Beiträge von Rolf53

    Also Balzac hat ja sehr unterschiedliche Romane und Novellen mit sehr unterschiedlichen Qualitäten verfasst.


    Ich beziehe mich da vor allem auf die späteren Romane, wie "Tante Lisbeth" und "Vetter Pons", auch auf "Vater Goriot", oder "Glanz und Elend der Kurtisanen".


    Ich habe mal den "Vater Goriot" als Jugendlicher angefangen zu lesen, konnte aber nichts damit anfangen. Erst mit circa 40 Jahren habe ich Balzac schätzen gelernt. Die Desillusionierung, die in seinen späteren Werken, ähnlich wie bei Dickens, mochte ich als Jugendlicher nicht teilen. Ich hatte immer auf einen guten Ausgang gehofft und war dann maßlos enttäuscht über das Ende. Die geradezu physische Härte, mit der Balzac mit seinen Figuren umgeht, ihre gewisse Ausweglosigkeit und Tristesse, -man denke an das Ende von "Vater Goriot" oder "Tante Lisbeth", von dieser Härte und Ausweglosigkeit wollte ich mit meinen 20 Jahren damals nichts wissen.


    Was Schiller angeht: Sein Pathos, seine frühen Dramen und seine Lyrik,all das ist etwas pubertär. Mitreissend geschrieben, gewiss, aber im Vergleich zu Goethe einfach pubertär. Man setze einmal "Die Räuber" und "Stella" nebeneinander.


    Rolf

    Ehrlich gesagt mag ich Hemingway sehr und habe ihn auch fast komplett gelesen.


    Er steht allerdings mit seiner Art zu schreiben und vor allem seinem Leben quer diagonal zum Zeitgeist. Wenn wir in einem femininen Zeitalter leben, und ich glaube das, ist natürlich seine Art des Lebens und Handelns völlig neben der Spur.


    Sein "The Old Man and the Sea" hat mich sehr berührt. Und was ich auch gerne gelesen habe, -horribile dictu- ist sein Tod am Nachmittag". Auch heute greife ich noch manchmal danach.


    Er hat eine Art, uns an bestimmte Dinge zu erinnern, die wir aufgrund unserer Zivilisation weitgehend verdrängt haben, die aber das Leben der meisten Menschen über Jahrtausende bestimmt haben.


    Aber wie gesagt, das ist eine sehr subjektive Meinung.


    Rolf

    Hallo


    Mir geht es ähnlich wie Sandhofer.


    Ich habe mein Leben lang gerne Kriminalromane gelesen. Mit Science Fiction konnte ich allerdings nie etwas anfangen. Das könnte aber auch daran liegen, dass mein technisches Verständnis gegen Null geht und ich zwei linke Hände habe.


    Jedenfalls war für mich der klassische Privatdetektiv a la Hammett, Chandler, McDonald das höchste aller Krimigefühle. In den 80ern kam dann der moderne Detektiv wie Spenser und die etwas asozialen Detektive dazu. Mit den schwedischen, englischen und auch italienischen Detektiven kann ich leider kaum mehr etwas anfangen.


    Ich vermute stark, dass das mit einer gewissen Feminisierung gerade in der Kriminalliteratur zusammenhängt. Jedenfalls Detektive mit stark neurotischem Seelenleben lassen mich völlig kalt. Da lobe ich mir Philip Marlowe.


    Was ich dann erst in den 90ern entdeckt habe, waren die historischen Kriminalromane. Vor allem die Romane von Saylor haben es mir angetan. Allerdings sind die meisten in englisch erschienen und sollten auch auf Englisch gelesen werden.



    Was die verschiedenen Klassikeralter angeht:


    Es gibt Autoren, mit denen man als Teenie oder sogar noch als Twen nicht viel anfangen kann.


    Für mich gehören dazu Montaigne, Keller, Balzac, Joyce, Proust.


    Ein richtiges Verständnis dieser Autoren setzt eine gewisse Lebenserfahrung voraus.


    Im Gegensatz dazu stehen für mich Hesse, Zweig, Schiller, die man am besten als junger Mensch liest.


    Rolf

    Na ja, damals versuchte ich monatelang, Platons "Staat" auszuleihen. Aber die Bibliothekarin sagte mir, dass der Oberbürgermeister das Buch mit Beschlag belegt hätte, er es lesen wollte, aber zeitlich nicht dazu käme. Die letzte Nachricht war, dass es monatelang auf seinem Nachttisch läge. so habe ich es mir als Taschenbuch gekauft.

    Also ich habe mit den Goldmann-Klassikern gute Erfahrungen gemacht. Ich hatte eine gehörige Sammlung davon in den 60ern, teilweise habe ich sie noch heute, so die Plutarch-Ausgabe.


    Für einen 15jährigen Gymnasiasten mit wenig Taschengeld waren sie vollkommen in Ordnung. So habe ich Balzac, Goethe, und vor allem die französischen Klassiker kennengelernt, die waren in der Reihe gut vertreten.


    Rolf

    Hallo


    Also der Thukydides ist eine sehr anspruchsvolle Lektüre. Weniger die Ereignisgeschichte als die eingebauten Reden, die stark konzentriert die Argumente jeder Seite enthalten. Nach dem sophistischen Verfahren stellt Thukydides die Argumente beider Seiten dar, und Aufgabe des Lesers ist es zu vergleichen.


    Man kann den "Peloponnesischen Krieg" nicht in ein paar Tagen lesen. Bei Josephus ist da doch etwas anders. Ausserdem wäre das doch einmal etwas anderes.


    Rolf

    Man kann sich gern um epigonale Werke kümmern. Das tue ich auch. Und man kann nicht immer nur im Hochgebirge verbringen, man muss auch zurück zur Ebene.


    Es geht hier wieder einmal um Qualität, oder auch um Zukunftsweisendes. Und da sehe ich zur Zeit nicht viel, jedenfalls nicht in der E-Musik.


    Leute, in der Literatur akzeptiert ihr auch strenge Maßstäbe. Ich tue das halt auch in der Musik.


    Rolf

    Eigentlich habe ich viel Spass beim Musikhören und noch mehr beim Spielen.


    Aber man wird mit zunehmender Kennerschaft kritischer und der Geschmack differenziert sich. Vor allem,wenn man sich in der E-Musik gut auskennt und schon den einen oder anderen "grossen Brocken" selbst gespielt hat, wird man zunehmend kritischer. Man hört dann auch Sachen, die "Laien" normalerweise nicht hören.


    Das ist halt der Preis, den man für Professionalität zahlt.


    Rolf

    Na ja, Schnittke ist ähnlich wie Gubaidulina einer der überschätztesten Komponisten der Gegenwart.


    Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, seine Klaviersonate durchzuspielen. Ich habe selten so triviales Zeug gespielt. Seine Klaviersonatine, ad usum delphini geschrieben, ist dermassen schwach, dass ich mich schämen würde, solches Zeug zu veröffentlichen.


    Die Russen waren jahrzehntelang hinter dem eisernen Vorhang eingesperrt und schmorten im eigenen Saft. Im Prinzip sind sie über Prokoffjef und Skrjabin stilistisch nicht hinausgekommen, jedenfalls im Bereich der Klaviermusik. Ich kenne kein bedeutendes russisches Werk für Klavier, was in den letzten 30-40 Jahren herausgekommen ist.


    Gubaidulinas Klaviersonate ist zum Beispiel ekklektizistisch Bartok und Skrjabin zu gleichen Teilen.


    Auch das meinte ich mit meiner These. Im Prinzip ist tonal alles auskomponiert worden, und dissonanzmässig ebenfalls.


    Was jetzt noch kommen soll, wissen die Götter.


    Im Jazz ist es ähnlich. Der Free Jazz ist ja auch schon jahrzehnte alt, aber eine neue Richtung ist hier auch nicht erkennbar.


    Rolf

    Hallo


    Wer einmal völlig unterschiedliches Chopinspiel hören will, sollte auf YOUTUBE einmal hineinhören.


