Das ist möglich denn drei Wochen sind schon ein wenig kurz.
Zu Olga und Oblomow: Am liebsten würde ich Oblomow nehmen, schütteln und ihn fragen ob er nicht ganz dicht ist. Da ist ein nettes Mädchen, das etwas will von ihm und was macht der Herr der Schöpfung: Zerstört alles! Der Typ macht mich mittlerweile krank und dieser schwulstige Liebesbrief, dass er ganz unten liegt und sie noch immer über ihn schwebt war dann die Krönung des Kitsch.
Ich hoffe das Buch wird wieder besser, denn den Start der Romanze zu lesen, fand ich ganz okay, aber jetzt geht mir O. mit seiner Nerverei und dem Herumgeheule, dass ihn Olga gar nicht lieben kann, nur mehr am Geist.
Katrin
Sir Thomas: könnte so sein. Stolz ist ein gewitzter Mann.
Nicht ganz unerfahren mit dem Frauenbild des 19. Jahrhunderts, gelingt es mir jedoch immer wieder kaum, unamüsiert die Geschichten zu betrachten. Mir kommen bei diesen Schilderungen einer sich anbahnenden Romanze häufig Filme über Verhaltensforschung bei Tieren in den Sinn, in denen die skurrilen Anstrengungen der werbenden Geschlechter nicht ohne Komik sind, besonders in Verbindung mit den verbindlichen Konventionen der höheren Gesellschaft.
Es gibt jedoch auch das zeitlose Element, und wie könnte man einem Mann nicht besser aus seiner Lethargie reißen als mit einer Frau? Wir wissen aus den ersten Kapiteln, dass Oblomow Frauen gegenüber Abneigung zeigt, wir kennen seine Geschichte nicht, soweit sie die Liebe und das Geschlechtsleben betrifft. Wir können aber annehmen, dass er als Mann über Dreißig, wenigstens einige Erfahrung besitzt. Mit Olga bekommt er nun eine mutige, unkonventionelle Frau zu Gesicht, die schnell seine Schwächen erkennt, sie liebenswürdig findet und so klug ist eine Rolle zu übernehmen, die vorher Stolz gespielt hat. Oblomow ist in dem Dilemma, dass seine äußeren Umstände nicht gerade reizvoll sind und geändert werden müssen. Er darf Olga vorläufig nicht zu nah an sich heran lassen um sie nicht abzuschrecken. Das zieht sich durch die ganze Geschichte. Olga zieht immer so vorsichtig am Faden, dass bei Oblomow keine richtigen Hemmungen entstehen. Jedenfalls führt die aufkommende, durch Olga genährte, Euphorie zu Aktivitätsschüben, die ich ihm vorher nicht zugetraut hätte. Pläne werden, wenigstens ansatzweise umgesetzt, Zweifel überwunden. Einiges an Oblomows Verhalten erscheint mir aber auch depressiv und hysterisch zu sein. Mein Eindruck ist jedoch, die verzweifelnden Gedanken treten dann erst auf, wenn man ihm die Überforderung abnehmen kann. Olga hilft ihm aber auch da wieder auf die Füße. Es ist natürlich, dass ein Antrag folgen muss, es ist natürlich, dass Olgas Einwilligung nun die bedeutenden Probleme wieder ans Tageslicht bringt und es ist natürlich, dass Oblomow nun erkennt, dass ein Gebirge zu überwinden ist, gegen seine Natur, gegen seinen Erfahrung.
Fasse ich meinen Eindruck zum inhalt der Romanze zusammen, soweit ich sie gelesen habe, komme ich zu einem anderen Schluss, als Katrin. Sollte sich hier auch die Geschlechtsparspektive zeigen? :zwinker:
Gontscharow macht hier aus O. keinen Pfau und keinen Trottel, er macht ihn zum Durchschnittsmann, einen, den sich heute Frauen ein paar Jahre gefallen lassen um ihn dann vor Glotze zu setzen. Gonscharow meidet alles Triviale, wie es sich so leicht in Geschichten dieser Art einschleicht. Oblomows Flehen, Olgas Stolz lassen sich ernst nehmen. Olgas Freiheiten lassen mich sie bewundern.
Die Romanze kommt mir wieder wie eine eigenständige Geschichte vor. Man erkennt bei Oblomow nicht mehr die extreme Haltung des ersten Teils. Stolz und die Ortsveränderung hatte eine heilende Wirkung, wenigstens vorläufig und äußerlich. Was man über das Vorher wissen muss, ließe sich in wenigen Sätzen sagen. Abgesehen von den detailliert geschilderten Gesprächen der beiden Liebenden, den philosophischen Diskursen über Liebe und verliebt sein, kommt für mich jetzt auch Spannung in die Geschichte. Es lässt sich ahnen, dass Gotscharow noch Fallstricke ausgelegt hat (es sind noch viele Seiten) und ich bin in Versuchung auf die letzten Seiten zu blättern, um gleich zu erfahren, ob wieder der Gärtner der Mörder ist.
@Katrin:
Es gibt große Dichterinnen und Dichter, die Liebesbriefe schreiben konnten, die ohne Kitsch sind und doch voll Gefühl. Aber wollen wir das auch von O. oder von uns verlangen?
Die Filmszenen, in den die sorgfältigen Bündel der Liebesbriefe ins Kaminfeuer fliegen, sie werden den meisten Liebesbriefen gerecht. :breitgrins: