Beiträge von Gontscharow


    Mein Vorschlag: Erst die "Heroides" lesen, dann "Die letzte Welt" von Ransmayr ... Wie schaut's aus?


    Sehr gern! Die Heroiden habe ich in der lateinisch-deutschen Reclam-Ausgabe bestellt … Ransmayrs Letzte Welt allerdings am Wochenende bereits gelesen!
    Hoffentlich nehmt ihr mir, besonders du, geschätzter scheichsbeutel, der du uns dieses Werk ans Herz gelegt hast, meine offene Meinung dazu nicht übel:
    Ich halte es für Kunsthandwerk. Ovid light. Kitsch. Über Prokne (bei Ransmayr eine Schlachtersfrau), die ihr Kind tötet, um ihren Mann zu strafen, heißt es: Sie nahm ihren Sohn aus der Zeit und legte ihn zurück in ihr Herz. Diesen Satz fand ich bei Literaturschock zitiert als Beispiel für die Wucht der Ransmayr’schen Sprache. Für mich ist das Kitsch! Bei Bedarf erläutere ich, warum.
    Ich kann verstehen, dass jemand, der die Metamorphosen gelesen hat - und Ransmayr hat sie intensiv gelesen, ursprünglich wollte er sie nur übersetzen, hätte er es doch getan! - überall ovidische Reinkarnationen zu sehen meint. Auch ich ertappe mich dabei, dass ich meinen Lieblingsitaliener vor Ort, Betreiber des „Piccolo Abruzzo“, den es aus der Nähe von Sulmona in den rauen Norden verschlagen hat und der zudem eine lange elegante Nase hat, verstohlen von der Seite betrachte und versucht bin, bei passender Gelegenheit „Naso?“ zu raunen.
    Die Detektivhandlung ist platt; die wirklich schönen eindrucksvollen Passagen fast 1:1 von Ovid übernommen.
    Das Schiff, mit dem Cotta ankommt, heißt Trivia. Eine selbstkritische Anspielung des Autors?


    Zitat von Thomas Lang (Die 10 schlechtesten guten Bücher, zehn.de)den Rhythmus eines Ransmayr-Satzes nachahmend:
    Unaufhaltsam wie ein Zug Lemminge wälzen sich Ransmayrs Sätze über den Bordstein der Literatur in den Gulli der Postmoderne.


    Tut mir leid. Vielleicht hätte mich der Roman mehr beeindruckt, wenn ich Ovid vorher nicht gelesen hätte. So kommt es mir vor, als hätte man kostbare alte Gewänder zerschnippelt und zu einer Patchworkdecke verarbeitet.

    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 1. Dezember 2010


    Ovid ist nun endgültig in der Frühgeschichte Roms gelandet. Mit der Figur des Aeneas betritt er das weite Feld Vergils, der seine "Aeneis" rund 20 oder 30 Jahre vor Ovids "Metamorphosen" geschrieben hat. Erneut finde ich es schade, dass der eine oder andere interessante Aspekt nur am Rand behandelt wird, wie z.B. die Geschichte der Dido. Andererseits hat Vergil sich damit ausführlich beschäftigt, so dass von Ovid nicht viel mehr zu erwarten war.


    Der kleine Dido-Vierzeiler bei Ovid ist wirklich ein Witz! Vielleicht ist ja die römische Frühgeschichte nicht nur das weite Feld Vergils, sondern auch ein vermintes Feld?
    Wie dem auch sei, diese extreme Kürze ist entweder eine Reverenz an Vergil, Tenor: Seht her, ich überlasse ihm das Feld. Er kann es besser. Oder das Gegenteil: Was ist darüber schon zu berichten, alte Kamellen! Auf jeden Fall aber hat es etwas mit Vergil zu tun.
    Ich habe daraufhin bei Vergil im 4.Buch der Aeneis( Übersetzung Voss) nachgelesen:
    Da fallen Sätze, die auch Ovid geschrieben haben könnte, wie:
    Liebe, du Graun, was nicht von der Sterblichen Herzen erzwingst du?
    Und es gibt wie bei Ovid die liebevolle Anrede der Person durch den Erzähler, die eine mitfühlende Nähe ausdrückt:
    Dido, was fühltest du da?
    Aber es ist auch ist die Rede von Schuld, Wahnsinn und Torheit der Dido und sehr ausführlich vom Willen der Götter und Aufrag des Aeneas.
    Ovid beschränkt sich darauf, Dido als Ge-und Enttäuschte zu bezeichnen und verliert kein Wort über Aeneas oder rechtfertigt gar sein Tun.


    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 1. Dezember 2010

    Apropos Dido und Aeneas: Das war auch eine der Geschichten, die im Lateinunterricht breiten Raum einnahmen. Sie macht durchaus Lust, Vergil einmal wieder in die Hand zu nehmen.


