Beiträge von Gontscharow

    Wieso...?


    Deshalb:



    Ich hab aber schon richtig gelesen: Es gab keine Mitgliederliste, impliziert, es gab Mitglieder nur keine Liste darüber. Richtigerweise hätte er sagen müssen: es konnte keine Mitgliederliste geben, weil es keine Mitglieder gab.


    :breitgrins:


    Warum der link nicht funktioniert, weiß ich auch nicht. Ich versuch's morgen noch einmal.


    Man hört ja oft der oder jener sei Mitglied der Gruppe 47 gewesen, als ob die Gruppe 47 ein eingetragener Verein gewesen wäre, bei der man Mitglied werden konnte – Mitnichten!


    Stimmt, wie Wikipedia im Falle von Raeber von Mitgliedschaft zu sprechen ist unsinnig.

    Reich-Ranicki in einem Spiegel-Interview von1997:
    Es gab nie eine Mitgliederliste. Richter sagte gern: "Wer Mitglied ist, weiß nur ich, aber ich sage es niemand." Er entschied über die Zugehörigkeit.

    Ich meinte eigentlich über den verlinkten Greiner-Artikel hinausgehende "Verdachtsmomente".
    Auch Greiners Anmerkungen zur Interpunktion in der von ihm untersuchten Textstelle aus dem Zweikampf finde ich - im Gegensatz zu dir - überaus erhellend und treffend! Interpunktion hat ja wohl mit Rhythmus und Musikalität zu tun und hier prasselt ein wahres (mich wundert, dass Greiner das Wort nicht gebraucht hat) Staccato auf den Leser ein. Den quasi onomapoetischen Gebrauch der Interpunktion und der Hypotaxe, der auch an anderen Stellen des Kleist’schen Werkes zu finden und sein Markenzeichen ist, arbeitet Greiner sehr fein heraus. Er bedient sich gewagter Metaphern, die aber seinem außergewöhnlichen Gegenstand angemessen sind.

    Aber wir sollten nun weder darauf noch auf den Brücken weiter herumreiten, die stürzen sonst noch wirklich ein. :breitgrins:

    Hallo Tom!


    Nimm mal diesen Satz von Kleist:


    Herzog Wilhelm von Breysach, der, seit seiner heimlichen Verbindung mit einer Gräfin, namens Katharina von Heersbruck, aus dem Hause Alt-Hüningen, die unter seinem Range zu sein schien, mit seinem Halbbruder, dem Grafen Jakob dem Rotbart, in Feindschaft lebte, kam gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts, da die Nacht des heiligen Remigius zu dämmern begann, von einer in Worms mit dem deutschen Kaiser abgehaltenen Zusammenkunft zurück, worin er sich von diesem Herrn, in Ermangelung ehelicher Kinder, die ihm gestorben waren, die Legitimation eines, mit seiner Gemahlin vor der Ehe erzeugten, natürlichen Sohnes, des Grafen Philipp von Hüningen, ausgewirkt hatte.


    Sind das nicht schwindelerregend viele Informationen in einem Satz? Tun sich innerhalb desselben nicht Abgründe verwandtschaftlicher Verwicklungen und Ahnungen künftiger Konflikte auf? Werden da nicht Verbindungen hergestellt zwischen zeitlich weit auseinander liegenden Ereignissen und Bögen gespannt zwischen entfernten Orten? Und wird man nicht sicher über diese Untiefen getragen, wenn auch immer ein bisschen begleitet von der Furcht, die Konstruktion könnte nicht tragfähig sein?
    Also, ich finde Greiners Vergleich der Kleist’schen Satzgefüge mit Brücken, die Schluchten überspannen, äußerst gelungen. Na gut, des Spinnwebhaft-Filigranen hätte es vielleicht nicht unbedingt bedurft, da sind die metaphorischen Rosse mit ihm durchgegangen. Aber auch sonst ist der Artikel sehr lesenswert und erhellend, nicht zuletzt auch, weil Greiner mit einem Zitat von Mark Twain beginnt, der bekanntlich monierte, dass man im Deutschen das Verb mit dem Fernrohr suchen müsse.


    Hymnische Verehrungen wie die des Herrn Greiner sind mir deshalb ziemlich verdächtig. Hier schreibt jemand, um seine Zunftkollegen "spinnwebhaft-filigran" zu beeindrucken, auf dass sie zittern mögen "im Anblick des Ungeheuerlichen".


    Ja? Mir ist er eigentlich als ernstzunehmender Literaturkritiker bekannt. Hast du außer meinem Zitat Anhaltspunkte für deinen „Verdacht“?
    :winken:


    Kleist ist für mich vor allem ein begnadeter Verfasser von erzählender Prosa, seine verdichtete Sprache ist in seiner Zeit mit nichts zu vergleichen. Wer das "Erdbeben von Chili", "Das Bettelweib von Locarno" oder die "Marquise von O liest", wird geradezu atemlos von diesen Teilsatzkaskaden, diesen Satzungetümen, die dennoch gut verständlich sind.


    Ja, seh ich auch so. Ulrich Greiner hat in seinem exzellenten Artikel über Kleist Sprache eine treffende Metapher dafür gefunden:


    Zitat von Ulrich Greiner

    Seine syntaktischen Konstruktionen gleichen den Viadukten, wie sie in alten Filmen manchmal zu sehen sind, jenen aus zahllosen Verstrebungen und Verbindungen gebauten Brücken, die spinnwebhaft-filigran gewaltige Abgründe überspannen. Gerade dann, wenn Kleist sich solchen Abgründen der Seele und des Schicksals nähert, baut er diese zerbrechlich wirkenden Hypotaxen, und wenn der Leser sie beschreitet, ergreifen ihn Schwindelgefühle und die Furcht, die Brücke könnte brechen.
    Die von Kleist gebauten Sprachbrücken brechen nie, aber sie zittern im Anblick des Ungeheuerlichen...


    Ulrich Greiner: Bis an die Grenze des Sagbaren
    http://www.zeit.de/2011/02/Kleist-Greiner

    Ein schönes Thema!


    Weitere Klasssiker mit Schiffbrüchen:


    Homer: Odyssee
    Vergil: Äneis
    (zu spät)
    Sherezade: Sindbad der Seefahrer
    Saint-Pierre: Paul et Virginie
    Droste- Hülshoff : Die Vergeltung (Batavia 510)
    Fontane: John Maynard
    Otto Ernst: Nis Randers
    Locke: Ladies in Lavender
    Golding: Herr der Fliegen ( ach nein, ein Flugzeugabsturz)
    Leys: Les naufragés du Batavia.
    :urlaub:

    Hallo Anita!


    Dass wir Dostojewskis und Doderers Dämonen bereits im litteratur.ch-Forum als Leserunde(n) angedacht haben, weißt du aber schon noch? :breitgrins:


    Zitat von Anna



    Keine schlechte Idee, Gontscharow. Aber das sind natürlich zwei ganz schöne Schwarten. Vielleicht im Herbst oder Winter?


    Zitat von Anita


    Zumindest beim Dostojewski wäre ich dabei, das andere, das schauen wir dann mal


    :winken:

    Eure Postings klingen nach Abgesang, einige von euch sind bereits mit neuer Lektüre beschäftigt und in neuen Leserunden engagiert. So will ich es auch gut sein lassen! :zwinker:
    Es war schön, das Buch mit euch zu lesen. Auch wenn vieles Interpretations- und Erklärungswürdige offen und unbesprochen blieb. Wie schön, dass wir dieses Buch - in Zeiten schlimmster Tyrannei und Unterdrückung des Geistes entstanden und wie Flaschenpost auf uns gekommen - immer noch mal lesen können, ganz ohne Auswendiglernen und Samisdat. Ja, der Geist, die Wahrheit ist unverwüstlich, das ist für mich eine der Hauptaussagen des Romans. Und ich finde es unglaublich sympathisch und sinnig, dass Bulgakow das ausgerechnet dem Teufel in den Mund legt:


    Manuskripte brennen nicht!(S.395)


    meier:


    Da es mir leider nicht vergönnt war, die Meister-Leserunde intensiver mit zu gestalten, wage ich...


    In wiefern war es dir nicht vergönnt? Wer oder was hat dich abgehalten?


    Da liegt ein Missverständnis bei euch vor. Wir erfahren im Kapitel "Margarita", dass ihr Mann drei Tage weg und sie somit allein in der Wohnung ist. Im Folgekapitel "Asasellos Salbe" grüßt Margarita bereits gesalbt und nackt ihren Erdgeschossnachbarn Nikolai Iwanowitsch, einen ziemlichen Spießbürger, der völlig konsterniert ist und später ihrem ebenfalls verhexten Kammermädchen Natascha verfällt.


