Miguel Angel Asturias - die "Bananentrilogie"

  • Ich kann es kaum fassen, dass ich es nun wirklich geschafft habe, mich durch dieses Mammutwerk zu graben. Ich versuche mal eine kurze Vorstellung:


    Der Sturm


    Schauplatz ein ungenannter Karibikstaat - vermutlich Guatemala. Zeit: ebenfalls nicht genannt, ich vermute die 1920er Jahre.

    Der erste (und mit Abstand kürzeste) Teil der Trilogie ist m.E. im besten Sinn "Hochliteratur" und erzählt teils aus der Sicht des amerikanischen Pflanzer-Ehepaares Lester Mead (später Stoner) und Leland Foster, teils aus der Perspektive einiger Indiofamilien. Hier sind Elemente eingeflochten, die dem bekannten "magischen Realismus" Lateinamerikas zuzurechnen sind; es gibt auch eine Vielzahl poetischer Landschaftsbeschreibungen. Der rote Faden in dem kurzen Roman ist nicht eben leicht auszumachen, im Grunde handelt es sich um eine lockere Aneinanderreihung verschiedener Situationen und der politische Impetus (Thema Landnahme durch amerikanische Agrargesellschaften, Rechtlosigkeit der indigenen Arbeiter) wird erst relativ spät eingeführt.



    Der grüne Papst


    Im zweiten Teil wird hauptsächlich aus der Perspektive des "Grünen Papstes" Geo Maker Thompson erzählt, der ein wahrer Erzschurke ist und vom unbedeutenden Glücksritter zum Präsidenten des Agrarkonzerns Tropicaltanera aufsteigt. Hier zeigt sich die Übersicht des Autors, der den verhassten, skrupellosen Kapitalisten ganz unbefangen, stellenweise sogar mit einer gewissen Sympathie darstellt. Der Roman ist sehr dramatisch und enthält mindestens einen heftigen Twist, aber der Handlungsfaden erschließt sich aufgrund der verschnörkelten und elliptischen Erzählweise nicht so ohne weiteres. Oft verliert sich Asturias über Seiten hinweg in relativ unbedeutenden Szenen, und wichtigen Wendungen kommen quasi maskiert, nebenher eingeflochten um die Ecke angeschlichen. Trotzdem ein Buch, das viel Spaß macht.



    Die Augen der Begrabenen


    Der Titel geht auf eine örtliche Legende zurück, nämlich dass sich die Augen der Toten erst dann endgültig schließen können, wenn auf der Erde Gerechtigkeit herrscht. Der letzte Teil der Trilogie ist ein wahrer Klotz, der viel Zeit und Konzentration erfordert, sowie (dazu rate ich dringend) das Führen einer Namensliste. Vielleicht wäre es besser gewesen, Asturias hätte noch einen vierten Teil geschrieben, jedenfalls ist in dieses sehr lange und ausführliche Buch übermäßig viel hineingestopft, und sowohl die Themen als auch der Stil sind merkwürdig disparat, als habe sich der Autor nicht entscheiden können, welche Art Buch er eigentlich schreiben wollte.

    Es gibt eine lange eingeschobene Liebesgeschichte, sehr lyrisch und teilweise im Stil eines Bewusstseinsstroms erzählt. Dann wieder geht es über zig Seiten um die Organisation eines Streiks, der sich zur Arbeiterrevolte ausweitet, krasse Polizeigewalt, Militärputsch ... daneben immer wieder kleine Dramen im Großen: Dreiecksgeschichten, Mord und Totschlag, durchaus auch schon mal Kolportage. Die Trilogie schließt (nach meiner Einschätzung) 1944 mit dem Sturz der "Bestie", womit Jorge Ubico gemeint sein dürfte, der Name wird nicht genannt. Bei Wiki kann man nachlesen, dass bis dahin 2% aller Großgrundbesitzer 70% des bebaubaren Landes besaßen.


    Auch hier ausdrucksvolle Schilderung der Landschaft und des Klimas, aber auch äußerst derber Humor und teilweise recht verkünstelte Verwicklung - irgendwie von allem ein bisschen zuviel. Jedes Mal, wenn ich daran dachte abzubrechen, kam aber prompt ein Kapitel von überwältigender Schönheit und brachte mich wieder in die Spur. Für jemanden, der sich in erster Linie für die jüngere Geschichte der Karbibikstaaten interessiert, sehr empfehlenswert. Wer in erster Linie spezielle Literatur der Gegend kennen lernen möchte, begnügt sich mit dem ersten Teil "Sturm".