Nun möchte ich mich noch abschließend zu meinen Eindrücken äußern, die die letzten Teile des Romans betreffen:
Zwei Männer, zwei Frauen. Daraus lassen sich vier Paare ableiten, wenn man sich auf heterosexuelle Beziehungen beschränkt. Drei führt uns Gotscharow vor, setzt mit ihnen den Rahmen der Geschichte und in den Fassetten dieser Beziehungen spiegeln sich deutlich die Charaktere der beiden Männer wider. Die Persönlichkeiten der Frauen dienen mehr zur Unterstreichung und leider auch zur Aufblähung des Textes.
Oblomow - Olga
Stolz - Olga
Oblomow - Agafja
In den beiden ersten Beziehungen finden wir zeitweise zweifelnde Männer. Beide ziehen aus ihren Zweifeln diametrale Schlüsse und handeln unterschiedlich. Oblomow weicht Olga aus und entscheidet einsam die Beziehung scheitern zu lassen. Der utilitaristische Stolz, Positivist, als wäre er vom Schoß A. Comptes gesprungen, will Gewissheit und überwindet Olgas Angst (und sie selbst) durch eine sophistische Analyse und Zerstreuung ihrer Bedenken. Es folgt ein glückliches Leben (die 4. mögliche Beziehung ist dadurch obsolet
), das Stolz noch die Zeit und Energie lässt, seinem Freund O. aus den Unannehmlichkeiten zu helfen, in die er, durch seine Lebensuntüchtigkeit und sein Umfeld, immer wieder hinein gerät.
In der dritten Beziehung, Gotscharow deutet sie früh an, und mit Hilfe von Stolz, findet Oblomow eigentlich das, wonach er am Anfang des Romans strebt: Weltabgeschiedenheit und Freiheit von materiellen Sorgen. In Kauf nehmen muss er den gesellschaftlichen Absturz. Einen horizontalen Menschen stört das aber nicht sonderlich. Seiner äußeren Trägheit und innerer Phantasie stellt Gontscharow eine Frau mit äußerer Kraft aber innerer Leere zur Seite. Sie ist die unermüdliche Herrin von Küche, Garten und Markt, lässt ihren Mann aber in Ruhe.
Abgesehen davon, dass sich Oblomow durch seine ungesunde Lebensweise sein Grab gräbt wäre so ein Schluss recht versöhnlich. Ich sehe sonst keine Sorgen, die Oblomow noch plagen könnten.
„ Und Oblomow selber? Oblomow selber war ein vollkommenes und natürliches Abbild der Ruhe, der Zufriedenheit und der ungetrübten Muße“
Gontscharow führt uns allerdings die Folgen für die überlebenden Figuren vor, und hier sehen wir, wie durch der Tod Oblomows, den Wegfall der materiellen Basis, die zerbrechliche Idylle der von ihm abhängigen Menschen zusammenbricht. Sie erleben in der Folge Entbehrung und Elend und haben nicht die Erfahrungen sich davon zu befreien. Die Ähnlichkeiten zu unserem „Helden“ sind deutlich sichtbar. Haben sie es verdient? Nur sein Sohn wird von Stolz aus dem oblomowischen Milieu heraus genommen. Wir sehen seine Zukunft also in guten Händen.
Es ist eine Stärke des Romans, dass er nicht mit einem reinen Happyend ausklingt.
Gonschtarow hat uns am Anfang mit Oblomow eine extreme Figur präsentiert. Ab dem zweiten Teil wird er mehr und mehr zu einem nahezu gewöhnlichen Menschen, der gegen Ende in die Eindimensionalität der Horizontalen zurückfällt. Von den Figuren, die am Bett O.s aufmarschieren, fehlt im weiteren, bis auf eine, jede Spur. In einigen Kapiteln widmet sich G. ausführlich Nebensächlichkeiten um woanders große Sprünge zu machen. Das ist wohl auch seiner unregelmäßigen Arbeit an dem Werk zuzuschreiben.
Ich finde, er kann sich sehr gut in eine momentane Situation und Stimmung seiner Personen hinein versetzten. Auch bei den weiblichen Figuren gelingt ihm das aus meiner Sicht hervorragend. Vielleicht liegt es auch daran, dass er manchmal, für meinen Geschmack, zu tief einsteigt.
Werde ich den Roman noch ein Mal lesen? Kaum. Bei den vielen ungelesenen Büchern, die noch auf mich warten, werde ich mir die Zeit nicht mehr nehmen wollen. Das Gerüst der Geschichte lässt sich einfach behalten, die Einzelheiten sind nicht so ergiebig. Vielleicht lassen sich einige Textstellen zum Zitieren ausbeuten 
Die Leserunde hat mir aber sehr geholfen, meine Gedanken zu entwickeln und zu strukturieren. Dieses gemeinsame lesen motiviert zum Nachdenken, und ich freue mich auch darüber, dass es nicht eine unterkühlte Debatte über literaturtheoretische Aspekte oder Formfragen wurde. Irgendwie sind wir alle in die Geschichte eingestiegen, hätten sie am liebsten in unsere gewünschten Bahnen gelenkt und daraus einen Roman in verschiedene Richtungen gemacht.
Jetzt wird es aber Zeit zum Ende zu kommen. Raus aus dem Bett, Zähne putzen und ab nach Paris und zu seinen Geheimnissen . Na ja, nicht sofort, vielleicht noch frühstücken, es ist noch kalt, es ist noch Zeit. Nichts überstürzen, der Tag ist noch lang, ein wenig kann ich noch liegen bleiben und vielleicht noch einen Tee trinken. Und dann erst... na man wird sehen...
SACHAR