Mai 2012: Charlotte Brontë: Der Professor

  • Morgen am Montag, dem 14. Mai 2012 beginnt eine weitere Leserunde mit einem Roman der Brontë-Schwestern. Nach dem ersten Roman von Anne „Agnes Grey“ folgt jetzt der erste Roman von Charlotte „Der Professor“. Charlotte nahm 1842 an einem Französischsprachkurs in Brüssel teil und unterrichtete dort zwischen 1843 und 1844 am „Pensionnat de Demoiselles“ der Madame Heger wo sie sich unglücklich in Monsieur Heger verliebte. Diese Erlebnisse verarbeitete sie 1846 in ihrem Erstlingswerk „The professor“, der allerdings aus der Sicht ihres Lehrers geschrieben ist und anders als im wirklichen Leben endet. Der Roman zeigt uns also nicht nur Charlotte als Schriftstellerin sondern gibt uns auch einen Einblick in ihre Gefühlswelt. Ich bin jedenfalls sehr gespannt.


    Weitere Mitleser dürfen sich uns gerne anschließen.


    - und hier geht’s zum Materialien-Thread:
    http://www.klassikerforum.de/i…04.msg50552.html#msg50552

  • Hallo,


    meine ersten Eindrücke, nachdem ich planmäßig gestern mit dem Roman begonnen habe:


    Mit dem Abdruck eines Briefes an seinen Freund aus gemeinsamen Tagen am Eton College, Charles, führt der Protagonist William Crimsworth im ersten Kapitel in die Geschichte ein. Wir erfahren, dass William mit seinen zwei Onkel mütterlicherseits, Lord Tynedale und Mr. Seacombe, die ihm zehn Jahre am Eton College finanziert hatten, gebrochen hat um zu seinem zehn Jahre älteren Bruder Edward Crimsworth zu fahren und Kaufmann wie dieser zu werden. Die Aufnahme durch seinen Bruder ist alles andere als freundlich.


    Im zweiten Kapitel erfahren wir, dass William, da er Französisch und Deutsch schreiben und lesen kann, von Edward als Zweiter Sekretär eingestellt wird. Außerdem lernen wir Timothy Steighton, Edwards Ersten Sekretär kennen.


    Bis jetzt bleibt die Gesichte für mich ziemlich undurchsichtig. Warum hat William nicht das Angebot seiner adligen Onkels angenommen? Auch das feindselige Verhalten seines Bruders kann ich mir noch nicht erklären. Mal sehen, ob die nächsten Kapitel da Aufklärung bringen.

  • Im dritten Kapitel verschärft sich der Konflikt zwischen den Brüdern William und Edward Crimsworth, aber weiter bleibt unklar warum. Der Ich-Erzähler William ist wenn man ihm glauben darf, der wohl pünktlichste und fleißigste Mensch von dem ich bisher gehört habe, sein Bruder ist an Misstrauen, Geiz und Gier wohl nicht zu übertreffen. Wäre mal interessant die Geschichte aus Edwards Sicht zu hören.
    Auf einer Geburtstagsparty für Edward lernt William Mr. Hundsen kennen.


    Im vierten Kapitel versucht William sich und uns zu erklären worin die Antipathie, die ihm sein Bruder entgegen bringt, ihre Wurzeln hat:


    “Antipathy is the only word which can express the feeling Edward Crimsworth had for me—a feeling, in a great measure, involuntary, and which was liable to be excited by every, the most trifling movement, look, or word of mine. My southern accent annoyed him; the degree of education evinced in my language irritated him; my punctuality, industry, and accuracy, fixed his dislike, and gave it the high flavour and poignant relish of envy;”


    Nun ja, dass sich ein Arbeitgeber über die Pünktlichkeit und den Fleiß eines Angestellten ärgert, kann ich mir zwar nur schwer vorstellen, aber der Neid auf die höhere Bildung eines Untergebenen und sei es der jüngere Bruder, das ist schon vorstellbar und gar unterschiedliche Dialekte, man braucht sich ja nur den Ärger eines Bayern über die Sprache der Preußen vorzustellen. Und William wurde zehn Jahre am Eton College erzogen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Eton_College


    also in der englischen Grafschaft Berkshire.in Südengland:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Berkshire


    während Edward in der Grafschaft Yorkshire in Nordengland lebte.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Yorkshire

