Beiträge von Steffi

    Die intellektuellen Spielereien von Nabokov und Thomas Mann unterscheiden sich doch zu sehr um sie wirklich vergleichen zu können. Nabokov zitiert, zumindest in "Lolita" eifrig andere Werke und bringt sie in einer Art Spiel im Text unter. Versteht man sie, kann man sich freuen, erkennt man sie nicht, machts auch nicht viel, vielleicht langweilt man sich dann aber auch. Thomas Mann versucht, seine eigenen philosophischen Vorstellungen durch den Text herauszuarbeiten, er spricht aber darüberhinaus bei mir oft mehr über das Gefühl den Verstand an. Nach wie vor bleibt die Beurteilung glücklicherweise den persönlichen Vorlieben überlassen.


    Auch das sehe ich genauso, bleibt die Frage warum sitzt Humbert Humbert dann im Gefängnis? Mal sehen, ob wir auch hier einer Meinung sind?


    Na, da bin ich ja mal gespannt ! Die "gesetzliche Gefangenschaft" besteht ja nur dann, wenn man annimmt, dass das Vorwort tatsächlich von einem Dr. phil. John Ray jun. geschrieben worden wäre. Dann wäre es möglich, dass HH wegen des am Ende geschilderten Verkehrsdelikts eingesperrt worden ist. Allerdings könnte das Vorwort auch direkt von HH stammen, dann plädiere ich dafür, dass er sich erneut in eine psychiatrische Klinik begeben hat. Also, ich glaube eher an die Psychiatrie, da mich das Vorwort schon zu Anfang irgendwie irritiert hat, ohne dass ich jetzt einen konkreten Punkt benennen könnte.


    Jetzt bin ich auf deine Meinung gespannt, Hubert !

    Heute habe ich "Lolita" beendet.


    Der zweite Teil macht ganz deutlich, was von Humbert Humbert zu halten ist, da gibt es keine Sympathien mehr und auch Lolita ist eindeutig das Opfer. Das Lolita-Klischee des aufreizenden, verführerischen jungen Mädchens (wohl eher durch die Verfilmung entstanden ?) ist damit eindeutig widerlegt. Daneben aber liest man auch vom Aufeinandertreffen des alten Europa (HH) auf das junge Amerika (Lolita), durchaus ein Problem, dem sich auch Nabokov stellen musste.


    Bezüglich des Schlusses bin ich auch der Meinung, dass es sich um eine (Alp-)traumsequenz Humbert Humberts handelt und er in Wirklichkeit Lolita nie wiedergesehen und auch den Mord nicht verübt hat.


    Ein bißchen genervt haben mich die unendlich vielen literarischen Anspielungen. Ohne Anmerkungen wäre mir da der überwiegende Teil entgangen. Solche intellektuellen Spielchen unter Literaturwissenschaftlern nerven mich :rollen:

    Ende 70er, Anfang 80er:


    Jakob Wassermann: Das Gold von Caxamalca
    Schiller: Die Jungfrau von Orleans
    Schiller: Wallenstein (alle drei Teile)
    Schiller: Wilhelm Tell
    Goethe: Iphigenie auf Tauris
    Goethe: Faust I und II
    Kleist: Prinz Friedrich von Homburg
    Hölderlin: Der Tod des Empedokles
    Hölderlin: Hyperion
    Hauptmann: Der Biberpelz
    Hauptmann: Die Weber
    Novalis: Heinrich von Ofterdingen
    Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts
    Büchner: Woyzeck
    Büchner: Lenz
    Horvath: Jugend ohne Gott


    ... und noch weiteres. Im Prinzip aus jeder Literaturepoche etwas.

    Ich bin nun mitten in der Lektüre von Lolita.


    Es stimmt, zu Beginn verführt die Ich-Erzählhaltung zu Sympathien für HH, zumindest aber dazu, dass ich Mitleid mit ihm verspürte. Dann wieder sieht man, wie hinterhältig HH seine Stellung ausnutzt und dann stellt sich Lolita als die Verführerin dar. Für mich sind diese (meine) schwankenden Haltungen gegenüber den Protagonisten das Faszinierendste bisher.


    Ich lese die rororo-Taschebuchausgabe mit jeder Menge Erläuterungen, Nachwort, Zeittafel zum Werk, zu Nabokov und zu Lolita.


    Auch interessant ist, dass damals (und in manchen amerikanischen Staaten auch heute noch) eine Ehe mit 12 oder 14 und Einwilligung der Eltern legal war. Trotzdem befürchtete Nabokov, dass der Roman nur unter Pseudonym hätte veröffentlicht werden können und er wurde ja auch zuerst in Europa veröffentlicht.

