Hallo Leseratte,
ein paar Sachen in diese Richtung habe ich schon gelesen.
Da wären einmal Wüstenblume und die Fortsetzung Nomadentochter von Waris Dirie. Teil 1 sehr gut und unbedingt lesenswert, Teil 2 kann man sich meiner Meinung nach sparen. Nomadentochter ist größtenteils einfach ein lauwarmer Aufguss von Wüstenblume und wurde eindeutig nur geschrieben, weil der Vorgänger so erfolgreich war.
In Wüstenblume wird einem aber sehr eindrucksvoll das Leben als Nomadenkind, das sich praktisch 24 Stunden am Tag unter freiem Himmel abspielt, vor Augen geführt. Die Gefahren der afrikanischen Steppe, die Armut, die tägliche Suche nach Wasser, und natürlich die unter grauenhaftesten Bedingungen stattfindenden Beschneidungszeremonien bei Mädchen ...
Und es wird auch beschrieben, wie sich so jemand zurechtfindet, wenn er (oder in diesem Fall sie) mitten aus der Wildnis plötzlich in einer zivilisierten westlichen Großstadt landet. Ihr Weg zum Supermodel wird erst gegen Ende beschrieben, diesem Teil ihres Lebens wird in "Nomadentochter" etwas mehr Platz gewidmet.
Der Schreibstil ist ok - natürlich nicht der allerglänzendste, aber dieses Buch soll ja auch kein literarisches Meisterwerk darstellen, sondern verfolgt ganz andere Ziele.
Dann habe ich Die Entlassung von Jürgen Thorwald gelesen. Das ist eine Art Bericht in einem sehr nüchternen und sachlichen Schreibmaschinenstil, der sich mit dem Untergang des berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch beschäftigt. Dieser Mann legte in der ersten Hälfte des 20.Jhdts in Deutschland eine unglaubliche Karriere als Mediziner hin, erkrankte im Alter jedoch an (ich glaube) Alzheimer. Aus Profitgier (er war das Aushängeschild seiner Heimatklinik) wurde allgemeines Stillschweigen bewahrt. Man ließ ihn einfach weiteroperieren, und er richtete Unvorstellbares damit an.
Mein Vater liest gerade Sieben Jahre in Tibet, einen der autobiographischen Romane von Heinrich Harrer. Er ist aber ein wenig enttäuscht, weil das Buch seiner Meinung nach von Tibet selbst herzlich wenig verrät. Beispielsweise wie Harrer und seine Begleiter sich mit der tibetanischen Kultur vertraut machen, kommt viel zu kurz. Sie kommen hin, lernen Tibetaner kennen, und plötzlich verstehen sie sich - ohne das Wie und Warum und Wie es dazu kam zu beschreiben.
In Herbstmilch erzählt Anna Wimschneider vom harten Leben einer niederbayrischen Bäuerin zu Beginn des 20. Jhdts. Das Buch wird teilweise durchgehend mit rotem Faden, teilweise eher in Anekdotenform erzählt. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich bin zwar nicht aus Bayern sondern aus Ö, aber ich habe in vielen Redensarten und Ansichtsweisen die alten Leute in meiner Umgebung wieder erkannt. Und es ist kaum zu glauben, was sich speziell für die Landbevölkerung in nicht einmal 100 Jahren in Sachen Lebensstil verändert hat!
Dann fällt mir noch das Tagebuch der Anne Frank ein. Ich glaube, dazu muss ich nicht viel sagen. Es gehört ja schon fast zur Allgemeinbildung, es gelesen zu haben. Ich war bei meinem ersten Versuch wohl noch zu jung (noch ein wenig jünger als Anne damals) und habe es nicht richtig verstanden, aber ich hole die Lektüre bei Gelegenheit auf jeden Fall nach.
Wenn du dich für Geisteskrankheiten interessierst, kann ich dir März (Roman und Materialien) von Heinar Kipphardt empfehlen. Es ist ein Roman aus der Sicht eines Psychiaters über einen Schizophrenen. In dem Buch wurden nur die Namen des Patienten und des Arztes geändert, alles andere beruht auf echten Unterlagen. Im Anhang wird genau erläutert, wie das Buch zustande kam, wer die beiden Hauptpersonen wirklich waren (inklusive echter Namen), wo sich das alles zugetragen hat, usw.
Und jetzt noch ein paar Titel, die ich selbst noch nicht gelesen habe - einfach als Anregung:
Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker
(Frederik Hetmann)
biographischer Roman über Ché Guevara
Das Feuer des Heraklit
(Erwin Chargaff)
autobiographisches Buch über seinen Beitrag zur Aufklärung der DNS-Struktur und den Grundlagen der Gentechnik - und zugleich der Aufruf, "nicht alles zu machen, was möglich ist"
Mein Leben
(Heinrich Harrer)
beschränkt sich nicht auf die Bergsteigertouren in Tibet
Gefangene der Angst
(Ella Lingens)
eine KZ-Insassin berichtet
Mein Leben
(Marcel Reich-Ranicki)
ich glaube, darin kommen auch seine Probleme als Jude in der NS-Zeit vor
Und noch zwei Bücher, die sich jetzt nicht mit einer konkreten Person beschäftigen, sondern mit dem Elend der jahrzehntelang zum Arbeiten nach Schwaben geschickten Tiroler Kinder, die dort (und auf dem Weg dorthin) oft Unvorstellbares aushalten mussten:
Hungerweg (Othmar Franz Lang)
Die Schwabenkinder (Elmar Bereuter)
War irgendetwas dabei, das dich neugierig gemacht hat?
Welche Lebensgeschichten hast du schon gelesen?
Liebe Grüße,
Bluebell