  • Auf einem notgedrungenen Abendspaziergang, weil die Dienstmagd das Feuer hat ausgehen lassen, wird William von Mr. Hundsen (den er im dritten Kapitel kennen lernte) in dessen Haus eingeladen. Und während mich bei den zwei Romanen von Anne insgeheim ärgerte, dass dort zwar immer gelesen wurde, wir aber nie erfuhren was, lässt Charlotte Mr. William einen Blick über Mr. Hundsens Bücherregale schweifen:


    „I ran my eye along the shelves of the book-case nearest me. French and German works predominated, the old French dramatists, sundry modern authors, Thiers, Villemain, Paul de Kock, George Sand, Eugene Sue; in German—Goethe, Schiller, Zschokke, Jean Paul Richter;”


    Goethe, Schiller, Jean-Paul und in einem Atemzug mit den drei deutschsprachigen Giganten: Zschokke?


    Bei Wikipedia erfährt man, dass der deutsche Schriftsteller und Wahlschweizer Zschokke zu seiner Zeit einer der meistgelesenen deutschsprachigen Schriftsteller war. 1814 erschien z.B. seine Erzählung „Hans Dampf in allen Gassen“, heute nur noch als Redensart bekannt.
    http://www.klassikerforum.de/i…09.msg50599.html#msg50599


    Zum Einordnen: 5 Jahre vorher waren Goethes „Wahlverwandschaften“ erschienen, 6 Jahre später erschien der letzte Roman von Jean-Paul: „Der Komet oder Nikolaus Marggraf“

  • Goethe, Schiller, Jean-Paul und in einem Atemzug mit den drei deutschsprachigen Giganten: Zschokke?



    Ach, so schlecht war Zschokke gar nicht. Auch wenn er heute selbst in seiner Wahlheimat eher als Historiker und Politiker bekannt ist. Aber es ist mit ihm so ähnlich wie mit Gustav Freytag: Zu Lebzeiten mit Klassikerstatus, von der Nachwelt ignoriert.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Ach, so schlecht war Zschokke gar nicht. Auch wenn er heute selbst in seiner Wahlheimat eher als Historiker und Politiker bekannt ist. Aber es ist mit ihm so ähnlich wie mit Gustav Freytag: Zu Lebzeiten mit Klassikerstatus, von der Nachwelt ignoriert.


    Danke, sandhofer, für deinen Beitrag. Kennst du Zschokke eher als Schweizer oder eher als Germanist? Und kannst du was empfehlen? Z.B. „Hans Dampf in allen Gassen“?


    Warum werden oder wurden Zschokke, Freytag u.a. von der Nachwelt ignoriert? Freytag wurden glaube ich auch antisemitische Tendenzen nachgesagt?

  • Kennst du Zschokke eher als Schweizer oder eher als Germanist?



    Da ich kein Germanist bin ... :breitgrins: ;) Ich habe eine Zeitlang in seiner Wahlheimat gelebt, wo es jetzt noch von seinen Nachkommen wimmelt. Eine Art Stadtaristokratie. Mit einer Ururur-ich-weiss-nicht-was-genau von ihm bin ich eine Zeitlang zur Schule gegangen.

    Und kannst du was empfehlen? Z.B. „Hans Dampf in allen Gassen“?



    Ich habe mal in den Abällino gelinst, Schauerromantik vom Schauerlichsten ... Als gar nicht übel habe ich aber ein Buch über Gartenbau oder so ähnlich in Erinnerung. Ich habe es leider bei einem meiner Umzüge verloren, und finde auch so auf die Schnelle keine Infos dazu im Netz.


    Warum werden oder wurden Zschokke, Freytag u.a. von der Nachwelt ignoriert?



    Das, wenn wir wüssten ... Dann wüssten wir wahrscheinlich auch, welche von den jetzt so Hochgelobten in 100 Jahren noch gelesen werden ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Im 5. Kapitel eskalieren die Feindseligkeiten zwischen den Brüdern und nach einem handfesten Streit bei dem William seinem älteren Bruder die Peitsche abnimmt und diese zerbricht, ist das Arbeitsverhältnis beendet.


    Als William heim kommt findet er Mr. Hunsden in seinem Wohnzimmer sitzend. Dieser empfiehlt ihm auf den Kontinent zu reisen, Brüssel beispielsweise sei mit fünf bis sechs Pfund zu erreichen. Mr. Hunsden gibt William ein Empfehlungsschreiben und dieser geht die Koffer packen und will am nächsten Tag abreisen.


    Das 7. Kapitel beginnt mit dem Satz: „Lieber Leser, Sie waren vielleicht noch nie in Belgien?“ und von da an hat das Buch einen ganz anderen Ton, ja ich meine, dass hier erst das eigentliche Buch beginnt. Mal sehen.

  • Hallo montaigne,


    ich darf kurz mitmischen ?
    die letzten Bronte Leserunden habe ich am Rande mitverfolgt. Dennoch bin ich mir nicht sicher ob diese Webseite schon genannt wurde, die sehr schön zu "Der Professor" passt:


    The Brontes in Brussels


    http://www.thebrusselsbrontegr…%EBs%20in%20brussels.html


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • die letzten Bronte Leserunden habe ich am Rande mitverfolgt. Dennoch bin ich mir nicht sicher ob diese Webseite schon genannt wurde, die sehr schön zu "Der Professor" passt:


    Hallo Maria,


    nein, diese Webseite hatten wir noch nicht und „The Brontës in Brussels“ passt natürlich an dieser Stelle im Roman, wo William Crimsworth in Brüssel ankommt, ideal. Sehr schön auch „The Garden of the Pensionnat Heger“, da konnte ich schon mal ins Paradies schauen, während bei William ja das Fenster zum Garten des Mädchenpensionats mit Brettern vernagelt ist. Vielen Dank und


    LG
    montaigne

  • Hallo montaigne,


    du bist hier so alleine. Vielleicht melden sich die Mitleser noch (?)
    in der Zwischenzeit darf ich vielleicht aushelfen ....



    Zitat

    . Sehr schön auch „The Garden of the Pensionnat Heger“, da konnte ich schon mal ins Paradies schauen, während bei William ja das Fenster zum Garten des Mädchenpensionats mit Brettern vernagelt ist.



    und etwas später bittet William Madame Pelet, da er ja nun Lehrer im Mädchenpensionat ist, die Bretter doch zu entfernen. Sein Blick fällt sinnend auf den „verbotenen Weg“, den er mit Mlle Reuter beschritt und sie ihm einen Fliederzweig, auf seine Bitten hin, pflückte.



    Alles sehr romantisch. Schon zu romantisch für einen männlichen Ich-Erzähler. Mir erging es beim Lesen, dass ich diesen Punkt oft vergaß und mir die Stimme weiblich vorkam.



    Die Beschreibung der Lehrer und der Schülerinnen im Pensionat ist mir auch zu schwarz-weiß, nur Mlle Reuter scheint vollkommen zu sein. Man merkt schon, dass es ein Erstlingsroman ist. Dennoch gefällt es mir gut und fürs Gesamtwerk finde ich das Buch auch wichtig, gerade im Hinblick Charlotte Brontes Erfahrungen in Brüssel, wie du bereits weiter oben erwähnt hast.



    Zitat S. 139 insel-tb (it 1354)
    Inmitten dieser Ansammlung von allem, was minderwertig und unvollkommen war, von vielem, das verderbt und abstoßend ...., erstrahlte die vernünftige, scharfsinnige, liebenswürdige Direktorin wie ein Fixstern über einem sumpfigen Moor voller Irrlichter. ... Diese Kraft hielt ihr Temperament ruhig, ihre Stirne glatt, ihr Wesen ausgeglichen...



    ich bezweifle bei derartigen Schülerinnen und Lehrerinnen, dass ihre Stirn so glatt bleibt.


    Der Flieder deutet auf zarte Bande zwischen zweier Herzen hin. Und sollte es ein violetter Flieder sein, kann man doch durchaus die blaue Blume, Sehnsucht nach Glück und Erfüllung, und als Symbol der Romantik darin erkennen, oder?



    doch der Erzähler hält den Leser noch im Ungewissen:


    Dennoch blieb sie hartnäckig, und letztendlich, wie ich bekennen muß, berührte ihr Finger bei dem Versuch, jedes Atom des Schmuckkästchens zu prüfen, dessen geheimen Mechanismus, und für einen Augenblick sprang der Deckel auf. Sie legte ihre Hand auf den darin liegenden Juwel. Ob sie ihn stahl oder zerbrach, oder ob sich der Deckel wieder schloß und sie sich dabei die Finger einklemmte: Lesen Sie weiter, und Sie werden es erfahren.



    und dann das überraschende Ende vom 12. Kapitel !



    Was meinst du was der Name Zoraide bedeuten könnte bzw. hat er eine Bedeutung? Ich konnte nichts finden, außer einer Oper von Rossini.



    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Alles sehr romantisch. Schon zu romantisch für einen männlichen Ich-Erzähler. Mir erging es beim Lesen, dass ich diesen Punkt oft vergaß und mir die Stimme weiblich vorkam.


    Hallo Maria,


    genau so geht’s mir, ich kann oft Autorin und Erzähler nicht auseinander halten und erwische mich öfters, dass ich Charlotte für den Erzähler halte – ja du hast Recht, das kommt von der romantischen Erzählweise.



    Was meinst du was der Name Zoraide bedeuten könnte bzw. hat er eine Bedeutung? Ich konnte nichts finden, außer einer Oper von Rossini.


    Neben der Rossini Oper „Ricciardo e Zoraide“ (UA 1818) gibt es noch eine Oper von Donizetti „Zoraide di Granata“ (UA 1822).
    http://musirony.de.tl/Zoraide-di-Granata.htm


    Vielleicht kannte sie eine der Opern oder den Roman von Florian Gonzales, auf dem Donizettis Oper basiert. Vielleicht wollte sie aber auch einfach einen geheimnisumwobenen Namen verwenden, ich glaube auch sie mochte Namen die mit Z anfangen, hieß nicht die Hauptfigur in der Kindheitsgeschichte Angria Zamorna? Mal sehen.



    Im übrigen, bin ich wie du der Meinung, dass man um bei den Brontë-Schwestern mitreden zu können, alle sieben Romane gelesen haben muss und ganz speziell „Der Professor“ macht mir ob seiner Ironie viel Freude. Wenn M. Pelet dem Erzähler sein „chambre“ zeigt und dieser kommentiert: „Es war ein sehr kleines Zimmer, mit einem außerordentlich kleinen Bett, aber M. Pelet gab mir zu verstehen, daß ich es ganz allein bewohnen durfte ....“, finde ich das einfach herrlich.


    LG


    montaigne


  • Im übrigen, bin ich wie du der Meinung, dass man um bei den Brontë-Schwestern mitreden zu können, alle sieben Romane gelesen haben muss und ganz speziell „Der Professor“ macht mir ob seiner Ironie viel Freude. Wenn M. Pelet dem Erzähler sein „chambre“ zeigt und dieser kommentiert: „Es war ein sehr kleines Zimmer, mit einem außerordentlich kleinen Bett, aber M. Pelet gab mir zu verstehen, daß ich es ganz allein bewohnen durfte ....“, finde ich das einfach herrlich.


    Hallo montaigne,


    du hast recht, die Ironie ist fein ausgeprägt. Viel mir besonders auf, wenn der Erzähler sich selbst kommentiert.


    noch zur Romantik:
    Charlotte sagt im Vorwort ihres Buches, dass sich ihr Romanheld so durchs Leben kämpfen sollte... nie einen Schilling erhalten sollte, den er nicht selbst verdient hatte, daß keine überraschende Wendungen ihn von einem Augenblick zum anderen zu Wohlstand oder in eine hohe Stellung gelangen lassen sollte; daß er, bevor er sich ausruhen konnte, zumindest halbwegs den "Berg der Schwierigkeiten" erklommen haben sollte. Nach dem Motto "Wer am Boden liegt, braucht den Fall nicht zu fürchten".


    Hast du das Vorwort in deiner Ausgabe?


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Vielleicht wollte sie aber auch einfach einen geheimnisumwobenen Namen verwenden, ich glaube auch sie mochte Namen die mit Z anfangen, hieß nicht die Hauptfigur in der Kindheitsgeschichte Angria Zamorna? Mal sehen.


    das könnte ich mir gut vorstellen. Der Name würde gut zu den Figuren um Glass Town passen.
    Ich mußte mich erst wieder reindenken in die Angria-Geschichten. Zamorna war der älteste Sohn des Herzog von Wellington.


    Es ist erstaunlich, wie wenig William Crimsworth ihrer Lieblingsfigur, den düsteren Zamorna und später Rochester ähnelt. Was für gewagte Figuren !


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria



    Hast du das Vorwort in deiner Ausgabe?


    Ja, ich hab’ das Vorwort, aber noch nicht gelesen, ich hab’ mich diesmal gleich in den Text gestürzt, damit ich nicht wieder meinen MitleserInnen wie gewöhnlich hinterher hinke. Wär’ diesmal aber gar nicht nötig gewesen. :breitgrins:




    Es ist erstaunlich, wie wenig William Crimsworth ihrer Lieblingsfigur, den düsteren Zamorna und später Rochester ähnelt. Was für gewagte Figuren !


    Gewagte Figuren haben ja alle drei Schwestern entworfen. Meine Lieblingsfrage zu den drei männlichen Protagonisten ist meistens: Wer von den dreien ist dir am ehesten sympathisch, wer am meisten unsympathisch. Rochester, Heathcliff oder Huntingdon?
    Natürlich gibt’ s darauf keine richtige Antwort, bzw. jede Antwort ist richtig, wie ja auch im wirklichen Leben jeder andere Menschen mag. Aber interessant ist es schon, am meisten höre ich: Rochester am ehesten sympathisch und Heathcliff ist ja wohl die bösartigste Romanfigur überhaupt.
    Bei mir ist das anders, nun sympathisch ist mir keiner von den dreien, aber am wenigsten unsympathisch ist mir Heathcliff und das größte Schwein ist für mich Huntingdon! Wie siehst du das?


    LG
    montaigne



  • Bei mir ist das anders, nun sympathisch ist mir keiner von den dreien, aber am wenigsten unsympathisch ist mir Heathcliff und das größte Schwein ist für mich Huntingdon! Wie siehst du das?



    Hallo montaigne,


    ich seh das sehr ähnlich. Bei mir kommt noch die Erinnerung an ein kindliches Leseerlebnis hinzu, wenn ich an Rochester denke. Ich war 15 oder 16 als ich "Jane Eyre" las und mich hat die gesamte Atmosphäre regelrecht gefangen genommen, Gänsehaut usw., und natürlich richtete sich mein Augenmerk in dieser pubertären Phase auf Rochester. Als erwachsener Mensch denke ich immer noch gerne an diese 'Verliebtheit' zurück, wenn mir auch die Haare zu Berge stehen würde, wenn mir ein Mann so herrisch kommen würde. Sehr auffallend übrigens finde ich in Charlotte Brontes Werk die starken Frauenfiguren, die sich im Innersten danach sehnen beherrscht zu werden.


    Über die Erschaffung eines Heathcliffes kann man nur staunen. Und wenn auch Huntington nicht derart bekannt ist, sind beide Figuren eine große Wagnis für die zwei Autorinnen gewesen. Zwei Pfarrerstöchter die es wagten zu damaliger Zeit Alkoholismus und Gewalt zu thematisieren. Das fordert Respekt. Anne Bronte finde ich sogar am gewagtestes unter den Schwestern, wenn es um häusliche Gewalt in ihrem Roman "Die Herrin von Wildfell Hall" geht. Ich denke, jede der Schwestern hat genau das thematisiert, was in ihrem Innersten sie bewegte. Was für ein Sturm muß in Emily geherrscht haben. Schon faszinierend das Thema Bronte.


    Ich habe nun das 19. Kapitel in "Der Professor" beendet.
    Eins der schönsten wie ich finde. Gerade die Suche, die Erkenntnis seiner Liebe, das Finden seiner Liebsten. Das hat mir sehr gut gefallen.