    So ist eines der Paradestücke von Chopin, die As-Dur Polonaise op 53, mit mehr als 10 Aufnahmen vertreten.


    Rubinstein spielt es mit 77 Jahren und mit 79 völlig frei, mit unglaublichem inneren Rhythmus. Es sind ein paar Show-Effekte dabei, aber das waren ja auch Encores.


    Andere hingegen...Argerich zum Beispiel. Die hält den Rhythmus schon auf der ersten Seite nicht richtig.


    Jedenfalls sehr interessant und lehrreich. Noch einmal vielen Dank für den Hinweis. Ich dachte immer, YOUTUBE wäre eine Teenie-Webseite und habe mich deshalb nie so dafür interessiert. Und meine Kinder schauen sich natürlich lieber die Videos von lonegirl15 an.


    Rolf

    vielen Dank für den Hinweis.


    Es sind alle grossen Pianisten mehr oder weniger vertreten und man kann ihr Spiel sehr gut vergleichen.


    Recht erheiternd sind die Kommentare zu dem Spiel der Pianisten.


    Rolf

    Nun zur ersten Frage:


    In den "Buddenbrooks" gibt es ein ganzes Schopenhauer-Kapitel.


    Schon älter geworden liest Thomas Buddenrbook eines Nachmittags in einer Laube im Garten Schopenhauer, und ihm eröffnet sich eine neue Welt. Thomas Mann drückt diese Empfindungen und Gefühle sehr emphatisch aus. Thomas Buddenbrook will nach dieser Lektüre auch sein Leben ändern, diese Vorsätze vergehen aber im Alltag wieder.


    Rolf

    Nun Sandhofer, da wäre uns China voraus.


    Denn die haben eine Kontinuität in der Literatur, die über 2500 Jahre geht, was natürlich an ihrer Schriftsprache liegt. Die gleichen Schriftzeichen, die im Shi-King (500 aD) stehen, werden in der Gegenwart für Romane benutzt.


    Gerade die ungebrochene Kontinuität zeichnet die chinesische Literatur aus. So kann sich ein Dichter im 16. Jahrhundert leicht auf die Lyrik von Dao-Yüan Ming (4. Jahrhundert) beziehen, und wir können beide Dichter heute so lesen, wie sie es aufgeschrieben haben.


    Rolf

    Hallo


    Es ist eine etwas provokative These, aber es könnte sein, dass die bisherige traditionelle Hochkultur langsam an ihr Ende kommt.


    Ich erlebe das besonders in der Musik.


    Wenn ich mir die Komponisten des 20. Jahrhunderts ansehe, Debussy am Anfang, das Ende ist noch nicht abzusehen, fällt mir auf, dass eine immer grössere Artifizenz und immer grössere Esoterik um sich greift. Mittlerweile jagen sich die Stile, Eklektizismus ist Ausdruck der Gegenwart, und die allgegenwärtige Dissonanz wird langsam aber sicher langweilig.


    Man kann ein Leben lang Bach, Beethoven oder Chopin hören, selbst bei Debussy ist dies möglich, aber bei Webern, dem einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, wird das schon schwierig. Genauer gesagt, irgendwann wird Webern langweilig, von anderen Komponisten ganz zu schweigen.


    Ein Experiment in der Musik läuft in der Gegenwart oft auf bestimmte Geräusche hinaus, die man einmal hört, die einen aber grösstenteils nicht näher berühren. In der Klaviermusik ist es ähnlich:


    Noch nie ist so viel Musik komponiert worden wie in den letzten Jahrzehnten, aber kaum etwas ist davon in den öffentlichen Bereich eingedrungen. Im Prinzip leben die Zuhörer bis 1930. Danach ist Wüste.


    Vielleicht ist unser Ohr und unser Empfinden auf Konsonanz angewiesen. Ich empfinde jedenfalls Dissonanzen als relativ eintönig im Verhältnis zu Konsonanzen.


    Und ähnlich geht es mir mit moderner Literatur.


    Rolf