Die geliebten Schwestern

  • Falls jemand sich fragt, ob es sich lohnt, den neuen Film über Schiller und die Lengefeld-Schwestern anzusehen: JA!!!


    Dominik Graf ist her etwas gelungen, was in solchen Filmen mit historischem Genre nicht oft gelingt. Man taucht ganz in die Zeit, man sieht viele Bilder, die man aus der Literatur und der Geschichte der Zeit kennt, es ist also authentisch - und zugleich so frisch, modern und heutig, dass man den Eindruck hat, die Menschen des Films lebten heute noch dort. Großes Kino.

  • Elf Menschen hatten sich in dem Kino der Großstadt eingefunden, um "Die geliebten Schwestern" zu sehen, davon fünf Rentnerpaare in der letzten Reihe. Ich kam noch rechtzeitig, mitten in die Werbung vor dem Film.


    Es war für mich das schönste Filmerlebnis seit drei Jahrzehnten - nicht übertrieben!


    Die Regie und die schauspielerischen Leistungen haben mich hingerissen. Man hatte ja seit langer Zeit seinen "inneren Film" vom Verhältnis Schillers und der beiden Lengefeld-Schwestern vor Augen - jetzt kam ein "richtiger" Film.
    Detailgetreu bis zu den nervösen Zuckungen im Gesicht der liebenden Caroline von Beulwitz, dem Grinsen Knebels und den Selbstverletzungen der gekränkten Charlotte von Kalb. Schiller mit seinen anfänglich 29 Jahren erscheint sensibel und auch schon lebensklug - kein unbedachter Tollkopf. Die sprachlichen Nuancen - Hochdeutsch und Französisch, das mir von Kindheit an vertraute Thüringisch (mit den heimatlichen Schauplätzen Weimar, Rudolstadt, Volkstedt, Heiratsort Jena, Großkochberg) und Schillers schwäbisches Idiom.
    Ganz großes Kino! Und persönlich als Schauspielerin - Hannah Herzsprung als Caroline von Wolzogen,:herz:


    die eine so begnadete Schriftstellerin war, dass Friedrich Schlegel annahm, ihre "Agnes von Lilien" sei von Goethe - haben wir eigentlich schon einen Thread für sie, hat noch jemand Caroline von Wolzogen gelesen? (die Betätigung der Suchfunktion sagt: nein, noch nicht)

  • Zitat von Karamzin« am: Gestern um 22:04 »

    Caroline von Wolzogen,:herz:die eine so begnadete Schriftstellerin war, dass Friedrich Schlegel annahm, ihre "Agnes von Lilien" sei von Goethe - haben wir eigentlich schon einen Thread für sie, hat noch jemand Caroline von Wolzogen gelesen?


    Wie Du vielleicht bemerkt hast, existiert, um nicht zu sagen, dümpelt im Nachbarforum litteratur.ch seit anderthalb Jahren eine Leserunde zu den Horen vor sich hin. Wir sind jetzt ( quasi zeitgleich) im Augustheft 1796. Im Oktober beginnt Agnes von Lilien von Caroline von Wolzogen. Da wir im Laufe der Horen-Lektüre den Eindruck gewonnen haben, dass mit fortschreitendem Bestehen der Zeitschrift immer mehr literarisch Zweitrangiges dort Aufnahme findet, sahen wir dem Roman mit einigen Befürchtungen entgegen. Dass Du ihn hier empfiehlst, gibt ja zu hoffen! :klatschen:
    Willst Du ab Oktober nicht mitmachen?

  • Karamzin,


    es freut mich, dass Dir der Film ebenso gut gefallen hat. Bei mir war das Kino auch nur sehr spärlich besucht (allerdings in einer Kleinstadt und am Nachmittag...).


    Es ist ein Film, bei dem ich wohl über die Anschaffung der DVD nachdenken werde.

  • Wie Du vielleicht bemerkt hast, existiert, um nicht zu sagen, dümpelt im Nachbarforum litteratur.ch seit anderthalb Jahren eine Leserunde zu den Horen vor sich hin. Wir sind jetzt ( quasi zeitgleich) im Augustheft 1796. Im Oktober beginnt Agnes von Lilien von Caroline von Wolzogen. Da wir im Laufe der Horen-Lektüre den Eindruck gewonnen haben, dass mit fortschreitendem Bestehen der Zeitschrift immer mehr literarisch Zweitrangiges dort Aufnahme findet, sahen wir dem Roman mit einigen Befürchtungen entgegen. Dass Du ihn hier empfiehlst, gibt ja zu hoffen! :klatschen:
    Willst Du ab Oktober nicht mitmachen?



    Vielen Dank, Gontscharow, für den Hinweis auf das Forum litteratur.ch., in dem ich bisher noch nicht gelesen hatte, und die dortige Diskussion über die "Horen". Ich werde dort hineinschauen, will aber dem klassikerforum hier nicht untreu werden :winken: und ab 1. Oktober an der geplanten Leserunde über Immermanns "Epigonen" festhalten.


    Die Literaturwissenschaftlerin Ursula Naumann hat sowohl Taschenbücher für ein breites Publikum verfasst, die man auf der Bahnfahrt lesen kann, was vielleicht nicht jedermann/frau's Sache ist (Geträumtes Glück. Angelika Kauffmann und Goethe, 2007), zum Thema des neuen Films pünktlich die Neuauflage:
    "Schiller, Lotte und Line. Eine klassische Dreiecksgeschichte" (2004; 2014),


    als auch an eher wissenschaftlichen Diskussionen teilgenommen, so in dem von Jochen Golz herausgegebenen Sammelband über Caroline von Wolzogen (Marbach 1998). Schon 1985 war ihre Biographie der Charlotte von Kalb erschienen, die bei dem Zwang zum Durchhalten einer klaren Linie im Genre Film in den "Geliebten Schwestern" als Furie erscheint. Aus der Literatur hatte ich gelernt, dass sich die beiden Charlottes (von Lengefeld und von Kalb) zunächst sehr gut verstanden, was von dem in Verlegenheit geratenen Schiller auch befördert wurde.


    Da würde ich Ursula Naumann zustimmen wollen, dass die "Agnes von Lilien" das Denken und Fühlen einer jungen Frau um 1800 auf eine Art so deutlich werden lässt, dass dennoch zahlreiche zeitgenössische Leser über die Autorschaft getäuscht wurden und einen Mann als Verfasser vermuteten (Goethe oder Schiller). Den heutigen Geschmack vieler Leser dürfte die "Agnes von Lilien" sicher nicht treffen, andere Lesegewohnheiten haben sich durchgesetzt.


    Dominik Graf wird sich wohl vor allem noch einmal bei Peter-Andre Alt über den Forschungsstand zu Schiller vergewissert haben.


    Im übrigen ist dieser Roman relativ kurz; :zwinker: wer kann es sich heute andererseits leisten, freiwillig die etwa 3700 (!) Seiten von "Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" des Johann Timotheus Hermes durchzulesen, um dann zu wissen, was es mit der "Sprödigkeit" Sophiens auf sich hat?