    Die Aeneis war auch bei uns Thema im Lateinunterricht. Von Ovid hingegen haben wir nicht eine Zeile gelesen! Meine Lateinpauker werden gewusst haben, warum.
    Ehrlich gesagt, verspüre ich wenig Lust, Vergil noch mal in die Hand zu nehmen - ganz im Gegensatz zu anderen Texten von Ovid!
    Arma virumque cano - von Waffen und dem Mann will ich singen … nein danke!
    Wenn man Vergils Stadtgründungsepos mit Ovids Verwandlungsepos vergleicht:
    Vergil erzählt linear, eins muss passieren, damit das nächste geschehen kann, fast teleologisch immer auf das Ziel der Gründung Roms hin. Kein Wunder, dass es zum Nationalepos der augusteischen Zeit wurde. Bei Ovid verspüre ich so etwas wie Freiheit, nichts wird zum Zwecke von etwas anderem erzählt. Die Geschichte von Picus dem Specht ist genauso wichtig und erzählenswert wie die von Achilles …


    Ich bin gespannt, was du zum XV. Buch sagst!


    ich bin mittlerweile tief in das 14. Buch vorgestoßen.


    Ich kann Dir nicht folgen ... :redface: Was wird wodurch erhellt?


    Oh pardon! Ich meinte natürlich Buch XV und darin die Rede des Pythagoras! Sie wirft ein Licht auf das gesamte Werk!



    Aha! Nofretete im Neuen Museum kucken? Unbedingt hingehen (und das nicht nur wegen der niedlichen Ägypterin)!



    Im Neuen Museum war ich schon im Frühjahr. Ja, du hast recht, es ist unbedingt sehenswert! Ich glaube, es ist jetzt schöner als es je war. Demolierung im II.Weltkrieg und anschließende jahrzehntelange Verwahrlosung waren wahrscheinlich fast so etwas wie ein Glücksfall für das Gebäude. Da Beschädigtes zwar ausgebessert, Fehlendes aber nicht rekonstuiert wurde, ist das ursprünglich neoklassizistische, historisierende und wahrscheinlich reichlich überladene Dekor gemildert, die Fresken, Mosaiken, Friese sind als Fragmente jetzt einfach wunderschön! Die stellenweise Offenlegung der Bausubstanz und die Verwendung von schlichten edlen Materialien, aber auch z.B. von Beton, ist äußerst gelungen.
    Man kann nur staunen über diese Räume, die doch hinter die Exponate zurücktreten und sie hervorheben und damit ihre Funktion erfüllen, selbst aber auch zum Exponat werden und ihre eigene Geschichte erzählen!
    Ja, und in diesem Gebäude, ich glaube sinnigerweise sogar unter dem Schievelbein-Fries Die Zerstörung Pompejis sind jetzt die als Entartete Kunst verfemten Skulturen ausgestellt, die man vor kurzem vor dem Roten Rathaus bei archäologischen Grabungen zufällig gefunden hat:
    http://www.smb.museum/smb/kale…D=30402&lang=de&typeId=10
    Die wollte ich mir eigentlich ansehen, bin aber nicht mehr dazu gekommen. Ich hoffe, die Skulpturen bleiben im NeuenMuseum, sie gehören dahin, schließlich ist es ein Museum für Vor- und Frühgeschichte! :zwinker:



    Schöner Zufallsfund: In den elegischen "Heroides"... Was für eine schöne Ergänzung zu unserer laufenden Lektüre!


    Ja, mit diesem Werk Ovids liebäugele ich, seit ich im Zuge der Metamorphosen-Lektüre davon erfahren habe. Erstaunlich, dass es so wenig bekannt ist. Es erscheint einem so modern. Fiktive Briefe, die bekannte Frauengestalten zu Wort kommen lassen und bekannte Geschichten aus ihrer Perspektive erzählen, das erinnert doch sehr an Christine Brückners Wenn du geredet hättest, Desdemona. - “Frauenliteratur“, ein Bestseller in den Achtzigern. Ich weiß nicht, ob du das kennst.
    Schon in den Metamorphosen habe ich über die modern anmutenden Monologe der Frauen gestaunt, die Selbstgespräche von Medea, Skylla(Tochter des Nisus) und Myrrha z. B. !. Es sind innere Monologe, gehalten in entscheidenden Situationen ihres Lebens, in denen sie mit ihrer Problematik, ihrer Zerissenheit alleine sind und alles mit sich selbst abmachen müssen.
    Wenn Männer in den Metamorphosen länger zu Wort kommen, klingt das ganz anders. Oder fällt dir etwas Vergleichbares aus Männermund ein ? Sie halten keine Monologe. Sie haben Adressaten. Sie halten Reden wie z.B. Ajax und Odysseus:



    Ich stecke mitten im 13. Buch und habe zuletzt den rhetorischen Zweikampf zwischen Ajax und Odysseus beendet. Die Redekunst genoss in der Antike hohen Stellenwert; Ovid bereitete es sichtlich Vergnügen, sich in dieser Passage mit berühmten Rednern wie Cicero zu messen.


