Hier kann zu den Kapiteln 16 - 38 des zweiten Buches geschrieben werden.
Musil - MoE 2, 16 - 38
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finsbury
Hat den Titel des Themas von „MoE 2, 16 - 38“ zu „Musil - MoE 2, 16 - 38“ geändert. -
Ulrich begegnet in Kapitel 16 zunächst Tuzzi in dessen Villa, der ihn fragt, was er sich unter einer Seele vorstelle und warum dem gesunden Menschenverstand nichts mehr zugetraut werde. Diesen Eindruck gewinne er aus Arnheims Büchern und Diotimas Gesprächen. Nur der liebende Mensch sei in der Lage, die geliebte andere Seele zu erblicken, ohne dabei die normalen Formen der Wahrnehmung benutzen zu müssen, und unsere Zeit sei eine der erwachenden Seelen.
Ulrich versucht ihm zu erklären, dass Arnheim hier Ideen von Maurice Maeterlinck und anderen zusammenbringe und verwerte und erklärt diese: Umwelteinflüsse wirken auf uns ein und werden in der Regel wieder in Form von Äußerungen oder Taten abgeleitet. Aber das ist kein direkter Hin- und Rückprozess, sondern es könnten sich durch besondere Erfahrungen wie z.B. Liebe Stauungen in der Verarbeitung der Wahrnehmungen bilden, so dass das Ganze erstmal verarbeitet und verdaut wird, was dann dem Bewusstsein vorgaukelt, etwas Höheres zu sein, eine Seele zu haben. Trotz dieser halb satirischen Erklärungen nimmt Ulrich heimlich für sich in Anspruch, in Bezug auf die Gespräche mit seiner Schwester ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Tuzzi ist das alles zu hoch und als Realpolitiker, der er ist, schimpft er darüber, dass solch eine Denkweise eher das politische Handeln erschwere, zum Beispiel bei Hofe, indem man dort den Beitritt Kakaniens zur Entente Cordiale aufgrund von Befindlichkeiten ablehne, obwohl diese den Staat vor kriegerischen Eingriffen schütze und gleichzeitig dem deutschen Staat gegenüber eine neue Machtposition ermöglichen würde. Da fragt man sich wirklich, ob so etwas gegen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs geholfen hätte. Das könnte einerseits gut sein, weil die Russen dann den Österreichern verpflichtet gewesen wären und das die Kriegserklärung gegen Serbien nach dem Mord von Sarajewo bzw. den russischen Eintritt für Serbien vielleicht geändert hätte. Aber hätte hätte Fahrradkette…
Gegen Ende erwähnt Tuzzi noch, dass man Ulrich zwar im Konzil nicht besonders schätze, aber Angst vor seinem Einfluss auf Leinsdorf habe.Rachel kommt und bittet Ulrich nun zu Diotima, die sich mit Menstruationsbeschwerden in ihr Zimmer zurückgezogen hat. Ulrich nimmt zu Beginn des Gesprächs in Kapitel 17 an, sie sei schwanger, weiß aber bald aufgrund der distanzierenden Äußerungen seiner Cousine bezüglich ihrer Beziehung zu Arnheim, dass dem so nicht ist. Diotima rückt nun sowohl von der Idee der Seele als Grundlage einer Idee zur Paralell-Aktion als auch von der Verwirklichung ihrer Liebe zu Arnheim ab und will ihre Ehe wieder etwas beleben, zu welchem Zwecke sie Bücher zur Physio- und Psychologie der Ehe studiert. Cousin und Cousine kommen sich recht nahe in der Dämmerung des Zimmers, da sie sich beide in einem Zustand der Schwäche befinden. Es kommt aber zu keinen Weiterungen, da Rachel im entscheidenden Moment das Licht anmacht. Das Gespräch endet mit einigen frechen Bemerkungen über Bonadea und der Feststellung Ulrichs, dass alle Männer, die zu Diotima in Beziehung stehen, ihm einen Sekretär zuteilen wollen, äußerlich als Hilfestellung, gemeint aber als Möglichkeit der Spionage auch gegenüber Diotima.
