ein literarisches Weihnachtsgeschenk: )

  • „Sehen Sie, vor Weihnachten haben alle so viel zu tun“, meinte Barb Wiggin, die ungeduldig darauf wartete, endlich mit der Probe für das Krippenspiel anfangen zu können – sie wollte uns zukünftigen Esel und Tauben nicht länger warten lassen. Ich konnte Owens Ärger über Barb Wiggin schon im Voraus spüren.
    Barb Wiggin scherte sich nicht um seine Feindseligkeit und begann – wie auch das heilige Ereignis selbst – mit dem Verkündigungsengel. „Wir alle wissen ja schon, wer unser Engel des Herrn ist“, sagte sie.
    „Ich jedenfalls nicht“, meinte Owen trocken.
    „Aber Owen!“ rief Barb Wiggin.
    „Schicken Sie jemand anders in die Luft“, entgegnete der. „Vielleicht können die Hirten auch einfach nur so auf die „Lichtsäule“ starren. In der Bibel steht, der Engel des Herrn erschien den Hirten – und nicht der ganzen Gemeinde. Und nehmen sie jemanden mit einer Stimme, über die nicht alle lachen.“ Hier hielt er inne, und alle lachten.
    „Aber ... Owen“, sagte Barb Wiggin.
    „Nein, lass ihn, Barbara“, sagte Mr. Wiggin. „Wenn Owen keine Lust mehr hat, den Engel zu spielen, dann sollten wir seinen Wunsch respektieren – wir leben schließlich in einer Demokratie“, fügte er wenig überzeugend hinzu. Die Exstewardess funkelte ihren Exfliegergemahl an, als habe er soeben unter akutem Sauerstoffmangel gesprochen und gedacht.
    „Und noch was“, fuhr Owen fort. „Josef sollte nicht grinsen.“
    „Ganz gewiss nicht“, stimmte ihm der Rector herzlich zu. Mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass wir in all den Jahren immer einen grinsenden Josef hatten.“
    „Und wer wäre deiner Meinung nach ein guter Josef, Owen?“ fragte Barb Wiggin ohne die Freundlichkeit einer Stewardess.
    Owen deutete auf mich; so schweigsam aus der Menge herausgehoben zu werden, noch dazu von Owens unbestrittener Autorität, ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen – in späteren Jahren dachte ich daran, dass ich von einem Auserwählten auserwählt worden war. Doch an diesem zweiten Adventssonntag, im Hauptschiff der Christ Church, war ich wütend auf Owen – nachdem sich meine Nackenhaare wieder gelegt hatten. Denn was ist das für eine langweilige Role; Josef – dieser glück-lose Mitläufer, der Statist, das fünfte Rad am Wagen.
    „Normalerweise wählen wir erst eine Maria aus“, meinte Barb Wiggin. „Und dann lassen wir Maria sich ihren Josef aussuchen.“
    „Nun“, gab Rev. Dudley Wiggin zurück, „dann lassen wir dieses Jahr eben Josef sich seine Maria aussuchen.! Nur keine Angst vor Veränderungen!“ fügte er herzlich hinzu, doch seine Frau ignorierte ihn.
    „Normalerweise fangen wir mit dem Engel an“, sagte Barb Wiggin. „Wir haben immer noch keinen Engel. Jetzt stehen wir da, haben einen Josef und noch keine Maria und noch keinen Engel!“ sagte sie. (Stewardessen sind ordentlich Leute, die sich am liebsten an einem vertrauten Schema orientieren.)
    „Also gut, wer möchte dieses Jahr in der Luft schweben?“ fragte der Rektor. „Erzähl ein bisschen, wie das Ganze von oben aussieht, Owen.“
    „Manchmal wird man von dem Apparat so gedreht, dass man mit dem Kopf in der falschen Richtung hängt“, warnte er seine potentiellen Nachfolger. „Manchmal schneidet der Gürtel ins Fleisch.“
    „Dem kann bestimmt abgeholfen werden“, meinte der Rector.
    „Und wenn man aus der „Lichtsäule“ rauskommt, ist es ganz schön dunkel dort oben“, fuhr Owen fort.
    Niemand meldete sich für die Rolle des Engels.
    „Und man muss sich einen ganz schön langen Text merken“, fügte er noch hinzu. „Ihr wisst ja: „Fürchtet Euch nicht; siehe, ich verkündige Euch große Freude .... denn Euch ist ... der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids ...“
    „Ist ja gut, Owen, das wissen wir schon“, unterbrach ihn Barb Wiggin.
    „Das ist gar nicht so einfach“, sagte Owen.
    „Vielleicht sollten wir zuerst unsere Maria auswählen, und dann zum Engel zurückkommen?“ schlug Rev. Mr. Wiggin vor.
    Barb Wiggin stand händeringend da.
    Doch wenn sie dachten, ich sei so dumm, mir meine Maria auszusuchen, dann konnten sie lange warten; das konnte ja nur schief gehen – wenn ich die Maria aussuchte. Denn was würden sie über mich und das Mädchen denken, das ich auswählte? Und was würden die Mädchen, die ich NICHT auswählte, von mir denken?
    „Mary Beth Baird war noch nie die Maria”, meinte Owen, “so wäre Mary Maria.“
    „JOSEF sucht Maria aus!“ sagte Barb Wiggin.
    „War ja nur ein Vorschlag“, meinte Owen.
    Doch wie konnte ich Mary Beth Baird die Rolle verwehren, nachdem sie ihr schon angeboten worden war? Mary Beth Baird war ein kräftiges, gesundes Ding, scheu, ungeschickt und nicht gerade eine Schönheit.
    „Ich war schon dreimal eine Taube“, nuschelte sie.
    „Dazu wollte ich sowieso noch was sagen“, sagte Owen. „Kein Mensch weiß, dass das Tauben sein sollen!“
    „Immer langsam – eins nach dem anderen“, unterbrach ihn Dudley Wiggin.
    „Erst soll Josef seine Maria aussuchen!“ sagte Barb Wiggin.
    „Mit Mary Beth wäre ich einverstanden“, sagte ich.
    „Also, Mary ist Maria!“ Mr. Wiggin war erleichtert. Mary Beth Baird bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Barb Wiggin bedeckte ebenfalls ihr Gesicht.
    „Und jetzt weiter, was ist mit den Tauben, Owen?“ fragte der Rector.
    „Einen Moment noch!“ keifte Barb Wiggin. „Zuerst will ich einen Engel.“
    Ehemalige Könige und Hirten saßen schweigend da; ehemalige Esel meldeten sich nicht – und die Esel bestanden aus zwei Teilen; der hintere Teil eines Esels bekam das Krippenspiel niemals zu sehen. Selbst die ehemaligen Hinterteile der Esel meldeten sich nicht für die Rolle des Engels. Selbst die ehemaligen Tauben ließen sich nicht aufscheuchen, die Rolle zu ergattern.
    „Der Engel ist doch sooo wichtig“, sagte der Rector. „Wir haben einen ganz besonderen Apparat, nur um ihn hochzuheben und herunter -zulassen, und - eine Zeitlang - hat der Engel die „Lichtsäule“ ganz für sich alleine. Alle Augen sind auf ihn gerichtet!“
    Der Gedanke, dass alle Augen auf den Engel gerichtet waren, ließ den Kindern in der Christ Church diese Rolle nicht eben verlockend erscheinen. Im hinteren Teil des Kirchenschiffes saß der pummelige Harold Crosby, der durch die Nähe zu dem riesigen Gemälde „Die Berufung der zwölf Apostel“ noch unbedeutender erschien als sonst, ja der völlig unscheinbar wirkte vor dieser Darstellung, wie Jesus seine Jünger auswählt. Nur selten waren alle Augen auf den dicken Harold Crosby gerichtet, der nicht so grotesk war, dass man ihn verspottete – oder auch nur wahrnahm – immerhin jedoch so blöde, dass er stets zurückgewiesen wurde, wenn er den kleinsten Versuch unternahm, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Also hielt sich Harold Crosby zurück. Er saß immer ganz hinten, er stand immer am Ende der Reihe, er redete nur, wenn er angesprochen wurde; er wollte in Ruhe gelassen werden, und meistens wurde er das auch. Schon seit mehreren Jahren spielte er perfekt das Hinterteil eines Esels; es war mit Sicherheit die einzige Rolle, die er haben wollte. Ich konnte sehen, dass er nervös war, weil Mr. Wiggins Forderung nach einem Engel mit allgemeinem Schweigen beantwortet wrude; vielleicht kam sich Harold Crosby angesichts des in seiner unmittelbaren Nähe hoch aufragenden Abbildes der Jünger etwas unpassend vor, oder vielleicht fürchtete er, dass der Rector – da sich keine Freiwilligen meldeten – bei seiner Suche nach dem Engel auf die weniger mutigen Kinder zurückgreifen würde, und (Gott behüte) was war, wenn Mr. Wiggin ihn auswählte?
    Harold Crosby lehnte sich mit seinem Stuhl zurück und schloss die Augen; entweder hatte er diese Art, sich zu verstecken, einem Strauß abgeschaut, oder er dachte, wenn es so aussah, als schlafe er, dann würde niemand von ihm verlangen, mehr als das Hinterteil eines Esels zu sein.
    „Irgend jemand muss den Engel spielen!“ sagte Barb Wiggin drohend. Da kippte Harold Crosby rücklings mit seinem Stuhl um; er machte alles nur noch schlimmer, als er versuchte, sein Gleichgewicht zu halten – indem er nach dem Rahmen des riesigen Bildes griff; dann ließ er von dem Gedanken ab, sich unter den Jüngern Christi zu begraben, und ließ sich einfach fallen. Wie die meisten Dinge, die Harold Crosby passierten, war auch dieser Sturz vor allem deshalb so erstaunlich, weil er sich so tolpatschig abspielte, und nicht, weil er besonders spektakulär gewesen wäre. Jedenfalls, nur der Rector besaß so wenig Einfühlungsvermögen, Harold Crosbys Unbeholfenheit mit einer freiwilligen Meldung zu verwechseln.
    „Gut, Harold, mein Junge!“ sagte der Rector. „Tapferer Kerl!“
    „Was?“ fragte Harold Crosby.
    “Jetzt haben wir unseren Engel”, sagte Mr. Wiggin fröhlich.
    „Was kommt als nächstes?“
    „Ich bin aber nicht schwindelfrei“, wandte Harold Crosby ein.
    „Um so tapferer von Dir!“ gab der Rector zurück. „Dies ist eine hervorragende Gelegenheit, sich den eigenen Ängsten zu stellen.“
    „Aber der Kran“, meinte Barb Wiggin. „Der Apparat ...“
    setzte sie an, doch der Rector brachte sie mit einer mahnenden Geste zum Schweigen. Du willst doch wohl nicht, dass sich der arme Junge wegen seines Gewichts schämen muss, besagte der Blick, den der Rector seiner Frau zuwarf, die Drähte und die Halterung machen das schon mit. Barb Wiggin funkelte ihren Mann an.
    „Und das mit den Tauben“, sagte Owen, und Barb Wiggin schloss die Augen; sie lehnte sich zwar nicht in ihrem Stuhl zurück, klammerte sich aber mit beiden Händen am Sitz fest.
    „Ach ja, Owen, was war mit den Tauben?“ griff Rector Wiggin die Frage auf.
    „Sie sehen aus, als kämen sie von einem anderen Stern“, erklärte Owen. „Kein Mensch weiß, was sie darstellen sollen.“
    „Es sind TAUBEN!“ sagte Barb Wiggin. „Jeder weiß doch wohl, was Tauben sind!“
    „Es sind Monstertauben!“ gab Owen zurück. „Sie sind halb so groß wie ein Esel. Was für eine Art Vogel soll das sein? Ein Vogel vom Mars? Sie jagen einem richtig Angst ein.“
    „Nicht jeder kann ein König oder Esel oder ein Hirte sein, Owen“, gab der Rector zu bedenken.
    „Aber niemand ist klein genug für eine Taube“, widersprach Owen, „und außerdem weiß kein Mensch, was die ganzen Papierstreifen sollen.“
    „Das sind FEDERN!“ stieß Barb Wiggin hervor.
    „Die Tauben sehen aus wie Ungetüme“, sagte Owen unbeirrbar. „Als hätten sie einen Stromschlag abgekriegt.“
    „Na ja, vielleicht waren ja noch andere Tiere an der Krippe“, überlegte Mr. Wiggin.
    „Ach, und du willst wohl die Kostüme machen?“ fragte Barb Wiggin ihn.
    „Immer mit der Ruhe“, erwiderte ihr Mann.
    „Kühe passen gut zu Eseln“, schlug Owen vor.
    „Kühe?“ fragte der Rector. „Nun ja, warum nicht?“
    „Und wer macht die Kuhkostüme?“ fragte Barb Wiggin.
    „Ich mach sie!“ sagte Mary Beth Baird. Sie hatte sich noch nie für etwas gemeldet; ganz offensichtlich hatte ihre Auserwählung zur Jungfrau Maria schlummernde Kräfte in ihr freigesetzt – hatte ihr zu dem Glauben verholfen, sie könne Wunder vollbringen oder zumindest Kuhkostüme nähen.
    „Gut, Mary!“ sagte der Rector.
    Doch Barb Wiggin und Harold Crosby schlossen die Augen; Harold schien es nicht gut zu gehen – er schien sich gleich übergeben zu müssen, und sein Gesicht nahm die limonengrüne Farbe des Grases zu Füßen der Jünger Jesu an, die drohend über ihm schwebten.
    „Eine Sache noch“, sagte Owen Meany. Wir wandten uns ihm zu. „Das Jesuskind“, sagte er, und wir Kinder nickten beifällig.
    „Was ist mit dem Jesuskind?“ fragte Barb Wiggin.
    „Die ganzen Babies“, meinte Owen. „Nur, damit eins in der Krippe liegt, das nicht schreit – brauchen wir wirklich die ganzen Babies?“
    „Aber so steht es doch im Lied“, belehrte ihn der Rector. „Vom kleinen Herrn Jesus ertönet kein Laut.“
    „Ja, schon“, gab Owen zu. „Aber die ganzen Babies – von denen ertönen jede Menge Laute, sogar die Zuschauer hören es. Und die ganzen Erwachsenen!“ fuhr er fort. „All die großen Leute, die die Babies hin- und herreichen. Sie sind so groß – sie sehen einfach lächerlich aus. Wir sehen neben denen lächerlich aus.“
    „Kennst Du denn ein Baby, das nicht schreit?“ fragte ihn Barb Wiggin – und natürlich wusste sie, sobald sie die Frage gestellt hatte .... dass er sie drangekriegt hatte.
    „Ich kenne jemanden, der in die Krippe passt“, sagte Owen. „Jemanden, der so klein ist, dass er wie ein Baby aussieht“, meinte er. „Jemanden, der so alt ist, dass er nicht mehr schreit.“
    Mary Beth Baird konnte sich nicht mehr beherrschen! „Owen kann das Jesuskind spielen!“ schrie sie. Owen Meany lächelte und zuckte mit den Schultern.
    „Jedenfalls passe ich in die Krippe“, sagte er bescheiden.
    Harold Crosby konnte sich auch nicht mehr halten; er übergab sich. Er übergab sich so oft, dass kaum jemand darauf achtete, und schon gar nicht jetzt, da Owen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit besaß.
    „Und außerdem können wir ihn hochheben!“ Mary Beth Baird war ganz aufgeregt.
    „Das Jesuskind wurde noch nie hochgehoben!“ entgegnete Barb Wiggin.
    „Na ja, ich meine, wenn wir müssen, wenn uns danach ist“, sagte Mary Beth Baird.
    „Also, wenn alle wollen, dass ich es mache, dann gut“, sagte Owen.
    „Ja!“ riefen die Könige und die Hirten.
    „Owen soll es machen!“ sagten die Esel und die Kühe – die ehemaligen Tauben.
    Die Entscheidung wurde mit allgemeiner Begeisterung aufgenommen, doch Barb Wiggin sah Owen an, als müsse sie ihre Meinung, wie „goldig“ Owen war, noch einmal überdenken, und der Rector beobachtete Owen mit einer Ehrfurcht, die überhaupt nicht zu einem Expiloten passte. Rev. Mr. Wiggin, ein Veteran in Sachen Krippenspiel, sah Owen Meany mit tiefem Respekt an – als habe er das Christuskind schon hundertmal kommen und gehen sehen, sei aber noch nie einem Jesuskind begegnet, das sich so trefflich für die Rolle eignete.
    Schon bei der zweiten Probe des Krippenspiels beschloss Owen, dass die Krippe, in die er – nur knapp – passte, unnötig war. Dudley Wiggin stützte seine Ansicht über das Verhalten des Jesuskindes auf das Weihnachtslied „In einem armen Stalle“, das nur zwei Strophen hat.
    Dieses Lied war der Grund für die Ansicht von Rev. Mr. Wiggin, dass der Kleine Herr Jesus keinen Laut von sich geben dürfe.


    Die Kü – he, sie mu-hen, das Kind-lein, es schaut
    Doch vom Klei-nen Herrn Je-sus er-tö-net kein Laut.


    Wenn Mr. Wiggin solchen Wert auf die zweite Strophe von „In einem armen Stalle“ legte, argumentierte Owen, sollten wir uns auch nach der ersten Strophe richten.
    „Da steht doch gar nichts von einer Krippe, warum brauchen wir dann eine?“ fragte Owen. Ganz offensichtlich fand er die Krippe zu beengend. „In einem armen Stalle, da lieget gar froh/der kleine Herr Jesus, auf Heu und auf Stroh!“ sang er.
    So bekam Owen wieder einmal seinen Willen; „auf Heu und auf Stroh“ würde er liegen, und sogleich begann er, das Heu auf der Bühne so zusammenzulegen, dass er es garantiert bequem hatte und genügend hoch und nach vorn geneigt liegen würde – so dass ihn auch wirklich jeder im Publikum sehen konnte.
    „Und noch was“, gab Owen uns einen weiteren Ratschlag. „Ist Euch aufgefallen, wie das Lied geht: die Kühe, sie muhen“ “? Ist doch gut, dass wir Kühe haben, die Tauben könnten nicht so schön „muhen“.“
    Wenn das wirklich Kühe waren, die wir da hatten, dann brauchte man genauso viel Vorstellungskraft wie vorher bei den Tauben, um sie als solche zu erkennen. Mary Beth Baird mochte zwar durch die Beförderung zur Jungfrau Maria inspiriert worden sein, die Kuhkostüme zu nähen, doch bei der konkreten Herstellung dieser Kostüme hatte ihr die Heilige Mutter göttlichen Rat und göttliche Hilfe versagt. Mary Beth Baird schien alle möglichen Vorstellungen von Weihnachten durcheinandergebracht zu haben; ihre Kühe hatten keine Hörner, sondern Geweihe – richtiggehende Gestelle, die eher zu Rentieren passten, an die Mary Beth möglicherweise sogar gedacht hatte. Schlimmer noch, die Geweihe waren weich, das heißt, sie bestanden aus schlaffem Material, und deshalb fielen diese „Hörner“ den Kühen ständig ins Gesicht – und versperrten ihnen damit die ohnehin schon eingeschränkte Sicht, wodurch noch mehr Verwirrung als sonst auf der Bühne entstand: Kühe trampelten aufeinander, Kühe stießen mit Eseln zusammen, Kühe rempelten Könige und Hirten an.
    „Diese Kühe, wenn das welche sein sollen“, bemerkte Barb Wiggin, „sollten an ihrem Ort bleiben und NICHT herumlaufen – keinen Schritt. Wir wollen ja nicht, dass sie auf das Jesuskind trampeln, oder?“ Ein irres Leuchten in ihren Augen schien darauf hinzudeuten, dass sie es als eine Art göttliches Ereignis betrachten würde, wenn auf dem Jesuskind herumgetrampelt würde, doch Owen, der sowieso ständig Angst hatten, dass man auf ihn trat – besonders jetzt, da er ausgestreckt und hilflos im Heu lag – stimmte ihren Bedenken wegen der Kühe zu.
    „Ihr Kühe, merkt Euch eins. Ihr sollt „muhen“, und nicht rumtrampeln.“
    „Ich will weder muhende noch trampelnde Kühe haben“, sagte Barb Wiggin. „Ich will die Lieder hören können, und das Evangelium. Ich will kein „Muhen“.“
    „Letztes Jahr haben Sie aber die Tauben gurren lassen“, erinnerte Owen sie.
    „Dies ist aber nicht letztes Jahr“, gab Barb Wiggin zurück.
    „Langsam, immer mit der Ruhe“, beschwichtigte sie der Rector.