    Also dann versuche ich mich auch mal an einer Reihenfolge:



    1. Die Verwandlung


    2. Das Urteil


    3. In der Strafkolonie


    4. Ein Landarzt


    5. Ein Hungerkünstler


    6. Ein Bericht für eine Akademie



    Das war jetzt eine ganz spontane Entscheidung. Die Verwandlung gefällt mir, weil sie so vielfältig ist und mir bei jedem Lesen viele neue Dinge auffallen, aber doch immer noch manches rästelhaft bleibt oder neue Rätsel entstehen. Beim Urteil gefiel mir die klare Aufteilung von Normalität, Wendepunkt, Irrsinn - auch wie die Abhängigkeit der beiden ausgearbeitet war und Schmerz dahinter. In der Strafkolonie war auch wieder dieser Irrsinn gepaart mit der Gewalt.
    Landarzt und Hungerkünstler haben mich nicht so angesprochen, da passierte nicht so viel bei mir. Am schlechtesten kommt der Bericht für eine Akademie weg, ich mochte schon immer keine Erzählungen, in denen Tiere als Menschen dargestellt werden; Fabeln ausgenommen.

    Ja, Hubert, das sehe ich genauso. Die Frage ist, auf was Kafka sich bezieht, das Hungern an sich oder die Kunst, die der Hungerkünstler daraus macht. An solchen Hunger-Events ist das Interesse sicher nach wie vor in unserer Gesellschaft vorhanden, damals bestimmt während bzw. nach dem Krieg nicht.

    Hallo Hubert,


    klar, die Ironie ist schon sehr deutlich, finde ich. Mir hat dieses Stelle besonders gut gefallen, besonders die "Reklame" , die sich auch , wie ich finde, auf die biblischen Wunder bezieht.


    Ich hoffe und wünsche dir, dass du bald wieder mehr Ruhe findest und dass es deiner Mutter schnell wieder besser geht !

    Wikipedia hilft:


    Die grüne Farbe, die viele Absinthsorten aufweisen, stammt vom Chlorophyll der typischen Färbekräuter wie pontischem Wermut, Ysop, Melisse und Minze. ... Um dem Absinth eine charakteristische Farbe zu verleihen, wurden bisweilen bedenkliche Zusatzstoffe, wie z. B. Anilingrün, Kupfersulfat, Kupferacetat und Indigo zugesetzt. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Absinth


    Hmm, lecker :breitgrins:

    Willkommen und viel Spaß bei Thomas Mann.


    Der Zauberberg gehört nach wie vor zu meinen Lieblingsbüchern und außerdem - wer sagt, dass man bei einer ersten Lektüre immer alles verstehen muss ? :zwinker: Mit Hilfe des Klassikerforums und den Leserunden habe ich so manchen literarischen Berg bezwungen, ich bin sicher, dir gelingt das auch !


    Schöne Auswahl ! Die Wahlverwandschaften hatte ich mal begonnen, aber recht schnell wieder aufgehört, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, an was es lag.


    Ich plane ja, endlich mal Nabokov zu lesen. Lolita habe ich schon auf meinem SUB und ich bin schon ziemlich gespannt.


    Unbekannt? Falladas "Kleiner Mann, was nun?" war ein Bestseller und zumindest in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts waren Roman und Autor immer noch sehr bekannt.


    Sorry, ich hatte das auf heute bezogen. Jahrelang war leider kein Fallada im Buchhandel in den Regalen zu finden. In den 70er Jahren gab es einige TV-Verfilmungen, die recht bekannt waren, gab ja nur 3 Programme :breitgrins:

    Ja, es ist schon seltsam, dass er so relativ unbekannt in Deutschland ist, aber es scheint sich ja im Moment gerade zu ändern. Die Biografie von Jenny Williams (Mehr Leben als eins) wird nun auch wieder neu aufgelegt.


    "Jeder stirbt für sich allein" ist eine wunderbare Studie über den unorganisierten, privaten Widerstand. Er arbeitet sehr viele Argumente ab und trotzdem ist es zugleich durch die Atmosphäre und die detaillierte Beobachtung fesselnd und berührend. Er legt da schon den Finder auf die Wunde und das so knapp nach Kriegsende. Beachtlich !

    Erschienen auf französisch und englisch sind bisher fünf Bände:


    Combray
    A l'ombre des jeunes filles en fleurs. Vol.1
    A l'ombre des jeunes filles en fleurs. Vol.2
    Un amour de Swann. Vol 1
    Un amour de Swann. Vol 2


    Warum die Bände nicht in der Romanreihenfolge erschienen sind, müsste man wohl Stéphane Heuet direkt fragen. Oder den deutschen Verlag. Mich stört es nicht !

    Dann versuche ich mich mal an der Erzählung "Der Hungerkünstler" , ich bin inzwischen schon auf alles gefasst :breitgrins:


    Zuerst ist mir aufgefallen, dass Kafka den Begriff "Hungerkünstler" wörtlich nimmt und ihn tatsächlich nicht als einen kunstschaffenden Menschen, der nicht oder nur schwer von seiner Kunst leben kann, beschreibt, sondern als Künstler, der vom Hungern lebt. Zumindest am Anfang lebt er ganz gut damit. Diese wieder mal absurde Haltung gefiel mir gut, erinnert mich aber auch ein bißchen an eine (zynischens ?) Reaktion auf Vorhaltungen, die man ihm als (Hunger-)künstler gemacht haben könnte. Oder die er sich selber gemacht hat.
    Allerdings gibt es auch reale Vorbilder, wirkliche Hungerkünstler. Also vielleicht doch keine Absurdität diesmal ?


    Denn während seiner "guten" Zeit, als er also vom Hungern leben kann, ist er fortwährend unzufrieden, denn er könnte noch so viel mehr leisten, noch mehr hungern. Als er soviel hungern darf, wie er will, wird er vergessen und stirbt schließlich. Ein gewisses Provokationspotential ist da durchaus zu erkennen.


    Es fragt sich natürlich auch, was mit dem Hungern gemeint sein könnte. Hunger nach Anerkennung, Zuneigung und Verständnis? Hunger nach künstlerischem Schaffen, Hungern für die Kunst ? Oder Fasten aus religiösen Gründen, um durch den Verzicht zur inneren Reinheit zu kommen, d.h. durch künstlerisches Schaffen (=Hungern, da kein materieller Verdienst bezweckt ist) zur inneren Erlösung ? Fasten um Aufmerksamkeit zu erhalten, für die eigene Überzeugung oder Magersucht als Beweis der Überlegenheit des Geistes, als krankhafter Ehrgeiz ? Oder doch Selbstkasteiung als Provokation und Darstellung, was man alles leisten kann ?


    Der Grund, warum Kafkas Künstler hungert, ist "...weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle.“


    Kafka macht es mir nicht leicht, irgendwie scheint alles zu passen. Ich denke schon, dass es sich auf die Kunst bezieht. Für ihn ist die Kunst keine Willensanstrengung und das Ziel, ein absoluter Künstler zu sein, etwas zu schaffen, das unfehlbar ist, wird nicht erreicht werden können. Der Künstler auf der Suche nach dieser Unfehlbarkeit oder, vielleicht weniger dramatisch, bei der unbeirrten Ausübung seiner Kunst bis zum Tod.

    Hallo zusammen !


    Ja, die Sache mit der Persönlichkeitsspaltung leuchtet ein, so bekommt die ganze Erzählung doch einen ganz anderen Gesichtspunkt. Kafka, scheint mir, ist immer für eine Überraschung gut und es sind wohl gerade die extremsten Einfälle, die er verarbeitet hat.


    Gerrit Schneider kommt in seiner „Basisinterpretation zu Franz Kafkas ‚Ein Landarzt’“ mit Hilfe der ‚kognitiven Hermeneutik’ zu dem Ergebnis, dass Kafka mit dieser Erzählung seinen Lesern eine rätselhafte Textwelt hinterlassen hat.


    :breitgrins: Das heißt wohl, ich kann mir den Artikel sparen ? Außer "Alptraum" ist mir zu "Ein Landarzt" nämlich auch nicht viel eingefallen. Den Kohlhaas-Bezug hätte ich nicht erkannt, dazu ist meine Kohlhaas-Lektüre doch schon viel zu lange her. Die seitliche Wunde erinnerte mich ein bißchen an Jesus, allerdings dass sie mit der Farbe "rosa" beschrieben wurde und das Dienstmädchen ja auch Rosa heißt, das verwirrte mich ein bißchen :zwinker: Aber wer weiß, was ein Landarzt da auf dem Land eben so alles erlebt ? Auf jeden Fall ist "Ein Landarzt" ein gutes Beispiel für den magischen Realismus, der ja erst später in Lateinamerika so richtig zur Blüte kam.