    Ups! Ja stimmt, das Schwein mit der Aktentasche und dem Zwicker ist der Nachbar! Der Ehemann wird gar nicht namentlich genannt (?), gehört aber wohl wie der Nachbar ebenfalls zur Kaste der kleingeistigen Bürokraten.


    ] An einigen Stellen scheint Bulgakow - vielleicht aufgrund des langen Entstehungszeitraums dieses Romans - nicht alles kohärent aufeinander abgestimmt zu haben.


    Auch da gebe ich dir recht. Es gibt noch eine Reihe kleinerer Unstimmigkeiten, die man aus den von dir genannten Gründen vielleicht nicht auf die Goldwaage legen sollte.



    Zitat von JMaria« am: Heute um 16:38 »

    Auffallend fand ich außerdem, dass sowohl Margarita wie auch der Meister jemanden erlösten.


    Ja, seltsam. Vor allem, wenn man sich ansieht, wen sie erlösen. Margarita befreit eine Kindsmörderin von ihren Gewissensqualen. Sie transzendiert so quasi das Schicksal des Goethischen Gretchens und der Gounoud’schen Marguerite, indem sie nicht nur dem Beispiel ihrer literarischen Vorbilder nicht folgt, sondern sogar die Kraft hat, sie zu erlösen. Und der Meister? Er erlöst seine eigene Romanfigur, Pilatus, doch nicht im Roman selbst, der hat ja ein offenes Ende, sondern "in echt", oder? Denn Voland sagt, ihn zur Erlösung einladend: So, nun könnt Ihr euren Roman mit einem Satz beenden.“ (S. 473) Ein raffiniertes vielschichtiges Spiel mit Fiktion und Realität.


    Überhaupt, die Pilatusgeschichte: sie hebt sich durch die stärkere Plastizität der Figuren, ihren melancholischen Ton und ihre Bedeutungsschwere von der humoristisch phantastischen Realitätsebene ab, ist aber vielfältigst in sie verschlungen. Ich finde auch vielfältige Entsprechungen zwischen diesen beiden Ebenen. Was mir ein bisschen zusammenhanglos erscheint ist die doch verhältnismäßig breiten Raum einnehmende Geschichte um Judas’ Ermordung und die Figur des Geheimdienst- Chefs. Ja, das ist spannend und raffiniert erzählt, aber in welchem Zusammenhang steht das zum Ganzen? Vielleicht habt ihr eine Idee?

    Zitat von finsbury« am: 29. Oktober 2011

    Außerdem beziehst du dich (meier) wahrscheinlich auf das Ende, den Epilog, wo Iwan plötzlich nicht mehr Besdomny (Hauslos) heißt, sondern Ponyrew (was auch immer das übersetzt aus dem Russischen bedeutet) heißt.


    Ponyrew ist der Nachname des Iwan Nikolajewitsch, Besdomny sein Künstlername, unter dem er seine zweifelhaften Gedichte verzapft.


    …sein junger Begleiter war der Lyriker Iwan Nikolajewitsch Ponyrew, der unter dem Pseudonym „Besdomny“ schrieb…


    Es ist nur folgerichtig, dass der zum „lieben Iwan“ geläuterte Nikolajewitsch, der zudem versprochen hat, keine Gedichte mehr zu verfassen, nicht mehr mit seinem Dichternamen genannt wird.


    Wie du, finsbury, bin ich der Ansicht, dass Iwan und der Meister nicht ein und dieselbe Person sind. Dafür gibt es keine Textbelege, bzw. zu viele, die eine andere Sprache sprechen. Obwohl die Idee, diese diametral entgegengesetzten Dichtertypen als zwei Seiten einer Person zu sehen, einen gewissen Reiz hat. :zwinker:



    Zitat von JMaria« am: 29. Oktober 2011

    Auch beim Lesen kann man eine Freiheit verspüren; man erhebt sich in die Lüfte wie Margarita, ist jetzt sehr blumig dahingeschrieben, aber die Verwandlung von Margarita hat was unglaublich befreiendes.


    Ja, finde ich auch. Und ich glaube, diese Textpassagen gehören zu den schönsten des ganzen Romans. Überhaupt, ist diese Margarita im Gegensatz zu dem, wie finsbury sagt, farblosen Meister eine höchst lebendige ausdruckstarke Person. Nicht nur, dass sie alles wagt, um ihre Liebe wiederzufinden und dafür bereit ist mit dem Teufel zu paktieren (welch ein Unterschied zu Goethes Gretchen!), sie macht das auch alles für sich selbst. Sie verlässt ihren ungeliebten Mann und die materielle Sicherheit, befreit sich aus dem goldenen Käfig ihrer Ehe und von dem falschen Leben, das sie geführt hat.
    Ihr Ehemann, von dem schönen Hausmädchen Natascha übermütig mit Flugsalbe bestrichen, begegnet ihr in Gestalt eines fliegenden Ebers wieder. Köstlich, wie dem Leser durch einige wenige Pinselstriche veranschaulicht wird, wen Margarita da verlassen hat: einen Bürokraten, einen um politische Korrektheit ängstlich bemühten Spießer und Opportunisten, der es mit der ehelichen Treue gleichwohl nicht allzu genau nimmt:


    Splitternackt, mit flatternden Haaren, ritt sie (das Hausmädchen) auf einem dicken Eber, dessen Vorderhufe eine Aktentasche umklammerten … ein ab und zu im Mondlicht aufblitzender Kneifer, von der Nase gefallen, flog an einer Schnur neben ihm her… „Göttin“...heulte der Eber. „Ich kann nicht so schnell fliegen, ich verliere noch wichtige Papiere…


    Und später lässt er sich vom Teufel – für die Miliz und (man weiß ja nie) für seine Ehefrau - eine Bescheinigung mit Datum und Stempel ausstellen, dass er die Nacht als „Transportmittel“ im Einsatz war ... :breitgrins:
    Fliegende Schweine sind übrigens, glaube ich, auch in der Goethischen Walpurgisnacht im Einsatz .


    Den Roman habe ich jetzt zuende gelesen, möchte aber nicht vorgreifen.

    Hallo zusammen,


    Zitat von Maria am: 19. Oktober 2011

    darf ich mitmachen? :smile:


    Ich auch? :zwinker: Eigentlich wollte ich ja von Anfang an mitmachen, leider kam etwas dazwischen und so kann ich erst in der zweiten Halbzeit mitstreiten. Den ersten Teil des Buches habe ich im Schnellverfahren gelesen.


    Vor kurzem habe ich eine 600seitige Biographie über Bulgakows Zeitgenossen, Landsmann und Künstlerkollegen Dimitri Schostakowitsch hinter mich gebracht, ein ziemlich trockenes, etwas langweiliges Werk, in dem man aber zwangsläufig einiges über die sowjetisch stalinistische Kulturpolitik und speziell darüber erfährt, wie der Musiker Schostakowitsch drangsaliert und in seiner künstlerischen Entwicklung behindert wurde, wie er nur versteckt Kritik üben konnte, sich verbiegen musste, sich anpasste.
    Hier nun das Gegenprogramm: Nach der doch recht deprimierenden Lektüre lese ich den Meister von Bulgakow mit schmunzelnder Genugtuung: Den zur Staatsreligion erhobenen Atheismus und den sozialistischen Realismus als allein seligmachende Stilrichtung links liegen lassend, macht Bulgakow hier Magie, Mystik, Heilsgeschichte zum Thema und lässt engstirnige Literaturfunktionäre mit dem Satan persönlich über dessen Existenz streiten und dabei den kürzeren ziehen. Ich kann verstehen, dass die Menschen in den Sechzigern das Werk verschlungen haben! Dieses satirische Feuerwerk ist einfach herrlich und befreiend zu lesen, die Idee, Feigheit, Heuchelei, Korruption, menschliche Dummheit und was sonst noch in einem totalitären, auf Angst begründeten System gedeiht, durch teuflisches Treiben mitten im stalinistischen Moskau offenbar werden zu lassen und „auszutreiben“, finde ich genial. Dabei schwant einem, dass die geschilderten Verhältnisse, die Befindlichkeiten der Menschen eigentlich auch ohne Teufel schon so waren: Köpfe rollten, Menschen verschwanden und tauchten irgendwo anders (oft auch in der Psychiatrie) wieder auf, es gab Schauprozesse, Terror, jeder misstraute jedem, das Gefühl, dass es einem jeden Moment an den Kragen gehen konnte usw, das alles gab es schon vor/ohne Volands Auftauchen. Mit einem Wort, in Moskau war (auch ohne Teufel) der Teufel los. Und erinnert nicht der übernatürlich große Schnurrhaarträger mit dem fellartig dichten Haarwuchs an das überlebensgroße Konterfei eines mit ähnlichen Attributen ausgestatteten Menschen, das zu der Zeit überall in Moskau zu sehen war?
    Ja, und dann die Geschichte des Pontius Pilatus, dieses ewigen Funktionärs, der wider besseres Wissen und innerste Überzeugung der Staatsräson zum Sieg verhilft und darunter leidet. Paradoxerweise geschieht in dieser religiösen Geschichte nichts Übernatürliches, während die Gegenwart und Realität phantastische Kapriolen schlägt …
    Mir scheint , dass Bulgakow in dieser Geschichte seine Ansichten unverhüllt darstellt. Gleich zu Anfang heißt es:


