März 2003: Émile Zola - Therese Raquin

  • Hallo!


    Zitat von "Hubert"

    Die Aussage Thérèse sei mehr Opfer als Täter halte ich für gefährlich. So könnte man jeden Mord entschuldigen.


    Mich hat Thérèses Erziehung an die qualvolle chinesische Tradition des Füsseabbindens errinnert (den Mädchen der chinesischen Obersschicht wurden etwa vom vierten Lebensjahr an die Füsse fest mit Bändern umwickelt, so dass diese am Wachsen gehindert wurden - kleine Füsse galten als besonders schön); nur das bei Thérèse nicht die Füsse, sondern der Charakter am natürlichen Wachstum gehindert wurde und verkrüppelte.


    Finde es ebenfalls gut, dass du dich zu Wort gemeldet hast, Hubert. :klatschen:


    Gruss


    riff-raff

  • Hallo!


    Zitat von "Jana"

    Verglichen mit der Entwicklung eines Menschen (sehr schematisch und skizzenhaft betrachtet), ist die Kindheit mit der Betonung der Triebe gleichzusetzen (also die Zeit, in der sich Laurent und Therese lieben) und das Erwachsensein mit der Zeit der Vernunft, des Gewissens usw. also die Zeit nach Camilles Tod.


    Sehr interessanter Gedankengang... - Zola scheint aber seinen Figuren jegliches Gewissen abzusprechen. Kapitel um Kapitel beschreibt er wie Thérèse und Laurent nach vollbrachter Mordtat unter Ängsten und Halluzinationen leiden, führt das aber stets auf "Blut" und "Nerven", also rein körperliche Ursachen, zurück. "Seine Gewissensbisse waren rein physischer Art. Lediglich sein Körper, seine gereizten Nerven und sein zitterndes Fleisch hatten Furcht vor dem Ertrunkenen. Sein Gewissen hatte mit seinen Ängsten nichts zu schaffen", heisst es von Laurent. Thérèse wird zwar etwas menschlicher geschildert - "sie hatte unbestimmte Gewissensbisse, uneingestandene Reuegefühle" -, aber letztendlich wird auch sie auch das rein Vegetative zurechtgestutzt.
    Auch wenn Zola das bewusst so gewollt hat (siehe Vorwort: "Was ich als ihre Gewissensbisse habe bezeichnen müssen, das besteht ganz einfach in einer Verwirrung des Organismus, in einer Rebellion des bis zum Bersten angespannten Nervensystems. Die Seele ist völlig abwesen, das gestehe ich ohne weiteres ein, weil ich es so gewollt habe.") - ich muss gestehen, dass ich Probleme damit habe und ein solches Menschenbild wenig überzeugend finde... Wie geht es euch damit?


    Gruss


    riff-raff




  • Zitat von "Steffi"

    Hallo zusammen,
    Ich komme nun zum 14. Kapitel. Bin gespannt, was ihr von den verschiedenen Reaktionen auf den Mord haltet (typisch männlich, typisch weiblich ?).


    Gruß von Steffi


    Hallo zusammen,
    Hallo Steffi


    ich würde sagen: typisch menschlich (?).


    beiden befällt das Grauen. Therese gleich zu beginn, als ihr die Knie zitterten (das war noch beim Ausflug, bevor der Mord geschah) und bei Laurent setzte es später ein. Bei ihm bleibt sein Gewissen, sein Grauen sogar sichtbar: die Bisswunde bleibt brennend rot. *schauder*


    Der Erzählstil nach dem Mord in der "Trauerzeit" der Witwe erinnert mich an eine Schauergeschichte (Gothic). Die Schatten die Laurent sieht, die Angst vor dem Kellereingang usw. Ging es euch auch so?


    Jana
    mir ist der Aufbau einer klassischen Tragödie in den Sinn gekommen. Die Trauerzeit würde ich als "Verzögerung" beurteilen (Retardation).


    Kenne mich aber darin zuwenig aus.


    ich komme zu Kapitel 22, es steuert der Katastrophe zu und ich muß zugeben, dass Zola mich mitreißt.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Maria hat gepostet:
    Obwohl ich das Gefühl habe, dass es Zola auch nicht immer so gelingt, wie er es im Vorwort schreibt.


    Das Vorwort habe ich bis jetzt nur mal überflogen, obwohl Zola ja darin das literarische Programm entwerfen soll, dass er in seinem „Les Rougon-Macquart-Zyklus“ verwirklicht. Aber ich glaube, im Bezug auf „Thérèse Raquin“, da es erst zur zweiten Auflage geschrieben wurde, dass es nur zur Verteidigung gegen unberechtigte Kritik dient, und Mitglieder des Klassikerforums, um es mit Zola auszudrücken, „es nicht nötig haben, dass man ihnen am hellen Tag eine Laterne anzündet“



    Ich finde er erliegt einigen Klischee's, wenn man diese wegnimmt (die Bauernherkunft, das afrikanische Blut) - was bleibt dann?


    Nun, die Story des Romans, zumindest so weit ich sie bis jetzt überblicke, halte ich für durchaus realistisch, nur Zolas implizite Erklärung ist m.M. nach falsch. Er versucht, wie auch in späteren Romanen, die Herkunft und Vererbung für das Verhalten von Laurent und Thérèse verantwortlich zu machen und da, da hast Du Recht, benützt er auch m.M. nach Klischees. Was bleibt ohne diese Klischees: Ein Blick in die dunklen Abgründe der menschlichen Seele? – und das ist ja schon mal nicht schlecht.


    Bei dem Klischee „Afrikanisches Blut“ liegt Zola auch in so fern daneben, dass Téhrèse aus Oran und nicht aus dem schwarzafrikanischen Teil des Kontinents stammt. Oran ist eine algerische Hafenstadt und hat vom kulturellen Hintergrund her mehr Gemeinsamkeiten mit anderen Hafenstädten des westlichen Mittelmeers (Barcelona, Marseille, Genua, Neapel) als mit einem Fulbe-Dorf im Senegal oder einer Massai-Siedlung in Tansania



    zu den täglichen Besuchen Laurent in der Leichenhalle wurde bereits ausführlich geschrieben. Ich fand es sehr erschreckend und ich war froh, diese Szenen hinter mir gelassen zu haben.


    Das XIII. Kapitel, ja, - schrecklich, aber ein naturalistischer Roman, darf natürlich die schrecklichen Seiten nicht ausblenden.



    riff-raff hat gepostet:
    Mich hat Thérèses Erziehung an die qualvolle chinesische Tradition des Füsseabbindens errinnert, ..... , nur das bei Thérèse nicht die Füsse, sondern der Charakter am natürlichen Wachstum gehindert wurde und verkrüppelte


    Deinen Gedanken will ich nicht kaputt machen, aber im Hinblick auf eine spannende Diskussion, will ich mal meine Gedanken äußern: Sicher, Thérèses Erziehung war nicht optimal, aber welche Erziehung ist das schon? Was hätte aus uns beiden nicht alles werden können, wenn wir z.B. als Söhne des englischen Könighauses erzogen worden wären? :zwinker:
    Aber, genau dies war ja nicht Zolas Ansatz, deshalb lässt er ja die Erziehung von Thérèse und Camille identisch sein – und Camille wird ja nicht zum Mörder. Nein, will uns Zola sagen, die Erziehung spielt keine Rolle, sondern die unterschiedliche Vererbung. Und da liegt er m.M. nach falsch.


    Gruß von Hubert


    PS: riff-raff
    Hallo riff-raff,


    Stammt Dein Avatar eigentlich aus Wiesmüllers “Komm mit Moritz”?


    Übrigens finde ich alle geheimnisvoll, die nicht angeben, wo sie herkommen; dabei begnüge ich mich mit so groben Angaben, wie Norddeutschland, Süddeutschland, Österreich, Schweiz? Allerdings sind auch geheimnisvolle Mitglieder bei uns willkommen.

  • Hallo zusammen !


    Ihr habt so viele interessante Aspekte gepostet und ich hatte in den letzten Tagen leider zuwenig Zeit, um mir ausführlich Gedanken darüber zu machen, deshalb will ich mich nur kurz melden.


    Ich komme nun zum 24. Kapitel und ich habe soviele Assoziationen beim lesen und soviele Ideen, dass ich mal wieder mit Bleistift im Buch herumkritzele (was ich, wie der eine oder andere ja schon weiß, eigentlich hasse !), aber anders werde ich mit der Flut von Symbolen, Anspielungen und Gedanken nicht fertig.


    Vorherrschend ist bei mir der Gedanke, dass uns Zola an einem menschlichen Experiment teilnehmen lässt, das sich in seinem Gehirn abspielt. Wie reagieren Meschen unter bestimmten Umständen und unter psychischem Druck. Denn ohne wirklich logische Erklärung, die Nerven- und Vererbungstheorie ist für mich auch nicht wirklich nachzuvollziehen und ich frage mich, ob das wirklich so ernst gemeint war oder mehr einer dieser von riff-raff so trefflich beschriebenen falschen Fährten ?, werden die Hauptpersonen immer mehr dem Druck ausgesetzt - auch mich erinnert das stark und intensiv an die Schauerromane oder E.A.Poe, vorallem natürlich der Biss und die immer präsente Gestalt der Wasserleiche :entsetzt: .


    Also nochmal, ich sehe einen direkten Bezug zur realen Welt oder zu bestimmten Theorien nicht, zumindest bisher nicht deutlich und sauber ausgeführt.


    Ich hoffe, ich habe morgen früh etwas Zeit und kann auf eure Gedanken eingehen. Auch meinen Dank an Hubert für die "Einmischung" :smile:


    Ach, und kommt riff-raff dann nicht vom feschen Diener der Rocky-Horror-Picture-Show ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo!


    Zitat von "Hubert"

    Aber, genau dies war ja nicht Zolas Ansatz, deshalb lässt er ja die Erziehung von Thérèse und Camille identisch sein – und Camille wird ja nicht zum Mörder. Nein, will uns Zola sagen, die Erziehung spielt keine Rolle, sondern die unterschiedliche Vererbung.


    Stimmt, die Erziehung ist zwar die gleiche, während sie aber im Falle Camilles angemessen und nötig war, ist sie für Thérèse völlig unangebracht. Gleiche Mittel können durchaus unterschiedliche Folgen zeitigen. Und was sich bei Person A als erfolgreich erwiesen hat, muss bei Person B nicht unbedingt die gleiche Wirkung haben.


    Gruss


    riff-raff


    P. S.: Hallo Hubert,
    was meinen Avatar anbelangt - ich habe das Bild vor einer Ewigkeit (mind. 10 Jahre) aus einer Zeitschrift rausgeschnitten und seither steht es, weil es mir so gefällt, stets auf meinem Schreibtisch. Schade - ich wollte immer gerne wissen, von wem das Bild ist und in welchem Zusammenhang es ursprünglich erschienen ist... Dein Tipp mit "Komm mit, Moritz" hat mich veranlasst bei Amazon nachzuschauen und - oh, Wunder! - dem Cover des Buches nach zu schliessen, stammt es tatsächlich von dort. Du hast mir damit einen grossen Gefallen geleistet, hoffe ich kann mich irgendwann mal revanchieren. :klatschen: Werde mir das Buch umgehend besorgen... - Ach ja, ich komme übrigens aus der Schweiz. :winken:


    P.P.S.: Hallo Steffi,
    in der Rocky-Horror-Picture-Show kommt tatsächlich ein "riff-raff" vor, auch wenn ich nicht unbedingt daran gedacht habe, als ich mir den Nick zulegte; er erschien mir einfach passend weil ich in real life Raffaele heisse. :winken:

  • Hallo ihr Lieben!


    Zitat

    riff-raff: Sehr interessanter Gedankengang... - Zola scheint aber seinen Figuren jegliches Gewissen abzusprechen. Tieren und Partnerbeziehungh vollbrachter Mordtat unter Ängsten und Halluzinationen leiden, führt das aber stets auf "Blut" und "Nerven", also rein körperliche Ursachen, zurück.


    Dem kann ich nicht ganz zustimmen. Allerdings ist auch eine Entwicklung bei den einzelnen Figuren nach der Mordtat sichtbar.
    Es heißt zwar: Seine (Laurents) Gewissensbisse waren rein physischer Natur ... (XXII. Kapitel), aber! Camilles Gespenst such ihn dennoch heim. Wenn Laurent keine wie auch immer gearteten Gewissensbisse, Reuegefühle hätte oder die sich nicht anbahnten, würde ihn Camilles Gespenst in seiner Lebensweise nicht stören. Außerdem wohnen 2 Seelen in seiner Brust. (Reclam, S. 184, KapitelXXIV) Bei Laurent baut sich das Gewissen bzw. ein Wissen über seine schuldhafte Tat auf. Die nächste Stufe des "Gewissenaufbaus" würde ich dann sehen, als er Therese ebenso als Camilles Mörderin betrachtet. (S. 217, Kapitel XXVIII) Ebenso heißt es: "Das Dasein des Mörders war seit dem Tage, da Therese auf den höllischen Gedanken gekommen war Gewissensbisse zu haben und Camille laut zu bejammern, furchtbar geworden." (231, XXIX. Kapitel)
    Auch Thereses Gewissen meldet sich nicht sofort nach der Mordtat.


    Hallo ihr Lieben, könntet ihr bitte immer eine Kapitelangabe machen, wenn ihr Zitate bringt? Danke schön.


    Zitat

    Hubert: Was bleibt ohne diese Klischees: Ein Blick in die dunklen Abgründe der menschlichen Seele? – und das ist ja schon mal nicht schlecht.

    (Exkurs: zumal Freuds Theorie der Psychoanalyse ja auch von einem Triebapparat ausgeht. Ich fühle mich daran erinnert. Und ich assoziiere mit der Handlung auch die Geschichte mit dem Ödipus-Komplex oder auch mit dem Ödipus-Mythos. Nur, diesmal ist Camille in der Position des Vaters und erst nach der Ermordung Camilles wird bei Laurent das Gewissen, das Über-Ich geweckt. Na ja, Freuds Theorie existierte ja noch nicht einmal, als Zolas Buch erschien.)


    Zitat

    Hubert: Nun, die Story des Romans, zumindest so weit ich sie bis jetzt überblicke, halte ich für durchaus realistisch, nur Zolas implizite Erklärung ist m.M. nach falsch.


    Das war auch ein Grund, warum ich mich über die Handlung so aufgeregt habe: 1) warum begehen 2 erwachsene Menschen einen Mord und werden dafür nicht bestraft? Sie werden ja durch ihr schlechtes Gewissen bestraft, nicht durch eine äußere Strafinstanz. Das wurde mir erst beim 2. Lesen bewusst. 2) Warum müssen die Mörder ausgerechnet noch diesem sozialen Umfeld angehören? Also aus der ärmeren Schicht?


    Ich assoziiere jetzt einfach ein bisschen herum. Das ist auch bitte eher als Exkurs zu verstehen: Zur Zeit Zolas kam Darwins Lehre auf, durch die die kirchliche Vorstellung: Der Mensch stamme von Gott ab – unterlaufen wird und die neue Vorstellung: der Mensch stammt vom Tier (vom Affen ab) abgelöst wurde.
    Deshalb habe ich mich gefragt, inwieweit hier auch das „Liebesleben“ der Tiere als Vergleich eine Rolle spielen konnte. Also könnte sich hieraus die Frage entwickeln: inwieweit unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch sein Handeln?
    Camille und Laurent interessieren sich für Therese und umgekehrt. Wenn 2 Tiermännchen um ein Tierweibchen streiten und 1 Tiermännchen dabei den Kampf verliert, dann geht das besiegte Männchen. Der Sieger bekommt keine Gewissensbisse, keine Schuldgefühlte. Bei Therese, Camille und Laurent sieht das aber anders aus. Obgleich beide tierische Leidenschaften haben, bekommen Therese und Laurent im Laufe der Zeit nach der Tat Schuldgefühle und Gewissensbisse. Darin unterscheidet sich der Mensch vom Tier: Er hat moralische Gefühle / Gewissen. ´


    Liebe Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo riff-raff,


    Du hast gepostet:
    Stimmt, die Erziehung ist zwar die gleiche, während sie aber im Falle Camilles angemessen und nötig war, ist sie für Thérèse völlig unangebracht. Gleiche Mittel können durchaus unterschiedliche Folgen zeitigen. Und was sich bei Person A als erfolgreich erwiesen hat, muss bei Person B nicht unbedingt die gleiche Wirkung haben.


    Ja, richtig, aber ich habe ja nichts anderes gesagt. Zola will zeigen, dass die unterschiedliche Veranlagung, und nicht die Erziehung, für den Weg eines Menschen verantwortlich ist. Also, wenn Thérèse afrikanisches Blut hat, hätte sie auch afrikanisch erzogen werden müssen? War das in Frankreich möglich? Wäre dann nicht der Vater von Thérèse an der Entwicklung schuld, der das Kind nach Europa gebracht hat?


    Jedenfalls bin ich der Meinung, dass man Anstiftung zum Mord nicht damit entschuldigen darf, dass die Täterin als Kind zusammen mit dem kränklichen „Bruder“ Tee trinken musste usw., obwohl sie den Tee auf Grund ihrer Konstitution vielleicht nicht nötig hatte. (Ich z.B. musste als Kind Lebertran trinken und bin doch nicht zum Mörder geworden )


    Gruss in die Schweiz


    Hubert


    PS: Wieso nennst Du dich „riff-raff“, wenn Du einen so schönen Namen wie Raffaele hast? Wärst Du mir sehr böse, wenn ich dich in Zukunft mit Deinem echten Namen anreden würde?

  • Hallo zusammen,
    hallo Jana,


    Du hast gepostet:
    1) warum begehen 2 erwachsene Menschen einen Mord und werden dafür nicht bestraft?
    2) Warum müssen die Mörder ausgerechnet noch diesem sozialen Umfeld angehören? Also aus der ärmeren Schicht?


    Dass Mörder nicht erwischt werden und somit nicht nach dem weltlichen Gesetz bestraft werden, kommt m.M. nach ebenso auch heute noch vor, wie die Tatsache, dass Mörder aus der ärmeren Sicht stammen. Also für die Story an sich, kann man Zola m.M. nach keinen Vorwurf machen.


    Zur Zeit Zolas kam Darwins Lehre auf, durch die die kirchliche Vorstellung: Der Mensch stamme von Gott ab – unterlaufen wird und die neue Vorstellung: der Mensch stammt vom Tier (vom Affen ab) abgelöst wurde.


    Auch nach der kirchlichen Lehre, stammt der Mensch nicht von Gott ab, sondern wurde von Gott erschaffen und da nach der kirchlichen Lehre der Affe auch von Gott erschaffen wurde .....?
    Demnächst startet hier ein Bibelprojekt und da werden wir, hoffe ich, auch über die Frage diskutieren, ob der Widerspruch zwischen Darwin und der Kirche überwindbar ist. Vielleicht interessiert dich ja dieses Projekt.



    Deshalb habe ich mich gefragt, inwieweit hier auch das „Liebesleben“ der Tiere als Vergleich eine Rolle spielen konnte. Also könnte sich hieraus die Frage entwickeln: inwieweit unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch sein Handeln?
    Camille und Laurent interessieren sich für Therese und umgekehrt. Wenn 2 Tiermännchen um ein Tierweibchen streiten und 1 Tiermännchen dabei den Kampf verliert, dann geht das besiegte Männchen. Der Sieger bekommt keine Gewissensbisse, keine Schuldgefühlte. Bei Therese, Camille und Laurent sieht das aber anders aus. Obgleich beide tierische Leidenschaften haben, bekommen Therese und Laurent im Laufe der Zeit nach der Tat Schuldgefühle und Gewissensbisse. Darin unterscheidet sich der Mensch vom Tier: Er hat moralische Gefühle / Gewissen.
    ´


    Ja, sehe ich genauso.
    Ein Unterschied im Liebesleben von Tier und Mensch, wäre auch, dass sich das Tierweibchen nicht in den Streit der Rivalen einmischt. Und beim Tier fehlt die Heimtücke. Und der unterlegene Rivale wird nicht getötet.


    Gruß von Hubert


  • Hallo ihr Lieben!

    Zitat

    Auch nach der kirchlichen Lehre, stammt der Mensch nicht von Gott ab, sondern wurde von Gott erschaffen und da nach der kirchlichen Lehre der Affe auch von Gott erschaffen wurde .....?
    Demnächst startet hier ein Bibelprojekt und da werden wir, hoffe ich, auch über die Frage diskutieren, ob der Widerspruch zwischen Darwin und der Kirche überwindbar ist. Vielleicht interessiert dich ja dieses Projekt.


    Lest ihr da ein bestimmtes Buch Darwins? Woran orientiert ihr euch in eurer Diskussion? Klar habe ich Interesse.
    Ich schaue dann schon mal auf der Seite nach.


    Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Zitat von "Jana"

    Hallo ihr Lieben, könntet ihr bitte immer eine Kapitelangabe machen, wenn ihr Zitate bringt? Danke schön.


    Hallo Jana
    Hallo zusammen


    da fühl ich mich doch gleich angesprochen. :breitgrins:


    ich hoffe jedoch auf euer Verständnis, dass ich nicht immer konkrete Text/Kapitelangaben mache. Ich gehe nicht so analytisch an ein Buch heran, sondern eher meinem Gefühl und wie ein Buch auf mich wirkt.


    Es ist nicht generell meine Art Kapitelangabe wegzulassen, doch möchte ich auch nicht unter einem analytischen "Druck" kommen, das würde mir die Freude an einer Leserunde nehmen. Ich hoffe ich stoße jetzt nicht an unüberwindbare Differenzen und hoffe auch durch meine Eindrücke etwas zum gemeinsamen Lesen beitragen zu können.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,
    hallo Maria,


    ob jemand mit Zitaten seine Eindrücke belegt oder einen gefühlsmäßigen Eindruck wiedergibt, sollte m.M. nach jedem überlassen bleiben. Beides ist für das „Gemeinsame Lesen“ interessant. Je mehr verschiedene Herangehensweisen an ein Buch aufeinander treffen, desto spannender wird die Diskussion.


    Wenn ich Jana aber richtig verstanden habe, erwartet sie nicht, dass alle ihre Eindrücke mit Zitaten oder Kapitelangaben belegen, sondern nur, dass man wenn man zitiert, auch sagt, wo das Zitat steht. Da Du nicht zitiert hast, warst Du m.M. nach auch nicht angesprochen. Da ich Zitate auch gerne nachlese (manchmal bedeuten sie im Kontext gelesen, doch was anderes), halte ich den Hinweis von Jana durchaus für berechtigt.


    Also ich werde mich bemühen, bei Zitaten künftig, das Kapitel oder die Seite anzugeben, bitte aber um Nachsicht, wenn ich das mal vergesse. In diesem Zusammenhang wäre auch mal interessant zu wissen, wer welche Ausgabe liest (Jana und riff-raff, wenn ich richtig aufgepasst habe, lesen Reclam, Maria und Steffi??, ich habe verschiedene Ausgaben, könnte aber auch die Reclam-Seite nennen)?


    Liebe Grüße von Hubert


    PS:
    Jana hat gepostet:
    Lest ihr da ein bestimmtes Buch Darwins? Woran orientiert ihr euch in eurer Diskussion? Klar habe ich Interesse.
    Ich schaue dann schon mal auf der Seite nach.


    Wir orientieren uns an der Bibel. Wie weit die Diskussion bei den einzelnen Fragen geht, wird sich erst noch herausstellen. Es ist übrigens der folgende Lesevorschlag. Am besten wenn Du dich gleich als Interessent mit einträgst.


    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=715

  • Hallo!


    Zitat von "Steffi"

    [...] werden die Hauptpersonen immer mehr dem Druck ausgesetzt - mich erinnert das stark und intensiv an die Schauerromane oder E.A.Poe.


    Auch ich musste oft an E. A. Poe denken... In mehrerer seiner Kurzgeschichten tauchen Mörder auf, die glauben, das perfekte Verbrechen begangen zu haben, niemand würde sie als Täter je in Betracht ziehen und dann gehen sie hin und verraten sich selbst, weil sie dem seelischen Druck nicht standhalten können. Ein gutes Beispiel dafür ist "The Tell-Tale Heart" (dt.: "Das verräterische Herz"). Einen Unterschied zu Zola sehe ich eigentlich nur dahingehend, dass das Motiv bei Poes Figuren meist irrational ist, während in "Thérèse Raquin" der Mord das Ergebnis kühler Kalkulation und Berechnung darstellt; die daraus resultierenden Folgen hingegen fallen recht ähnlich aus.


    Da Poe als der bedeutendste Vertreter der amerikanischen Romantik gilt, bringt mich das auf eine Frage von Jana zurück:


    Zitat von "Jana"

    Wo finden sich die naturalistischen Elemente in dem Roman, wo gibt es noch romantische oder ?realistische? Elemente?


    Ein naturalistischer Roman muss ja nicht notgedrungen ein Verbrechen zum Inhalt haben, aber da es in "Thérèse Raquin" um Mord geht und hauptsächlich um die daraus resultierenden Folgen - "einer Art Mordhysterie" wie Zola das bezeichnet (Kap. XXII, Reclam S. 166) -, ... könnte man diese Beschäftigung mit der Nachtseite menschlicher Leidenschaften eventuell als "romantisch" bezeichnen? Ich denke da vor allem an die deutsche Spätromantik, hier gab es ja eine negativ-nihilistische, sogenannte 'schwarze' Romantik, welche Themen wie Wahnsinn, Paranoia, Verbrechenszwang usw. behandelte (vor allem E. T. A. Hoffmann). Die Geschichten sind natürlich nicht so in der Wirklichkeit verwurzelt wie bei Zola, oft spielen auch phantastische Elemente eine Rolle, aber... - ich weiss nicht, ist bloss so ein Gedanke...


    Gruss


    riff-raff


    P.S.: Hallo, Hubert!
    Wieso nennst Du dich „riff-raff“, wenn Du einen so schönen Namen wie Raffaele hast? Wärst Du mir sehr böse, wenn ich dich in Zukunft mit Deinem echten Namen anreden würde? - Nein, natürlich nicht... :smile: Ist mir übrigens erst später aufgefallen, dass viele in diesem Forum hier unter ihrem echten Namen schreiben, da hätte ich mir den Nick echt sparen können... Aber da es nun mal so gelaufen ist, denke ich, ich bleib dabei...

  • Hallo zusammen,


    den von Steffi und Raffaele erkannten Einfluß von Poe auf Zola kann man m.M. nach nicht leugnen. Neben dem schon erwähnten Tell-Tale Heart denke ich auch an Poes "The black cat", da ja auch bei "Thérèse Raquin", der Kater (Symbol des Gewissens?) keine unbedeutende Rolle spielt.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen !


    Zuerst mal möchte ich mich Maria anschließen:

    Zitat

    ch hoffe jedoch auf euer Verständnis, dass ich nicht immer konkrete Text/Kapitelangaben mache. Ich gehe nicht so analytisch an ein Buch heran, sondern eher meinem Gefühl und wie ein Buch auf mich wirkt.


    Ich werde mich bemühen, besser auf meine Angaben zu achten; ich lese die Taschenbuchausgabe von suhrkamp.