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,



    ich seh das sehr ähnlich. Bei mir kommt noch die Erinnerung an ein kindliches Leseerlebnis hinzu, wenn ich an Rochester denke. Ich war 15 oder 16 als ich "Jane Eyre" las und mich hat die gesamte Atmosphäre regelrecht gefangen genommen,


    Wem geht das nicht so, wenn man „Jane Eyre“ zum Ersten mal liest.




    Ich denke, jede der Schwestern hat genau das thematisiert, was in ihrem Innersten sie bewegte. Was für ein Sturm muß in Emily geherrscht haben. Schon faszinierend das Thema Bronte.


    Das Erstaunlichste für mich ist, dass die drei Schwestern, obwohl zusammen aufgewachsen, die gleiche Ausbildung genossen, ähnliches erlebt haben usw., so unterschiedliche Romane geschrieben haben.

    Gruß


    montaigne

  • Im 7. Kapitel erhält William durch sein Empfehlungschreiben von Mr. Hunsden an Mr. Brown eine Anstellung als Lehrer (in Belgien = Professor) für Englisch und Latein an der Knabenschule von Mr. Pelet. Wie bei den meisten Personen zuvor wird die Phsiognomie von Mr. Pelet beschrieben. Sie war „fine et spirituelle“. In den Anmerkungen wird erklärt, dass sich Charlotte selbst einmal von einem Phrenologen hat analysieren lassen. Die Phrenologie war damals eine Mode-„Wissenschaft“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Phrenologie


    Die Mutter von M. Pelet und die Mutter von Zoraide, Madame Reuter sondieren bei William vor, ob er bereit ist, auch an der Mädchenschule von Zoraide zu unterrichten.


    Der Deal wird zwischen William und Zoraide, einer anmutigen Person von 26 oder 27 Jahren perfekt gemacht. William verdient jetzt neben den 1.000 Francs jährlich an der Knabenschule plus Unterkunft und Verpflegung weitere 500 Francs an der Mädchenschule. Am Ende der Unterredung gibt William Zoraide die Hand, ein Privileg seines Landes, was wohl der kontinentalen Etikette zuwiderlief – also kommt der Handschlag wohl aus England und ich habe immer gedacht, das sei typisch deutsch. Wer kennt sich da aus? Knigge? :zwinker:


    Williams erster Tag an der Mädchenschule: Ausführlich werden die drei Lümmel aus der ersten Bank, Eulalie, Hortense und Caroline beschrieben.


    William wird von M. Pelet zu einem Gespräch gebeten, wobei sie „in beinahe englischer Gemütlichkeit“ am Kamin saßen. Im Original steht: „he and I were seated, almost in English comfort”, klar kann man mit Gemütlichkeit übersetzen, ich hätte Geborgenheit genommen, von wegen “my home is my castle“ und die Gemütlichkeit bleibt deutsch. :zwinker:
    Am Ende des Gesprächs verließ M. Pelet das Zimmer und summte dabei eine muntere Béranger-Weise:
    http://www.cairn.info/revue-de…omparee-2005-1-page-5.htm



    und dann das überraschende Ende vom 12. Kapitel !


    Obwohl vorgewarnt, die Überraschung ist Charlotte geglückt!


    Im 13. Kapitel bekommt William von Zoraide Reuter eine neue Schülerin vorgestellt, die an der Schule Handarbeit unterrichtet, aber ihr Englisch verbessern will: Frances Evans Henri


    Mlle Henri wird näher beschrieben.


    William läßt eine Episode aus der Geschichte von Schottland lesen und Frances Evans Henri überrascht ihn durch ihr sehr gutes Vorlesen:
    http://www.electricscotland.co…y/perth/vol1chapter10.htm


    William läßt eine Arbeit über König Alfred schreiben. Wieder wird er von Frances Evans Henri mit einer guten Arbeit über King Alfred und seinen Kampf gegen den Dänenkönig Guthrum Lanze überrascht:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_der_Gro%C3%9Fe

  • Zwischengedanke -


    Hallo montaigne,


    ich habe von den Brontes nun nur noch "Villette" nicht gelesen und stelle gerade fest, dass auch darin Charlotte Bronte ihre Lehrtätigkeit in einem Mädcheninternat verarbeitet, allerdings etwas kritischer als noch in "Der Professor", wenn man Wikipedia glauben mag.


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)