Willensfreiheit

  • Hallo zusammen,


    Im Forum "Gemeinsames Lesen" wurde in "Huberts Bibelprojekt" wiederholt der Begriff "Willensfreiheit" / "Freiheit des Willens" benutzt. Ich habe diesen Begriff nie verstanden. VIelleicht hat einer von denen, die diesen Begriff benutzen, Zeit und Lust, ihn mir zu erklären und ggf. darüber zu diskutieren?


    Ich fange mal damit an, dass ich schon nicht weiß, ob mit "Willensfreiheit" gemeint ist "jemand kann tun, was er will" oder "jemand kann wollen, was er will". Im ersten Fall müßte man wohl eher von Handlungsfreiheit sprechen. Andererseits ist das Handeln dann vom Willen abhängig, also wiederum nicht frei. Wenn aber das letztere gemeint ist, dann heisst das, dass der Wille zweistöckig ist (mindestens): Erstens der Wille, etwas zu tun, und zweitens der Wille, dieses tun zu wollen. Der untere Wille wäre dann nicht frei, da vom oberen Willen abhängig. Dann kommt man aber leicht dazu, dass auch dieser höhere Wille "gewollt" ist, und wo hört diese Stufenfolge auf?


    Fragen über Fragen!!


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen!


    Der Wille - im Gegensatz zu 'Trieb' oder 'Drang' - ist der geistige Akt, durch den ein (als solcher erkannter) Wert, eine beabsichtigte Handlung bejaht oder erstrebt wird. Der Wille kann sich nur auf (subjektiv) Wertvolles richten; das Böse zu wollen, vermag nur der "Satan". Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille. D.h., er hat die Möglichkeit, unter verschiedenen Motiven zu wählen, sogar eines, das im Gegensatz zu seiten vitalen Bedürfnissen steht. So ist der Mensch das einzige Wesen, das aus freien Stücken gegen seine eigenen Interessen handeln kann, ja, sich selber vernichten kann (Selbstmord). (Nach: Schmidt / Schischkoff: Lexikon der Philosophie. 1974)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,
    Hallo alle!


    Wille als geistiger Akt, das kann ich zumindest vorläufig so stehenlassen. Dann aber:


    Zitat von "Schmidt / Schischkoff"

    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille. D.h., er hat die Möglichkeit, unter verschiedenen Motiven zu wählen


    Ist das die Definition des Begriffs "freier Wille", oder ist das die Begründung, warum der Wille frei ist?


    Wenn ein "geistiger Akt" unter verschiedenen Möglichkeiten wählen kann, wird der Akt doch erst durch die Wahl zum Akt, oder? Nun muss doch etwas diese Wahl bestimmen - irgendetwas muss den Ausschlag geben, dass die Wahl auf diesen Wert und nicht auf jenen fällt. Und wo bleibt dann die Freiheit?


    Genauso könnte man sagen: Die Roulettekugel ist beim Wurf frei, denn sie kann jede von 37 möglichen Zahlen treffen.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Trennen wir ersteinmal beide Wörter,Hubert :breitgrins: :


    Wille und Freiheit


    " Der Geschlechtstrieb ist der Kern des Willens zum Leben, mithin die Konzentration allen Wollens; daher eben ich im Texte die Genitalien den Brennpunkt des Willens genannt habe".
    Schopenhauer"Der Wille"-Die Kunst zu beleidigen


    Liberum arbitrium indifferentiae, unter dem Namen"die sittliche Freiheit", ist eine allerliebste Spielpuppe für Philosophieprofessoren, die man ihnen lassen muß,-den geistreichen, redlichen und aufrichtigen.


    Schopenhauer"Freiheit"-d.K.z.b. :breitgrins:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Fuu,


    Zitat von "Fuu"

    Trennen wir ersteinmal beide Wörter,Hubert


    Hubert hat sich in diesem Thread noch gar nicht zu Wort gemeldet...?!?


    Du postest häufig Zitate. Zitate beweisen nur leider gar nichts und tragen in diesem Fall auch nichts zum Verständnis bei.


    Ich habe eine Anfrage an diejenigen gerichtet, die diesen Begriff verwenden (ich selber tue es nicht), um herauszubekommen, ob sie sich etwas dabei denken (und wenn ja, was). Scheint aber nicht der Fall zu sein.


    "Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein."


    Nein, auch mit Wörtern, denen sich keine Begriffe zuordnen lassen, kann man gut diskutieren. Vielleicht sogar besonders gut?


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Hubert,


    Beweise muss es auch nicht geben :breitgrins: ! Das sind Weisheiten, die unsere Seele beflügeln können. :zwinker: Ich sammel Zitate und Weisheiten aus aller Welt. Es sind Worte, die aus dem Herzen sprechen. Große Persönlichkeiten schenken uns tiefe Einsichten in die zentralen Fragen des Daseins. Sind für mich so eine Art Bibel! :sonne:


    Die Zitate waren nur ein Anfang(Einstieg). Ich dachte mir, das Schopenhauer dazu gut paßt.


    Später mehr! :winken:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Sollte aber besser auf die Namen achten :breitgrins: (Hubert-Harald)!

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo Sandhofer,


    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille


    Werde später dazu noch etwas schreiben. Im Moment wenig Zeit.(Ernte im Garten und Familienfeiern)


    Gruß,Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Zitat von "sandhofer"

    Hallo zusammen!
    [color=darkred]Der Wille - im Gegensatz zu 'Trieb' oder 'Drang' - ist der geistige Akt, durch den ein (als solcher erkannter) Wert, eine beabsichtigte Handlung bejaht oder erstrebt wird. Der Wille kann sich nur auf (subjektiv) Wertvolles richten; das Böse zu wollen, vermag nur der "Satan".[color]


    Wer kann dem zustimmen?
    Die kirchen bestimmt nicht. Ebensowenig die rechtsprechung.

    Zitat

    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille. D.h., er hat die Möglichkeit, unter verschiedenen Motiven zu wählen, sogar eines, das im Gegensatz zu seiten vitalen Bedürfnissen steht. So ist der Mensch das einzige Wesen, das aus freien Stücken gegen seine eigenen Interessen handeln kann, ja, sich selber vernichten kann (Selbstmord). (Nach: Schmidt / Schischkoff Lexikon der Philosophie. 1974)


    Handelt ein triebtäter, ein wahsinniger ohne willen? Wohl nur im extremfall wäre die forensische unzurechnungsfähigkeit anzunehmen.


    Zweitens ist die bindung des willens an ein gegen die eigenen interessen gerichtetes handeln zumindest fragwürdig, weil sich wohl immer eine solche handlung doch mit irgendeinem nutzen begründen ließe:
    der selbstmord mit nutzenzuwachs durch seelische entlastung, aussicht auf schmerzfreiheit etc.


    Die willensfreiheit steht über der handlungsfreiheit. Die handlungsfreiheit des gelähmten ist gebunden, seine willensfreiheit nicht.


    Willensfreiheit ist ein diffuses konzept. Die FAZ brachte in den letzten monaten zahlreiche artikel, in denen dieser philosophische begriff sich an den erkenntnissen moderner hirnforschung messen lassen mußte.
    Es gab starke argumente dafür, daß es sich sich mehr um ein konstrukt denn um ein reales belegbares faktum handelt.


    Ein beitrag berichtete über ein experiment, das das der handlung vorausgehende physiologische korrelat der willensentscheidung nachgewiesen haben will.


    Die einfachste definition von willensfreiheit wäre wohl: die freiheit, sich unter den gleichen umständen anders entscheiden können.
    Aber wie will man dies nachweisen?
    gruß hafis

    Nun haben zwar manche Theologen einen ebenso großen Magen, wie man ihn der Kirche nachsagt;
    <br />sie können ebenso viele gedanklichen Ungereimtheiten verdauen wie die Kirche allerlei weltliche Güter. - Heinz Zahrnt

  • Zitat von "Harald"

    Ich habe eine Anfrage an diejenigen gerichtet, die diesen Begriff verwenden (ich selber tue es nicht), um herauszubekommen, ob sie sich etwas dabei denken (und wenn ja, was). Scheint aber nicht der Fall zu sein.


    Hallo zusammen,
    hallo Harald,



    Ich habe m.W’s im Bibelprojekt gesagt, dass es m.M.n. bei 1 Mose 3 nicht um Sexualität geht, sondern um freien Willen. Damit ist noch nicht gesagt, dass wir Menschen völlige Willensfreiheit haben und auch wenn man sich nicht auf jede Diskussion einlässt, heißt das noch nicht, dass man sich zu diesem Thema noch keine Gedanken gemacht hat, manchmal fehlt die Zeit oder man hat einfach keinen Diskussionsbedarf. Da die Teilnehmer am Bibelprojekt keine Fragen zu dieser Formulierung hatten, gehe ich davon aus, dass verstanden wurde was gemeint ist.



    Ich fange mal damit an, dass ich schon nicht weiß, ob mit "Willensfreiheit" gemeint ist "jemand kann tun, was er will"


    Das ist m.M.n. schon mal ein absurder Gedanke, kein Mensch kann tun, was er will. Ich z.B. will fliegen wie ein Vogel,- aber ich kann’s nicht tun. Also wenn Du das unter „Willensfreiheit“ verstehst, dann gibt es keine.



    Der Ansatz von Fuu erst mal das Wort in seine Bestandteile zu trennen, gefällt mir sehr gut. Ich selbst benutze es nämlich normalerweise auch nicht als ein Wort.


    Wille wäre m.M.n. als Fähigkeit zur autonomen Entscheidung, Ausführung und Beurteilung eigener Handlungen, unabhängig von inneren oder äußeren Zwängen zu verstehen.


    Freiheit ist dagegen ein sehr vieldeutiger Begriff, der nur im Kontext (moralisch, künstlerisch, juristisch, usw.) verstanden werden kann.
    Ich gebe Dir zwar recht, dass man mit Zitaten nichts beweisen kann, trotzdem finde ich in diesem Zusammenhang das folgende Zitat von Jean Jacques Rousseau sehr passend:
    " Die Freiheit eines Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will."


    Und sowenig aus der Handlungsfreiheit die Willensfreiheit zu folgern ist, so wenig ist die Freiheit des Willens auf Handlungsfreiheit angewiesen oder frei nach Friedrich Schiller:
    „Der Mensch ist frei, ... und würde er in Ketten geboren.“


    Philosophen wie Spinoza und Schopenhauer oder auch Nietzsche waren zwar der Meinung, dass menschliche Willensfreiheit nicht existiere, da jeder Mensch in Kausalketten eingebunden sei und deshalb zwangsläufig so handeln muss, wie er handele.


    Andere Philosophen wie der Jahwist, Platon und Kant waren dagegen von der Willensfreiheit überzeugt. Ein moderner Vertreter der Willensfreiheit war der 1994 verstorbene Philosoph Karl Popper. In seinem 1990 erschienenen „World of propensities“ vertritt er die Theorie, dass die Welt weder ein ungeordnetes Chaos, noch ein bis ins letzte hinein determiniertes Gebilde sei. Deshalb habe der Mensch die Möglichkeit zu verantwortungsvollem und gestaltendem Handeln.


    Genau dieses verantwortungsvolle und gestaltende Handeln hatte ich mit freiem Willen gemeint, also freier Wille im Unterschied zu von Gott gelenkt, nicht im Sinne von völliger Willensfreiheit, wohlwissend, dass die Menschen völlige Willensfreiheit noch nicht erreicht haben.


    Und bevor Du jetzt sagst, es wird nie völlige Willensfreiheit geben, ein Buchtipp:
    http://www.amazon.de/exec/obid…_11_2/302-7863924-0235229


    In diesem Buch „Gödel, Escher, Bach“ geht der AI-Forscher Douglas R. Hofstadter davon aus, dass sich freier Wille mechanisieren lässt, d.h. eines Tages wird es entscheidungsfreie Maschinen geben.


    Das alles ist aber i.M. nicht mein Thema. Im Bibelprojekt ging es mir nur darum, zu sagen, dass der Jahwist in 1 Mose 3 nicht von Sexualität spricht. Wenn Du da anderer Meinung bist, können wir darüber gerne diskutieren. Oder hast Du darüber noch nicht nachgedacht?


    Gruß von Hubert

  • Hallo Sandhofer,


    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille


    Das Zitat hat mich nicht ruhen lassen :breitgrins: .
    Was Schmidt/Schischkoff hier zitieren, ist eine einseitige Denkart :zwinker: (Sinneswahrnehmung). Sie haben die emotionalen Bewußtseinsphänomene(Lust und Unlust,Triebe und Begehren,Affekte und Willensakte) außer acht gelassen.


    Es kann keine Willensfreiheit geben! Wozu...?


    "geistiger Akt=Gottes Wille" Widerspruch!!!


    Dann kann die Natur nicht nach christl. Theologien vereinbar im Sinne der Freiheit sein. Das wäre eine Selbstbestimmung und ein erheblicher Eingriff. Wie soll man dann Gott als transzendental verstehen? :breitgrins:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Hubert,


    Ich z.B. will fliegen wie ein Vogel,- aber ich kann’s nicht tun.


    Dann fehlt dir Phantasie, ist aber nicht böse gemeint. Ich kann"fliegen" wohin ich will mit meiner inneren Kraft :breitgrins: . Leider mußte ich die Erfahrung machen, das man nicht ewig "Fliegen" kann :sauer: . Man muß auf die Erde zurück, ob man will oder nicht. Aber diese Erfahrung ist mehr wert, als mein gesamtes Leben. Sicherlich wirst du mich nicht verstehen.


    Deine Zeilen habe ich gelesen, kann aber dazu noch nichts schreiben. :zwinker: Meinungsverschiedenheiten gibt es überall!


    Gruß,Fuu :winken:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Zitat von "Fuu"

    Hallo Sandhofer,


    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille


    Dein Gedanke hat mich nicht ruhen lassen :breitgrins: .
    Was Sandhofer hier zitiert, ist eine einseitige Denkart :zwinker: (Sinneswahrnehmung). Er hat die emotionalen Bewußtseinsphänomene(Lust und Unlust,Triebe und Begehren,Affekte und Willensakte) außer acht gelassen.


    Da Sandhofer in Urlaub ist, antworte ich mal:


    1. Das war nicht Sandhofers Gedanke, sondern ein Lexikon-Zitat.


    2. Das ist keine einseitige Denkart, sondern ein klares unterscheidendes Denken.


    3. Wille mit Trieb oder dem Prinzip von Lust und Unlust gleichzusetzen, ist falsch

  • Zitat von "Fuu"


    Es kann keine Willensfreiheit geben! Wozu...?


    "geistiger Akt=Gottes Wille" Widerspruch!!!


    Dann kann die Natur nicht nach christl. Theologien vereinbar im Sinne der Freiheit sein. Das wäre eine Selbstbestimmung und ein erheblicher Eingriff. Wie soll man dann Gott als transzendental verstehen? :breitgrins:


    Hallo Fuu,


    nicht zu wissen wozu etwas ist, ist kein Argument dafür, das etwas nicht ist!


    Wer sagt "geistiger Akt = Gottes Wille"? Wieso Widerspruch?


    Wieso kann die Natur nicht nach christl. Theologien vereinbar im Sinne der Freiheit sein? Muß sie das überhaupt?


    Gruß von Hubert


  • Hallo Fuu,


    man kann mir ja manches nachsagen, mangelnde Phantasie sicher nicht. M.M.n. fliegen Vögel nicht in der Phantasie, sondern wirklich und bitte versuchs nicht. :zwinker:


    Im übrigen waren meine Zeilen als Antwort auf Haralds "provokantes" Posting gedacht (Es würden hier Wörter verwendet, ohne darüber nachzudenken) :zwinker: , nicht als Anregung zu neuer Diskussion.


    Wie weit bist Du mit Miltons "Verlorenem Paradies"?


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,


    Das Buch bestelle ich mir erst am Montag in unserer Buchhandlung.
    Das andere Buch hab ich nicht gefunden im Internet. Also bestelle ich jetzt:" Das verlorene Paradies"(ISBN:315002191X) Milton,John
    Mal sehen wie unsere Phantasie dann Flügel bekommt-, oder auch nicht :zwinker: .


    Sandhofer hat noch nichts zu geschrieben und ich kritisiere ihn gleich. Typisch Fuu wenn sie Feuer gefangen hat.(Gedanke) Muss noch viel ruhiger werden.(Vielleicht mit OM... :breitgrins: )


    Gruß,Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo zusammen,


    Vielen Dank für Eure Meinungen! Da ich am Wochenende offline war, komme ich erst heute dazu, meine Antworten zu formulieren. Ich fange mal mit Hafis' Beitrag an:


    Zitat von "hafis50"

    Handelt ein triebtäter, ein wahsinniger ohne willen? Wohl nur im extremfall wäre die forensische unzurechnungsfähigkeit anzunehmen


    Nun, das ist eben eine Definitionsfrage. Wenn man "Wille" wie im von Sandhofer angeführten Lexikoneintrag definiert, dann ist die Zielgerichtetheit eines Triebtäters, Wahnsinnigen (oder z.B. eines intelligenten Tieres) eben nicht als "Wille" zu bezeichnen, da es sich nicht um eine "bewußte Wahl" handelt.


    Nun wissen wir seit Freud, wieviel Unbewußtes auch in unserem Bewußtsein mitwirkt. Es könnte durchaus sein, dass "Bewußtsein" oder "bewußte Entscheidung" eine innere Illusion ist. Diese psychologische Sichtweise ist allerdings eine ganz andere Problematik. Mir geht es eher um die Logik der Begriffe. Z.B. im folgenden:


    Zitat von "hafis50"

    Die handlungsfreiheit des gelähmten ist gebunden, seine willensfreiheit nicht.


    Erstens, wenn die Handlungsfreiheit durch körperliche Konstitution gebunden sein kan, wieso dann nicht die Willensfreiheit durch geistige Konstitution? Wenn mir z.B. eine Handlungsalternative nicht einfällt, weil ich die Intelligenz oder die Phantasie dazu nicht habe, schränkt das nicht den Willen (d.h. nach Sandhofers Definition: Die Wahlfreiheit meines Bewußtseins) ein? Zweitens, mir ist noch immer unklar, was "Willensfreiheit" heißt. Aber Du sagst ja selbst:


    Zitat von "hafis50"

    Willensfreiheit ist ein diffuses konzept. Die FAZ brachte in den letzten monaten zahlreiche artikel, in denen dieser philosophische begriff sich an den erkenntnissen moderner hirnforschung messen lassen mußte.
    Es gab starke argumente dafür, daß es sich sich mehr um ein konstrukt denn um ein reales belegbares faktum handelt.


    Das halte ich für sehr plausibel. Schade, dass mir diese Artikel entgangen sind.


    Zitat von "hafis50"

    Die einfachste definition von willensfreiheit wäre wohl: die freiheit, sich unter den gleichen umständen anders entscheiden können.
    Aber wie will man dies nachweisen?


    Das ist ein sehr interessanter Gedanke. Dies würde ich gerne etwas ausführlicher kommentieren.


    Gleich vorweg meine Arbeitshypothese: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Jedes beobachtbare Phänomen (damit auch der Wille) ist entweder determiniert oder völlig zufällig. Es kann auch eine Kombination aus Determiniertheit und Zufall geben, aber nichts Drittes.


    Die von hafis gebrauchte Formulierung "unter gleichen Umständen" verweist auf einen Grundbegriff der Wissenschaft: Das Experiment. Ein Experiment erlaubt, ein Phänomen "unter gleichen Umständen" zu reproduzieren. Wenn das Verhalten unter gleichen Umständen dasselbe ist, sprechen wir von Determiniertheit. Wenn es unterschiedlich ausfällt, handelt es sich um Zufall.


    Nehmen wir an, ein über der Welt stehender Experimentator hätte die Möglichkeit, die gesamte Welt (auch wiederholt) in einen bestimmten Zustand zu versetzen und den weiteren Ablauf zu beobachten. Nehmen wir weiter an, dass dieser Zustand beinhaltet, dass ein Mensch kurz davor steht, eine Entscheidung zu fällen. Nehmen wir weiter an, dass unser Experimentator sein Experiment hundert Mal wiederholen würde. Was würde passieren?


    Erste (plausibelste) Möglichkeit: Die Entscheidung ist jedesmal dieselbe. Die Entscheidung ist dann durch den gesamten Zustand des Universums zu diesem Zeitpunkt determiniert. Das schließt insbesondere den Zustand des Menschens zu diesem Zeitpunkt ein: Sein Wissen, seine Gewohnheiten, sein Gewissen, seine Intelligenz, seine Erfahrung, mit einem Wort: sein geistiger, aber auch sein körperlicher Zustand. Aus welchem Grund sollte der Wille (die bewußte Wahl) bei exakt gleichem Ausgangszustand unterschiedlich ausfallen?


    Zweite Möglichkeit: Die Entscheidung fällt von Mal zu Mal unterschiedlich aus. Da aber der gesamte Kontext jedesmal identisch ist, gibt es nichts, was die unterschiedlichen Entscheidungen erklären könnte. Ergo: Reinster Zufall (statistische Verteilung).


    Wenn also "Freiheit des Willens" darin besteht, sich unter gleichen Umständen anders entscheiden zu können, dann läuft sie auf eine statistische Zufallsverteilung hinaus. Dies steht aber leider dem populären Begriff von Freiheit völlig entgegen...


    Wenn aber die "andere" Entscheidung irgendwie begründet werden kann, sind wir wieder beim Determinismus.


    Hubert: Auf Deinen Beitrag gehe ich im nächsten Posting ein.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Ich habe m.W’s im Bibelprojekt gesagt, dass es m.M.n. bei 1 Mose 3 nicht um Sexualität geht, sondern um freien Willen. Damit ist noch nicht gesagt, dass wir Menschen völlige Willensfreiheit haben und auch wenn man sich nicht auf jede Diskussion einlässt, heißt das noch nicht, dass man sich zu diesem Thema noch keine Gedanken gemacht hat, manchmal fehlt die Zeit oder man hat einfach keinen Diskussionsbedarf.


    Einverstanden. Meine zugegebenerweise etwas provokante Formulierung war übrigens nicht speziell auf Dich gemünzt und außerdem durch "Scheint" etwas abgemildert... ich freue mich aber über jede Antwort.


    Zitat von "Hubert"

    Das ist m.M.n. schon mal ein absurder Gedanke, kein Mensch kann tun, was er will. Ich z.B. will fliegen wie ein Vogel,- aber ich kann’s nicht tun. Also wenn Du das unter „Willensfreiheit“ verstehst, dann gibt es keine.


    Ebenfalls einverstanden. Die Frage ist dann aber: Ist der Wille irgendwie da - oder ist der Wille gewollt? Mit anderen Worten: Gibt es nur den Willen, der sich auf eine Handlung richtet, oder gibt es auch den Willen, der sich auf den Willen richtet - usw. in beliebig hoher Stufenfolge? Wenn man die (für mich) etwas abstruse Vorstellung einer Stufenleiter von Willensentscheidungen ablehnt, muss man annehmen, dass der Wille (z.B. der Wille "ich will fliegen") einfach da ist, d.h. irgendwie aus dem Inneren der Seele hervorkommt, ohne jede bewußte Entscheidung. Was bedeutet dann aber "Freiheit"?


    Zitat von "Hubert"

    Wille wäre m.M.n. als Fähigkeit zur autonomen Entscheidung, Ausführung und Beurteilung eigener Handlungen, unabhängig von inneren oder äußeren Zwängen zu verstehen.


    Diese Definition scheint mir Sandhofers Lexikondefinition sehr ähnlich zu sein (Wille als bewußte Entscheidung). Ich dachte aber, der Wille wäre die "autonome Entscheidung, Ausführung etc.", was etwas ganz anderes ist als "die Fähigkeit zur autonomen Entscheidung, Ausführung etc.".


    Zitat von "Hubert"

    Ich gebe Dir zwar recht, dass man mit Zitaten nichts beweisen kann, trotzdem finde ich in diesem Zusammenhang das folgende Zitat von Jean Jacques Rousseau sehr passend:
    "Die Freiheit eines Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will."


    Interessantes Zitat. Ich kann beweisen, dass aus der zweiten Alternative die erste folgt. Hier der Beweis:


    Annahme: Ein Mensch (M) muss nicht tun, was er nicht will. D.h.


    M will H nicht tun => M muss H nicht tun


    wobei H für eine beliebige mögliche Handlung steht. Nun gibt es zu jeder Handlung H auch die Unterlassung dieser Handlung, nennen wir sie U(H), die man ebenfalls wollen und tun kann. Da obiges für alle Handlungen gilt, gilt es auch für U(H):


    M will U(H) nicht tun => M muss U(H) nicht tun


    In Worten: Aus "man muss nicht tun, was man nicht will" folgt: "Man muss keine Unterlassung tun, die man nicht will".


    U(H) nicht tun wollen heißt aber H tun wollen. Und U(H) nicht tun müssen heißt H tun können. Also bedeutet der Satz:


    M will H tun => M kann H tun


    und das für jede denkbare Handlung H.


    :smile: :smile: :smile:


    Ich glaube, das reicht für's erste...