    Ovid lässt seine Geschlechtsgenossen (selbst den angeblich unbedarften Ajax) rhetorisch brillieren, aber es ist Distanz zu ihnen spürbar. Ovid scheint sich psychologisch mehr für seine Frauengestalten zu interessieren, ihnen gefühlsmäßig näher zu sein. Insofern wären die Heroides eine interessante sinnvolle Ergänzung zur laufenden Lektüre, zumal ja auch Frauen zu Wort kommen, die uns aus den Metamorphosen bekannt sind.
    Bei Wikipedia habe ich nun gelesen, dass die Echtheit des Werkes angezweifelt wird. Schade, das lässt meinen Lesewunsch ein bisschen ins Wanken geraten.


    Aus dem XIII. Buch sollte, glaube ich, Priamos’ Frau Hekuba, einzige und widerwillig Überlebende ihrer großen Familie, als herausragende Figur erwähnt werden!
    Die große Leidtragende, Trauernde und blindwütige Rächerin, deren Qualen Ovid eingehend schildert, verkörpert so etwas wie das Leid und Elend des Krieges über dessen Ende hinaus. Sie versteinert nicht in ihrem Schmerz wie Niobe, die auch sämtliche Kinder verliert, sondern wird zu einem knurrenden, bellenden, heulenden Hund! Das passt meiner Meinung nach zu Ovids vollkommen unheroischer Darstellung des Trojanischen Krieges vor allem als schreckliches Desaster für die Menschen - darin anders als z. B. der von dir erwähnte Film, der in seiner technischen Perfektion nicht umhin kann, den Krieg irgendwie zu feiern.


    Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Geschichte der Galathea über den verliebten Zyklopen. Das scheint ja die Urvorlage zu sein für King Kong, La Belle et la bête, Zeraldas Riese! Für all diese unbeholfenen Riesen und Unholde, die sich verlieben und die einem dann nur noch leid tun. Verliebt Frankenstein sich nicht auch? Herrlich, wie Polyphem versucht zu gefallen, sich mit dem Rechen kämmt, seinem Spiegelbild im Wasser zulächelt und sich einredet, doch ganz passabel auszusehen, die Sonne habe (sei) ja auch nur ein Auge. Rührend in seiner Tapsigkeit und Unbeholfenheit!


    [Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/91/Fresco_Polyphemus_Galatea_MAN_Naples_27687.jpg/220px-Fresco_Polyphemus_Galatea_MAN_Naples_27687.jpg]
    Fresken in Pompeji Polyphem und Galatea darstellend sprechen allerdings eine andere Sprache.

    Zitat von Autor: JMaria« am: Gestern um 14:05

    habt ihr schon etwas von Irène Némirovsky gelesen?


    Ja, Suite francaise, den Ball und Le maître des âmes. Sehr lesenswert!
    Suite francaise ist ein Zeitdokument. Es gibt meines Wissens sonst keine zeitgleiche Dokumentation oder literarische Verarbeitung der deutschen Okkupation. Es ist eine schonungslose Bestandsaufnahme, bei der die Franzosen nicht unbedingt gut wegkommen. Ein früheres Tabuthema! Im Anhang der französischen Ausgabe sind die Bittbriefe von Irenes Ehemann Michel Epstein abgedruckt, die er in der kurzen ihm bis zu seiner eigenen Deportation verbleibenden Zeit zur Rettung seiner Frau geschrieben hat, u. a. an den deutschen Botschafter in Paris Otto Abetz. Erschütternde Dokumente der Selbsterniedrigung, Naivität und Nutzlosigkeit.


    Gut, dass es nach New York jetzt auch in Paris eine Ausstellung gibt, ich würde sie gern besuchen.
    Es gibt noch eine Reihe anderer Werke der Autorin, die mich interessieren würden, ihre Biographie natürlich mindestens ebenso!

    Im XII. Buch geht es um den Trojanischen Krieg.
    Die Opferung Iphigenies, die den Griechen günstige Winde für ihre Überfahrt nach Troja bescheren soll, erinnert an Isaacs Opferung aus dem 1.Buch Mose. Beiden Vätern wird die Opferung abverlangt (wobei Iphigenies Vater sich im Gegensatz zu Abraham zunächst sträubt), beide Gottheiten haben in letzter Sekunde ein Einsehen, Diana zaubert eine Hirschkuh herbei, die an Stelle Iphigenies geopfert wird, Jahwe einen Widder.


    Bevor Ovid die Griechenflotte am Gestade von Troja landen lässt, macht er den Leser mit Fama bekannt. Denn sie spielt eine wichtige Rolle im Krieg! Z. B. sind die Trojaner durch sie bereits vorgewarnt und empfangen die Griechen dementsprechend.
    Die Allegorie der Fama, die O. hier entwickelt, gehört für mich neben den Personifikationen der Invidia und des Somnus zu den eindrucksvollsten Passagen der Metamorphosen. Sie tragen seine individuelle Handschrift.
    Bei der suggestiven Beschreibung von Famas Burg im Mittelpunkt der Welt, von der aus alles gesehen und alles gehört werden kann, wo Leichtgläubigkeit, Irrtum und Missgunst zu Hause sind, einem Wachtturm mit tausend Öffnungen, vollständig gebaut aus hallendem Erz, das jeden Schall verdoppelt und wieder verdoppelt, wo niemals Stille herrscht, doch auch kein deutliches Wort, sondern nur Gemurmel und halb verständliches Gezischel usw., musste ich an A. Paul Webers moderne Allegorie des Gerüchts denken (laut Arno Schmidt die beste Allegorie seit Leonardo). Sicher hat er sich von Ovid inspirieren lassen!


    Seltsam finde ich, dass Ovid Kyknos Verwandlung in einen Schwan hier noch einmal erzählt, obwohl er diese Aition schon „verschossen“ hat, nämlich im II. Buch, wo Kyknos als Geliebter des Phaiton in den weißen Wasservogel verwandelt wird. Wenn die Metamorphosen ein zusammenhängendes fortlaufendes Ganzes sein sollen, warum hat dann Ovid nicht zumindest darauf hingewiesen und diese Doppelung irgendwie gerechtfertigt? Versehen, Absicht? (Inzwischen habe ich ergoogelt, dass es 4 verschiedene Versionen von Kyknos Verwandlung gibt.)


    Der Kampf Achills mit Kyknos markiert den Anfang, Paris’ Sieg über Achill (am Ende des XII. Buches) das Ende des Krieges. Dazwischen liegen 2 mal 5 Jahre nicht erzählte Zeit. Statt vom Krieg um Troja hört der Leser eine lange Erzählung Nestors über über den Kampf der Lapithen gegen die Kentauren. Es ist ein Kampf, der an Drastik nichts zu wünschen übrig lässt. Würde er verfilmt, hätten Special- Effekt-Leute und Maskenbildner alle Hände voll zu tun:
    Da bleiben nur zertrümmerte Knochen, keine Züge sind mehr erkennbar. Aus ihren Höhlen sind die Augen gesprungen und eingedrückt in das zermalmte Gesicht, hängt die Nase mitten am Gaumen…oder: Zertrümmert ist die weite Wölbung des Kopfes, und aus dem Mund und den Nasenlöchern, aus Augen und Ohren fließt das weiche Hirn, genau wie zerronnene Milch aus dem Seier aus Eichenbast oder wie zäher Saft unter Druck durch ein Sieb fließt und überall aus den vielen Löchern gepresst wird.
    Warum lässt Ovid Nestor diese brutale Geschichte mit ihren grausigen Einzelheiten erzählen? Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Kampf der Lapithen mit den Pferdemenschen, der da Achill u. anderen griechischen Helden zu Beginn des Krieges erzählt wird, als groteske Spiegelung des trojanischen Krieges! Auch hier ist ein Frauenraub Auslöser des Gemetzels, auch hier finden viele auf grausame Weise den Tod, nur weil ein blindwütiger Gast sich vergreift! Soll das eine Warnung sein? Zeigt Ovid indirekt Wahnsinn und Sinnlosigkeit des Krieges? Man ist fast geneigt das anzunehmen, wenn man liest, was die Erzählung Nestors umrahmt: Achill ist bei Ovid ein verbissener, protziger Held, eine Art killing machine. Dabei wird seine aus der Ilias bekannte Untat, dieses ungeheuerliche archaische Rritual der Leichenschändung durch Schleifen vor den Augen des Vaters, glaube ich, noch nicht einmal oder nur in einem Halbsatz erwähnt. Wir sehen nur den lächerlichen und umso verbisseneren Kampf der beiden fast Unverwundbaren. Dabei probiert Achill, da er an der Effektivität seiner Waffen zu zweifeln beginnt, sie mal eben so nebenbei an einem gemeinen Mann aus Lykien aus, indem er ihn mit der Lanze durchbohrt!
    Der Wilde, der grausamer als der Krieg selbst ist, nennt Ovid ihn an ein einer Stelle. Vieh Achilles aus Christa Wolfs Kassandra klingt an.
    Auch Paris, der Verursacher des Krieges, der am Ende Achill mit göttlicher Hilfe zur Strecke bringt, wird von Ovid, sonst mit Urteilen eher zurückhaltend, mit harschen Worten bedacht: Der einen langwierigen Krieg über sein Volk brachte… der feige Räuber der Frau aus Griechenland, nennt er ihn.


    Schön ist am Ende des XII. Buches das Fazit: Schon ist er zu Asche geworden, und von dem so großen Achilles blieb so wenig übrig, dass es kaum die Urne füllt.
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    Der Ehrlichkeit halber sei angemerkt, dass dieser schöne Schluss wieder aufgehoben wird und von Achills Nachruhm die Rede ist- allerdings mit IRONIE!

