Februar 2012: Anne Brontë: Der Herrin von Wildfell Hall

  • Helens Zuneigung Arthur gegenüber scheint wirklich unerschöpflich. Nachdem sie flüchten konnte und sich versteckt hält, kehrt sie tatsächlich zu ihrem Scheusal von Ehemann zurück. Damit hätte ich nicht gerechnet. Diesen Schritt geht Helen vielleicht auch ein wenig aus Nächstenliebe im allgemeinen und nicht nur aus Liebe zu ihrem Mann.


    Etwas verwundert hat mich die plötzliche Einbindung von Helens Bruder in die Geschichte. Erst hieß es, es komme gar nicht in Frage, sich ihm zu öffnen, da nicht mit Verständnis seinerseits zu rechnen sei (er wird aus Helens Sicht während der Geschichte auch kaum erwähnt) und dann wird er ihr engster Vertrauter... Damit klärt sich jedenfalls das Verhältnis zw. Mr. Lawrence und Helen.


    Gruß
    Eni

  • Zitat

    Helens Zuneigung Arthur gegenüber scheint wirklich unerschöpflich. Nachdem sie flüchten konnte und sich versteckt hält, kehrt sie tatsächlich zu ihrem Scheusal von Ehemann zurück.


    Hi Eni,


    als ich das gelesen hatte, war ich ebenfalls schockiert. Andererseits weiß man zum Ende nicht, ob aus Nächsten oder aus Eigenliebe (weshalb lasse ich vorerst dahin gestellt, um nicht zuviel zu verraten). Dass Mr. Lawrence Helens Bruder ist, hatte ich zwar vorher bereits geahnt, was freilich die gesamte Heimlichtuerei in etwa erklärt. Wie weit bist du eigentlich im Moment, damit ich in etwa abschätzen kann, was ich bereits verraten darf und womit ich lieber noch warte, bis du mit dem Buch ebenfalls durch bist. Ich denke, es gibt abschließend schon noch einigen Gesprächsstoff, so dass ich hoffe, wenigstens du bleibst der LR bis zum Ende treu.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Zitat

    Ich bin nun fertig mit dem Buch :-)


    Hi Eni,


    das freut mich sehr! Wie hat es dir insgesamt gefallen? Zuweilen fand ich das aufopfernde Wesen Helens fast ein wenig übertrieben, wenngleich sie, wie gestern angedeudet, immerhin noch Arthurs schönes Anwesen erbt, wobei schlecht zu sagen ist, ob sie es nun darauf abgesehen hatte, als sie so überraschend zu ihrem Mann zurückkehrte. Was mich auch etwas wunderte ist, dass sie sich am Ende doch auf Graham einlässt, obwohl für mich zwischen ihm und dem früheren Bewerber Hargrave eigentlich kein charakterlicher Unterschied zu bemerken war. Insgesamt fand ich das Buch fast etwas besser geschrieben als das ihrer Schwester, wobei dies natürlich mein rein subjektiver Eindruck gewesen ist.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit


  • Ich habe jetzt das 44. Kapitel, die Tagebuchaufzeichnungen, beendet. Und du?


    So weit bin ich noch lange nicht, - hinzu kommt, dass ich die letzten vier Tage weder Zugriff auf das Internet noch auf das Buch hatte.


    Da ihr nun alle schon mit dem Buch zu Ende seit, melde ich mich wieder mit einem Abschlussresümee wenn ich ebenfalls fertig bin.

  • Hi Eni,


    das freut mich sehr! Wie hat es dir insgesamt gefallen? Zuweilen fand ich das aufopfernde Wesen Helens fast ein wenig übertrieben, wenngleich sie, wie gestern angedeudet, immerhin noch Arthurs schönes Anwesen erbt, wobei schlecht zu sagen ist, ob sie es nun darauf abgesehen hatte, als sie so überraschend zu ihrem Mann zurückkehrte. Was mich auch etwas wunderte ist, dass sie sich am Ende doch auf Graham einlässt, obwohl für mich zwischen ihm und dem früheren Bewerber Hargrave eigentlich kein charakterlicher Unterschied zu bemerken war. Insgesamt fand ich das Buch fast etwas besser geschrieben als das ihrer Schwester, wobei dies natürlich mein rein subjektiver Eindruck gewesen ist.


    Gruß
    Meier


    Hallo zusammen,


    Meier, du meinst bestimmt Markham, auf den Helen sich einlässt, oder? Nun, die Wahl hat mich auch verwundert. Markham sehe ich dabei eher noch in einem schlechten Licht stehen. Unvergessen die Szene, in der kaltblütig seinen Freund Lawrence niederschlägt und seine Schuldgefühle auf sich warten lassen. Hingegen sehe ich Mr. Hargrave als durchweg positive Person. In seiner Zuneigung ist er mir sympathisch. Er hat einen Sinn für Dinge, die anderen durch den Kopf gehen, er schreitet ein, als die Männergruppe ihr Unwesen mit dem kleinen Arthur treibt. Warum Helen also Mr. Hargrave gar nicht in Betracht zieht, steht in den Sternen.


    Insgesamt hat mir der Roman sehr gut gefallen. Ich habe vorher fast nichts darüber gelesen und mir so einiges an Spannung erhalten. Sonst wäre es mir zwischzeitlich wohl auch ein wenig langatmig vorgekommen. Hier war ich übrigens dankbar, dass Anne zweimal ein Jahr in den Tagebuchaufzeichnungen übersprungen hat. Die Schilderung weiterer, wiederkehrender Jagdgesellschaften wäre doch zuviel gewesen.
    Andere Bronte-Romane habe ich noch nicht gelesen. Sturmhöhe hatte ich hier im Forum gerade verpasst. Meier, beziehst du dich auf diesen Roman mit deinem Kommentar dieses Buch sei besser geschrieben als das ihrer Schwester? Ich setze es mit Jane Eyre mal ganz vage auf meine Leseliste. Interessieren würde mich auch eine Buch über die drei Schwestern...


    Die Existenz der großen Besitztümer von Arthur und Helens Onkel habe mich am Ende ein wenig überrascht. Sicher ist, Helen wir mit ihnen gut wirtschaften und finanzielle Notlagen sind nicht zu erwarten.


    Gruß
    Eni

  • Hallo Eni,


    mit deinem Beitrag erweckst du lie LR noch einmal so richtig zu neuem Leben. Und, ja ich beziehe mich bei meinem Vergleich auf Sturmhöhe, dessen gesamte Handlung mir doch etwas zu kostruiert vorkam. Bei Anne hatte ich zu Beginn das Gefühl, sie verstricke sich etwas sehr in langatmige Dialoge, vornehmlich über Erziehungsfragen. Dann aber machte das Buch doch einigen Spaß beim Lesen. Über die Handlungsweise der Hauptakteure lässt sich natürlich im Nachhinein streiten und gerade bei diesem Buch sehe ich doch einigen Grund für die Entrüstung, mit der es zur damaligen Zeit aufgenommen wurde, da ich vermute, dass sich doch einige Herren der vornehmeren Gesellschaft, mit Verlaub gesagt, auf den Schlips getreten sahen. Um mein Bild von den Bronte Sisters abzurunden, wäre dann dieses Jahr evtl. wirklich noch die Jane Eyre LR auf dem Plan, wobei ich mir im Moment ob der geringen Beteiligung aber noch nicht recht sicher bin.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Hallo Meier,


    nicht ohne Grund wird Anne ihren Roman unter einem Pseudonym veröffentlicht haben. Wir können heute gut nachvollziehen, dass man nicht mit so einem Tyrann leben möchte und haben für Helens Aufbegehren Verständnis. Damals sah das wohl etwas anders aus.


    Mal schauen, was montaigne zum Schluss des Buches sagen wird.


    Bei einer Leserunde zu Jane Eyre wäre ich auf jeden Fall dabei. Thomas Hardys "Tess" wäre vielleicht auch interessant. Zwar etwas später erschienen, spielt aber vielleicht ganz in der Nähe von Wildfell Hall.


    Dies ist ja meine erste Leserunde und ich muss sagen, dass ich das Buch allein vermutlich weniger intensiv gelesen hätte. Den Austausch empfinde ich als sehr angenehm, sonst bin ich mit dem was ich lese doch eher allein.


    Gruß
    Eni

  • Den Roman von Anne habe ich jetzt auch beendet. Insgesamt habe ich ihn gerne gelesen, wenn er mir auch an manchen Stellen zu ausführlich war, vor allem in den Dialogen. Was ich schon zu den Briefen von Gilbert Markham bemerkt habe, gilt auch für das Tagebuch von Anne: es erscheint mir unglaubwürdig, dass man seitenweise Dialoge in ein Tagebuch schreibt, zumal beim Tagebuch noch hinzukommt, dass Anne oft lange Zeit nichts schreibt (Pausen bis zu einem Jahr deuten eher auf ein Jahresbuch hin und nicht auf ein Tagebuch), dann aber noch genau weiß, was vor Jahr und Tag gesprochen wurde.


    Nun beim Lesen vergisst man schnell, dass es sich um Briefe bzw. ein Tagebuch handelt und so stört es nicht all zu viel. Zwei andere Dinge haben mich mehr gestört:


    1. Anne verwendet für meinen Geschmack zu viele Adjektive. Zwar würde ich nicht so weit gehen wie der französische Journalist und Politiker Georges Clemenceau (1841 – 1929), der einmal seinen Sekretär wie folgt instruiert haben soll: „Ein Satz besteht aus einem Substantiv und einem Verb. Wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, so kommen Sie zu mir in den 3. Stock und fragen, ob es nötig ist“.


    Was ich meine, will ich an einem kleinen Abschnitt aus dem ersten Absatz des 20. Kapitels verdeutlichen, aus dem ich Anne gerne die fünf unterstrichenen Adjektive gestrichen hätte:


    It was a splendid morning; and I went out to enjoy it, in a quiet ramble, in company with my own blissful thoughts. The dew was on the grass, and ten thousand gossamers were waving in the breeze; the happy red-breast was pouring out its little soul in song, and my heart overflowed with silent hymns of gratitude and praise to heaven.
    .
    2. Im Gegensatz zu Emily, die in Sturmhöhe nur beschreibt und den Leser selbst urteilen lässt, versucht Anne permanent ihre gesellschaftliche und religiöse Meinung als die einzig richtige darzustellen.


    Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, auch um zu sehen wie drei Schwestern, mit der gleichen Erziehung zu drei sehr unterschiedlichen Schreibweisen gefunden haben, aber auch weil Anne manche Sachen wunderbar beschreibt z.B. das Schachspiel im 33. Kapitel. zwischen Helen und Hargrave. Auch die Entwicklung der Trunksucht bei ihrem Ex ist m.M.n. sehr genau beschrieben. Anschauungsmaterial hatte sie ja dafür an ihrem Bruder.



    du meinst bestimmt Markham, auf den Helen sich einlässt, oder? Nun, die Wahl hat mich auch verwundert. Markham sehe ich dabei eher noch in einem schlechten Licht stehen. Unvergessen die Szene, in der kaltblütig seinen Freund Lawrence niederschlägt und seine Schuldgefühle auf sich warten lassen. Hingegen sehe ich Mr. Hargrave als durchweg positive Person. In seiner Zuneigung ist er mir sympathisch. Er hat einen Sinn für Dinge, die anderen durch den Kopf gehen, er schreitet ein, als die Männergruppe ihr Unwesen mit dem kleinen Arthur treibt. Warum Helen also Mr. Hargrave gar nicht in Betracht zieht, steht in den Sternen.


    Das habe ich mir so erklärt, dass Helen mit einem der Freunde von Huntingdon nichts zu tun haben wollte, um nicht permanent an die alten Geschichten erinnert zu werden. und lieber einen Mann aus einer „anderen Welt“ vorzog.