Henry Beston - Das Haus am Rand der Welt

  • Henry Beston ist Jahrgang 1888, er war Schriftsteller und Naturforscher. Er studierte, war Unilehrer und während des Ersten Weltkriegs diente er als Krankenwagenfahrer. 1918 wurde er Pressevertreter der US Navy und war zu der Zeit der erste amerikanische Kriegskorrespondent. Nach dem Krieg schrieb er Märchen, heiratete Elizabeth Coatsworth, die auch Kinderliteratur schrieb, und bekam zwei Töchter.

    Henry Beston war von den Erlebnissen während des Krieges so erschüttert, dass er sich zurückziehen wollte. Er verbrachte ein Jahr in der Natur von Cape Cod, am Außenstrand von Eastham: "Die Natur ist Teil unserer Menschlichkeit, und ohne ein Bewusstsein für dieses göttliche Geheimnis hört der Mensch auf, Mensch zu sein", schrieb er.


    Beston gilt als einer der Väter der modernen Umweltbewegung und war Motor für die Gründung der Cape Cod National Seashore.


    1928 erschien dieses Buch, in dem er über dieses Jahr schrieb. Das Haus, in dem Beston während dieses Jahres lebte und von ihm "das Fo'castle" genannt wurde, wurde im späten Frühjahr 1925 vom Eastham-Zimmermann Harvey Moore gebaut.


    Ich mag ja maritime Geschichten, und der Autor hat mich schon mit seinem ersten Satz gehabt, wie man so schön sagt:


    Östlich der Küste Nordamerikas und ihr vorgelagert, etwa dreißig Meilen und mehr vom Gestade Massachusetts entfernt, erhebt sich aus dem offenen Atlantik der verbliebene Rest eines alten und untergegangenen Landes.


    Und so folgt Seite für Seite, aus denen ich Zitate rausschreiben könnte. Wie zum Beispiel die Passage, in der er über die Geräusche des Meeres, der Brandung erzählt und ich kann mich einfach nicht satt lesen. Er selbst schreibt, dass er zu seiner Zeit noch nie etwas darüber gelesen hat. Ich habe es bis heute nicht und habe es wie gebannt gelesen.


    So ganz einsam war er nicht. In der Nähe waren Leute vom Küstenschutz und er hatte viel zu beobachten. Er erzählt auch von Schiffsunglücken, bei den man damals noch nicht helfen konnte, wie es heute der Fall ist. Oftmals blieb den Menschen am Strand nichts weiter übrig, als zuzuschauen und später das angeschwemmte Holz zu sammeln.


    Als sein Jahr zu Ende geht, kommt noch ein kleiner Bericht über die Vogelwelt, der sich wunderbar liest.

  • Klingt so, als würde der Autor ein wenig in der Tradition von Thoreaus "Walden" stehen.

    Natürlich steht jedes 'nature writing' - und nun gar das US-amerikanische! - in der Tradition bzw. im Schatten von Walden. Aber, um einmal mich selber zu zitieren:


    Das Haus am Rand der Welt ist auch anders als Thoreau. Während dieser seiner Naturbeschreibung in Walden immer wieder moralische oder politische Reflexionen beimischt, enthält sich Beston dessen und beobachtet und schildert einfach. Er ist sozusagen das Auge oder die Kamera, die die Bilder aufnehmen und dem Leser / Zuschauer weitergeben. Der Kommentator aus dem Off, den Thoreau in Walden immer wieder gerne spielt, fehlt. Beston schildert einfach ein Jahr im Leben der Tiere und Pflanzen am äussersten Rand von Cape Code, einer Halbinsel, die den östlichsten Zipfel des US-Bundesstaats Massachusetts ausmacht. [...] Beston gibt auch – anders als Thoreau – ganz offen zu, dass er dort nicht völlig einsam und autark lebte: Er fuhr des öfteren in die nächstgelegene Stadt, um Lebensmittel einzukaufen, und stand auch in Kontakt mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer und vor allem mit den Männern der Küstenwache, die regelmässig am Strand patrouillierten. Aber diese Kontakte mit Menschen treten in den Hintergrund vor der Schilderung der Natur.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus