Suche Romane über das Groß-/Bildungsbürgertum des 19.Jhd.

  • Und zwar suche ich ganz konkret "klassische" Romane im Stil von "Buddenbrooks", Freytags "Soll und Haben" oder auch "Krieg und Frieden" oder Turgenjews "Väter und Söhne". Auch etwas im Stil von Dostojewskijs Idiot oder notfalls auch Nikolai Alexejewitsch Nekrassows "Makar Osipowitsch Slutschainij" (entschuldigt bitte die grässliche Transliteration, ich habe aber auf die Schnelle keine gefunden, also habe ich mich selbst versucht).


    Es sollte also zentral das tägliche Leben des Großbürgertums wiedergeben. Kurze Abschweife in die darunter und darüberliegenden Klassen sind sehr willkommen. Besonders reizvoll finde ich dabei die Kaufleute, insbesondere die Kaufmannsdynastie, wie in den ersten beiden Werken oben, deren tägliche Arbeit, deren tägliches Familienleben und deren Stellung innerhalb der Gesellschaft. Sehr interessant sind auch die Auswirkungen von Glück und Schicksal auf die Lebensläufe der Charaktere.


    Bitte keinen Fontane, den ich zwar sehr schätze, der aber eher missglückte oder dramatische (im Sinne eines dramatischen Zielkonfliktes) Liebesbeziehungen thematisiert.


    Ich habe es ein wenig mit Zola versucht, der hat mir aber weniger gefallen. Vielleicht habe ich aber einfach nur eine unglückliche Übersetzung vorliegen.
    Die Briten, die ich zu dem Thema gelesen habe (Dickens, Austen, Hawthorne, Gaskel, Hardy, usw.) gefallen mir zwar sehr, aber unter ganz anderen Gesichtspunkten, nicht als Beschreibung des Großbürgertums. Die Dekadenz der entsprechenden Wilde'schen Charaktere gefällt mir zwar auch sehr gut, aber ich hätte doch lieber etwas über die fleißigen, arbeitenden Menschen :)


    Bin gespannt was euch so einfällt!

  • Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Das ist zwar im 20. Jahrhundert geschrieben, behandelt aber überwiegend das großbürgerliche und adelige Lebensgefühl des ausgehenden 19. Jahrhunderts.


    Wenn es auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt sein darf: Musil - Der Mann ohne Eigenschaften. Und natürlich Thomas Mann: Der Zauberberg.


    Mit diesen Werken bist Du langfristig beschäftigt (falls Du sie noch nicht kennst).

  • Vielen Dank, schonmal!


    Den Zauberberg hatte ich bereits früher mal angelesen, aber nach etwa einem Drittel aufgegeben. In "der Mann ohne Eigenschaften" habe ich mich seit gestern etwas eingelesen.
    Beide Romane beinhalten aber etwas anderes als ich suche, wenn ich beide richtig einschätze. Beide porträtieren im Wesentlichen eine enorme Dekadenz des Großbürgertums. Im ersteren Fall den Müßiggang bei der Heilung von Krankheiten, die aus dem Nichtstun erwuchsen und im zweiten Fall eine Mischung aus der Dekadenz eines Lebemannes und einer "Bildungsdekadenz". Ich muss, wenn ich über Ulrich lese, ständig an Christian Buddenbrook und in Teilen auch Justus Kröger oder die Schieber der 1920er Jahre denken.


    Mir geht es aber eher um Romane, die den typischen Wertekanon (harte Arbeit, Pflichtbewusstsein, Korrektheit, usw.) von einer positiven Seite darstellen und nicht, wie Musil es tut, mit satirischem Unterton kritisieren. Das darf gerne auch einen elegischen Charakter, wie bei Buddenbrooks haben.
    Wenn ich an das Großbürgertum denke, denke ich primär an Industrielle, Kaufleute und Unternehmer, die zwar oft durchaus eine gewisse Dekadenz aufweisen, die aber eben nicht deren zentrales Merkmal ist. Wie gesagt, sind "Buddenbrooks" und "Soll und Haben" einfach Musterbeispiele für das, was ich konkret suche. Ich kann es leider nicht ordentlich umschreiben. Beide Werke unternehmen auch Ausflüge in die niedrigeren Schichten, in die verschwenderischen Haushalte, beschreiben auch die typische, straffe Haushaltsordnung, geführt vom finsteren Hausvorstand, zeigen aber auch etwas "zweifelhaftere" Wege, die die Leute damals gingen und die sie zum Erfolg brachten. Ein weiterer, relativ passender Roman wäre Falladas "Wolf unter Wölfen".


    Den Franzosen sehe ich mir bei Zeiten auch mal an, aber es wäre schöner, wenn sich Autoren finden, die ich in ihrer Originalsprache lesen kann. In meinem Fall wären das deutsch, englisch und russisch.

  • Vielleicht gefällt dir "Hundert Jahre 1770 bis 1870" von Heinrich Albert Oppermann. Ein dicker dreibändiger Roman mit "Zeit- und Lebensbildern aus drei Generationen".
    Da gehts nicht nur um das Großbürgertum, sondern um verschiedene Stände im Raum Hannover zu der angegebenen Zeit. Schau hier
    und den Text.


    Übrigens herzlich willkommen im Forum auch von mir!

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Bei den Briten fällt mir noch Galsworthy ein: The Forsyte Saga.


    Evtl. Wilhelm Raabe, ich kenne aber nur Pfisters Mühle, da zumindest gibts kein Großbürgertum.


    Bei Zola gibt es tatsächlich sehr große stilistische Unterschiede in den Übersetzungen und nicht alle Romane des Rougon-Maquart-Zyklus sind qualitativ gleich.

  • Wenn wir gerade bei den Briten sind: Trolope: "Der Premierminister" dürfte auch passen, und natürlich so einiges von Austen, wenn wir Hobsbawms langem 19. Jahrhundert folgen wollen, das mit der französischen Revolution beginnt.

  • Darf es Portugal sein?


    Dann empfehle ich: Die Maias, von José Maria Eca de Queiroz.


    Zur Zeit leider nur antiquarisch zu haben, aber äußerst süffig.

  • Vielen Dank, soweit! Ich werde mir auf jedenfall alle Vorschläge mal genauer ansehen. Soweit kann ich sagen, dass "Hundert Jahre" und "Forsyte" ziemlich perfekt zu passen scheinen.
    Den Rest schaue ich mir auch an, sobald mir die Klausurzeit ein wenig Luft lässt :)