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Kapitel 18: Am nächsten Tag möchte Ulrich seiner Schwester einen Brief schreiben, um möglicherweise den von ihr beabsichtigten Erbschaftsbetrug an ihrem Mann noch zu stoppen. Aber nicht nur das Problem, dass er über ein solches kriminelles Thema in einem von der Post zu transportierenden Dokument schreiben würde, hält ihn schließlich davon ab, sondern auch schon seine oft erörterte Indifferenz gegenüber der Zeitmoral, die ständig oszilliert und der eigentlichen Wertelosigkeit seiner Zeit. Er sieht – wie Nietzsche - keine Möglichkeit, dass ein neues Wertesystem etabliert werden kann, aber er fühlt – und nimmt das für die meisten Menschen an - eine Sehnsucht nach einer neuen Orientierung, so eine Art Anstatt-Religion, die sich nicht aus dem Wissen speist, sondern aus etwas Spirituellem, was auch immer das sein soll. In diesem Zusammenhang erscheint ihm das Vorhaben seiner Schwester als etwas, in das er nicht eingreifen sollte, sondern geschehen lassen sollte, was geschieht. Er erhält einen Anruf von Walter, der ihn um Hilfe bittet, und zerreißt den Brief, bevor er zu seinen Jugendfreunden aufbricht.
Kapitel 19: Hier gibt es eine kleine Rückblende. Vor dem Anruf von Walter sitzen dieser, Clarisse und Meingast bei einem gesunden Abendimbiss zusammen. Außerdem ist Clarisses Bruder Siegmund da, der ihr mitteilen will, dass der Trick, mit dem Clarisse Einlass in das „Irrenhaus“, das Moosbrugger beherbergt, bekommen sollte, nicht funktioniert. Nun solle stattdessen Meingast versuchen, ob er als Ausländer eine Besuchserlaubnis bekomme. Dieser nimmt dies zum Anlass, Clarisses Wunsch zu untersuchen, ihn auf die Begegnung mit dem Exhibitionisten zurückzuführen, der Clarisse aus dem Gleichgewicht gebracht hätte und überhaupt ihre ganzen Exentrizitäten darauf zurückzuführen, dass Clarisse intuitiv die Störungen und die Ziellosigkeit der Zeit spüre und darauf heftig reagiere, insofern als eine Art mediale Führungspersönlichkeit anzusehen sei. Walter ist davon ziemlich angenervt, ohne dies offen zu zeigen. Clarisse dagegen ist begeistert, was ihr für eine Rolle zugewiesen wird. Da Meingast jedoch ablehnt, die Besuchserlaubnis einzuholen, setzt man die letzte Hoffnung auf Ulrich und seine Beziehungen zu Leinsdorf und dem Konzil. Deshalb der Anruf in dem vorhergehenden Kapitel. Ulrich erklärt sich bereit, die Aufgabe zu übernehmen.
Es ist schon interessant, dass die Frauen in diesem Roman immer die emotionalen, spontanen, wovon auch immer gesteuerte, Führungsrollen übernehmen, während die Männer von ihrer „Überintellektualität“ zurückgehalten werden.
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Wegen der Erlaubnis für Clarisses Besuch bei Moosbrugger geht Ulrich in Kapitel 20 zu Leinsdorf. Der freut sich, Ulrich zu sehen und bequasselt ihn erstmal. Er ist verärgert, dass der Innenminister nicht härter gegen die deutschnationalen Demonstranten (I,120) vorgegangen ist und ihnen nicht erklärt hat, wie wenig staatsdienlich ihre Aktion war. Dazu liest er Ulrich den Anfang eines Aufsatzes vor, den er gerade verfasst und der seine Meinung zu den jetzigen Erfordernissen der Staatsraison darlegt. Danach erläutert er einige seiner Gedanken. Hier wird es wieder schön satirisch. Bis auf den Feudaladel, zu dem Leinsdorf selbst gehört und der für ihn immer noch der Bildungsträger ist (weil die Adeligen wissen, dass man die Sauce nicht mit dem Messer isst ;-)) bekommen alle Stände ihr Fett weg, und Leinsdorf findet für einige Problem sehr interessante Lösungen. So sollen die Juden, die er grundsätzlich schätzt, wieder ihre ursprünglichen Namen annehmen, Hebräisch sprechen und in Kaftanen, die ruhig kostbar sein dürfen, einhergehen, dann würden sie mehr geachtet und wären eifrige Unterstützer der kakanischen Monarchie. Der alte Kaiser sei außerdem eigentlich ein Sozialist, weil ihm die verschiedenen Nationalitäten in seinem Kaiserreich alle gleich wert seien (!), und deshalb sei Leinsdorf auch dafür, die Monarchie mit Sozialdemokratie zu kombinieren. Am Ende hat er Ulrich dusselig gequatscht und überrumpelt ihn damit, dass er dessen Rücktrittsgesuch des Generalsekretärs der Parallelaktion ablehnt und ihn weiterhin dazu verpflichtet. Dabei dürfe er auch einen Sekretär von Tuzzis Gnaden zu seiner Entlastung annehmen. Da der Graf gnädig Clarisses Besuch bei Moosbrugger unterstützen will, bleibt Ulrich keine Wahl, als in sein Amt zunächst einmal zurückzukehren.