    ....




    Allen, die nicht wissen, aus welchem genialen Meisterwerk und (künftigem) Klassiker dieser Ausschnitt stammt, werde ich es gern verraten :zwinker:


    Nimue - ich hoffe, Du bist mir nicht böse, dass ich soviel Platz beansprucht habe; Du kannst den Text ja nach Weihnachten gern wieder löschen ....
    :breitgrins:


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo Daniela


    danke für dieses literarische Weihnachtsgeschenk. Fühl mich ganz stoffelig, weil der Dank erst jetzt kommt. :redface:


    Ich vermute jetzt mal, daß das ein Text aus einem Roman von John Irving ist mit namens: Owen Meany


    Gelesen habe ich noch nichts von dem Autor, obwohl ich ein paar Bücher noch im SUB habe. (Zirkuskind, Das Hotel New Hampshire, Laßt die Bären los! Rettungsversuch für Piggy Sneed )


    vielleicht sollte ich endlich mal ein Buch von ihm hervorholen :zwinker:


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo


    Zitat

    Ich vermute jetzt mal, daß das ein Text aus einem Roman von John Irving ist mit namens: Owen Meany


    Genau richtig getroffen !!


    Tja, ich kann John Irving nur empfehlen, aber das ist ja wie immer Ansichtssache.


    Peggy Sneed und die Bären (ältere Werke) kenne ich noch nicht :redface: , obwohl ich doch so ein großer Fan bin ...


    Hotel Newhampshire habe ich nur als Film gesehen und die Geschichte hat mich noch nicht soooo sehr gereizt.


    Für Owen Meany muss man wie gesagt ein bisschen Sinn für Mystik haben, sonst sollte man die Finger davon lassen - mein persönliches Lieblingsbuch.


    liebe Grüße und ich freue mich, wenn der Text gefallen hat :smile:


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving


  • Hallo zusammen!
    Hallo Daniela!


    Deiner Einschätzung von Irving kann ich leider nicht folgen - zu viele Worte um zu wenig Inhalt. Und was Deinen Hinweis an nimue betrifft: Ich hätte da, wenn schon, eher Angst wegen einer möglichen Verletzung des Copyrights. Immerhin ist das Zitat wirklich enorm lang...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer


    Zitat

    Und was Deinen Hinweis an nimue betrifft: Ich hätte da, wenn schon, eher Angst wegen einer möglichen Verletzung des Copyrights. Immerhin ist das Zitat wirklich enorm lang...


    Ich habe über Deine Anmerkung (die oben erwähnte, nicht die erste :zwinker: ) nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nachträglich um Abdruckgenehmigung bitten werde, das ist einfach korrekter.


    Ich kümmere noch in diesem Jahr darum und halte Euch auf dem Laufenden.


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving