Juli 2003: Jens Peter Jacobsen - Niels Lyhne

  • Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich war fasziniert von Anfang bis zum Ende. Wehmutig, melancholisch, suchend...niemals findend...Bin im Zuge einer Rilke-Biographie darauf gestossen, Rilke hat Jacobsen ja sehr verehrt. Und da ich Rilke sehr verehre, war's nur ein kleiner Schritt...


    Ciao :winken:
    Karin

    Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an Deine rührt...?

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Hallo Karin,


    herzlich willkommen hier im Klassikerforum und vielen Dank, dass Du uns eines Deiner Lieblingsbücher vorgestellt hast. „Niels Lyhne“ von Jens Peter Jacobsen, ist das nicht ein Buch, das man gemeinhin als Entwicklungsroman bezeichnen könnte? Kannst Du noch etwas mehr zu dem Buch sagen, (das Rilke den Autor verehrte, sagt ja nichts über die Qualität des Buches aus)? Hat Dir auch der eine oder andere von unseren Lesevorschlägen gefallen?


    Ciao


    Hubert

  • Hallo Hubert!


    Oh, das schmerz mein Rilke-Herz! Für mich ist alles, was er verehrte, ebenfalls verehrungswürdig, so auch JPJ. Lies das Buch mal und sag mir, ob's Dir gefallen hat, ich will gar nicht so viel vorweg erzählen. Empfinde ohne Vorwissen! Die Reclam-Ausgabe ist ziemlich dünn und schnell zu lesen. Viel Spaß dabei!
    :sonne:


    Ciao, Karin

    Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an Deine rührt...?

  • Karin,
    schön deine Buch-Empfehlung!


    Hoffe du bist der Paula Modersohn-Becker nicht böse, die von Rilke in der Worpsweder Zeit gesagt hat


    "er hält es mit jedem".


    Ich bin sicher, dass Rilkes Bedeutung zunehmen wird.

    Eine Folge konsequenter Augenblicke ist immer eine Art von Ewigkeit selbst.

  • Habe das Buch in diesem Frühjahr gelesen, aus eben denselben Motiven heraus wie du auch... War von der Sprachkraft und der gefühlsmäßigen Dichte des Buches sehr angetan... Einige Passagen sind wirklich zum Einrahmen wunderschön...


    Negativ anzumerken ist allerdings, dass das Buch gegen Ende unheimlich abbaut gerade was den Handlungsverlauf betrifft. Jacobsen hat ja insgesamt 8 Jahre an dem Buch gearbeitet, und die Vermutung liegt nahe, dass er es dann irgendwann einfach abschließen wollte; so steht es auch in dem Nachwort meiner Reclam-Ausgabe...


    Aber auf jeden Fall sehr zu empfehlen (für Rilke-Begeisterte sogar ein "Muss" !).


    bye, :winken:
    Lucien

  • Hallo Karin,


    da Du nicht mehr zu „Niels Lyhne“ sagen wolltest, außer dass Rilke den Autor verehrte, und auch die Postings von litfink und Lucien mich nicht überzeugten, habe ich selbst noch recheriert.


    Die Meinung von Paula Modersohn über Rilke, teile ich: : "er hält es mit jedem". Und wer über Baudelaires „Les fleurs du mal“ : „ein Buch fürs Leben, für alle Leben“, urteilt, dessen literarisches Urteil kann ich nicht mehr ernst nehmen. Außerdem kann ich nicht verstehen, wieso Du „alles, was er verehrte, ebenfalls verehrungswürdig“ findest. Ich z.B. finde Stierkampf, den Rilke verehrte, abscheulich! Soviel zu Rilke, jetzt zu Jacobsens Roman:


    „Sprachkraft und gefühlsmäßige Dichte“ die Lucien für den Roman reklamierte, sind für mich Kriterien für Lyrik und ev. noch für Dramatik. .Bei Romanen die mehr von meiner Lebenszeit in Anspruch nehmen, als ein Gedicht oder ein Schauspiel, muss mich zumindest noch das Thema interessieren und da ergaben meine Recherchen das folgende:


    Der Protagonist Niels Lyhne scheitert an dem Versuch einer Versöhnung von Phantasterei und Atheismus. Da ich mich aber weder für Phantasterei noch für Atheismus und deshalb auch nicht für eine Versöhnung der Beiden interessiere wirst Du sicher verstehen, dass ich mit der Lektüre des Romans noch warte, bis Du mich mit Argumenten die für das Buch sprechen, überzeugst.


    Ciao, Hubert

  • Lieber Hubert!


    Für mich ist es eines der besten Bücher der Welt! Und sollte es nie wieder wer lesen, was kümmert's mich?
    Nachstehend eine Kurzbeschreibung vom Werk selbst, falls das Deine negative Haltung doch noch beeinflussen sollte!!


    Kurzbeschreibung:
    Geschildert wird die Entwicklung der Hauptfigur Niels Lyhne, der auf einem Gut in Jütland im Spannungsfeld elterlicher Gegensätzlichkeiten heranwächst. Die Auswirkungen determinierender Erbfaktoren werden verstärkt durch Erziehung und prägende Erlebnisse, sie >>formen an dem weichen Ton, alles formt daran, alles hat Bedeutung<<. Die Begegnung mit seiner jungen, Züge einer Femme fatale tragenden Tante Edele lässt in dem zwölfjährigen Niels erste erotische Empfindungen erwachen. Ihr Tod führt zum Verlust des kindlichen Glaubens. Als Student in Kopenhagen verliebt sich Niels in Tema Boye, hinter deren ostentativ zur Schau gestellten unkonventionellen Ansichten sich eine zutiefst bürgerlich-konservative Lebenshaltung verbirgt. Der Tod der Mutter und die Verlobung von Frau Boye mit einem Mann der Kopenhagener Gesellschaft lassen Niels vereinsamen. Später verliebt er sich in seine Kusine Fennimore, die ihm aber seinen Freund Erik, einen Maler und Bildhauer, vorzieht. Drei Jahre später besucht Niels das Paar und zwischen ihm und Fennimore entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die nach Eriks plötzlichem Tod durch einen Hassausbruch Fennimores jäh beendet wird. Nach einsamen Jahren im Ausland kehrt Niels auf das väterliche Gut zurück und heiratet die 17-jährige Gerda, die aus Verehrung und Liebe zu ihm seine atheistische Weltanschauung übernimmt, in ihrer Sterbestunde jedoch zum Glauben zurückkehrt. Auch Niels gibt angesichts des Leidens seines todkranken Kindes vorübergehend seine Überzeugung preis - eine >>Fahnenflucht<<, ein >>Abfall von sich selbst<<, der ihn halb bewusst im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 den Tod suchen lässt. Schwer verwundet fantasiert er davon, dass er >>stehend sterben<< wolle und weist das Angebot geistlicher Betreuung zurück.


    Ciao, Karin

    Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an Deine rührt...?

  • Liebe Karin,


    Du hast es geschafft. Ich werde den Roman „Niels Lyhne“ von Jens Peter Jacobsen lesen. Zugegeben, auch die von Dir nun nachgelieferte Beschreibung hat mich nicht ganz überzeugt, mehr allerdings als die von mir vorher gefundene Kurzbeschreibung (1 Satz) in einem Bücherkanon. Was mich aber überzeugt hat, ist Deine Begeisterung für das Buch und so habe ich mir gedacht, wenn sich die Karin so für das Buch einsetzt, dann ist da wahrscheinlich mehr dahinter als alle Beschreibungen ahnen lassen.


    Wenn ich es gelesen habe (das kann aber noch etwas dauern) werde ich Dir berichten.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo Hubert :blume: !


    So, jetzt bin ich aber sehr froh, daß ich Dich doch noch überzeugen konnte! Natürlich nehme ich von einer Person (z.B. RMR) nicht alles gedankenlos an, Gutes wie Schlechtes, natürlich hinterfrage ich. Und das alles hat ja eigentlich gar nichts mit ihm zu tun...
    Ich freu mich schon, wenn Du es liest und hoffe, Du wirst mir berichten!


    Bis bald, Karin

    Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an Deine rührt...?

  • Hallo Karin!


    Ich finde, das Buch hört sich äusserst interessant an, und da ich nicht nur RMR sehr mag, sondern auch Bücher, die die Seele mitreissen und bewegen werde ich es wohl lesen :winken:

    Two roads diverged in a wood and I -
    <br />I took the one less travelled by
    <br />and that has made all the difference.

  • Hallo Hubert,
    eine gute Idee!
    Ich bin allerdings schon auf Seite 100, würde mir aber nichts machen, auf dich zu warten. Demnächst bin ich eh für einige Tage verreist, da werde ich kaum zum lesen kommen :rollen:
    Aber ich bin mir sicher, du wirst recht schnell aufgeholt haben, da es sich ser gut liesst.


    liebe Grüße von amelie

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  • Hallo Amelie,


    ich habe mir das Buch sofort besorgt, da aber in meiner Buchhandlung die von Karin empfohlene „Reclam-Ausgabe“ nicht vorrätig war, habe ich, um keine Zeit zu verlieren, die „Insel-Ausgabe“ genommen. Jetzt weiß ich allerdings nicht ob Seite 100 in Deiner Ausgabe und Seite 100 in meiner identisch sind. Mein Text beginnt auf Seite 9 und endet auf Seite 279.
    Meine Ausgabe hat Anke Mann übersetzt.


    Gibt es in Deiner Ausgabe (ich unterstelle mal, Du hast das Reclambuch), Anmerkungen? Die habe ich schon vermisst und würde mir notfalls doch noch die Reclamausgabe zulegen.


    Ist Dir aufgefallen, dass im 1. Kapitel ein „Ich-Erzähler“ erscheint: „Ich erzähle von ihr, so wie sie im Alter von siebzehn Jahren war; einige Jahre später, als sie verheirater war, ...“ (gleich auf der ersten Seite als Bartholine Blider vorgestellt wird), im weiteren Verlauf (ich bin allerdings erst im dritten Kapitel) aber ein auktorialer Erzähler berichtet und hast Du dafür eine Erklärung?


    Liebe Grüße


    Hubert


    PS: Wenn Du diesen Thread das nächste Mal nicht mehr bei den Lesevorschlägen findest, dann habe ich ihn ins „Gemeinsame Lesen“ verschoben.

  • Aloa lieber Hubert!


    :breitgrins:


    Ich habe weder Reclam noch Insel Ausgabe, da ich das Buch bei ebay für 1€ ersteigern konnte. Ich habe eine ganz alte Ausgabe, noch in deutscher alter Schrift. Der Überstzer war H. Bock- Neumann und es ist aus dem Paul Franke Verlag. Leider steht nicht darin, wann es erschienen ist, aber einer der Vorbesitzer hat die Jahreszahl 1927 neben seinen Namen notiert. Es geht von Seite 5 bis Seite 310. Das mit der Erzählform ist mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen... :redface:
    Zu deiner besseren Orientierung: ich bin jetzt bei Kapitel IX.


    liebe Grüße und so

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  • Hallo liebe Amelie,


    so, ich habe den Thread jetzt verschoben und ich hoffe Du musstest nicht lange suchen. Ich bewundere Dich, dass Du die alte deutsche Schrift lesen kannst, ich tue mir da immer sehr schwer und vermeide es, wenn es geht. Ich komme jetzt zum 7. Kapitel und wenn alles klappt, lese ich heute abend noch bis Kapitel 9. Wie Du schon sagtest, das Buch liest sich sehr schnell.. Das 7. Kapitel fängt bei mir sehr schön, wie folgt an: „Es war an einem Frühlingsabend; die Sonne schien so rot ins Zimmer hinein, sie war im Begriff unterzugehen. Die Flügel der Mühle oben auf dem Wall jagten ihre Schatten über die Fensterscheiben und über die Wände des Zimmers, sie kamen, sie schwanden in einförmigem Wechsel von Dämmerung und Licht: - eine Sekunde Dämmerung, zwei Sekunden Licht."


    Solche Stellen lese ich sehr gern, etwas schwerer tue ich mir wenn Jacobsen gesprochene Dialoge wiedergibt. Ich will mal ein Beispiel geben. Im 3. Kapitel hat Bigum vergeblich seine Liebe zu Edele offenbart:


    „Und Sie können mich gar nicht lieben?“ stöhnte Bigum fast unhörbar; „ach, das ist furchtbar, es gibt nichts in meiner Seele, das ich nicht morden, entwürdigen würde, wenn ich Sie dadurch gewinnen könnte. Nein, würde mir der Wahnsinn geboten und besäße ich Sie, besäße Sie in den Gesichten des Wahnsinns, so würde ich sagen: hier ist mein Gehirn, grabe mit schonungsloser Hand in seinem Bau und zerreiße jeden feinen Faden, mit dem mein Geist an den strahlenden Triumphwagen des Menschengeistes gebunden ist, und laß mich in den Morast der Materie hinabsinken, unter das Rad des Wagens, und laß die andern die Wege ihrer Herrlichkeit zum Lichte emporziehen! .....


    Kannst Du dir vorstellen, dass jemand aus dem Stegreif so redet, oder bin ich da jetzt zu unromantisch? Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass wir das Buch nicht nur zusammen lesen, sondern uns auch darüber unterhalten wollen. – :zwinker:


    Weichen die von mir wiedergegebenen Textstellen, stark von Deiner Übersetzung ab, oder ist es ähnlich?


    Ich will im Laufe der Woche noch im Forum „Chronik“ einen Thread über Jens Peter Jacobsen und sein Werk anlegen. Diesen Thread kannst Du dann natürlich mit weiteren Informationen ergänzen. Oder falls Du Lust hast, kannst Du natürlich auch diesen Thread anlegen.

    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo Hubert!
    Also ich kann mir schon vorstellen, dass jemand (oder auch ich) imÜberschwang der Leidenschaft so spricht. Dasliegt vielleicht daran, dass ich sehr viel lese und auch sehr viel Thomas Mann gelesen habe, wobei dieser ja für seine Schachtelsätze bekannt ist. Das hatte zur Folge, dass es in meiner ersten Geschichte ähnlich aussah, weshalb viele diese unverständlich fanden. Aber ich finde es schöne, wenn man sich gewählt und auch kompliziert ausdrückt und denke, dass man, wenn man lange genug "übt", irgendwann auch in Situationen größten Gefühls, bei denen man geneigt ist die Kontrolle zu verlieren, eine solche Sprache anwendet.
    Die "Windmühlenstelle" mochte ich auch sehr, ich finde es immer schön, wenn die Natur oder dieUmgebung beschrieben wird.
    Was hältst du denn von unserem guten Herrn Bigum ? Ich denke, er versäumt das Leben, da er sich in einer Liebe ergeht, von der er niemals erwarten kann, dass ihm etwas gegeben wird. Ausserdem isoliert er sich durch seine Geisteshaltung und fühlt sich ungerecht behalndelt. Aber er unternimmt nichts, sondern fügt sich in sein Schicksal und klagt lieber. Finde ich nicht so erstrebenswert.

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  • Hallo Amelie,


    wenn sich jemand gewählt ausdrückt, finde ich das auch schön und ich bin ganz Deiner Meinung, dass man durch lesen guter Bücher, seine eigene Sprache verbessern kann und soll. Thomas Mann zu lesen ist da sicher auch ganz sinnvoll. Ich lese ihn ja auch sehr gerne und habe gar nichts gegen Schachtelsätze. Mich hat auch nicht die grammatikalische Struktur der Dialoge von Jacobsen gestört, da kenne ich sowohl aus Büchern, als auch aus Gesprächen Schlimmeres. Ich habe mich nur gewundert, dass Bigum, nachdem er gerade eine Abfuhr erhalten hat, sein Gehirn gegen Edeles Liebe tauchen will. Bei aller Liebe – ich würde das nicht anbieten.


    Was ich von Herrn Bigum halte? Nun, ich sehe ihn nicht so negativ wie Du.. Warum soll man nicht etwas Unerreichbares lieben können? Wahrscheinlich immer noch besser, als wenn man überhaupt nicht liebesfähig ist. Meiner Meinung nach, ist das letztere Edeles eigentliche Krankheit, Unfähigkeit zur Liebe, an der sie letztendlich auch stirbt. Wie siehst Du das? –


    Ich frage mich, was die beiden überhaupt in Niels Lyhnes Geschichte verloren haben? Würde der Roman anders verlaufen ohne die Beiden, oder wäre er nur um ein Kapitel kürzer? Ich vermute mal Jacobsen wollte hier einfach zwei Personen zeigen, von denen die eine, geliebt wird aber nicht lieben kann, der andere nicht geliebt wird aber liebt. Was ist besser?


    Gruß


    Hubert

  • Naja, das Problem ist auch nicht so sehr, dass Herr Bigum etwas unerreichbares verfolgt, sondern eher, dass er dabei nicht glücklich ist. vielleicht wirst du sagen:"dabei kann man ja auch nur unglücklich werden!" aber das ist nicht so. ich denke(oder habe es schon selbst erlebt), man kann sich trotzdem freuen, dass man überhaupt liebesfähig ist und aufnahmebereit für die schönheit des seins und lebens. allerdings muss man auch zur rechten zeit zu dieser unerfüllbaren liebe distanz beziehen, sie darf nicht das ganze leben einnehmen. diesen punkt hat herr bigum versäumt, er ergeht sich in seiner lethargie anstatt sich durch andere dinge aufzuwerten. so macht er sich immer wertloser und abhängiger von den launen des fräuleins.


    das mit den schachtelsätzen hatte ich nur aufgegriffen, um deine frage zu beantworten, ob ich mir vorstellen könne, dass jemand im efühlsstrom wirklich so redet.

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  • salut amelie, hallo Hubert,


    würde mich gerne an eurer Diskussion über das Buch beteiligen... Habe das Buch zwar schon im Mai gelesen, aber keine Sorge ich will nichts vorweg nehmen...


    Dieser Herr Bigum ist natürlich eine sehr bemitleidenswerte Gestalt. Sie erinnert mich sehr an den kleinen Herrn Friedemann. Thomas Mann hat den Niels Lyhne übrigens auch gut gekannt, und es würde mich nicht wundern, wenn davon auch etwas in seine spätere Erzählung mit eingeflossen ist...
    Ich denke viele Schriftsteller schaffen solch' eine Figur wie den Herrn Bigum, weil sie damit ihre eigene theoretisch-intellektuelle Ausrichtung auf das Leben, problematisieren wollen. Diese nur "abstrakte" Sicht auf die Welt (wie sie im Roman genannt wird) fällt augenblicklich in sich zusammen und wird als nichtig erkannt, wenn es zu einem Einbrechen der Triebwelt, der erotischen Fixierung oder ähnlichem kommt...


    Für den jungen Niels Lyhne, der diese Szene verfolgen muss, ist das natürlich ein entscheidendes Erlebnis, was ja auch sehr gut und
    eindringlich beschrieben wird... Eine mögliche Flucht vor der Lebensproblematik in die Geistigkeit wird ihm damit schon früh als nicht erstrebenswert vorgeführt...


    Also, ich persönlich halte diese Szene für die beste literarische Darstellung einer Abfuhr, die ich überhaupt jemals gelesen habe... Hart, ehrlich, anschaulich, die ganze Tragik einer aussichtslosen Liebe auf den Punkt gebracht.


    Bleibt am Ball,
    und nicht zu schnell lesen: der Jacobsen schreibt unheimlich kompakt, da ist beinahe kein Satz nur so dahingeschrieben...


    Grüsse,
    Lucien