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Die Kapitel, wo es um Agathes Art des Denkens und Fühlens geht, wie auch das Kapitel 21, verstehe ich einfach nicht. Ulrichs Ausführungen sind ja schon immer anstrengen, aber zumindest oberflächlich immer ganz gut nachzuvollziehen in ihrer Bipolarität, die aber wenigstens benennbar ist, aber Agathe … .Wir sind wieder bei Agathe und den letzten Tagen im Vaterhaus, bevor alles abgewickelt ist und sie zu Ulrich übersiedelt. Es geht wieder um ihre besondere Art, die Umwelt wahrzunehmen und sich Ulrichs Gedanken zu eigen zu machen, indem sie diese nicht v e r s t e h t, sondern eher a s s i m i l i e r t und sich dadurch gestärkt und glücklich fühlt. Sie betrachtet ihren nackten Körper auf dem Höhepunkt seiner Schönheit und wird von Gedanken an die Vergänglichkeit verfolgt. Deshalb holt sie eine Kapsel mit Gift, die sie sich einmal illegal besorgt hat und die ihr immer die Möglichkeit eines letzten Auswegs bieten soll. Aber im Moment ist das nur eine abstrakte Möglichkeit. Den Testamentsbetrug hat sie vollzogen und ist nun etwas besorgt, dass irgendein Dokument, auf dem sie die väterliche Handschrift geübt hat, noch im Haushalt verblieben sein könnte. Als letzte Aktion steckt sie die andere Kapsel mit dem Bildnis ihres ersten Mannes in eine der verbleibenden Kisten mit Geschirr und anderem, wohl um sich von diesem Abschnitt und der dazu noch bestehenden emotionalen Verbindung endgültig zu befreien.
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In Kapitel 22 befindet sich Ulrich auf dem Rückweg von Leinsdorf nach Hause, streift durch die Stadt, bekommt durch den Anblick einer Buchhandlung das Thema „Sinn von Literatur“ in den Kopf und begegnet einer Astronomin auf dem Weg in die Berge. Er fährt mit ihr ein paar Stationen mit der Straßenbahn, und sie unterhalten sich über die Beziehung des Menschen zur Natur und über den Sinn des Lesens. Natürlich findet Ulrich mal wieder die Gedanken seiner Gesprächspartnerin darüber viel zu flach und spürt weiterhin dem Sinn des Lebens in dieser sinnlosen Zeit hinterher, in der er auch der Literatur und aller Kunst eigentlich keine Sinnhaftigkeit zugeben will, weil sie ja nur schon nicht richtig erkannte Gefühle der Schaffenden spiegelt, also in doppeltem Sinne von der eigentlichen tiefen Empfindung entfremdet ist. Er denkt an die Gespräche mit seiner Schwester, in denen er sich wirklich einmal nicht entfremdet gefühlt hat, was ihn auf ihr illegales Vorhaben mit dem Testament lenkt. Da er nicht reagiert hat, ist es ihm persönlich innerlich egal, ob Agathe den Betrug durchgeführt hat. Das Thema, ob man den Schwager dafür entschädigen solle, entspringt wieder und führt hin zu seiner Beschäftigung mit Moral. Auch für diese Handlungsweise gibt es kein unabhängiges Prinzip. Er bekommt nach dem Theoretisieren Lust, sich in den Tand der Schaufensterpräsentationen zu vertiefen und die angenehmen Formen des Zierrats zu genießen, aber auch das führt ihn wieder dazu zurück, die Strenge seiner nicht vorhandenen Einstellung zu überprüfen. Man könnte Ulrich einen unglücklichen Nihilisten nennen, der das eigentlich nicht sein will, aber einfach nichts findet, was ihm Halt geben kann. Er denkt auch darüber nach, ob seine Beziehung zu seiner Schwester ihm Halt geben kann und bezweifelt das. Am Ende steigt er einer Frau nach und trifft, gerade als er das Interesse an ihr verloren hat, Bonadea.
