Juli 2010 - Joseph Conrad: Herz der Finsternis

  • Hallo Anita,


    muss dir ja nicht peinlich sein. Im Gegenteil, Conrad ist wunderbar zu lesen. Wird sicher nicht mein letztes Buch von ihm sein.


    Kurtz ist mir unsympathisch, so ganz verstehe ich die Verehrung der anderen nicht. Er scheint ja nur mit Angst und Grausamkeit zu herrschen. Dass ihn alle anbeten (auch die Weißen) ist mir noch nicht ganz klar. Vielleicht kommt noch eine Erklärung die einleuchtender ist als, "er kann so toll Gedichte erzählen".


    Katrin

  • Hallo ihr zwei,


    ich bin auch fertig und sehr beeindruckt vom Schluss. Habe ich das missverstanden oder ist Kurtzs Freundin bei der Marlow am Schluss ist, schwarz?


    Seite 123: Sie streckte ihre Arme wie nach einer entfliehenden Gestalt aus, streckte sie schwarz und mit verkrampften, blassen Händen über den....


    Was ich davon halten soll, dass Marlow es nicht über sich gebracht hat der Frau die Wahrheit zu sagen, weiß ich noch nicht so genau. Immerhin hat Kurtz immer davon gesprochen, dass er die Wahrheit haben will. Auf der anderen Seite bringt es auch nichts jemanden die Illusionen zu nehmen, es stellt sich auch die Frage ob sie ihm geglaubt hätte. Immerhin scheint sie den Mann vergöttert zu haben. Genauso wie viele andere auch.


    Der Schluss lässt mich sehr nachdenklich zurück. Marlow kennt die Wahrheit über Kurtz, aber wie wird er sich an ihn erinnern? So wie alle ihn sehen oder so wie er ihn kennen gelernt hat?


    Conrad hat es wie kein anderer geschafft mich zum Nachdenken zu bringen und das finde ich wunderbar an diesem Buch.


    Danke für eure Beiträge, es hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich auf weitere Leserunden.


    Katrin


  • zu 1. Das war das schwarze Kleid oder?


    zu 2. Wir sind doch noch gar nicht fertig, die Diskussion fängt doch jetzt erst an :breitgrins:


    Bis morgen dann,
    Anita :winken:

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Hallo,


    Ja, das Kleid kann es auch sein, habe ich mal wieder zu viel hineininterpretiert :redface:


    Ich wollte mich ja auch nur schon vorab bedanken, klar können wir gerne weiterhin diskutieren, das Buch gibt ja eine Menge Stoff her.


    Katrin

  • Hallo ihr Zwei.


    So jetzt könnt ihr mich Steinigen, aber ich fand diesen Kurtz gar nicht so ganz schrecklich und fürchterlich :redface: Er tat mir gar Leid :rollen:
    Ich habe mir mal die Interpretationen durchgesehen und dort kam Kurtz überall ganz schrecklich davon. Doch ich war beim Lesen mehr auf der Mitleidschiene, da ich fand, dass man ihn einfach im Stich gelassen hatte. Die Dummheit und Arroganz der Kolonialisten wurde von Conrad so gut beschrieben, der gute Wille von Kurtz war vorhanden, er ist aber über alle Ziele hinweg hinaus geschossen. Vielleicht ist meine Einstellung so entstanden, da ich auch das Buch von Anna Enquist gelesen habe "Letzte Reise", James Cook ist ja auch so "verrückt" geworden, er hat sich auch als Gott verehren lassen. Und dieser Kurtz hat wohl auch durch seine Einsamkeit und dem Fremden gegenüber, also den Wilden Schwarzen, von seiner dunklen Seite der Seele überrollen lassen.
    Ich denke, Marlow hat ähnlich gedacht, ansonsten hätte er Kurtz bei seiner Frau verraten, oder?


    Und, was sagt ihr zu diesem Ende?


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Hui, ihr seid schon fertig ... und mir fehlen sogar noch ein paar Seiten vom zweiten Teil. :redface:
    [size=7pt]Aber ich schwöre, das Wetter ist schuld!! :engel:[/size]


    Nichtsdestotrotz bin ich noch immer ganz im Bann der Geschichte und werde wohl in ein paar Tagen auch fertig sein.


    Zu der Frage, ob die Freundin von Kurtz schwarz ist: das habe ich mich auch schon gefragt, dabei bin ich noch gar nicht an der von Jaqui zitierten Stelle! Aber irgendetwas muss mich schon bei ihrer ersten Erwähnung (irgendwo zwischen Seite 80 und 95 in meiner Ausgabe, kann leider gerade nicht nachsehen) darauf gebracht haben. *grübel*

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Stirb mir nicht den Heldentod, hörst Du, Mädel! Der afrikanische Dschungel ist nicht der Platz dafür. Überhaupt ist in Conrads Universum kein Platz für Heldentode ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Bluebell: Vor diesem Satz wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass sie schwarz sein könnte.


    Anita: Ich fand Kurtz einfach schrecklich, aber deine Erklärung klingt einleuchtend. Ich finde das Ende schon sehr gut. Ich weiß nicht wie ich es gefunden hätte wenn er Kurtz verraten hätte. Wahrscheinlich nicht so toll.


    Katrin

  • Wie, keine Heldentode? Na, dann muss ich wohl durchhalten, denn kläglich verrecken werde ich ganz sicher nicht! :elch:
    Nein, keine Sorge - ich bin nur etwas langsamer, aber das liegt absolut nicht am Buch und abbrechen ist gar kein Thema. Gefällt mir viel zu gut! :smile:


    Ich bin jetzt im dritten Teil und hatte bereits eine etwas unschöne Begegnung mit aufgespießten Köpfen. :entsetzt:
    Marlow geht der ganze Kurtz-Kult schön langsam auf die Nerven und er meint sarkastisch, das liegt vielleicht daran, dass er ihn noch immer nicht reden gehört hat.


    Übrigens habe ich noch einmal zurückgeblättert - da ist wirklich kein Hinweis im Text, dass Kurtz' Verlobte schwarz sein könnte. Wie komm ich bloß darauf? :hm:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."


  • Marlow geht der ganze Kurtz-Kult schön langsam auf die Nerven geht und er meint sarkastisch, das liegt vielleicht daran, dass er ihn noch immer nicht reden gehört hat.


    Ich habe mich die ganze Zeit gefragt wie es zu dieser Verehrung gekommen ist. Dass die Schwarzen Angst vor ihm hatten, kann ich ja verstehen, aber dass ihn die Weißen auch in den Himmel gehoben haben, ist mir unbegfreiflich. Das ist ein Mysterium dieses Buches dass ich wohl nie lösen werde.


    Katrin


  • Ich habe mich die ganze Zeit gefragt wie es zu dieser Verehrung gekommen ist. Dass die Schwarzen Angst vor ihm hatten, kann ich ja verstehen, aber dass ihn die Weißen auch in den Himmel gehoben haben, ist mir unbegfreiflich. Das ist ein Mysterium dieses Buches dass ich wohl nie lösen werde.


    Mir schien es so, als dass sich Kurtz zunächst auf die Schwarzen eingelassen hatte, deren Sprachen lernte, deren Leben und deshalb einen Zugang hatte. Er hätte ein Held werden können, wirklich zum Guten hin, wenn da nicht das Elfenbein gewesen wäre. Durch die Geldgier und durch die Einsamkeit ist es wohl so gekommen. Das war meine Lesart vom Buch ...


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • 20 Seiten vor Schluss werde ich gerade nicht wirklich schlau aus dem Buch - aus den Menschen, aus ihren Handlungen, daraus wie sie zueinander stehen ...
    Marlow hat nun endlich Mr. Kurtz kennengelernt (kurz zuvor hat ihm dieser seltsame Russe erzählt, was Kurtz veranlasst hat). Auch die kleine Verfolgungsszene im nächtlichen Urwald hat bereits stattgefunden.


    Für mich hat die Geschichte nun etwas sehr Traumartiges bekommen - und das liegt nicht nur daran, dass Conrad mehrmals das Wort "Alptraum" verwendet hat. Dieser unglaublich naive russische Harlekin ... Marlows merkwürdiger "Spaß" daran, Kurtz nachzustellen ... Kurtz "positives" (?) Verhältnis zu den Schwarzen (was haben dann bitte die Köpfe auf den Pfählen verloren?) ... und noch einiges mehr.


    Vieles wirkt gerade ziemlich surreal auf mich und mir schweben gerade doch einige Fragezeichen über allem ... ich werde das Buch wohl erst einmal zu Ende lesen und abwarten, ob mir dann noch einiges klarer wird.

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."


  • Vieles wirkt gerade ziemlich surreal auf mich und mir schweben gerade doch einige Fragezeichen über allem ...


    Ganz genau, surreal, ich denke Kurtz ist richtig "verrückt" geworden :smile: Eine "Ver"mischung aus Voodoo-Tanz, Geschrei und Elfenbeinrausch :breitgrins:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Hallo Bluebell,


    der Schluss ist wirklich sehr surreal, aber es wird auch einiges noch klarer. Ich war genau so ratlos wie du im Moment. Daher kann ich gut verstehen, dass man sich wie in einem Traum vorkommt.


    Katrin

  • Kaum zu glauben, aber am Wochenende bin ich nun auch fertig geworden. :zwinker:
    Diese Schlussszene zwischen Marlow und der Verlobten brachte ja nochmal eine ganz neue Note hinein, finde ich ... die Frau kam mir auf ihre Weise (in ihrer Trauer) genauso verrückt vor wie Kurtz und ich konnte lebhaft mit Marlow mitfühlen - fand die Situation unheimlich beklemmend und beängstigend und wäre am liebsten auf und davon! :entsetzt:


    So, und nun zu Kurtz - ich geb's zu: ich habe diese Figur nicht verstanden. Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob ich vielleicht an irgendwelchen Schlüsselstellen unaufmerksam war oder ob ich wirklich so schlecht zwischen den Zeilen lese ... na gut, Conrad wirft dem Leser ja schon einige Brocken hin und man bekommt eine Ahnung davon, was mit Kurtz los war und wie sich alles entwickelt hat, und Anitas Erklärung finde ich auch sehr einleuchtend. Aber so wirklich schlau werde ich aus dem Kerl nicht ... vielleicht komme ich ja noch auf etwas, wenn ich das Buch ein bisschen setzen lasse, aber im Moment bin ich recht ratlos. Es lässt mich aber auch nicht los, ich bin schon ziemlich hineingekippt und dass ich das Gefühl habe, nicht alles enträtselt zu haben, knabbert nun noch.

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  • Ein Nachruf auf eine kur(t)ze Leserunde:


    Hollywood hat den Stoff nach Vietnam verpflanzt, und zwar unter dem Titel Apocalypse now mit Marlon Brando als Colonel Walter E. Kurtz.

  • Vielleicht lohnt es sich den Film mal anzuschauen. Bisher ist er immer an mir vorbei gegangen.


    Geht mir auch so.


    Das Buch lässt mich nicht los ... das Buch und das Gefühl, dass es noch viel mehr zu verstehen gibt, als ich beim ersten Mal lesen erfassen konnte. Helft mir mal! :zwinker: Ich habe gerade die Stelle noch einmal gelesen, wo Marlow Kurtz' Aufsatz liest - diese edlen und gutherzigen (und optimistischen) Ansichten zum Kolonialismus, mit der plötzlich donnernden Randnotiz "Rottet sie alle aus, die Tiere!".
    Also wie ist das nun mit den ominösen "Methoden" von Kurtz? Werden diese Methoden eigentlich irgendwo konkret geschildert? Dreht es sich dabei nun um Verständnis, Einfühlungsvermögen, Kommunikation etc. oder um Härte und Brutalität?
    Wenn ersteres: was zur Hölle haben dann die gepfählten Köpfe zu bedeuten??
    Wenn zweiteres: warum lieben ihn die Schwarzen? - tun sie das überhaupt in dem Ausmaß, wie es sich die Weißen im Buch einreden? Oder handelt es sich nicht vielleicht eher um ein aus Furcht geborenes Dienen?


    Und wofür vergöttern ihn die Weißen nun wirklich - dafür, dass er (zumindest theoretisch) die Völkerverständigung predigt, oder für das viele Elfenbein, das er zusammenträgt? Glauben die wirklich, dass er diese Mengen mit ganz lieb Bitten zusammenbekommt? Oder sind sie einfach nur geil darauf und akzeptieren seine altruistische Fassade deshalb allzu bereitwillig ohne nachzufragen?


    Eine Zeitlang dachte ich, dass sich Kurtz vielleicht selbst etwas vormachen will - dass er nicht nur dem Unternehmen den nächstenliebenden Intellektuellen vorspielt, sondern sich auch ein bisschen selbst austricksen möchte, um sein schlechtes Gewissen zu unterdrücken und seine Selbstachtung zu behalten. Aber wenn die Köpfe das sind, wofür ich sie halte - nämlich Machtdemonstration & eine Art "Statussymbol" einerseits sowie ein Selbstschutz durch Einschüchterung der Wilden andererseits - dann stimmt meine Theorie nicht mehr. Dass er sowas nur zu ihrem Besten macht, das kann sich kein Mann mehr einreden - es sei denn, er ist tatsächlich schizophren ... aber auf diese Art geisteskrank hat er auf mich nun auch wieder nicht gewirkt, das war für mich eine andere (durch die äußeren Umstände verursachte) Verrücktheit.


    Wenn ich mich richtig erinnere, sind die Köpfe für Marlow ja so eine Art Beweis, dass es Kurtz im entscheidenden Moment an Selbstbeherrschung fehlt (oder so ähnlich). Seht ihr das auch so? Dann bin ich überhaupt vollkommen auf dem falschen Dampfer. Denn wie ein blindes Wüten wirkt die Sache gar nicht auf mich, eher wie eine zwar hasserfüllte, aber doch wohlüberlegte und gezielte Geste.


    Und schließlich: idealistischer Entwicklungshelfer oder böser Kolonialist - wovon steckt wohl tatsächlich mehr in Kurtz? Solange er nicht persönlich auf der Bildfläche erschien, wusste ich überhaupt nicht, was ich von ihm halten sollte. Danach kam es mir zuerst so vor, als ob er eigentlich schon ein Idealist wäre, dessen Dämon eben zu gewissen Zeiten aufblitzt, später schien es mir eher umgekehrt. Und nun? Ich weiß nicht ...


    Entschuldigt, falls der Beitrag etwas wirr geraten ist, ich habe vieles gerade erst beim Schreiben für mich selbst ausformuliert. Aber vielleicht habt ihr ja noch den einen oder anderen Kommentar und könnt noch ein bisschen Licht in mein Hirn bringen! :zwinker:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Ich denke, ich schreibe hier mal eine kurze Geschichte nieder :zwinker:


    Buddha sitz an einem Baum gelehnt und genießt das schöne Wetter, da kommt sein Lehrling daher, kniet sich zu Buddha und fragt: "Sag Meister, ich diene dir doch nun schon seit Jahren, war immer fleißig und flink, gehorsam und demütig, und bin dir stets treu zur Stelle gewesen. Ich habe nie gelogen oder gestohlen. Sag, wann werde ich auf dem Weg der Erleuchtung weiter kommen?"
    Da äußert Buddha zum Lehrling: "Geh hin, lüge und stehle."


    Ich hoffe, diese kleine Annekdote hilft ein wenig zum Verständnis weiter :smile:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"