Beiträge von giesbert

    Jetzt hab ich doch mal ein wenig geblättert: Was es gibt sind Stellen wie auf S. 163: Da laufen drei Handlungs-/Dialogstränge für ca. ⅓ Seite parallel in drei Spalten. Die Hauptspalte wandert nach links (= POE), Wilma liest ein Stückchen Poe vor; in der Mitte spricht Daniel mit Franziska (bzw. bildet sich das wohl ein) und zitiert; rechts wird Zschokke zitiert, wobei mir jetzt so auf die Schnelle unklar ist, wer das jetzt liest oder spricht.

    Wobei das mit den "3 Spalten" ja eigentlich Quatsch ist. Wirklich mehrspaltig ist ZT nur an ganz wenigen Stellen (konkret kann ich mich da jetzt an gar keine erinnern).


    Im Grunde gibt es nur eine fast endlose, praktisch absatzlose Textsäule, die häufig in der Mitte der Seite steht, mitunter aber auch auch für längere Zeit nach rechts oder links mäandert.


    Das Verhältnis der nennenwirsmal Marginalien zum Haupttext wäre mal eine Untersuchung wert. Schmidt hat an dem Roman ja ein paar Jahre geschrieben und dabei auch eine für ihn neue Technik entwickelt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass er die nach ein paar Jahren Schreibpraxis wohl auch anders eingesetzt hat als zu Beginn der Niederschrift.


    Da sonst keiner mitlesen wollte: Gestern mit Arno Schmidts "Zettel's Traum" begonnen. Pagenstecher, diese ältliche Plaudertasche, fängt auf den ersten 15 Seiten schon an, alle zu nerven. Den Leser inklusive...


    Dann warte erstmal auf die nicht enden wollenden Etym-Analysen …


    Btw - man kann da auch so manches großzügig überfliegen.


    Der Roman erzählt übrigens áuch eine herzzerreißend traurige Liebesgeschichte. Die sollte man nicht überfliegen ;-).

    Erinnert mich an ein zufällig mitgehörtes Gespräch. Ein ca. 10-jähriger Bub sagt zu seiner Mutter, er hoffe, dass die S-Bahn-Fahrt zur Oma ganz lange dauern würde, denn: "ich will noch ganz viel lesen". Die Mutter schien mir ein klein wenig irritiert.


    Und wenn ich so an meine Kindheit denke: Es gab ein paar Bücher im Haushalt, und es wurde auch mitunter ein wenig gelesen; aber ich war von drei Kinder trotzdem das einzige, das konsequent und sehr viel gelesen hat.

    Andererseits vermute ich, dass das Motiv älter ist als Wieland.

    Das halte ich auch für wahrscheinlich. Und ich meine mich erinnern zu können, dass das Motiv auch irgendwo bei den "klassischen" Krimis auftaucht, so Christie, Wallace etc. (Aber da mag ich mich täuschen ;-))

    Dass man partout Freud und Poe komplett intus haben müsse (und einen Großteil der Literatur des 18./19. Jahrhunderts am besten auch), bevor man sich an ZT machen könne, ist eine der großen und falschen Legenden.


    Das Buch ist durchaus so lesbar wie jedes andere auch. Natürlich braucht man eine gewisse Allgemeinbildung und ein paar Jahre Leseerfahrung. Aber das war's im Grunde auch schon. Ich vertrete ja eher die radikale Gegenthese: ZT braucht überhaupt keine Literatur um sich herum, sondern es gehört zum Konzept und Plan des Buches, schlechterdings alles zu inkorporieren. Alles, was man für die Lektüre von ZT braucht, bringt ZT gewissermaßen mit, es wird ja sehr großzügig zitiert ZT ist von der Konzeption das Buch der Bücher, das Überbuch, das alle andere aufhebt. Ein Buch "sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden" ;-)


    Der Vergleich mit dem EINEN Ring ist übrigens so abwegig nicht: ZT (und die darin entwickelte Etym-Theorie) ist áuch ein militanter Versuch, die Macht über die Sprache und absolute Deutungshoheit zu erlangen, durchaus aggressiv und gewalttätig. Das war immer ein kolossales Missverständnis Schmidts: Dass er aus der ohnmächtigsten aller Theorien - der Psychoanalyse - ein Herrschaftsinstrument schmiede wollte.


    Bei Stellen, die schlechterdings kryptisch bleiben, macht man am besten das, was man bei entsprechenden Passagen in anderen Büchern auch macht: Man überspringt/überfliegt sie einfach. Solange die Lektüre Spaß macht, spannend, interessant, fesselnd etc bleibt ist alles erlaubt. Was definitiv Unfug ist: Der Anspruch, man müsse nun partout jedes Komma vollständig verstehen. Das geht nicht. Nicht nur bei ZT nicht, das geht auch beim Ulysses nicht. Oder irgendeinem anderen Buch.


    Natürlich ist es durchaus ein Reiz mehr, wenn man eine Anspielung versteht und bemerkt, wie sich da mehrere Handlungen parallele entfalten (oder das auch nicht tun ;-)). Je länger und häufiger man ZT liest, desto reicher wird die Lektüre (aber das ist ja bei jedem einigermaßen komplexen Buch so).


    Was ein noch größerer Blödsinn ist: Die Idee, ein Buch sei eine Rätselaufgabe, die man "entschlüsseln" müsse. Dazu gibt's auch eine nette Anekdote um Schmidt. Der hat in "Caliban über Setebos" den Orpheus-Mythos neu erzählt. Anfangs plante er, gezielte Hinweise an den Seitenrand drucken zu lassen, nahm von dieser Schnapsidee aber glücklicherweise wieder Abstand: "Scheiß Mythos. Die Leute sollen sich amüsieren" schrieb er an seinen Lektor. Genau.

    Fontane kann man immer lesen 8-) (zuletzt hab ich mal wieder Jenny Treibel gelesen). Ich bin immer wieder verblüfft, wenn ich mir vor Augen führe, wie spät im Leben er mit seinen Romanen angefangen hat, die sind ja praktisch alle Alterswerke ;-)

    Passend zum aktuellen Sportgroßereignis:


    Ror Wolf: Das langsame Erschlaffen der Kräfte
    Collage aus Fußballreportagen im Radio und Tonbandaufnahmen des Autor.


    Zitat

    Ror Wolfs Fußballhörspiele aus den siebziger Jahren - montiert aus Originaltönen von Reportern, Experten, Fans - haben den Fußball für die Literatur und die Hörspielkunst entdeckt. Ein gutes Vierteljahrhundert später folgt eine abschließende Radio-Reise in die Gefilde dieses Sports. / Mit Günther Koch, Christian Brückner, Manfred Breuckmann, Rudi Michel / Regie: Ror Wolf/Jürgen Roth / BR 2006

    weiß nicht, ob sie erschienen und erschwinglich sind.


    Zettel's Traum gibt es im Jubiläumsjahr in einer recht Sonderausgabe: 4 Bände als Paperback für 100 Euro (statt 248,00). Immer noch kein Schnäppchen, aber billiger gibt's das nicht.


    (Ich weigere mich übrigens, ZT als sein "wichtigstes" oder "Hauptwerk" zu bezeichnen ;-). Das ist für mich immer noch "Abend mit Goldrand".)

    Bei der "Schule der Atheisten" oder dem "Abend mit Goldrand" wäre ich wohl dabei. Aber ZT? Da hab ich für die erste Lektüre 2 Jahre gebraucht, ich weiß nicht, ob sich das wirklich für eine Leserunde eignet ;-).

    Ich hab in den letzten Monaten immer mal wieder einen Verne eingeschoben oder es zumindest versucht. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich das so schnell wohl nicht mehr tun werde. Blitzartig gute Einfälle (Hey, wir schießen mal ein paar Menschen mit einer Rakete auf den Mond!) - aber dann so überhaupt kein erzählerisches Rüstzeug, um aus der ersten Initialzündung einen Roman zu machen; die Grundidee verpufft sehr schnell und zurück bleiben pro Roman so pi mal Daumen 300 Seiten Textasche.

    Je nun, dazu müsste man wissen, welche Texte die Leute bekommen haben. Bei den meisten Webseiten lohnt ja noch nicht mal das Querlesen.


    Gibt es eigentlich ältere Untersuchungen zum Leseverhalten etwa bei Tagezeitungen? Vielleicht war das ja schon immer so und wurde nur nie untersucht?

    Ganz und gar großartig natürlich auch Dashiell Hammett, nicht nur der "Malteser Falke", sondern vor allem "Rote Ernte" und "Der gläserne Schlüssel".


    Ich werd meine aktuellen Lesepläne über den Haufen werfen und ein wenig Chandler lesen. Oder vielleicht doch Ambler? Eine Wiederlektüre steht auch seit Ewigkeiten auf dem Programm.


    Um eine weitere Bildungslücke zu füllen: "Der große Schlaf" von Raymond Chandler.


    Das ist eine große Lücke 8-) (aber von überschaubarem Umfang). Der große Schlaf ist eher eine Fingerübung, gemessen an Der lange Abschied oder Leb wohl, mein Liebling. Und die restlichen Romane sind auch ziemlich großartig. Sollte ich alles mal wieder lesen.