Beiträge von finsbury

    Hallo,


    nach langen Jahren hätte ich wieder mal Lust, etwas von Meyer zu lesen. Neben seiner Lyrik möchte ich mich - am liebsten im Juli - mit seinem historischen Roman "Jürg Jenatsch" beschäftigen, einem relativ schmalen Werk, das das Geschick des Georg Jenatsch, eines Schweizer Volkshelden aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, nachzeichnet, dabei aber nicht unbedingt nur der historischen Person verpflichtet ist, sondern den "Konflikt von Recht und Macht, von Politik und Sittlichkeit" ( Meyer an seinen Verleger) zum Thema hat. (Infos: Kindlers Literaturlexikon). Hat jemand Lust, ab Ende Juni bis Anfang August mitzutun? Wie geschrieben, der Roman ist nicht umfangreich!


    finsbury

    Nun habe ich zaghaft wieder die Lektüre aufgenommen.


    wie schon Marlino (willlkommen im Forum :winken:!) unten sagt, ist es oft sehr schwierig, durch JPs Metaphernwelt durchzusteigen. Wenn er auch selber noch als ein Thema des Romans dieses Verspinnen von Sein und Schein wählt, wird es doppelt schwierig. Ich kann nicht sagen, dass ich diese hochgestimmten Nächte in Lilar inhaltlich durchdrungen habe, geschweige denn geistig (insbesondere 12. Jobelperiode)! Einfacher wird es auch nicht dadurch, dass fast alle männlichen Haupt- und wichtigen Nebenpersonen mehrere Namen und zusätzliche Berufs- und Rangbezeichnungen haben. Da rächt es sich natürlich auch, wenn man lange Lesepausen macht.
    Im Moment (13. Jobelperiode) herrscht eine Phase zitternder Empfindsamkeit und hoher Gefühle vor: Ich hoffe und freue mich darauf, dass bald einmal Schoppe wieder in sein Recht gesetzt wird oder dass das skurille Nebenpersonal wie z.B. Albanos Vermieter Sphex mal wieder auftaucht.


    Der Siebenkäs und die Flegeljahre gefallen mir bisher deutlich besser.


    @ Marlino,
    so wie's ausschaut, hast du noch alle Zeit der Welt, dich dieser Lese"runde" bzw. den sporadischen Postings anzuschließen.
    finsbury

    Ich besitze eine Taschenausgabe aus den 50ern von "wer einmal aus dem Blechnapf frisst". Aber bisher bin ich da noch nicht rangegangen, auch aus Angst, dass die Seiten zu Staub zerfallen. Bei 50 bis 60 Jahren erreicht so ein Taschenbuch langsam seine Haltbarkeitsgrenze.
    In den Achtizgern habe ich mal einen Mehrteiler über "Ein Mann will nach oben" gesehen. Das hat mir damals sehr gut gefallen, aber es ist zu lange her, dass ich noch genaue Erinnerungen daran hätte.


    Lustig, dass viele dieser Schriftsteller der Moderne, die die Älteren von uns noch so gesehen haben, wie die heutigen Jungen vielleicht Grass oder Walser, langsam in das ganz legale Klassikeralter kommen ...


    finsbury

    Hallo Maria,


    danke, dass du dieses kleine Büchlein herausgestellt hast. Ich habe es vor einigen Monaten gekauft, aber völlig vergessen. Dann werde ich es jetzt bald einmal hervorholen. Es hat gerade die richtige Dicke und Lesbarkeit, dass man es auch in den Zeiten großer Arbeitsbelastung lesen kann.


    finsbury

    Von mir wird er frühestens Ende nächster Woche wieder beschickt. Aber ich lese ja sowieso nur die kastrierte Version! :breitgrins: Tät aber gern weiter posten, ab dem genannten Datum.


    finsbury


    Las ich ebenfalls vor Jahren, wäre aber in dem Zusammenhang gar nicht draufgekommen. Obwohl du völlig Recht hast, Maria: Klassische Kleinstadtmotive!


    Was mir da gerade noch einfällt,obwohl ich's noch nicht gelesen habe: Fritz Reuters kleiner autobiografischer Roman: Meine Vaterstadt Stavenhagen!


    finsbury


    Mein Fazit: Der "mittlere und späte" Benn ist, ungeachtet seiner zeitweiligen Naziverblendung, Mitglied in meinem persönlichen Dichterolymp.


    Kann ich vollinhaltlich unterschreiben!Benn ist einer der ganz großen Magier unserer Sprache. Z.B. "Astern /Schwälende Tage" ist eins meiner Lieblingsgedichte.


    finsbury


    Nun wirds unter der Woche wieder etwas langsam vorangehen.


    Und wie langsam! Gerade eine Zykel bin ich weitergekommen. Aber da gibt es eine so schöne Passage über JPs Frauensichtweise, dass ich doch zitieren muss:


    Zitat von Titan 11/56 bezüglich Lianes

    Dafür gebührt ihr der herrliche Beiname Virgils, die jungfräuliche. In unseren Tagen der weiblichen Krachmandeln, der akademischen Kraftfrauen, der Hopstänze und Doubliermarschschritte im platten Schuh kommt der virgilianische Titel nicht oft vor.


    So sehr Jean Paul den Intellekt wohl an sich selbst schätzte, wollte er diesen doch, ganz Durchschnittsmann seiner Zeit, vorwiegend auf sein eigenes Geschlecht beschränkt sehen. Aber Krachmandeln ist klasse!


    finsbury


    M.W. war Jean Paul im frühen Zenit seiner Karriere (Hesperus, Siebenkäs, Quintus Fixlein) so was wie ein Bestsellerautor. Und Goethe und Schiller mochten ihn gar nicht. Und umgekehrt. Und wer ist Gregor Delin? Meinst Du Martin Gregor-Dellin?


    Und die Frauen lagen ihm zu Füßen, natürlich nur wegen seiner Romane! Aber es ist trotzdem schon komisch, dass auch diese vergleichsweise einfachen frühen Romane, die dennoch heute bei vielen Leuten auf große Lesewiderstände stoßen, damals so weggeschlungen wurden.
    Die späten Romane JPs sind aber sicher i.W. Vorbilder für Kollegen. Das gilt ja auch für solche Werke in der Nachfolge Richters, wie z.B. "Zettels Traum".
    Für den Ulysses kann man - denke ich - in eingeschränktem Maße Ähnliches und erst recht für Finnegans Wake annehmen.



    finsbury

    Auch wenn ich hier nicht aktuell teilnehme: als Jean Paul den Roquairol erstmal beschrieb und dabei von einem "eingestürzten Gesicht" sprach, dachte ich auch grinsend an Keith Richards.


    Genau der war es, den ich auch vor Augen hatte, aber dessen Name mir nicht einfiel!


    Danke, Gronauer!


    finsbury

    Hallo,


    nun komme ich gerade mal ein bisschen voran: Bin nun mit der 10. Jobelperiode fertig.


    Schön is in der neunten Jobelperiode das Staatsbegräbnis des hohenfließischen Fürsten: Die Hohlheit solcher Riten wird erbarmungslos enttarnt und noch durch die drei Särge der Staatsoberhaupts satirisch frech gebrochen.
    Auch Schoppe läuft wieder zur Hochform auf: Sein als Selbstmord missverstandener Badeausflug (9/48) strotzt von Seitenhieben auf Befindlichkeiten der Gesellschaft. Kurz vorher sagt JP im Vergleich zu Albano sehr schön über Schoppe (was auch für viele andere seiner Figuren gilt):


    Zitat von 8/48


    [color=maroon]Albano war ein heiß brennender Hohlspiegel, der seinen Gegenstand nahe hat und ihn aufgerichtet hinter sich darstellt, Schoppe einer, der ihn ferne hat und verkehrt in die Luft wirft.


    Das passt recht gut: Albano überhöht und lässt alle nah an sich ran. Schoppe distanziert und verzerrt die Personen, macht sie aber auch dadurch recht deutlich, weil sie für alle sichtbar sind (in der Luft), während Albano sie durch den Filter seiner Wahrnehmung viel unkenntlicher macht.


    Endlich nun greift Roquairol, alias Karl, in das Geschehen um Albano ein: Schon dass Albano ihn Karl nennt, mit diesem kurzen einheimischen Namen, der Vertrautheit signalisiert, zeigt seine gefilterte Wahrnehmung.


    Dagegen könnte man meinen, dass JP schon eine Anspielung auf Rock 'n Roll im Sinne hatte :zwinker:: Mich jedenfalls erinnert Roquairol an die früh abgelebten und desillusionierten Rockstars, die den Freitod suchten, wie Jim Morrison oder Curt Cobain.


    Nun wirds unter der Woche wieder etwas langsam vorangehen.


    finsbury

    Hallo,


    habe zur Erholung gelesen:


    a) [kaufen='9783442470310'][/kaufen]Sven Regener: Der kleine Bruder: Wieder sehr nett, weil ein Spiegelbild auch meiner Generation, allerdings fand ich meine Erinnerungen am besten im zweiten Band wieder: Neue Vahr Süd: Die Uni- und WG-Szene war eine ironische Brechung eigener Erlebnisse. Aber auch im "kleinen Bruder" kommt diese typische Sprache der Achtziger wieder sehr schön zum Tragen und auch das Berliner Flair, wie schon in "Herr Lehmann".


    b)[kaufen='9783518460498'][/kaufen] Jaume Cabré: Die Stimmen des Flusses


    Ein interessanter Zeitroman aus den Jahren des Francismus in Katalonien: Viele Zeitebenen werden miteinander verwoben und wirbeln manchmal in einem Satz durcheinander, einfach durch Verschiebung der Perspektive. Dennoch ist der Roman nicht anstrengend zu lesen, ein beigefügtes Personenverzeichnis als Lesezeichen erleichtert die anfängliche Orientierung. Die Hauptperson - Elisenda Vilabrú - hat die Eigenschaften einer griechischen Tragödienheldin, einer Medea. Schön ist an diesem Roman, dass er konsequent an jedem Happy End, ja sogar richtiger Auflösung vorbeigeht, Geschehen und Personen bleiben in erratischen Blöcken stehen. Das passt gut zu der rauen Landschaft der Pyrenäen, in denen die Haupthandlung spielt und spiegelt wohl auch wider, wie Politik und persönliches Schicksal unaufgelöst in der Erinnerung bleiben.


    finsbury

    Hallo,



    Ich bin jetzt in der 8. Jobelperiode und etwas unschlüssig, was ich von der Liane-Geschichte halten soll. Teilweise sehr schwärmerisch, aber es scheint doch auch immer wieder Ironie durch. Insgesamt eine gute Mischung, aber nichts zum Schnelllesen.


    Soweit bin ich nun auch gekommen und finde die Liane-Geschichte auch ein wenig, naja, rührselig. Aber ich erinnere mich, dass das in anderen JP-Büchern auch oft so ist, wenn die Frauen in den Fokus geraten, natürlich nicht bei der Gattin des Siebenkäs :breitgrins:!
    Im Moment überwiegt die Idylle ganz eindeutig das Ironische, das nur am Rand aufblitzt.


    Weitere Anmerkungen / Fragen zur 8. Jobelperiode:


    8/ Ende 44. Zykel: Führt JP die Gedanken zur reinen, guten Musik noch aus und fehlen diese nur in meiner kastrierten Ausgabe? In der Autorenanmerkung erwähnt er, dass er dazu noch etwas schreiben wolle. Das müsste ich mir dann bei Projekt Gutenberg beschaffen.


    8/ 43. Zykel: Steht in euren Anmerkungen, warum es den zweimal gibt? Bei mir steht nur, dass es ihn zweimal gibt: Tolle Information!


    Außerdem zu Chariton, Dions Ehefrau: Wann sollen die denn geheiratet haben? Sie ist siebzehn und stillt das dritte Kind! Eins von den älteren brüstet sich damit, dass es schon lesen kann!


    Interessant ist, dass die Begegnung zwischen Albano und Roquairol immer wieder hinausgezögert wird. Das Motiv der Flöte, das Roquairol immer wieder anzukündigen scheint und sich dann verflüchtigt, ergänzt die Idylle um das bukolische Element. Beides ist ja auch nahe miteinander verwandt.


    Einen schönen Sonntag noch


    finsbury

    Hallo,



    Besonders interessant fand ich die Gedanken zu Bildung und Erziehung. Die unterschiedlichen Richtungen druecken sich ja auch in seinen diversen Lehrern aus.


    Die Erziehungsgedanken sind bei mir wohl rausgekürzt worden, aber halb so schlimm, das kann ich mir ein andermal anhand der "Levana", JPs Schrift zur Erziehung anschauen.
    Bin kaum weitergekommen: Albano macht sich gerade auf, Hohenfließ endlich besuchen zu dürfen.


    finsbury

    Antwort: "Wenn damit gemeint ist, dass jemand mit der Hand unter der Uferböschung die Forellen fängt, dann ja. Der Fisch bleibt dort stehen und lässt sich leicht von unten befühlen, ehe man ihn dann mit einem gekonnten Wurf auf s Trocken befördert. Es ist eine uralte 'Fischräubermethode'. aber man braucht etwas Übung".


    Danke, also ist das Fischekitzeln dazugedacht, den richtigen Fisch und seine Dicke zu erkennen. Wieder was dazu gelernt!


    finsbury

    Hallo,


    bis in die vierte Jobelperiode bin ich nun vorgedrungen und möchte zunächst einmal mehr betonen, wie erleichtert ich bin, hier doch den Jean Paul des Siebenkäs und der Flegeljahre wiederzufinden: Seitenhiebe nach allen Richtungen austeilend, die Idylle als Kulisse skuriller Personenschilderungen nutzend, schwärmerisch, aber auch liebevoll-nachsichtig die Reinen, Einfältigen schildernd.


    Diesmal drängt sich mir mehr als bei früheren Jean-Paul-Lektüren die Ähnlichkeit zwischen Wieland und ihm auf. Idylle und Ironie miteinander vermengt: Bei Wieland im klassisch-antiken Gewande und weniger bissig, aber dennoch treffend; bei Jean Paul die mitteleuropäisch-kleinstädtische Idylle und frecher, auch gegenüber den zeitgenössischen Olympiern:


    [quote= Jean Paul, III, 18]
    Hingegen sich innerlich preisen und bekränzen kann einer Tag und Nacht, Sommer und Winter, an jedem Orte [...]auf dem Fürstenstuhle, in ganz Deutschland, z.B. in Weimar. Wie? Und diese perennierende Balsamstaude, die den inneren Menschen immerwährend anräuchert, solllte man sich ausziehen oder beschneiden lassen? [/quote]


    Warum eigentlich kommen in Idyllen - zumindest bei Jean Paul und Wieland - immer nur Frühling und Sommer, höchstens noch Ernteherbst vor, obwohl diese Jahreszeiten bei uns ja keineswegs das ganze Jahr über herrschen? Idyllisch ist ein Schmuddelwinter zwar nicht, aber auch dort gibt es idyllische Momente, glitzernde Schneetage, gemütliches Sitzen ums Feuer .... Bei Jean Paul kann ich mich nicht an eine derartige Szene erinnern, auch nicht bei Wieland, Goethe und Voss, wobei allerdings meine Idyllenlektüre nicht sehr umfassend ist.


    Nun haben einige andere Protagonisten die Szene betreten, der eitle, aber wenig anerkannte Zeremonienlehrer Falterle und seine ehemaligen Schüler Roquairol und Liane, die Kinder des lindenstädtischen Ministers. Auch die Vizeeltern Albanos werden wunderbar eingeführt: 2/13-14 musste ich allerdings mehrmals lesen, bevor ich halbwegs begriffen habe, was Albano da angestellt hat: Er hat sich, wenn ich da richtig denke, vom Personal des Vizevaters auf die Vogelstange des Schützenhäuschens schnallen lassen, so dass es aussah wie der Gekreuzigte, um besser über die Landschaft blicken zu können!?


    Meine Ausgabe hat zwar einige Anmerkungen, arbeitet dennoch oft an meinem Bedarf vorbei, erklärt Begriffe, die man unschwer ableiten kann und überlässt dagegen schwierige Passagen ganz dem (Miss)verständnis des Lesers.


    Einen schönen Restsonntag wünscht


    finsbury


    Moin, Moin!


    "Schon der erste Vers kann ein Druckgefühl hinter den Augen auslösen. Romane und Filme katapultieren einen, rastlos modern, wie sie sind, vorwärts ode rückwärts durch die Zeit, über Tage, Jahre oder gar Generationen hinweg. Die Lyrik hingegen mit ihren Eindrücken und Urteilen balanciert auf der Nadelspitze des Augenblicks. Sich verlangsamen, vollkommen innehalten, um ein Gedicht zu lesen und zu verstehen, das ist, als erwerbe man althergebrachte Fertigkeiten wie das Kitzeln von Forellen oder das Errichten von Trockenmauern." (Ian McEwan: Saturday, S. 178)


    Dieses Zitat habe ich mir damals nach der Lektüre des Romans auch rausgeschrieben. Schön! Wozu aber wurden früher Forellen gekitzelt? Damit sie ablaichen für Forellenrogen?


    finsbury

    Hallo,


    nun klinke ich mich doch wieder ein, denn hier geht es ja auch gar nicht oder sehr langsam voran.


    Ab heute Nacht versuche ich, in der zweiten Jobelperiode weiterzukommen. Leider bin ich beruflich und auch an den Wochenenden so eingespannt, dass es mir sehr schwer fällt, mich auf die wunderschöne, aber leider auch wunderschön schwierige Jean Paulsche Sprache einzulassen. Dennoch, in kleinen Häppchen sollte es mit meiner gekürzten Version irgendwann gelingen.
    Rückmeldung je nach Lesetempo in den nächsten Tagen. Hoffe, ihr habt auch noch nicht aufgegeben.


    Schönes Restwochenende


    finsbury