    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 19. November 2010

    Zwei herrlich geschilderte Sexualneurosen stehen im Mittelpunkt der Geschichten von Pygmalion und Myrrha. Insbesondere Pygmalion käme heute wohl kaum um eine Einweisung in die geschlossene Psychiatrie herum ...


    Findest du wirklich? :zwinker:
    Im Zeitalter von virtueller Erotik und Cybersex nimmt sich Pygmalions Schwärmerei für das Bildnis doch eher harmlos aus. Und nach der Verwandlung der Statue in eine Frau aus Fleisch und Blut stellt Pygmalion seine Normalität und psychische Gesundheit vollends unter Beweis, indem er von seiner „pervertierten Sexualpräferenz“ ablässt und sehr wohl fähig ist, die Frau in der Realität zu lieben. Ihre Verbindung wird sogar von einem Kind gekrönt.


    Die Geschichte der Myrrha erinnert doch sehr an die biblische Erzählung von Lot und seinen Töchtern. Auch da wird ein Vater mit Wein betrunken gemacht und getäuscht und zum Inzest mit den Töchtern genötigt bzw verführt, wie sich überhaupt so einige biblische Motive in den Metamorphosen wiederfinden.


    Die Schilderung der Verwandlung Myrrhas in den gleichnamigen Baum ist bei aller Phantastik plastisch und anschaulich, eine Steigerung der Baumverwandlung Dryopes aus dem IX. Buch, und die Geburt des Baumkindes Adonis ist einfach hinreißend. Ovid at his best!


    [Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/28/Picart_-_Birth_Adonis.jpg/220px-Picart_-_Birth_Adonis.jpg]



    Zitat von Autor: thopas« am: 17. November 2010

    Das elfte Buch habe ich nun auch gelesen … die Geschichte um Keyx und Alkyone fand ich sehr beeindruckend. Sehr schön gemacht ist die Beschreibung der Höhle von Hypnos/Somnus. Überall liegen die Träume herum, die Iris erstmal zur Seite scheiben muß, um überhaupt durchzukommen .


    Ja, im XI. Buch ist besonders diese Geschichte hervorzuheben!
    Nun weiß ich endlich, woher Ingeborg Bachmann die Idee für ihre frühe wunderschöne Erzählung Ein Geschäft mit Träumen hat! Die körperlosen Träume liegen nicht herum wie im Hause des Somnus, sondern stapeln sich in Regalen. Seltsamerweise aber ist gerade die Stimmung in der heute spielenden Erzählung Bachmanns ähnlich wie die in Ovids antiker Geschichte.


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    Zur Oper von Gluck:
    Die Musik ist hinreißend! Von der Handlung hab ich nur noch in Erinnerung, dass da auf Leitern herumgeturnt wurde …

    Zitat von Autor: thopas« am: 14. November 2010

    Es gibt aber auch mal eine positve Verwandlung bzw. ein Happy End (was eher selten bei Ovid vorkommt): das Mädchen Iphis wird als Junge großgezogen, da der Vater keine Tochter will. Als Iphis sich dann auch noch in ein Mädchen (ihre Braut) verliebt, haben die Götter ein einsehen und verwandeln sie in einen Mann.


    Der Iphis-Geschichte, die ich bislang gar nicht kannte, scheint mit ihrer Transgender-Thematik heutigen Geschichten Modell gestanden zu haben. Bis in Einzelheiten hinein ähneln ihr z. B. die Erzählung Yentl von Isaac Bashevis Singer, Vorlage des gleichnamigen (unsäglichen) Films von und mit Barbra Streisand, und der deutsch-iranische Film Fremde Haut mit Jasmin Tabatabei. Beide haben natürlich einen realistischeren Schluss als den Gnadenakt der Götter.


    Gewundert an der Geschichte hat mich, dass Ovid hier so ohne weiteres ägyptische Gottheiten auftreten lässt. Der mit Iphis schwangeren Telethusa erscheinen Isis, Anubis und Apis und verwandeln später Iphis in einen Mann. Die Geschichte spielt zwar auf Kreta mit seiner Affinität zur ägyptischen Kultur, aber dass Isis, Anubis & Co hier frei agieren können, finde ich doch verwunderlich. Oder ging die Toleranz der griechisch-römischen Kultur so weit, dass sie sich fremde Gottheiten assimilierte? Ich kenne mich da zu wenig aus.
    [Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e9/Picart_-_Isis_Telethusa.jpg/240px-Picart_-_Isis_Telethusa.jpg]


    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 19. November 2010

    Interessant fand ich, dass der arg geplagte Orpheus nach dem zweimaligen Verlust seiner Eurydice zum Prediger der Männerliebe wird (X, 83 – 85).


    Ich weiß nicht, was in deinem Text steht, bei mir heißt es:


    ille etiam thracum populis fuit auctor amorem
    in teneros transferre mares citraque iuventam
    aetatis breve ver et primos carpere flores.

    Er aber gab Thrakiens Völkern das Beispiel, die Liebe zarten Knaben zuzuwenden und diesseits des Jünglingsalters des Lebens kurzen Frühling und die ersten Blüten zu pflücken.


    Tja, unser Orpheus, ein Pädophiler.



    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 19. November 2010

    Ist das der Grund, warum ihn die Bacchantinnen zu Beginn des 11. Buchs in einem Anfall von Raserei angreifen und zerfleischen? Ein anderer wird jedenfalls nicht genannt (oder ich habe ihn einfach nicht verstanden).


    Ja, das sehe ich auch so. Die erste Mänade, die ihm ihren Thyrosstab ins Gesicht wirft, hetzt die anderen mit den Worten auf: „Seht da, seht da, hier ist unser Verächter!“

    Hallo Sir Thomas, hallo thopas!


    Staunend nehme ich zur Kenntnis, wie weit ihr schon seid.
    Ich war ein paar Tage verreist und komme jetzt erst wieder zum Lesen. Bin im neunten Buch und hoffe, bis morgen abend den Abstand etwas verringert zu haben. :lesen:



    Ich meine, das Motiv der tödlichen Herausforderung aus dem einen oder anderen Volksmärchen in Erinnerung zu haben. Wenn ich nur wüsste welches …


    Erinnert ein bisschen an Brunhilde und Gunter bzw.Siegfried (Nibelungenlied)

    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 09:14 »

    Es ist immer wieder staunenswert, wie kurz Ovid einige der großen und bekannten Geschichten abhandelt. Gerade einmal zwei Zeilen sind ihm Theseus und der Minotaurus wert


    Der Titel der Metamorphosen ist Programm: Ovid erzählt nur Geschichten, in denen Verwandlungen vorkommen. Und bei größeren, komplexeren erzählt er die metamorphosenträchtigen Passagen ausführlich, das andere kürzt er rigoros. So kommt es zu dem anscheinenden Missverhältnis, das uns allen ja schon aufgefallen ist:


    Zitat von Autor: thopas« am: 9. November 2010

    Ovid berichtet oft nur auszugsweise, dann aber wieder extrem ausführlich


    Daher liegt in Medea-Episode auch der Akzent auf ihren Zauberkünsten, sie bewirken ja Verwandlungen: die des alten Schafbocks in ein Lamm, des Greises in einen Jüngling!

    Auf Kreta bei König Minos und dem Minotaurus geht es nicht um Theseus und seine Heldentat – sie enthält und führt zu keiner Verwandlung – sondern um den Baumeister des Labyrinths Daedalos und seinen Sohn Ikarus und ihre "Verwandlung" in fliegende Wesen. Wie bei Medea vollzieht sich die Verwandlung durch (menschliche) Kunstfertigkeit. Daedalus wendet aber keine Zauberei an, sondern so etwas wie Wissenschaft:
    Nach diesen Worten versenkt er sich tief in verborgene Künste und hebt ein Naturgesetz auf. Denn er legt Federn dergestalt … dixit, et ignotas animum dimittit in artes naturamque novat. nam ponit in ordine pennas …


    Als Daedalus seinen Sohn, nachdem er der Sonne zu nahe gekommen und ins Meer gestürzt ist, auf Ikaria begraben muss, wird der Leser mit einer echten, geglückten Metamorphose und Dädalos mit seiner schuldhaften Vergangenheit konfrontiert. Ihn beobachtet ein Vogel, der mit den Flügeln klatscht (plausit) und sich an seinem Unglück zu freuen scheint. Es ist Perdix, sein hochbegabter Neffe und Schüler, den er aus Neid vom Felsen ins Meer gestürzt hatte, der aber von Minerva in ein Rebhuhn verwandelt worden war :
    ... dir.Dädalos zum ewigen Vorwurf!
    …doch fliegt dieser Vogel niemals hoch empor…Er denkt noch an seinen einstigen Sturz und fürchtet die Höhe.
    So spiegelt Perdix in pervertierter, parodierend hämischer Form das Schicksal seines Sohnes, das Dädalos wissentlich/ unwissentlich wie eine unbewußte Sühne für sein Verbrechen herbeigeführt und verursacht hat.


    Die Dädalos/Ikarus- Episode gefällt mir sehr, besonders dieser zwiespältige Charakter des Dädalos und seine Vaterliebe.
    Ovid macht Ikarus jünger als er sonst dargestellt wird. Wie dieses Kind mit den Dingen spielt, die ihm gefährlich werden sollten, den Federn nachjagt, seinen Daumen spielerisch in das Wachs drückt (allein diese Geste!) und den Vater bei der Arbeit stört, geht einem angesichts des Kommenden nah. Dann die Passage:
    Während er das tat und Ikarus warnte, wurden die greisen Wangen nass und seine Vaterhände zitterten. Er gab seinem Sohn Küsse- nie wieder wird er es tun….
    Wie so oft bei Ovid eine sich überstürzende Zeit, die Zukunft vorweggenommen. Weiß er schon, was passieren wird ? Schon einmal hat er einen Schutzbefohlenen ins Unglück gestürzt… muss er es wiederholen? ...

    Gerade gefunden:


    Medea: Multimediale Karriere einer mythologischen Figur


    Mit dem Namen ‚Medea’ sind viele Vorstellungen und Geschichten verbunden: Sie ist die Helferin des Argonauten Jason, die diesem in ihrer Heimat Kolchis zum sagenumwobenen Golden Fließ und zur Flucht vor ihrem Vater verhilft. In der griechischen Heimat des adeligen Helden, in welche dieser sie als seine Frau mitnimmt, ist sie unerwünschte Ausländerin. Sie ist naturbewanderte Heilerin und zugleich giftmischende Zauberin, begehrenswerte Jungfrau und verstoßene Gattin, von königlich-göttlicher Herkunft und Außenseiterin in der griechischen Gesellschaft, schutzbedürftige Fremde und Bedrohung für die bestehende Ordnung. Sie ist die Mörderin des eigenen Bruders, Absyrtos; des Pelias, Jasons Onkel; der Glauke/Kreusa, der neuen griechischen Gattin ihres untreuen Mannes, und zudem am Tod des König Kreon schuldig. Vor allem aber ist sie die Mutter und zugleich Mörderin ihrer zwei Söhne mit Jason, die sie in Korinth angesichts ihrer bevorstehenden Verbannung aus der Stadt tötet - so wenigstens stellen es seit Euripides die meisten Medea-Fassungen dar. All dies und viel mehr ist Medea, und zugleich ist sie es nicht, denn ihre Geschichte wird in den unterschiedlichen Ausformungen seit der Antike stetig neu- und umgeschrieben. Dabei wird ihr Charakter, der bereits in der Antike von Gegensätzen geprägt ist, je nach Version dem extremen Pol ‚grausame Kindsmörderin’ oder ‚unschuldiger Sündenbock’ näher gestellt ...


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    Zitat von Autor: thopas« am: Gestern um 13:35 »

    Ovid berichtet oft nur auszugsweise, dann aber wieder extrem ausführlich, z.B. die Teppiche, die von Arachne und Minerva (?) gewebt werden.



    Gut, dass du die Beschreibung der Teppiche aus dem Arachne-und-Minerva-Mythos im 6. Buch erwähnst! Ich finde diese Passage bemerkenswert. Denn sie zeigt Ovids Originalität und erzählerischen Witz. Ich glaube, er ist der erste, der auf die Darstellungen der Teppiche eingeht. Sonst war es wohl die Vermessenheit Arachnes und ihre überlegene makellose Webkunst, die den Zorn der Göttin erregte. Etwa so:
    ... Arachne war als erste fertig und zeigte ihren Stoff der Athene zur Begutachtung. Athene studierte eifrig den schönen Stoff und wurde immer ärgerlicher, als sie auch nicht den kleinsten Fehler entdecken konnte…
    Bei Ovid kommt nun noch der Inhalt des Dargestellten strafverschärfend hinzu. Denn er lässt Arachne alle erotischen Eskapaden und Schandtaten Jupiters (und anderer Götter) und die jeweiligen Verwandlungen darstellen: den Schwan mit Leda, den Goldregen über Danae, den weißen Stier mit Europa etc. Im ganzen sind es 18 göttliche Schandtaten. Es ist ein Potpourri der Ovidschen Metamorphosen, seine Themen en miniature, die da noch mal im Schnelldurchlauf variert und gespiegelt werden.
    Arachne wird hart bestraft, auch und besonders für die Auswahl ihrer bildnerischen Themen. Das wirft auch ein Licht darauf, wie Ovid die Wirkung seines Werks einschätzt: dass er sich damit nicht unbedingt beliebt macht!



    Kennt eigentlich jemand von Euch die moderne Medea-Version von Christa Wolf?


    Nein, gelesen habe ich sie nicht. Soviel ich gehört habe, soll C.W. besonders auf die Fremdheit Medeas abheben und die Kindstötung ins Reich der üblen Nachrede verbannt haben.
    Was mir generell auffällt: dass es in der DDR-Literatur unverhältnismäßig viele Mythos- Bearbeitungen gibt, man denke etwa auch an Heiner Müller (auch von ihm gibt es u.a. eine Medea ). Besteht ein Zusammenhang zwischen totalitärem Staat und der Vorliebe für antike Mythen?

    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 09:16 »

    Ich war ein wenig erstaunt, dass Ovid sich hauptsächlich mit Medea beschäftigt, Iason hingegen wie eine Nebenfigur behandelt, die teilweise sogar wirkt, als sei sie fremdgesteuert.


    Das ist so erstaunlich nicht, denn Jason verdankt ja seine Heldentaten ausschließlich dem Verrat und der Zauberkunst Medeas. Medea ist die Handelnde, die Heroine, Jason ein Held von Medeas Gnaden, der das gern annimmt, sich später aber wenig dankbar erweist und sie kalt abserviert.
    Insofern passt die klassizistische Skulptur von Thorvaldsen in ihrem glatten, kalten, substanzlosen Formalismus irgendwie perfekt zum charakterlosen Jason. :zwinker:


    Was mich wiederum erstaunt hat: dass das eigentliche Drama, wie wir es von Euripides kennen, nämlich der Betrug Jasons und Medeas Rache einschließlich der Ungeheuerlichkeit, dass sie wie Prokne (im 6. Buch) ihre eigenen Kinder tötet und dem Vater vor die Füße wirft, nur in einem Satz gestreift wird:
    Aber als durch Medeas Zauber Jasons neue Gattin (der Leser hat noch gar nicht erfahren, dass er eine neue hat) verbrannt war und den Königspalast von Korinth die beiden Meere in Flammen gesehen hatten, färbt sich vom Blut ihrer Söhne das ruchlose Schwert und nach entsetzlicher Rache flüchtet die Mutter vor Jasons Waffen.
    Das war’s. Korrigiert mich, wenn ich irre. Die rund zehn Seiten der Medea-Geschichte habe ich zweimal gelesen, um sicher zu gehen, dass ich nichts überlesen habe. Der Akzent liegt eindeutig auf den Zauberkünsten, Giftmischereien und den Fahrten im magischen, von Opa Helios ererbten Schlangenwagen, die Gelegenheit bieten aus der Vogelperspektive im Vorüberfliegen noch viel mythologisches Wissen auszubreiten.[Blockierte Grafik: http://www.luc.edu/faculty/jlong1/Medeasnakechariot.jpg]


    Die meisten Geschichten Ovids sind irgendwie rund und wie aus einem Guss. Diese gehört nicht dazu, sie scheint zusammengestückelt, unorganisch. Der sich über zwei Seiten erstreckende Monolog Medeas, in dem sie sich ihre amour fou eingesteht und die ganze folgende Problematik vorausahnend darlegt, könnte so auch in Ovids leider verschwundenen Tragödie gestanden haben. Er scheint mir viel moderner, psychologisch interessanter und differenzierter als das folgende. Irgendwo habe ich gelesen, dass in der älteren Mythentradition Medea vor allem als Zauberin und Priesterin der Hekate gesehen wurde (das walzt Ovid hier aus) und erst Euripides den Akzent auf ihren Liebeswahn und ihre Eifersucht gelegt hat ( Thema des Monologs).


    Diese Moll-Tonart fällt immer dann besonders auf, wenn sich Menschen in Tiere verwandeln; sie klagen und wollen ihren Kummer äußern, doch es kommt nur noch ein Muhen, Zischen etc. aus ihrem Mund/Maul


    Ja, die Schilderung der eigentlichen Verwandlungsvorgänge ist für mich bislang das Schönste und Anrührendste in den Metamorphosen.
    Speziell der Moment der Verwandlung, den du ansprichst, wenn die eine Existenz noch mit der anderen ringt, sich das Wesen von seiner ursprünglichen Form verabschieden muss, um ein anderes zu werden, dieses nicht mehr und noch nicht rührt mich besonders an. Seltsam eigentlich, denn es ist ja im höchsten Maße phantastisch oder nicht?

    Übrigens fühlte ich mich des öfteren an Gregor Samsa erinnert, in dem ja auch zunächst noch zwei Wesenheiten miteinander ringen, der versucht sein Menschsein zu verteidigen, der sprechen will und vor seiner unartikulierten Tierstimme erschrickt etc. Allerdings beschreibt Kafka die physische Verwandlung nicht, was Ovid ja immer wieder sehr anschaulich und plastisch tut, sondern setzt sie als fait accompli an den Anfang seiner Erzählung.


    Das sechste Buch habe ich beendet, eine atemlose Abfolge haarsträubender Geschichten, die zu denken geben ...


    Ich habe das Buch heute bestellt und werde es sicher parallel zu Ovid lesen.


    Mit diesem Gedanken habe ich auch einen Moment lang gespielt. Ich werde Ransmayr aber erst nach abgeschlossener Ovid-Lektüre lesen. Denn ich möchte der antiken Melancholie Ovidscher Prägung erstmal noch weiter nachspüren - frei von postmoderner Interpretation.


    Allerdings: Könnte man, deine Nachbesserung berücksichtigend, extrapolieren und sagen, dass "Josef und seine Brüder" eine ideale Ergänzung zur Genesis sind? :breitgrins:


    Nein. Da hast du recht!
    Deshalb habe ich wohlweislich auch nicht Josef und seine Brüder erwähnt, sondern den Film Die zehn Gebote mit Charlton Heston als Gott. :breitgrins: Aber ist das dann eine schöne Ergänzung zum 2. Buch Mose? - Geschmacksache!