Schriftsteller vor Gericht

  • Heute Abend läuft auf "Einsfestival" ein Spielfilm über das Gerichtsverfahren gegen den amerikanischen Dichter Allen Ginsberg. Was ich darüber lesen konnte, hat mich doch sehr an die Prozesse gegen Flaubert, Baudelaire und O. Wilde erinnert. Angefangen hat diese Art der Bekämpfung von Literatur mWn. mit Sokrates, dem "Verderber der Jugend", was mich zu zwei Fragen führt:
    Gibt es ein lesenswertes Buch über die Prozesse gegen Dichter und Autoren?
    Kennt jemand weitere Beispiele der juristischen Verfolgung von Autoren (und ich meine jetzt nicht die Art von Terror in totalitären Systemen und Diktaturen)?


    LG


    Tom


  • Kennt jemand weitere Beispiele der juristischen Verfolgung von Autoren (und ich meine jetzt nicht die Art von Terror in totalitären Systemen und Diktaturen)?


    Arno Schmidt, Seelandschaft mit Pocahontas.


  • Orhan Pamuk in der Türkei.Da ist es - meine ich - auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen,
    und die Türkei nennt sich immerhin Demokratie.



    In meiner Wieland-Biografie habe ich gelesen, dass Wieland spaßeshalber in einer literarischen Zeitschrift eine Anklage wegen fortgesetzten Plagiierens angedroht wurde. Im Erfinden eigener Fabeln war er wohl nicht so kreativ :breitgrins:

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • In meiner Wieland-Biografie habe ich gelesen, dass Wieland spaßeshalber in einer literarischen Zeitschrift eine Anklage wegen fortgesetzten Plagiierens angedroht wurde. Im Erfinden eigener Fabeln war er wohl nicht so kreativ :breitgrins:


    Ja, kann man so sehen. Sowohl der "Don Sylvio" als auch "Der neue Amadis" orientieren sich mehr oder weniger stark am Don Quijote". "Das Hexameron von Rosenhain" knüpft äußerlich natürlich an das Dekameron an.


    Aber ich behaupte, es gibt auch den umgekehrten Vorgang: Umberto Eco hat im "Name der Rose" eine Pointe verwendet, die in Wielands "Schach Lolo" so deutlich vorgezeichnet ist, dass ich an einen Zufall kaum glauben mag.

  • Kennt jemand weitere Beispiele der juristischen Verfolgung von Autoren (und ich meine jetzt nicht die Art von Terror in totalitären Systemen und Diktaturen)?


    Lassen wir Klabund im deutschen Kaiserreich von 1915 gelten? Damals stand auch "Gotteslästerung" in Rede.


    Das und Schweinskram ist nun nicht unmittelbar an totalitäre Verhältnisse gekoppelt. Beleidigung/Üble Nachrede/Verleumdung auch nicht. In diesen Bereichen lohnt die weitere Suche wohl am ehesten.


    Das Thema ist übrigens ambivalenter, als es auf den ersten Blick aussieht. In die Reihe der Schriftsteller vor Gericht gehört beispielsweise auch Knut Hamsun - wegen wirklich törichter Äußerungen.

  • Zitat

    MWn. stand Hamsun als Nazi-Kollaborateur, nicht als Literat vor Gericht.


    Ja, richtig. Ich dachte gerade an den schwer verdaulichen Hitler-Nachruf, aber es ging da tatsächlich um andere Vorwürfe - windig genug begründet.

  • Eckhard Henscheid stand mehrfach wg. seiner Polemiken/Glossen vor Gericht - aber die würde ich eher seinen journalistischen Arbeiten zurechnen, die zählen in diesem Kontext imho eher nicht ;-).


    Wenn man "Schrfitsteller vor Gericht" googelt, findet man auf Anhieb:


    Jörg-Dieter Kogel: Schriftsteller vor Gericht
    http://www.amazon.de/Schriftsteller-vor-Gericht-Jörg-Dieter-Kogel/dp/3518390287


    (Kann das einer der Admins mal in eine Amazon-Partnerlink verwandeln?)


    Klappentext:

    Zitat

    Diese Essays versammeln bestens ausgewiesene Autoren zu einem Themenspektrum, in dem die entscheidenden Varianten des gesellschaftlich-politischen Ärgernisses um wichtige Schriftsteller zur Darstellung kommen: über Arthur Schnitzler, Arno Schmidt, Johannes R. Becher, Klaus Mann, Theodor Mundt, Carl Einstein, Kurt Tucholsky, Günter Grass, Walter Janka, Ernst Toller und die Mutzenbacher.

  • Nach Rainer Schmitz: Was geschah mit Schillers Schädel:


    - Karl May war in 57 Gerichtsverfahren involviert,
    - Arno Schmidt, Anklage 1955, Grund: Gotteslästerung und Schweinskram
    - D.H. Lawrence 1960 posthum (30 Jahre nach seinem Tod) wg. Lady Chatterley
    u.einige mehr, unter Verweisen nachzulesen ...

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)