Buches irgendwie ‹beteiligt› finden – die Meisten wissen überhaupt nicht, wie sie dazu kommen: ein prächtig=niederschlagendes Sinnbild der berüchtigten ‹Querverbindungen› des Schicksals. / [SPOILER, gelöscht ;-)] / Im Hintergrunde steht allezeit, rostig und stumpf=schwarz, der Rechtsanwalt Tulkinghorn; ein Nicht=Verbrecher im Panzer des Gesetzes; eines der tiefsinnigsten Bilder des Todes, das die Literatur je geliefert hat: ‹Ich bin im Hintergrunde / Dir nahe jede Stunde, / mit zugefrornem Munde / und eisernem Gesicht.›


    BA II/2, 294
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    Schmidt geht hier zwar ziemlich in die Vollen - aber er übertreibt nicht.

    Ich hab jetzt die ersten fünf Kapitel gelesen und bin sehr angetan. Die Plotkonstruktion scheint mir so auf Anhieb ziemlich makellos zu sein. Ich lese den Roman jetzt zum zweiten Mal, die erste Lektüre liegt einige Jahre zurück, aber zwischenzeitlich habe ich auch mal die großartige BBC-Verfilmung gesehen, so dass jetzt bei der Wiederlektüre einige Erinnerungen wach werden und ich so ungefähr weiß, worauf das ganze hinausläuft: Und da bemerke ich eine Fülle von Motivketten und bin erstaunt, wie beiläufig Dickens hier in der Exposition des Romans bereits seine Fährten legt, Zusammenhänge andeutet und zentrale Stichwörter fallen lässt. All das bemerkt man bei der ersten Lektüre nicht - und kann es natürlich auch nicht bemerken -, aber das Netz, in dem einen der sich entfaltende Plot allmählich fängt, wird praktisch sofort geknüpft.


    IIRC gewinnt selbst das, was in den ersten Kapitel nur beiläufig erwähnt wird, im Laufe des Roman Bedeutung, zum Teil sind es die Pflöcke, an denen das Zentrum des Romans befestigt wird.


    Das Bild des über allem liegenden Nebels, die zerstörerische Allmacht des Justizapparats, die Spiegelung "reales Kanzleigericht" - "Lumpenkanzleigereicht" etc -- das ist alles schon ziemlich großartig. Der Roman ist nicht so dick, weil Dickens ein Schwafelkopf war, der die Tinte nicht halten konnte, sondern weil es der Plot so will: Bleak House kann schlechterdings kaum dünner sein. Vermutlich ließe sich das ein oder andere etwas weniger breit ausmalen, aber wirklich weglassen lässt sich kaum etwa.


    Ich bin mal neugierig, ob meine Freude über diesen Roman wirklich 1200 Seiten lang anhält 8-)

    Zoozmann verzichtet auf juristische Spezialbegriffe mitunter oder übersetzt sie:


    M: „… ein paar Dutzend Mitglieder des Barreaus, des hohen Kanzleigerichts …“
    Z: „… ein paar Dutzend Beisitzer des Obersten Kanzleigerichts …“


    M: „… die verschiedenen Solizitoren …“
    Z: „… die verschiedenen Rechtsbeistände … “


    M: „… Tisch des Registrators …“
    Z: „…Tisch des Protokollführers …“


    etc.


    Leider hat diese Ausgabe keine Anmerkungen und es fällt mir sehr schwer, diese ganzen juristischen Anspielungen nachzuvollziehen.


    Die Übersetzung von Richard Zoozmann (Rütten & Loening, 1990) hat zwar Anmerkungen, aber nur minimalst - für den ersten Band (bis Kapitel 31) mit seinen rund 600 Seiten sind das gerade mal 2,5 Seiten - und zu den juristischen Themen so gut wie überhaupt keine. (Band 2, ebenfalls 600 Seiten, hat sogar nur 1 knappe Seite mit Anmerkungen.)


    Für die ersten drei Kapitel gibt es genau 2 Erläuterung, die etwa mit der Justiz zu tun haben und die sich auf den ersten Satz des Romans beziehen:


    Michaelstag - Nach dem Michaelstag, am 29. September, beginnt in England eine der Sitzungsperioden des Obersten Gerichts.


    Lincoln's Inn Hall - Versammlungssaal der Lincoln's Inn, eine der vier Schulen (Inns of Court), in denen die Rechtsanwälte für die Obergerichte Englands ausgebildet werden.


    Ich denke nicht, dass man die juristischen Anspielungen wirklich alle nachvollziehen können muss, sondern diesen ganzen Justiz-Komplex vielmehr als etwas bedrohlich Unverständliches begreifen kann (fast schon wie bei Kafka ;-)), das verstehen zu wollen ohnehin nur auf Abwege und in den Untergang führt.


    Das wird, wenn ich mich da richtig erinnere, später auch noch explizit thematisiert.

    Was in der Arkits /Antarktis spielt, lese ich immer gerne. Damals ist mir bei der Lektüre kein Wertunterscheid zu den anderen Werken Vernes aufgefallen,aber ich lass mich gerne aufklären.


    ich hab die beiden Bände letztes Jahr gelesen, meine Erinnerungen sind ein wenig schwach ;-). Vielleicht lag's ja an der enttäuschenden Wiederlektüre des "Arthur Gordon Pym", den ich so toll in Erinnerung hatte und der mich nur noch langweilte (Poes Motto: Schlimmer geht’s immer). An die Eissphinx hatte ich nur noch sehr vage, aber gute Erinnerungen. Die wurden bei der Wiederlektüre auch enttäuscht. Es passiert schlicht gar nichts, Motive tauchen auf, um anschließend vergessen zu werden, dafür werden irgendwelche Banalitäten wiederholt, die große Auflösung am Schluss ist ein schlechter Witz, schon so ab der Hälfte weiß man eigentlich, worauf das alles hinausläuft etc. Ich fand's jedenfalls kreuzlangweilig.


    Nach Pym und Eissphinx war natürlich Lovecrafts "Berge des Wahnsinns" an der Reihe. Hatte ich auch viel besser in Erinnerung ;-).

    Ich habe gestern gesucht ob es so was wie eine Gesamtausgabe für eBooks von Verne gibt,


    Gibt es im Rahmen der Digitalen Bibliothek. Bzw. gab es - ob die irgendwo noch lieferbar ist, weiß ich nicht.


    Es gibt sie bei Zeno zum kapitelweisen Download
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Verne,+Jules


    da müsste man sich die Bücher zusammenstückeln.


    Für den Kindle gibt es zahlreiche Verne-Bücher kostenlos, die vermutlich auf der Ausgabe der Digitalen Bibliothek basieren:


    http://www.amazon.de/s/ref=nb_…words=Jules+Verne&x=0&y=0


    Eine Auswahl an kostenlosen Ebooks gibt's auch bei Mobileread:


    http://wiki.mobileread.com/wiki/Free_eBooks/de/ebooks-de