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Bonadea besucht Ulrich kurze Zeit später in Kapitel 23. Auf seine Kritik, dass sie sich an Diotima herangemacht und ihr Verhältnis verraten habe, erklärt sie ihm, dass Diotima sie als Vertraute erwählt habe, um ihre Ehe aufzuwerten, insbesondere in erotisch-sexueller Hinsicht. Diotima hatte sich ja dazu entschlossen, anstatt ein Verhältnis mit Arnheim anzufangen. Nun wird sehr schön die zeitgenössische Literatur zur Physiologie der Frau durch den Kakao gezogen. Da musste ich erstmal googeln. 19oo veröffentlichte der Arzt Paul Julius Möbius das Werk „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“, in dem er behauptet, dass die Frau aufgrund ihres geringeren Gehirnumfangs und der hormonellen Steuerung niemals die intellektuellen Standards des Mannes erreichen könne. Eine andere Autorin behauptete dagegen, dass die Männer vor intellektuell gleichwertigen Partnerinnen solche Angst hätten, dass sie bei ihnen sexuell versagen würden. Diese Meinung hat sich nun Diotima zu eigen gemacht, dass Tuzzi von ihrer hohen seelisch- moralischen Reife so geflasht wäre, dass er nicht zu befriedigenden Ergebnissen im Ehebett komme. Deshalb trainiert sie jetzt ihre erotische Ausstrahlung, um ihm entgegenzukommen. Über dieser spöttischen Erzählung kommt es wieder zum erotischen Knistern zwischen Bonadea und Ulrich mit den entsprechenden Folgen, dem Beischlaf und der nachgehenden Enttäuschung für beide. Ulrich berichtet Bonadea, dass jetzt seine Schwester dauerhaft bei ihm wohnen würde und ihr Verhältnis deshalb nicht fortgesetzt werden könne. Bonadea verdächtigt ihn eines Verhältnisses mit seiner Schwester, findet es allerdings viel unmoralischer, als er das abstreitet und meint, er wolle jetzt zu allen Frauen nur noch ein geschwisterliches Verhältnis haben.
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Nun trifft Agathe in Kapitel 24 endlich in Ulrichs Villa ein, und ihm wird durch ihre Augen bewusst, wie beliebig seine Einrichtung ist. Da er wenig vorbereitet und im Moment ohne Aufwartung ist, hilft er Agathe, sich bei ihm einzurichten. Ihre gegenseitige Zuneigung und die jetzige und künftige Nähe ist beiden bewusst und bestimmt ihre Gesprächsthemen. Ulrich meint, er müsse sich jetzt mehr disziplinieren und sein Leben ordnen, Agathe scheint ihm ein Angelpunkt zu sein, er ist jetzt nicht mehr allein für sich verantwortlich. Diese wiederum muss sich nun überlegen, wie sie sich in den Alltäglichkeiten des Lebens mit ihm arrangiert, wenn man sich das Badezimmer teilt und kein Dienstmädchen beim Ankleiden hilft. Zum Ende des Kapitels findet Ulrich eine ungewöhnliche Bezeichnung für das ihm neue Gefühl gegenüber seiner Schwester: „Du bist meine Eigenliebe.“ Die hatte ihm bisher – wie bestimmte Eigenschaften – gefehlt.
Kapitel 25 dient weiterhin der Analyse der Gefühle der Geschwister zueinander. Ulrich monologisiert wieder über seine Orientierungslosigkeit, die er nun mit dem Desillusionierungsprozess vom Kind zum Erwachsenen verknüpft. Die Sinnhaftigkeit und Anziehungskraft, die ein Kind ohne Nachdenken allem Geschehen unterstellt und entgegenbringt, verliert sich in der Pubertät, wo sich die Anziehungskraft mit dem Geschlechtlichen verbindet. Agathe knüpft nach einer Abwertung ihres eigenen Geschlechts („Sie sind lächerliche Schmarotzer“) an die bekannte Allegorie von Platon an, wo die Menschen mit Kugeln verglichen werden, die ihre eine Hälfte verloren haben und nach der sie sich ein Leben lang sehnen. Geschwister müssten eigentlich halbwegs ihre andere Hälfte schon gefunden haben, besonders wenn sie verschiedenen Geschlechtes und Zwillinge seien. Diese Metapher spielen sie bis zu den Siamesischen Zwillingen durch, die sich so nahe sind, weil sie nach Ulrichs Vorstellung nicht nur die körperlichen, sondern auch die psychischen Prozesse miteinander teilen. -
In Kapitel 26 kehren wir zu Clarisse und Walter zurück. Durch Meingasts positive Unterstützung ihrer extremen Forderungen nach einem schrankenlosen Gewissen und Willen, der zwar auf kein konkretes Ziel gerichtet ist, sie aber auf einer starken Strömung trägt, fühlt sie sich trotz Ulrichs Abwehr ihrer Annäherung zwecks Kinderzeugung stark und gut gelaunt. Diese Stärke glaubt sie auch an Walter weitergeben zu können. Dieser verteidigt einerseits Clarisse gegenüber Dritten wie ihrem Bruder Siegmund, der bei den beiden im Garten arbeitet, ist aber andererseits immer noch in Angst, dass Clarisses massive Überreizung und manische Fixierung auf Moosbrugger auf eine psychiatrische Erkrankung zurückzuführen sind. Ambivalent ist ebenfalls seine Haltung gegenüber Clarisses Beziehung zu Meingast. Er ist eifersüchtig, weil er meint, dass Clarisse erotisch an dem Philosophen interessiert ist, hat aber auch Angst, dass dieser Clarisses Avancen zurückweisen könnte, weil dadurch seine Ehefrau nicht genügend wertgeschätzt würde. Aber zwischen Clarisse und Meingast spielt sich ganz Anderes ab. Sie kommen zwar auf das Thema Sexualität, aber nur weil Clarisse ihrem Gast erklärt, dass sie keine normale sexuelle Lust empfinden wolle, da diese verhindere, dass man die alles umfassende Lust am Sein spüren könne. Aus ihren weiteren Ausführungen entnimmt Meingast, dass Walter seine Frau eher so liebe, wie Männer es mit Männern tun, was ihn erregt, denn er hat selbst vor kurzem seine Homosexualität entdeckt und empfängt seitdem Jungen und Männer, wenn er meint, dass seine Gastgeber nicht zu Hause sind. Genau dies aber hat Clarisse mitbekommen, allerdings glaubt sie, dass er mit diesen Treffen eine große geheime Unternehmung plane. Meingast ist erschrocken, da er sein Geheimnis entlarvt sieht und entzieht sich ihr. Walter beobachtet ihr Gespräch, was wiederum Siegmund, seinem Schwager und Arzt, nicht entgeht, der ihm empfiehlt, Clarisse einfach durch die ehelichen Pflichten und Kinder von ihrer überreizten Wahrnehmungsverzerrung und möglichen erotischen Seitensprüngen zu befreien.
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General Stumm besucht Ulrich im 27. Kapitel, und damit ist Agathe für die Gesellschaft entdeckt. Ulrich beschreibt, eher satirisch gemeint, sein Verhältnis zu seiner Schwester als das siamesischer Zwillinge und Stumm macht diesen Begriff zum Schlagwort für die beiden. Agathe kommt aufgrund ihrer Schönheit, Anmut und sicheren Etikette in der Gesellschaft gut an und wird auch von Diotima nach deren anfänglicher Irritation aufgrund ihres überraschenden Auftauchens bald gefördert. Ulrichs Schwester dagegen betrachtet Diotima ganz wohlwollend distanziert: „Sie bestaunte Diotima mit der gleichen Arglosigkeit, wie sie eine riesige Elektrizitätsanlage bestaunt hätte, in deren unverständliches Geschäft, Licht zu verbreiten, man sich nicht einmengt.“ Ist das nicht wieder herrlich treffend ausgedrückt?!
