Das Journal habe ich abgeschlossen.
Ich komme leider momentan kaum zum Lesen, werde aber wohl im Verlauf der Woche ebenfalls fertig sein.
:winken:
Tom
Das Journal habe ich abgeschlossen.
Ich komme leider momentan kaum zum Lesen, werde aber wohl im Verlauf der Woche ebenfalls fertig sein.
:winken:
Tom
Ich habe jetzt wieder ein Stück weiter gelesen und habe nun rund die Hälfte hinter mir und es geht weiter mit seinen Plänen für die Schule.
Hier muss ich sagen, dass ich extrem überrascht bin von seinen Ideen. Glaubt Herder wirklich, dass alle Schüler so wissbegierig sind und bei den Plänen die er da präsentiert mitmacht?
Mir kommt das alles sehr unwahrscheinlich vor, immerhin kann ich nicht glauben, dass sich der Eifer der Schüler dermaßen verschlechtert hat.
Katrin
Glaubt Herder wirklich, dass alle Schüler so wissbegierig sind und bei den Plänen die er da präsentiert mitmacht?
Ja. Jedenfalls zum Zeitpunkt, als er sein Journal führte ...
Ja. Jedenfalls zum Zeitpunkt, als er sein Journal führte ...
Sehr optimistisch der Mann.
Ich habe nun die Hälfte hinter mir (Seite 80) und komme nun langsam aber sicher zur Religion.
Was ich aber noch fragen wollte: Wisst ihr wie alt man in der "1. Klasse" damals war? War man da 10 (also nach der Volksschule) oder jünger oder älter? Weiß das zufällig jemand von euch?
Katrin
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen ...
Zu Herders Sprachphilosophie: Welchen Einfluss hat der herrschende „Zeitgeist“ auf den Geist einer Sprache? Herder knöpft sich die damals in Europa führende französische Sprache vor, um zu zeigen, dass der Geist der monarchischen Sitten und des höfischen Lebens der Ausdrucksweise Politur gegeben haben. Das Gefällige, Galante und Amüsante bildet Herder zufolge den Hauptton der französischen Sprachkunst. Man will gefallen und zeigen, dass man Erziehung hat. Diese Galanterie sei aber keineswegs die Sprache des Affekts und der Zärtlichkeit, sondern des Umgangs und letztlich nicht mehr als ein Kennzeichen, dass man die Welt kenne. Eine Sprache als Kunst, zu brillieren, als eine Logik der Lebensart. Mit diesem Geist gehe dem Franzöischen allerdings das innere Gefühl verloren, der sprachliche Wohlstand ist für Herder eine Barriere für den Geist. Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit seien die Folgen, insbesondere in der Literatur. Das wahre Lachen ist aus der feinen neuen französischen Comödie so glücklich ausgestorben, als der wahre Affekt von ihrem Trauerspiel.
Diese Distanzierung von der französischen Sprache und Kultur findet sich nicht nur bei Herder. Auch Lessing lehnte die Sprache der absolutistischen Herrschaft ab und sah zeitlebens in den antiken Sprachen den Höhepunkt der menschlichen Entwicklung. Das ist natürlich nationalistischer Unfug und nimmt m.E. nur das vorweg, was später in den Befreiungskriegen gegen Napoleon gedichtet wurde:
Schlagt sie (=die Franzosen) tot, das Weltgericht
Fragt Euch nach den Gründen nicht.
Ich meine, dass es Heinrich von Kleist war, der für diese Hetze verantwortlich war (bin mir allerdings nicht ganz sicher).
LG
Tom
Kleine Anekdote am Rande: Ich habe mittlerweile Goethes erste Begegnungen mit Herder im 10. Buch von "Dichtung und Wahrheit" gelesen. Sie trafen sich zufällig 1769/70 in Straßburg. Der eitle und verwöhnte Fatzke Goethe war schwer irritiert von der Art, wie der "gutmütige Polterer" Herder seine Unreife zerpflückt, verspottet und ihm viele Dinge, der er für groß hielt, regelrecht madig machte. Goethe resigniert: "Von Herder konnte man niemals eine Billigung erwarten."
Goethe war aber auch fasziniert von dem fünf Jahre Älteren, von dessen Belesenheit und kluger Analyse. "Seine Gespräche waren jederzeit bedeutend. ... Nun wurde ich auf einmal mit allem neuen Streben und all den Richtungen bekannt, welche dasselbe zu nehmen schien."
Wenn ich mich recht erinnere, hatten die beiden später, in der Weimarer Künstlerkolonie, mächtig Stress miteinander. Aber mit wem hat Goethe es sich nicht verdorben?
Ich meine, dass es Heinrich von Kleist war, der für diese Hetze verantwortlich war (bin mir allerdings nicht ganz sicher).
Da mich das jetzt interessiert hat, habe ich gesucht bis ich es gefunden habe. Und es war Kleist in "Germania und ihre Kinder"
Anbei der komplette Text
In der Strophe 5 sagt es der Chor.
Ich merke schon, dass ich, um Herder zu verstehen, auch die anderen seiner Zeit lesen sollte. Ich habe ja schon ein paar Goethe Werke hier stehen.
wenn Goethe gewusst hätte wie man einen Apfelstrudel backt, dann hielte ich es für möglich, dass jemals jemand wirklich über das Wissen der Welt verfügt hat. Schau mal in deiner Chronik nach, ob darüber etwas geschrieben steht.
Ich habe jetzt die Anmerkungen am Anfang der Chronik gelesen und da steht leider nichts nenneswertes drin. Nur wie sie entstanden ist und mit wem Schedel zusammen gearbeitet hat.
Katrin
Da mich das jetzt interessiert hat, habe ich gesucht bis ich es gefunden habe. Und es war Kleist in "Germania und ihre Kinder"
Ausgezeichnet! Vielen Dank für Deine Mühe.
:winken:
Tom
Angetan hat es herder aber die Sprache. Da hat doch Nietzsche seinen Übermenschen!
Habe ich diese Stelle bislang überlesen oder kommt sie noch? Notfalls werde ich Dich bitten müssen, mir den Herderschen Vorläufer des Übermenschen zu erklären. :zwinker:
LG
Tom
Ich nehme mal den bereits an anderer Stelle erwähnten Radioessay "Vom Primzahlmenschen" (Arno Schmidt) in diese Sammlung auf. Schmidt beschreibt Herder darin als einen polyhistorisch angelegten Geist, der seine Gelehrten- und Schriftstellerkarriere durch kosmopolitische Lockerheit begann, sich später immer mehr in Widersprüche verstrickte und zuletzt als ein Mensch endete, der, wie eine Primzahl, nur durch sich selbst und durch eins teilbar war. Schön formuliert, genau wie die Charakterisierung des Herderschen Schreibstils: "Köstlich verwildert".
Habe ich diese Stelle bislang überlesen oder kommt sie noch? Notfalls werde ich Dich bitten müssen, mir den Herderschen Vorläufer des Übermenschen zu erklären. :zwinker:
Entschuldige bitte die missverständliche Ausdrucksweise. Ich meinte mit dem Übermenschen Herder selbst, der mit all seinen Theorien und Vorhaben nahezu die gesamte Welt umfasst. Ich bin übrigens gespannt auf Goethes Eindrücke über Herder in "Dichtung und Wahrheit". Das steht für nächstes Jahr auf meinem Programm. Zum Glück ist es ein Schaltjahr :winken:
Herder geht nun von der Schule weg und widmet sich Preussen und Russland.
Interessant fand ich seine Aussagen zu Schweden, muss aber zugeben, dass ich ohne die Anmerkungen nicht viel davon verstanden hätte. Über diese Anmerkungen bin ich sowieso überaus froh, sie haben mir schon an anderer Stelle geholfen den Text besser zu verstehen.
Katrin
Ich meinte mit dem Übermenschen Herder selbst, der mit all seinen Theorien und Vorhaben nahezu die gesamte Welt umfasst.
Ach so, jetzt leuchtet mir Deine Formulierung ein.
Ich bin übrigens gespannt auf Goethes Eindrücke über Herder in "Dichtung und Wahrheit".
Dazu könnte ich Dir einiges mitteilen, weil ich "D.u.W." parallel zum Herder-Journal lese. Aber ich will Dir den Spaß nicht verderben, der sich ohnehin in Grenzen hält. Goethe bastelt derart penetrant am eigenen Denkmal, dass es ans absolut Lächerliche grenzt. Ein spannendes Dokument, wie man sich selbst zu ernst nimmt und damit selbst (unabsichtlich) demontiert ...
:winken:
Tom
Ich bin nun auch endlich zu der Beschreibung der einzelnen Länder vorgedrungen und finde es faszinierend wie er diese teilweise "abstempelt". Vor allem Frankreich, an dem Land lässt er ja gar kein gutes Haar. Aber auch alle anderen Länder entsprechen offenbar nicht seiner Vorstellung wie ein Staat zu sein hat.
Woher er all seine Informationen hatte, habe ich mich auch gefragt. Heute, in Zeiten des Internets ist das alles einfach, aber damals...
Katrin
Ich bin mittlerweile fertig.
Herder schreibt über seine Innenwelt und wählt dazu rätselhafte Bilder: Gefühl für Erhabenheit ist also die Wendung meiner Seele. … Meine Leben ist ein Gang durch gothische Wölbungen, oder wenigstens durch eine Allee voll grüner Schatten: die Aussicht ist immer ehrwürdig und erhaben; der Eintritt war eine Art Schauder. „Erhabenheit“ als eine Art Grundstimmung der Seele? Das klingt nach dauerndem Überwältigtsein von all den Dingen, die täglich gesehen und erlebt werden, nach kindlichem Staunen …
Dann dies: Die menschliche Seele hat ihre Lebensalter, wie der Körper. Herder gesteht, dass er sich bereits in seiner Jugend alt fühlte, stutzig, betäubt, vollgestopft mit Bücherwissen. Das führt ihn zum letzten großen Thema des „Journals“: den Überlegungen zu Jugend und Veraltung der menschlichen Seelen und den Fragen, was die Seele vorzeitig altern lässt bzw. jung erhält. Neugier, Einbildungskraft , Leidenschaft und der Gebrauch aller Sinne sind für Herder typische Eigenschaften der jungen Seele. Wenn diese Anlagen nicht gefördert oder gar unterdrückt werden (bspw. in der Schule), altert die Seele schnell und vorzeitig. Interessant: Ohne Körper ist unsere Seele im Gebrauch nichts: mit gelähmten Sinnen ist sie selbst gelähmt. Da hat jemand offensichtlich das antike „Mens sana in corpore sano“ wiederentdeckt.
Herder bedauert, dass seine Zeit keine Verwendung für den glücklichen, sportiven Jüngling der Antike hat: Wir sind im Jahrhundert der Erfahrungen, der Verwaltung, der Politik, der Bequemlichkeit, wo wir wie andere denken müssen. Die Jugend steht unter Anpassungszwang und Konformitätsdruck, kann nicht mehr all die wertvollen Phänomene sehen, damit sie in ihnen leben. Wenn der gute Herder heute unsere Schulen und mehr noch die Universitäten besuchte, so wäre er sicher zutiefst erschüttert über die Bachelorisierung unserer Bildung.
LG
Tom
Vor allem Frankreich, an dem Land lässt er ja gar kein gutes Haar. Aber auch alle anderen Länder entsprechen offenbar nicht seiner Vorstellung wie ein Staat zu sein hat.
Offensichtlich repräsentierte Frankreich für Herder die schlimmsten Übel seiner Zeit: Absolutistische Herrschaft und Adelswillkür, gepaart mit höfischer Galanterie und Oberflächlichkeit. Ja, es stimmt: In ganz Europa wittert Herder Verfall und Untergang - und es hat mich gewundert, dass er Rußland davon ausgenommen hat. Spricht da der Träumer, der sich von der deutschen Zarin Katharina Reformen versprach?
Ich bin mittlerweile fertig.
Reizt es dich ein weiteres Werk von Herder zu lesen?
Mich eigentlich nicht, obwohl ich seine kritschen Wälder und die Sprachgeschichte auf meinem Ebook habe.
Reizt es dich ein weiteres Werk von Herder zu lesen?
Durchaus. Ich finde das Herdersche Denken faszinierend, seine Sprache intelligent und vieldeutig. Wenn derartig wichtige Kriterien erfüllt sind, lasse ich einen Autor so schnell nicht aus meinem Leben gehen.
In elektronischer Form liegen mir vor:
--> Von deutscher Art und Kunst (darin u.a.: Briefwechsel über Ossian sowie der berühmte Shakespeare-Aufsatz)
--> Älteste Urkunde des Menschengeschlechts (ein Theologe demontiert die Bibel - das kann spannend sein!)
--> einige Briefe zur Beförderung der Humanität
Aber es eilt nicht.
:winken:
Tom
Durchaus.
Wenn ich es recht überlege, dann sollte ich zunächst mit Wieland weitermachen. Der ist für mich derzeit das unbeschriebenste Blatt in der illustren Riege der Weimarer. "Die Geschichte des Agathon" liegt jedenfalls bereit.
LG
Tom
War's das schon?
Ich bin nun auch endlich zu der Beschreibung der einzelnen Länder vorgedrungen ...
Danach kommt doch noch einiges, oder hast Du mittlerweile abgebrochen? Kann es sein, dass die letzten Leserunden hier im Forum zum Ende hin immer ein wenig versanden? Fast kommt es mir so vor - und das ist doch im Grunde ziemlich schade.
LG
Tom