ich bin mittlerweile tief in das 14. Buch vorgestoßen.
Ich kann Dir nicht folgen ... :redface: Was wird wodurch erhellt?
Oh pardon! Ich meinte natürlich Buch XV und darin die Rede des Pythagoras! Sie wirft ein Licht auf das gesamte Werk!
Aha! Nofretete im Neuen Museum kucken? Unbedingt hingehen (und das nicht nur wegen der niedlichen Ägypterin)!
Im Neuen Museum war ich schon im Frühjahr. Ja, du hast recht, es ist unbedingt sehenswert! Ich glaube, es ist jetzt schöner als es je war. Demolierung im II.Weltkrieg und anschließende jahrzehntelange Verwahrlosung waren wahrscheinlich fast so etwas wie ein Glücksfall für das Gebäude. Da Beschädigtes zwar ausgebessert, Fehlendes aber nicht rekonstuiert wurde, ist das ursprünglich neoklassizistische, historisierende und wahrscheinlich reichlich überladene Dekor gemildert, die Fresken, Mosaiken, Friese sind als Fragmente jetzt einfach wunderschön! Die stellenweise Offenlegung der Bausubstanz und die Verwendung von schlichten edlen Materialien, aber auch z.B. von Beton, ist äußerst gelungen.
Man kann nur staunen über diese Räume, die doch hinter die Exponate zurücktreten und sie hervorheben und damit ihre Funktion erfüllen, selbst aber auch zum Exponat werden und ihre eigene Geschichte erzählen!
Ja, und in diesem Gebäude, ich glaube sinnigerweise sogar unter dem Schievelbein-Fries Die Zerstörung Pompejis sind jetzt die als Entartete Kunst verfemten Skulturen ausgestellt, die man vor kurzem vor dem Roten Rathaus bei archäologischen Grabungen zufällig gefunden hat:
http://www.smb.museum/smb/kale…D=30402&lang=de&typeId=10
Die wollte ich mir eigentlich ansehen, bin aber nicht mehr dazu gekommen. Ich hoffe, die Skulpturen bleiben im NeuenMuseum, sie gehören dahin, schließlich ist es ein Museum für Vor- und Frühgeschichte! :zwinker:
Schöner Zufallsfund: In den elegischen "Heroides"... Was für eine schöne Ergänzung zu unserer laufenden Lektüre!
Ja, mit diesem Werk Ovids liebäugele ich, seit ich im Zuge der Metamorphosen-Lektüre davon erfahren habe. Erstaunlich, dass es so wenig bekannt ist. Es erscheint einem so modern. Fiktive Briefe, die bekannte Frauengestalten zu Wort kommen lassen und bekannte Geschichten aus ihrer Perspektive erzählen, das erinnert doch sehr an Christine Brückners Wenn du geredet hättest, Desdemona. - “Frauenliteratur“, ein Bestseller in den Achtzigern. Ich weiß nicht, ob du das kennst.
Schon in den Metamorphosen habe ich über die modern anmutenden Monologe der Frauen gestaunt, die Selbstgespräche von Medea, Skylla(Tochter des Nisus) und Myrrha z. B. !. Es sind innere Monologe, gehalten in entscheidenden Situationen ihres Lebens, in denen sie mit ihrer Problematik, ihrer Zerissenheit alleine sind und alles mit sich selbst abmachen müssen.
Wenn Männer in den Metamorphosen länger zu Wort kommen, klingt das ganz anders. Oder fällt dir etwas Vergleichbares aus Männermund ein ? Sie halten keine Monologe. Sie haben Adressaten. Sie halten Reden wie z.B. Ajax und Odysseus:
Ich stecke mitten im 13. Buch und habe zuletzt den rhetorischen Zweikampf zwischen Ajax und Odysseus beendet. Die Redekunst genoss in der Antike hohen Stellenwert; Ovid bereitete es sichtlich Vergnügen, sich in dieser Passage mit berühmten Rednern wie Cicero zu messen.
Ovid lässt seine Geschlechtsgenossen (selbst den angeblich unbedarften Ajax) rhetorisch brillieren, aber es ist Distanz zu ihnen spürbar. Ovid scheint sich psychologisch mehr für seine Frauengestalten zu interessieren, ihnen gefühlsmäßig näher zu sein. Insofern wären die Heroides eine interessante sinnvolle Ergänzung zur laufenden Lektüre, zumal ja auch Frauen zu Wort kommen, die uns aus den Metamorphosen bekannt sind.
Bei Wikipedia habe ich nun gelesen, dass die Echtheit des Werkes angezweifelt wird. Schade, das lässt meinen Lesewunsch ein bisschen ins Wanken geraten.
Aus dem XIII. Buch sollte, glaube ich, Priamos’ Frau Hekuba, einzige und widerwillig Überlebende ihrer großen Familie, als herausragende Figur erwähnt werden!
Die große Leidtragende, Trauernde und blindwütige Rächerin, deren Qualen Ovid eingehend schildert, verkörpert so etwas wie das Leid und Elend des Krieges über dessen Ende hinaus. Sie versteinert nicht in ihrem Schmerz wie Niobe, die auch sämtliche Kinder verliert, sondern wird zu einem knurrenden, bellenden, heulenden Hund! Das passt meiner Meinung nach zu Ovids vollkommen unheroischer Darstellung des Trojanischen Krieges vor allem als schreckliches Desaster für die Menschen - darin anders als z. B. der von dir erwähnte Film, der in seiner technischen Perfektion nicht umhin kann, den Krieg irgendwie zu feiern.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Geschichte der Galathea über den verliebten Zyklopen. Das scheint ja die Urvorlage zu sein für King Kong, La Belle et la bête, Zeraldas Riese! Für all diese unbeholfenen Riesen und Unholde, die sich verlieben und die einem dann nur noch leid tun. Verliebt Frankenstein sich nicht auch? Herrlich, wie Polyphem versucht zu gefallen, sich mit dem Rechen kämmt, seinem Spiegelbild im Wasser zulächelt und sich einredet, doch ganz passabel auszusehen, die Sonne habe (sei) ja auch nur ein Auge. Rührend in seiner Tapsigkeit und Unbeholfenheit!
[Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/91/Fresco_Polyphemus_Galatea_MAN_Naples_27687.jpg/220px-Fresco_Polyphemus_Galatea_MAN_Naples_27687.jpg]
Fresken in Pompeji Polyphem und Galatea darstellend sprechen allerdings eine andere Sprache.