    Ich habe ihm unter anderem gesagt, erzählte der Arrestant, dass von jeder Staatsmacht den Menschen Gewalt geschehe

    Zitat von Autor: Giesbert Damaschke« am: Heute um 09:21 »


    Übrigens bin ich heute morgen beim "mich dünkte/mir dünkte" mehr als unsicher geworden bzw. meine mir spontan "richtiger" scheinende Formulierung ist wohl "falsch", und Edl liegt, Österreich hin oder her, einfach richtig.


    Laut Duden ist beides möglich, sowohl der Akkusativ als auch der Dativ, wobei der Akkusativ gebräuchlicher ist!
    Mich(eher Norddeutsche) dünkte übrigens auf Anhieb der Akkusativ richtiger.


    Ich liebe sprachliche Haarspaltereien.


    "Frauenliteratur"? Ist das nun ChickLit oder feministische Schreibe? - - - So oder so: Die drei von mir genannten Autorinnen rechne ich weder ins eine noch ins andere Lager. Im Gegensatz zu einer Simone de Beauvoir, die ich definitiv ins andere Lager rechne.


    Also ins Lager der feministischen Schreibe?
    Genausowenig wie Marx marxistisch oder Kafka kafkaesk geschrieben haben, hat Simone de Beauvoir eine " feministische Schreibe". Ihre Romane sind dem Existenzialismus verpflichtet. Ihre biographischen Schriften wie die Memoires d'une jeune fille rangée von allgemein menschlichem Interesse, übrigens überaus lesenswert! Ihr einziges feministisches Werk, LE DEUXIEME SEXE , ist ein Schlüsseltext des, nein die Initialzündung für den sog. zweiten Feminismus. Es hat die spätere " feministische Schreibe " der 60iger, 70iger Jahre vielleicht ermöglicht. Wer dieses Werk je gelesen hat, weiß aber, dass es meilenweit von späteren feministisch angehauchten Schriften wie denen von Betty Friedan, Kate Millet, Alice Schwarzer oder gar Judith Jannenberg entfernt ist.
    Also, wir Romanisten sollten doch die Dinge säuberlich auseinanderhalten!

    Zitat von Sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Der Reihe nach:


    Hach, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, es hat dir die Sprache verschlagen.


    Zitat von sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Insgesamt finde ich, dass Ovids Liebespaare meistens verständnisvoll, fast schon einfühlsam miteinander umgehen.


    Ja, das finde ich auch. Nasos Umgang mit den Damen ist (meist) liebevoll und zartfühlend, das Prinzip der Freiwilligkeit, Einvernehmlichkeit und Gegenseitigkeit ist ihm wichtig, aber nicht als Gebot der Moral, sondern der Erotik. Es würde ihm sonst keinen Spaß machen. Ich glaube, Frauen mögen das.


    Zitat von sir Thomas am: Gestern um 19:29

    An die erwähnten "Handgreiflichkeiten" erinnere ich mich gut. Für mich standen allerdings Reue und "verdiente" Strafe im Vordergrund dieser Verse. Übrigens: Das Vollziehen einer "Strafe" kann ja durchaus Teil eines sexuellen Spiels sein - und so habe ich diese Geschichte verstanden.


    Nein, das hier ist - meine ich - kein einvernehmliches sadistisch- masochistisches Liebesspiel, sondern schlicht und einfach eine emotionale Entgleisung (die übrigens in II noch mal vorkommt), der dann die obligaten Krokodilstränen der Reue und Zerknirschung folgen, die hier zum Glück mit leisem Spott bedacht werden.


    Zitat von Sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Ich kann nicht beurteilen, ob das zu Ovids Zeiten "starker Tabak" ... war.


    Das ist das Problem … Was man aber sagen kann: Ovid scheut nicht davor zurück, sich unter seinem Namen (Kunstfigur hin oder her) als menschlichen, allzu menschlichen Liebhaber bis hin zur Lächerlichkeit darzustellen. Das finde ich nicht nur witzig, sondern auch mutig.


    Ich warte nun ein bisschen ab, bis du etwas "aufgeholt" hast. :zwinker: