Émile Zola, allgemein

  • Nun, wie Nanas eigentlicher "Charakter" ist, braucht man gar nicht zu fragen. Sie ist das Produkt ihrer Umgebung. Ob sie insgeheim von einer bürgerlichen Ehe träumt oder von einer ernsthaften künstlerischen Karriere, ist egal, denn sie hatte zu beidem nie die Chance. Die einzige Möglichkeit, zu überleben, war für sie, im wahrsten Wortsinn ihre Haut zum Markt zu tragen. Ihre Kindheit und Jugend wird ja im Totschläger geschildert, da gibt es nur eine Richtung, die sie gehen kann.

    Als ich oben schrieb, ich frage mich, ob es so etwas je gegeben hat, bezog ich mich auf die Einstellung der Männer gegenüber Nana. Die verlieren ja in ihrer Gegenwart buchstäblich den Verstand. Es gibt eine Szene, als sie in ihrer Wohnung ein Essen gibt und neben vielen anderen Gästen auch ein Bankier erscheint, vermutlich schwerreich. Sie sitzt neben ihm, und (ich zitiere aus dem Gedächtnis) bei jeder ihrer Bewegungen, wenn sie ihre Schulter oder ihren Brustansatz sehen lässt, "bietet er immer höhere Summen".

    Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Dass eine Frau keine andere Überlebensmöglichkeit hat als sich so anzubieten, wie Nana es tut, ist eine Sache, aber dass die Männer so vollkommen den Kopf verlieren und beim Essen, neben ihr sitzend, Gebote abgeben, das kommt mir sehr merkwürdig vor.


    Auch dieser Heiratsantrag von ihrem Verehrer Philippe - der weiß doch genau, was für ein Typ sie ist, und dann schlägt er ihr die Heirat vor, nachdem sie sein Geburtstagsgeschenk (und alle anderen auch) mutwillig kaputtgeschlagen hat. Gibt es solche Männer? Sowas gehört doch mit einem nassen Handtuch erschlagen.


    Aber ich hab ja keine Ahnung. Vielleicht ist das aus dem Leben gegriffen. Ich habe ein Buch über Zolas Arbeitsweise, weil mich das eine Zeitlang sehr interessiert hat. Da gibt es eine Menge Beispiele für seine Recherchearbeit. Er war ja auch ein Mann der Gesellschaft, vermutlich kannte er solche Typen.

  • Wir haben Zola in der Schule gelesen, das ist aber gut 50 Jahre her, seither habe ich ihn nicht mehr gelesen. Es warten fünf seiner Bücher auf dem Kindle, er gehört zu den Autoren, die ich - wie Proust - irgendwann nochmal lesen möchte.

  • Als ich oben schrieb, ich frage mich, ob es so etwas je gegeben hat, bezog ich mich auf die Einstellung der Männer gegenüber Nana. Die verlieren ja in ihrer Gegenwart buchstäblich den Verstand. Es gibt eine Szene, als sie in ihrer Wohnung ein Essen gibt und neben vielen anderen Gästen auch ein Bankier erscheint, vermutlich schwerreich. Sie sitzt neben ihm, und (ich zitiere aus dem Gedächtnis) bei jeder ihrer Bewegungen, wenn sie ihre Schulter oder ihren Brustansatz sehen lässt, "bietet er immer höhere Summen".

    Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Dass eine Frau keine andere Überlebensmöglichkeit hat als sich so anzubieten, wie Nana es tut, ist eine Sache, aber dass die Männer so vollkommen den Kopf verlieren und beim Essen, neben ihr sitzend, Gebote abgeben, das kommt mir sehr merkwürdig vor.


    Auch dieser Heiratsantrag von ihrem Verehrer Philippe - der weiß doch genau, was für ein Typ sie ist, und dann schlägt er ihr die Heirat vor, nachdem sie sein Geburtstagsgeschenk (und alle anderen auch) mutwillig kaputtgeschlagen hat. Gibt es solche Männer? Sowas gehört doch mit einem nassen Handtuch erschlagen.


    Aber ich hab ja keine Ahnung. Vielleicht ist das aus dem Leben gegriffen. Ich habe ein Buch über Zolas Arbeitsweise, weil mich das eine Zeitlang sehr interessiert hat. Da gibt es eine Menge Beispiele für seine Recherchearbeit. Er war ja auch ein Mann der Gesellschaft, vermutlich kannte er solche Typen.

    Auch wenn wir uns hier in der Literatur bewegen, und nicht im realen Leben, ausnahmsweise was aus dem realen Leben.

    Antwort eines Mannes an eine Frau.


    Aus meiner Sicht, und wie ich mich und meine Mitmänner einschätze:

    klar kann es das geben.

    Ich meine den Mechanismus des Verfallenseins.

    Und ich nehme an, dass es auch zu sowas führen kann, wie Monsieur Zola es beschreibt.

    Insbesondere wenn man, wie bei einem Teil der hier Beschriebenen (Philippe gehört nicht dazu), das nötige Kleingeld hat.


    Ob das reale Vorbilder hatte, weiß ich nicht.


    Selbstredend sind nicht alle in dem Ausmaß so, ich bin das auch nicht.

    (Und hätte ich so viel Kleingeld, würde ich es in eine größere Wohnung, mehr Regale, mehr Bücher investieren.)

    Den Kopf ein bisschen verlieren, das aber ist ab und an schon möglich.

    Und zwar, wie ich von Mitmännern weiß, altersunabhängig.


    Ob sowas erschlagen gehört (und warum mit einem nassen Handtuch), weiß ich auch nicht.

    Sichern solche Männer doch Nana ihr Auskommen.


    Ich habe die Theorie, die ich aber nicht belegen kann, dass Zola in Nana so ein bisschen die eigenen (Sehn-)Süchte hineingelegt hat.

    Ganz naturalistisch :saint:


    Selbstredend würde ich, als Romanperson, der Romanperson Nana nicht verfallen.

    So wie die beschrieben wird ...


    (Fortsetzung folgt. Deine Frage passt gut zu einigem, das ich am notieren bin.)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Zitat

    Ob sowas erschlagen gehört (und warum mit einem nassen Handtuch), weiß ich auch nicht.

    Das war eine der Lieblingsredensarten meines 2007 verstorbenen Papas, und ich bringe sie an, wo ich Gelegenheit habe.
    Komischerweise wurde mir das eben erst klar, als ich nachdachte, warum ich diesen Spruch benutze und was er bedeuten könnte. ^^