Kapitel 28 zeigt Ulrichs Villa, die von ihrer Aufteilung her nicht für zwei Personen, die unterschiedlichen Geschlechts, aber kein Ehepaar sind, geeignet ist, so dass sich Ulrich, auch durch das Fehlen einer Kammerzofe, ständig mit den weiblichen Gegenständen und schmückenden Accessoires konfrontiert sieht und seine Schwester in verschiedenen Stadien des Ankleidens begleitet. Für ihn selbst erstaunlich ist ihm dieser Umgang mit Tand und modischen „Notwendigkeiten“ aber nicht lästig, sondern erfreut ihn sogar. Beide kreisen immer noch darum, was sie eigentlich für ein Verhältnis zueinander haben, dass es Liebe ist, ist ihnen klar, aber wie diese sich entfalten soll, nicht. Die Geschwister reagieren darauf unterschiedlich, Ulrich wieder durch analysierendes Hinterfragen, Agathe durch Abwarten und kleine Bemerkungen oder Gesten. Der Bruder will für sie einen neuen, besseren Mann als Hagauer suchen, aber fühlt sich entschieden befremdet dadurch, wie sicher Agathe sich auf dem Markt der Partnerwahl bewegt und wie gut sie dort ankommt.
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Kapitel 29 bringt wieder Agathes Mann, Professor Hagauer, ins Spiel. Nach einer ganzen Weile, in der er durch berufliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Obliegenheiten abgelenkt gewesen ist, fällt ihm auf, dass seine Gattin eine viel zu lange Zeit von zu Hause wegbleibt. Er schickt Agathe Karten, um sie darauf hinzuweisen und den Grund zu erfragen, bekommt aber keine Antwort. Stattdessen erhält er nach einiger Zeit (wohl als Agathe zu Ulrich gezogen ist) von seinem Schwager einen Brief, in dem dieser ihm mitteilt, dass seine Frau nicht zu ihm zurückkehren würde und die Scheidung wolle. Hagauer schreibt empört zurück, erhält aber nur wieder einen Brief gleichen Inhalts. Nun schickt er seiner Frau einen Brief, in dem er ihr mitteilt, dass er sie für nicht ganz zurechnungsfähig hält, weil sie das Leben mit ihm, der keinen Fehler bei sich finden kann, ablehnt und fordert sie auf, zu ihm zurückzukehren, wobei er am Ende auch auf die Verantwortung gegenüber dem gemeinsamen väterlichen Erbe anspielt.
Dies veranlasst in Kapitel 30 Agathe, Ulrich den Brief zu zeigen. Sie fühlt sich tief getroffen von Hagauers Beschreibung ihrer geistigen Situation und ist geneigt, ihm zuzustimmen. Anstatt dass Ulrich sie nun tröstet und dagegen argumentiert, stimmt er in Teilen Hagauers Argumentation zu, indem er sie auf die Testamentsfälschung – von der der Schwager ja wohl noch nichts weiß – bezieht. Wie immer verallgemeinert Ulrich seine Unterstellung als typisch für ein Zeitalter, das einen Umbruch moralischen Denkens zu bewältigen hätte, aber gerade diese Abstraktion stößt Agathe eher ab, als hilfreich zu sein. Wie man nun die Fälschung vor Hagauer rechtfertigen könne, was eigentlich das Ziel des Gespräches war, wird nicht konkretisiert, und schließlich verlässt Agathe entnervt und am Boden zerstört das Haus, ohne Ulrich ihr Ziel zu nennen.
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Kapitel 31 begleitet Agathe auf ihrem Weg aus Wien ins umliegende Hügelland. Ihr Wunsch, möglichst viel Distanz zwischen sich und Ulrich zu bringen, weil sie sich von ihm zutiefst verletzt fühlt, verändert sich immer mehr zu dem Wunsch, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sowohl Hagauers Brief als auch Ulrichs unempathische Reaktion darauf, seine Kritik an ihrem Verhalten, vor allem dass er sich nicht um sie als Person kümmert, sondern alles ins Allgemeine zieht, haben sie tief erschüttert und ihr Selbstbewusstsein auf Null zurückgefahren. Auf einer Anhöhe sinkt sie am Grab eines Dichters nieder und kommt dabei aber langsam zu sich, als sie ein Herr anspricht. Dieser vermutet, dass sie sich in einer tiefen persönlichen Krise befindet und versucht, ihr Halt zu geben, indem er sie von sich selbst ab- und zu einem tätigen, wertvollen Leben hinlenken will. Das erregt Agathes Widerspruchsgeist und unterstützt ihre wieder erwachende Lebenslust. Sie wehrt sich dagegen, von diesem Herrn Lindner, Gymnasiallehrer und Witwer mit einem Sohn, gedeutet zu werden, hat aber Spaß an der Auseinandersetzung mit ihm. Sie gibt sich als Ulrichs Schwester und Hagauers Gattin zu erkennen; Beide kennt Lindner, sieht sie aber eher als geistige Gegner, da er eine konservative Gesinnung mit entsprechendem Lebensstil pflegt. Agathe lädt ihn zu sich ein, als er das nicht annehmen will, kündigt sie ihm an, ihn zu besuchen, was er skandalös findet. Agathe aber besteht darauf und fühlt sich durch diese Begegnung erfrischt und getröstet.
