Intensität der Lektüre - abnehmend?


  • Nimmt die Intensität der Lektüre mit zunehmendem Alter ab?


    Wie geht euch das? Habt ihr auch mit 40, 50, 60 Lektüreoffenbarungen,


    Hallo Christian,


    wie es mir mit 60 geht, kann ich Dir noch nicht sagen, so alt bin ich ja noch nicht.


    Ob die Intensität der Lektüre mit zunehmendem Alter abnimmt? – Nein bei mir nimmt sie zu! Mir geht es ähnlich wie Jaqui, obwohl ich so jung auch wieder nicht bin. Zwei Gründe fallen mir spontan ein, warum ich heute intensiver lese als früher:


    1.) Ich lese nicht mehr so viel.
    2.) Ich wähle meine Lektüre sorgfältiger aus.

  • Hallo!


    Meine Erfahrung ist, dass ich mit zunehmenden Alter anders lese. In meiner Jugend- und Studentenzeit las ich sehr in die Breite, da überwog oft die Entdeckungslust auf Neues. Ich las deshalb auch verhältnismäßig schnell. Als ich mich dann ganz passabel durch den Kanon gelesen hatte (so im Alter von 30), kam ich zunehmend zur Erkenntnis, dass weniger oft mehr ist. Das heißt, ich lese weniger Bücher, die dafür aber langsamer und genauer als früher. In den letzten Jahren las ich viele meiner Lieblingsbücher zum wiederholten Male.


    CK

  • Hallo,
    mir geht es so ähnlich wie Xenophanes, ich habe früher ziemlich kreuz und quer gelesen, da waren dann auch eine Menge
    Bücher drunter, die ich heute vermutlich nicht mehr lesen würde.
    Heute wähle ich meine Lektüre sorgfältiger aus, sodaß immer seltener irgendwelche Durchhänger
    dabei sind.
    Was aber nichts gegen die Leseintesität sagt, die hat im Gegenteil eher zugenommen, obwohl ich erheblich weniger lese.


    Gruß, Lauterbach

  • Ich kann vielleicht noch nicht wirklich mitreden, ich bin erst 24... Trotzdem hab ich schon ein paar Sachen in meinem Leben gelesen, obwohl ich nie eine war, die wirklich jede Woche einen Klassiker verschlungen hat - im Gegenteil, viele Klassiker wurden (und werden) mir sozusagen aufgezwungen, durch Schule oder Studium und manchmal ist auch einer dabei, den ich wirklich zu schätzen weiß. Ich kann nicht behaupten, dass die Intensität meiner Lektüre abgenommen hat, eher das Gegenteil ist der Fall, ich merke, dass mich manche Dinge einfach auch mehr mitnehmen als sie das vielleicht früher getan hätten. Ich meide daher oft Bücher von denen ich weiß, dass sie sich rein auf tragische Einzelschicksale konzentrieren oder von denen ich weiß, dass sie einen total "runterziehen" (letztes Beispiel für so ein abgebrochenes Werk war Ernst Toller: Hinkemann) In dieser Hinsicht bin ich also auf eine völlig unintellektuelle Weise selektiver geworden.


    Wieso das so ist? Keine Ahnung, vielleicht die Sensibilität des "Alters"... :breitgrins:


    Ich muss aber zugeben, dass ich generell eine sehr intensive Leserin bin, dh. ich leb doch so richtig mit, wenn das Buch ansprechend geschrieben ist. Mir fehlt da vielleicht die gesunde Distanz zum Leseerlebnis, aber ich bin euphorisch, wenn es im Buch gerade gut läuft, ich bin völlig niedergeschmettert, wenn die Geschichte eine tragische Wendung nimmt und manchmal ärgere ich mich mit Leidenschaft über die Charaktere. *g* Ich denke mal wer so intensiv liest, der ist dann automatisch vorsichtiger bei der Auswahl.


    Diese Intensität ist bei einer Re-Lektüre nicht ganz so ausgeprägt wie beim ersten Mal, aber durchaus da. Ob mein Leseerlebnis beim wiederholten Mal anders war, kann ich also immer erst hinterher beurteilen und nicht schon währenddessen.


    Brauche ich das Buch für die Uni oder so, lese ich zT auch anders, dh. viel weniger emotional, sondern analytischer (und dadurch auch distanzierter).


    Ach ja, was sich bezüglich Auswahl der Lektüre verändert hat, das ist, dass ich meine "Arroganz" gegenüber Trivialliteratur ziemlich abgelegt habe. Mir fehlt sicher mittlerweile der jugendliche Idealismus besonder wertvolle Bücher lesen zu wollen, stattdessen bin ich praktisch als Leserin "selbstbewusst" genug um mir durchaus auch bedenklichen Schmarrn zwischendurch reinzuziehen. Ich werde also zunehmend ungeniert. :breitgrins:

    ... this is nat language at any sinse of the world.


  • Prinzipiell ist es so, daß es verschiedene "Lesekonstruktionen" gibt. Die kindliche des narkotischen, verschlingenden Lesens wird mit dem "literarischen Erwachsenwerden" aufgegeben, verdrängt oder verloren. Die erwachsene, ästhetische Literaturkonstruktion ist nur bedingt in der Lage, dieses flow-erzeugende Leseglück aus Kindheit und Jugend zu reproduzieren. Warum das so ist, müßtet ihr in dem Buch nachlesen... ;-)


    Interessant - daher wechsle ich also gerne mal von den Klassikern zu Fantasy oder historischen Romanen, um mich narkotisieren zu lassen :breitgrins:


    Es stimmt schon, früher war mir die Handlung und die Aussage des Textes am wichtigsten, heute lege ich mehr Wert auf Atmosphäre, Stil und auf Autoren, die etwas Neues wagen und unverwechselbar sind. Aber allgemein gesehen scheint sich bei mit bisher nicht viel geändert zu haben - schwärmen kann ich nach wie vor von einem Buch !