    Besonders beschäftigt mich auch der Aspekt zwischen Romantik und Naturalismus. Da ich kein Literaturtheoretiker bin, bewege ich mich da ein bißchen auf unsicherem Boden, trotzdem gibt es meiner Meinung nach öfters Anspielungen oder Hinweise auf diesen Gegensatz:


    Wie Maria schon beschrieben hat, Thérèse fängt nach der Tat, sie ist in Einklang mit sich selber, an zu lesen:
    Das Romanlesen eröffnete ihr romantische Gesichtswinkel, ... ( 16. Kapitel)


    Weiterhin gibt es im 16.Kapitel noch mehr Gegensätze: Thérèse geht von ihrer passiven Haltung zu aktiven Handlungen über ...sie trat gleichsam aus sich selber heraus und lebte nicht mehr dunmpf und widerstrebend und versunken in Haß und Rache ...
    und dann das schon von Maria angeführte Zitat:Sie wurde neugierig und schwatzhaft, mit einem Wort: sie wurde Weib; denn bis dahin hatte sie nur Mänenrgedanken gehegt und nur wie ein Mann gehandelt.


    Hier wird immer wieder der Gegensatz zur Realität sichtbar; gleichzeitig zeigt Zola auch den Gegensatz Romantik-Naturalismus, auf den er immer wieder anspielt.


    Jana schrieb:

    Zitat

    inwieweit unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch sein Handeln?


    Oder: Wieviel Anteil Tier ist im Mensch ? Läßt sich das Tier unterdrücken ? Soll es unterdrückt werden ? Ab wann wird Egoismus, z.B. auch bei den Donnerstagsbesuchern, die sich mit der gelähmten Frau Raquin wie vorher unterhalten, um ihre liebgewordenen Gewohnheiten nicht zu verlieren und sich dabei auch noch sehr gut vorkommen, zu Bedrohung der Gesellschaft/des Menschen?


    Ob es wirklich das schlechte Gewissen ist, das beide die schreckliche Schuld immer wieder erleben läßt ? Oder die Erkenntnis, dass sich im Prinzip an ihrem Leben nichts geändert hat ? Mir fällt es schwer, eine Erkenntnis zu suchen, ein Motiv, etwas das Zola uns mitteilen will. Momentan vermute ich, es gibt keine "Lehre", sondern "nur" einen Einblick in die dunkle Seite, wie Hubert schon geschrieben hat.


    Ist euch auch schon aufgefallen, dass, so schrecklich und eklig auch die Ereignisse sind und werden, eine Bewertung fast nie erfolgt ? Wäre das auch ein Kriterium für Naturalismus ?



    Gruß von Steffi

  • Hallo ihr Lieben,


    Zitat

    Wenn ich Jana aber richtig verstanden habe, erwartet sie nicht, dass alle ihre Eindrücke mit Zitaten oder Kapitelangaben belegen, sondern nur, dass man wenn man zitiert, auch sagt, wo das Zitat steht.


    Jap, Hubert! Du hast mich richtig verstanden. Dabei brauche ich nicht unbedingt die Seitenangaben, weil wir alle andere Ausgaben benutzen. Das Kapitel müsste als Orientierungspunkt reichen. Ich benutze, wie du richtig erkannt hast, die Reclam-Ausgabe.

    Zitat

    Nein, natürlich nicht... Ist mir übrigens erst später aufgefallen, dass viele in diesem Forum hier unter ihrem echten Namen schreiben, da hätte ich mir den Nick echt sparen können.


    Ist ja alles Geschmackssache mit den Nick. Mein Rufname lautet auch nicht Jana, sondern Anja.


    Liebe Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo zusammen !


    Ich habe gestern noch zu Ende gelesen. Nachdem Frau Raquin gelähmt ist und den gegenseitigen Schuldvorwürfen lauschen muß sowie später Thérèses Liebkosungen, wurde es für mich fast zu heftig. Eine schauerliche Vorstellung, aber auch hier kommt dann Frau Raquins Egoismus wieder zum Vorschein. Nur aus Rachegefühl möchte sie noch das Ende erleben.


    Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich von diesem letzten Viertel des Buches halten soll - es hat mir nicht so gut gefallen wie der Anfang, da es sich immer nur um Schuld/Rache usw. dreht. Auch die Schlußszene war mir dann doch zu romantisch ... :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    . Auch die Schlußszene war mir dann doch zu romantisch ... :zwinker:


    Hallo Steffi,


    kam der Schluß für Dich überraschend? Wäre ein anderer Schluß überhaupt denkbar gewesen? Welcher?


    Gruß von Hubert