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Immer wenn der General Stumm auftaucht, kann man sich auf ein humorvoll-satirisches Kapitel freuen. So ist er zu meiner Lieblingsgestalt in diesem Roman geworden. Kapitel 32 führt also den General überraschend und in voller Paradeuniform in Ulrichs Heim, zu dem Agathe noch nicht zurückgekehrt ist. Der General hatte sich auf Ulrichs Anfrage bereit erklärt, einen Besuch in der psychiatrischen Anstalt, die auch Moosbrugger beherbergt, zu arrangieren, und nun kurzfristig eine Einladung für die allernächste Stunde erhalten, obwohl er eigentlich bereits in Galaausstattung für die Audienz bei seinem Chef auf dem Sprung ist. Stumm teilt Ulrich mit, dass er ihn unbedingt über neue Entwicklungen hinsichtlich der Parallelaktion unterrichten müsse, bei deren Planung demnächst etwas geschehen müsse. Die beiden holen die aufgeregte Clarisse und ihren Bruder Siegmund ab und werden nach Ausgabe von weißen Arztmänteln (die sich Stumm über seine Galauniform und –sporen zieht und dementsprechend aussieht) über eine weitläufige Anlage geführt und dabei mit verschiedenen Abteilungen von Geisteskranken konfrontiert. Während der General trotzdem versucht, Ulrich über die kommende Sitzung zu informieren, fühlt sich Clarisse aufs höchste gereizt, kommt sich vor wie „zwischen Philosophie und Ehebruch“. Aber wenn sie auch heimlich denkt, dass die Ärzte die Patienten falsch behandeln, muss sie dennoch unangenehme Erlebnisse auf sich nehmen, als sie ihrerseits Kontakt aufnehmen will. Auch hier begegnet ihr ein Exhibitionist, der sich vor ihr entblößt, andererseits kann sie einen feindseligen Mörder eine freundliche gesellschaftliche Phrase entlocken. Aber bevor sie endlich zu Moosbrugger vordringen, wird der sie führende Arzt zu einem wichtigen Fall abberufen.
In den folgenden Kapiteln, beginnend mit Kapitel 34 befinden wir uns wieder vor und auf einer Sitzung im Hause Tuzzis und Diotimas. Letztere hat ja eigentlich das Interesse daran verloren, seit sie sich mit den Sexualwissenschaften und der Paartherapie beschäftigt, wird aber von Leinsdorf dringend dazu aufgefordert, eine weitere Sitzung zu veranstalten und dazu auch die pazifistisch gesinnte Frau Professor Drangsal und ihren Schützling, den Dichter Feuermaul einzuladen.
Kapitel 35 beginnt mit einem ungewöhnlichen Stilmittel. Der auktoriale Erzähler kommentiert seinen eigenen Stil, denn er schwenkt aus der persönlichen Perspektive seiner Figuren auf ein unverbindliches „man“ um, bezeichnet diesen Kunstgriff selbst als Litotes, also als abschwächendes und daher distanzierendes Mittel, um die versammelte Gesellschaft von außen zu betrachten. Mit einem Augenzwinkern kehrt er aber dann wieder zur persönlichen Sichtweise zurück, um das „man“ durch die distanzierende Sichtweise von Regierungsrat Meseritscher zu ersetzen, der sich als Sohn eines Kneipierpaares aus dem Böhmischen zum Gesellschaftsreporter und Zeitungsgründer in der Hauptstadt aufgeschwungen hat, indem er raffiniert sein Presseorgan für Regierungsmitteilungen zur Verfügung stellt, die lanciert, aber nicht mit der Regierung in Verbindung gebracht werden sollen und auf ebensolche Weise Personen der Gesellschaft und Ereignisse schildert, ohne ihnen auf die Füße zu treten und neue gesellschaftliche Aufsteiger erstmal aus den Augen der Presse heraushält. So beschließt er auch, Feuermaul nicht zu beachten, weil er versteht, dass Leinsdorf diesen für gefährlich hält. -
Kapitel 36 schildert weiter den Verlauf der Aktionssitzung und lenkt den Fokus auf Ulrich, Tuzzi, Professor Schwung, die Familie Fischl und natürlich Stumm von Bordwehr. Alle wollen wissen, was es mit der merkwürdigen Kombination von Arnheim, hohen Militärs einerseits und den Pazifisten Feuermaul und Drangsal eigentlich hat. Geschickt lotst Ulrich den General in die Erklärposition, der zwei Strömungen hier wie auch sonst in der Öffentlichkeit ausmacht: den Glauben an das Gute im Menschen mit allen seinen Ausprägungen wie z.B. den Pazifismus sowie der gegenteiligen Position der strengen Überwachung des Menschen zu seinem eigenen Besten durch eine gebildete Schicht leitender Persönlichkeiten. Beides könne aber als zwei Seiten einer Medaille gesehen werden, und dass es dabei auch um ganz handfeste Interessenskoalitionen wie Arnheims Engagement für die galizischen Ölfelder und die damit in Verbindung gebrachte Finanzierung einer neuen Artillerie für Kakanien gehe, sei doch auch ganz passend. In diesem Kapitel entsteht so eine Art Massentableau, fast alle wichtigen Personen des Romans –außer Walter und Clarisse – befinden sich am gleichen Ort.
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In Kapitel 37 wird aus einer Äußerung Feuermauls über den Publizisten Meseritscher, dass dieser die Dinge aneinanderreihe, anstatt sie in Bezüge zu setzen, der Begriff der Idiotie entwickelt, der auktoriale Erzähler kommentiert hier, dass bei allen geistigen Anstrengungen des Einzelnen, die Menschheit als Ganzes oder in ihrer Ausformung als Gesellschaft nur in der Lage sei, die komplexen Dinge aneinanderzureihen und daher niemals über ein komplexes Denken verfügen würde. Dieser Gedanke prägt dann die Betrachtung der Gespräche im weiteren Verlauf der Aktionssitzung, ob es nun um Unterbau und Überbau geht, also die Basis der Gefühle und den geistigen Überbau oder Ulrichs Bonmot, dass „der Gesunde alle Geisteskrankheiten hat und der Geisteskranke nur eine“.
All dies stimmt darin überein, dass eine Menge von Menschen niemals eine durchgeistigte gemeinsame Linie entwickeln kann und schon der einzelne darin überfordert ist, seinen Unter- und Überbau sinnvoll und lebenserweiternd überein zu bringen, wenn ich das richtig verstanden habe.
Das letzte Kapitel 38 schließlich treibt Ulrich und Agathe, die sich nun wieder gefunden haben und ihre gegenseitige Anziehungskraft wieder spüren, auf der Suche nach einem abgeschiedenen Plätzchen in die Küche, wo die schwangere und unglückliche Rachel und der den Ereignissen naiv gegenüberstehende Soliman auf Anweisungen zur Versorgung der Gäste warten. Ulrich erläutert Agathe ein weiteres Mal seine Vorstellungen von Moral und einem moralischen Leben, während Agathe ihm von ihrer Begegnung mit dem „guten“ Menschen Lindner vom Nachmittag berichten möchte. Den kann Ulrich aber nicht leiden und spricht ihm das Gutsein ab. Da stürmt General Stumm auf der Suche nach Ulrich in die Küche, und später kommen noch die anderen Protagonisten, Leinsdorf, Diotima, Tuzzi und Arnheim dazu, sodass wir ein Abschlusstableau der Hauptfiguren für die Beendigung des zweiten Buches vor uns haben. Stumm bringt die Nachricht mit, dass nun die pazifistischen und nationalen Kräfte in Gestalt von Feuermaul und Hans Sepp zu einem gemeinsamen Entschluss gekommen seien, dass man sich nur dafür töten lassen dürfe, woran man glaube, aber jeder, der andere Menschen für seine eigenen Ideen in den Tod schicke, ein Mörder sei. In der Auseinandersetzung darüber, wie man diesen Entschluss möglichst verbergen könne, ist Ulrich wieder ganz mit seinen Formulierungskünsten beschäftigt und merkt nicht, dass seine enttäuschte Schwester, die den Moment der Anziehung auf diese Weise zerredet sieht, das Haus verlässt.
Damit endet der zu Lebzeiten von Musil veröffentlichte Teil des Romans.