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "Harald"


    wobei H für eine beliebige mögliche Handlung steht. Nun gibt es zu jeder Handlung H auch die Unterlassung dieser Handlung, nennen wir sie U(H), die man ebenfalls wollen und tun kann. Da obiges für alle Handlungen gilt, gilt es auch für U(H):


    Hallo Harald,


    vielen Dank für Deine logische Beweisführung. Ich werde sie bei Gelegenheit an Rousseau weitergeben, Mal sehen was der dazu sagt. :zwinker:


    Ich selbst glaube nicht, dass logische Beweisführungen uns bei sozialen Problemen weiterbringen. Das Unterlassen einer Handlung, ist eben nicht das gleiche wie die Handlung selbst.
    z.B. habe ich es heute unterlassen "eine Bank zu überfallen",
    wirst Du mich verteidigen, wenn ich morgen eine Bank überfalle und der Richter mir nicht glaubt, dass ich jede Handlung, die ich unterlassen darf, auch ausführen darf?


    Davon abgesehen, konnte ich bei deiner Beweisführung keine Stelle finden, die die von mir abgelehnte These, dass es bei 1 Mose 3 um Sex geht, unterstützt.


    Freundliche Grüße


    Hubert

  • Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Ich selbst glaube nicht, dass logische Beweisführungen uns bei sozialen Problemen weiterbringen.


    Nein, aber sie können die Zulässigkeit von Begriffsbildungen überprüfen helfen. Und da Begriffe wie der, über den wir in diesem Thread diskutieren, auch in Diskussionen um soziale Probleme verwendet werden, kann es meiner Meinung nach nicht schaden, die Analysefähigkeit zu stärken. Ich gebe aber gern zu, dass das nicht jedermanns Sache ist.


    Zitat von "Hubert"

    wirst Du mich verteidigen, wenn ich morgen eine Bank überfalle und der Richter mir nicht glaubt, dass ich jede Handlung, die ich unterlassen darf, auch ausführen darf?


    Nein, das würde ich nicht. Ich würde dem Richter erklären, dass ich nicht gesagt habe, dass man alles, was man unterlassen darf, auch ausführen darf. Ich würde dem Richter weiter erklären, dass ich gar nichts über "dürfen" oder "nicht dürfen", sondern nur etwas über "müssen" und "können" gesagt habe. Schließlich würde ich nachweisen, dass ich nur folgendes gesagt habe: Eine Unterlassung nicht tun zu müssen ist gleichbedeutend damit, die Handlung tun zu können. Beispiel: Wenn ich nicht gezwungen bin, nicht zu rauchen, bedeutet das soviel wie dass ich rauchen kann (nicht "darf").


    Tja - Pech für Dich! :zwinker:


    Das mit der Bank überlegst Du Dir noch mal, ja?


    Zitat von "Hubert"

    Davon abgesehen, konnte ich bei deiner Beweisführung keine Stelle finden, die die von mir abgelehnte These, dass es bei 1 Mose 3 um Sex geht, unterstützt.


    Sorry, ich war noch nicht so weit gekommen, auf den entsprechenden Teil Deines Postings einzugehen. Also jetzt:


    Zitat von "Hubert"

    Das alles ist aber i.M. nicht mein Thema. Im Bibelprojekt ging es mir nur darum, zu sagen, dass der Jahwist in 1 Mose 3 nicht von Sexualität spricht. Wenn Du da anderer Meinung bist, können wir darüber gerne diskutieren. Oder hast Du darüber noch nicht nachgedacht?


    Ich habe in der Tat noch nicht darüber nachgedacht. Ich habe noch nicht einmal den 1 Mose 3 gelesen... kann deshalb nichts Vernünftiges dazu sagen. Vielleicht ein anderes Mal.


    Zitat von "Hubert"

    In diesem Buch „Gödel, Escher, Bach“ geht der AI-Forscher Douglas R. Hofstadter davon aus, dass sich freier Wille mechanisieren lässt, d.h. eines Tages wird es entscheidungsfreie Maschinen geben.


    Das Buch ist mir natürlich ein Begriff, gelesen habe ich es aber noch nicht. Wäre doch sehr interessant, 1. wie Hofstadter in diesem Zusammenhang "freien" Willen definiert und 2. wie er zu diesem auf den ersten Blick paradoxen Ergebnis kommt.


    Danke für den Hinweis! Auf Hofstadter als Quelle zum Problem der Willensfreiheit wäre ich nicht gekommen, aber so abwegig ist es eigentlich nicht...


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.