Beiträge von finsbury

    Noch kurz zu dem Pferd Krapi. Das wird ja einerseits ins Mythische stilisiert und mit den Rössern der nordischen Götterwelt verglichen. Andererseits ist es auch eine Metapher für Selbstbestimmtheit: Es kommt zur Hauswiese, zu den Menschen, um seine Butter einzufordern, lässt sich lammfromm reiten, auf der anderen Seite ist es frei und widersetzt sich dem Einfangen, indem es zu seiner Herde ins Unwegsame zurückkehrt. Vielleicht verkörpert es so auch Wesenszüge der Hauptfigur Steinar, das Sorgfältige und Zugewandte, aber auch die Freiheit gegenüber den Mächtigen auf den eigenen Entscheidungen zu bestehen.

    Schön hier den Namen Božena Němcová zu lesen! "Babička" (Die Großmutter) ist sicherür die manchem ein Begriff. Die Landschaft, in der der Roman spielt und dem sie ihren Namen verdankt, das "Babiččino údolí" (Großmuttertal), ist eine Reise wert.

    Vielen Dank für diesen Hinweis. Wir planen für diesen Sommer eine Reise nach Süd-Sachsen und von dort aus Ausflüge nach Tschechien. Vielleicht wäre das Großmuttertal da auch ein mögliches Ziel.

    Sehr schön, schokotimmi, dasss du auch mitmachst.
    Bei mir sieht es so aus, dass ich vor langer Zeit "Die Islandglocke", "Atomstation", "Die Litanei von den Gottesgaben", "Seelsorge am Gletscher" , "Spiegelbild im Wasser" und "Auf der Hauswiese" gelesen habe und vor einigen Jahren noch "Der große Weber von Kaschmir" und "Weltlicht":

    Diesen eher späten Roman hatte ich bisher noch nicht im Visier.

    Ich lese wie ihr die Übersetzung von Bruno Kress und auch aus der Gesamtausgabe von Steidl, wie du, schokotimmi.
    Die ersten fünf Kapitel konnte ich heute Nachmittag lesen und erfreue mich an dem typischen Laxness-"Ton", so eine Mischung aus Saga- und moderner Sprache. Steinar ist ein sehr umsichtiger Mann, der für seine Familie nur das Beste will, er weiß mit Mächtigen umzugehen und sie mit Humor zu nehmen.

    Ein interessanter Band mit historisch nachweisbaren Geschehnissen im alten Russland:


    Serena Vitale: Der Eispalast

    Der Band versammelt zwanzig historische Miniaturen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die die Verschwendungssucht und die haltlose Willkür des russsischen Hochadels gegenüber den Leibeigenen schildert, aber auch Hochstapler, ergebene Generäle, Marotten der Zarinnen und Zaren. Ein interessanter EInblick in die russische Gesellschaft, vermittelt durch die italienische Slawistin Serena Vitale, die diese Miniaturen auch sprachlich sehr virtuos gestaltet.

    Den Spaziergang nach Syrakus habe ich vor einigen Jahren mit Gewinn gelesen, weil es vorallem interessant war, die Reiseländer Seumes von einem Zeitgenossen des napoleonischen Zeitalters geschildert zu bekommen. So authentisch ist das Erlebnis nicht, wenn man nur Geschichtsbücher darüber liest.

    "Jakob, der Lügner" von Jurek Becker, hab ich schon ewig. Nun ist es an der Reihe und ist eine echte Entdeckung. Jakob lebt in einem Ghetto unter deutscher Besatzung. Durch Zufall bekommt er mit, dass die Rote Armee und damit die Befreiung näher rückt. Da man ihm nicht glauben will, was er erfahren hat, erfindet er, dass er ein -strengstens verbotenes - Radio besäße. Diese Lüge hat viele andere zur Folge ... .

    Noch genialer als den Nachsommer finde ich ja den Witiko. Die Erzählungen für zwischendurch.

    Den wollte ich ja letztes Jahr lesen. Aber ich bin daran gescheitert, dass "Die Ahnen" von Freytag sich zogen und ziehen wie Kaugummi und mir keine Lust ließen, weitere historische Romane gehaltvolleren Kalibers zu lesen. Den"Witiko" heb ich mir nun auf für eine Zeit, wo ich ihn in Muße lesen kann.

    Für so dringend halte ich es auch nicht. Kann man auch in das übernächste Jahr schieben. Dann habe ich ja sowieso - wie ich schon mehrfach erwähnte - mehr Muße auch für gehaltvolle und partiell anstrengende Lektüre. Auf den Laxness freue ich mich. Ist immer wie eine Reise in den hohen Norden, wobei wir hier, wie ich in der Inhaltsangabe las, auch nach Dänemark und die USA mitgenommen werden.

    Auch ich erinnere mich an geradezu hymnische Belobigungen der "Kinder der Finsternis". Vielleicht war es ja auch die Sprache, mit der ich nicht zurecht kam. Ich glaube, es kam mir zu gekünstelt vor. Vielleicht ein falscher Eindruck. Wieder ein Roman, den ich mir noch mal in der kommenden vermehrten freien Zeit vornehmen sollte.

    Ich liebe den "Nachsommer" sehr. Eine wunderbare Sprache und ein Buch, in dem man sich ausruhen kann. Wie ein entspannter Sommerurlaub in den Bergen.
    Die Erzählungen "Bunte Steine" von Stifter mag ich auch. Den "Witiko" wollte ich ja in diesem Jahr lesen, bin aber gar nicht in dessen Nähe gekommen. Und im nächsten Jahr habe ich nicht die Ruhe dafür. Aber ab Mitte 2023 beginnt die Freiheit, dann kann ich all diese schönen Dinge lesen und hoffe, damit noch gute Jahre zu haben.

    Von Italo Svevo, Diaz Grey , habe ich übrigens schon seit Jahrzehnten das hochgepriesene "Zenos Gewissen", aber der Plot hat mich bisher nicht wirklich angesprochen.

    An dem Roman habe ich auch mal gefreit. Dann las ich aber von Niebelschütz "Die Kinder der FInsternis". An den Inhalt kann ich mich kaum erinnern, aber daran, dass mich der Roman nicht besonders angesprochen hat. Ist "Der blaue Kammerherr" im Barock angesiedelt?

    Und diesen vierten Band, oder nach Zählung der Romanhandlungen und Zeitabschnitte fünfte, "Markus König", habe ich nun ausgelesen. Die Handlung verlagert sich nun von Thüringen, in dem, zumindest hauptsächlich, die ersten vier Bände spielten, an die Weichsel, in die deutsche Stadt Thorn, die früher dem Deutschorden und nun, zu Beginn der Handlung, dem polnischen König untersteht.
    Markus König, ein angesehener Kaufmann und Mitglied des "Artushofes", einer Art Ehrengemeinschaft der Honoratioren von Thorn, trauert auch in seinen reifen Jahren den Zeiten nach, in denen Thorn dem Deutschherrenorden unterstand, und will diese Herrschaft mit Geld wieder herstellen, das er dem derzeitigen Hochmeister, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, zur Verfügung stellt und für das ihm dieser den Eid leistet, sich auf keinem Fall dem polnischen König unterzuordnen. Die kriegerischen und diplomatischen Auseinandersetzungen enden dennoch mit der Machterhaltung des polnischen Königs, der dafür Albrecht als weltlichem Herzog über das alte Ordensland das Lehensrecht überträgt.
    Zornig und zutiefst verbittert begibt sich der alte Markus König auf eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela, kann aber auch so nicht den inneren Frieden finden.

    Parallel zu dieser Handlung geht es um das Umsichgreifen der Reformation in Deutschland, und Freytag setzt mit diesem Roman Martin Luther ein großes Denkmal.
    Noch während des Konflikts des Hochmeisters mit dem polnischen König spielt die Handlung um den Sohn Markus Königs, den jungen Georg, der ein Brausekopf ist und viel Unsinn macht, der ihn zum wiederholten Male vor den Thorner Stadtrat führt und seinen Vater erzürnt. Dies besonders, nachdem sich Georg mit seinem Lateinlehrer und dessen Tochter angefreundet hat und die beiden, als der Lehrer, weil er die in den Augen der katholischen Priester und Mönche Thorns ketzerischen Schriften Luthers weiter verbreitet, angegriffen werden, gegen einen polnischen adeligen Katholiken verteidigt und diesen dabei schwer verwundet.
    Georg wird aus der Stadt verbannt, gerät bei einem Schiffsüberfall ebenso wie der Lateinlehrer und Anna, seine Tochter, in die Gewalt von Landsknechten, von denen einige dem Hochmeister, andere dem König von Polen dienen. Um Anna vor Übergriffen zu schützen und weil er sie seit langem liebt, heiratet Georg sie, wird von dem Hauptmann der Landsknechte als Fähnrich gewonnen, weil ihm in seinem rechtlosen Zustand nichts anderes übrigbleibt.
    Zum Schluss kommen alle, nachdem es unter Luthers Einfluss zu einer Versöhnung zwischen Vater und Sohn gekommen war und der alte Markus von seinen Wallfahrten zurückkehrt, kurz vor dessen Tod auf der Festung Coburg in Thüringen, die alte Idisburg aus den ersten Bänden der "Ahnen", und Luther kann endlich dem Vater seine Verbitterung nehmen und ihn dazu bringen, dem Herzog seinen Eidbruch zu verzeihen.


    Wie oben in der DIskussion mehrfach angemerkt, kann man hier auch die Licht- und Schattenseiten von Freytags Schreib- und Darstellungsweise in unmittelbarer Nähe nachweisen, besonders auffällig am Ende. Luther sagt zu Markus König:


    "[...] viele hundert Jahre sind vor dem Herrn wie ein Tag, die Geschlechter der Menschen, welche aufeinanderfolgen, sind vor ihm wie Halme eines Sommers und die Erde gleich einem Landgut; und wie ein Wirt Weizen und Hafer, so säet er Deutsche und Polen nacheinander auf denselben Grund, gerade die Frucht, welche er für die himmlische Wirtschaft bedarf. Was wollt Ihr, der Ihr nur ein Halm der Erde seid, im voraus bestimmen, welche Frucht der Herr jetzt und künftig an der Weichsel säen soll?«"


    Das klingt christlich und nach unseren heutigen Vorstellungen tolerant, aber keine halbe Seite später findet sich diese Stelle, ebenfalls Luther in den Mund gelegt:


    "Wenn die Polen Gottes Wort annehmen und treu bewahren, wie sie ja auch guten Willen haben, so werden sie und ihre Herrschaft fröhlich gedeihen, und Euren Landsleuten wird es frommen, in Eintracht mit ihnen zu leben. Wenn sie aber beharren in ihrem alten Wust und Unrat, so werden sie darin umkommen und hier und dort ihren Lohn erhalten. Sind die Deutschen besser in Glauben und Gewissen, so mögt Ihr vertrauen, daß sie auch tüchtiger auf der Erde sein werden und dem Herrn liebere Kinder Evä als die Polacken, wenn diese ungewaschen und strotzig bleiben.«"


    Aua!


    Mir hat dieser Band bisher am wenigsten gefallen: Er beinhaltet - neben dem interessanten Konflikt zwischen Reformation und Restauration im Weichselland - viel frommes Geschwurbele, und die Liebesgeschichte zwischen Anna und Georg zieht sich nach Courths-Mahler-Manier züchtig in die Länge, bis endlich der Knoten platzt. Danach wird es interessanter. Aber die ersten hundert Seiten waren ein echte Prüfung.