Guten Morgen,
so, ich habe „Freuden und Tage“ nun auch abgeschlossen. „Das Ende der Eifersucht“ hat mich auch sehr an die Recherche erinnert: diese wahnhafte Liebe, untrennbar verbunden mit Eifersucht, die zwanghafte Überwachung der Geliebten, die ständigen Vorstellungen von deren Untreue…wie später bei Albertine. Und hier wie dort kann die Eifersucht nur durch den Tod beendet werden. Eine Kleinigkeit, die mich auch noch an die Recherche erinnert hat: der kleine Junge, dem soviel am Gutenachtsagen der Mutter liegt. Es stimmt schon, „Freuden und Tage“ wirkt tatsächlich wie eine Vorübung für das spätere Werk. Es würde mich interessieren, wie das Buch wirkt, wenn man die Recherche noch nicht kennt.
Was die „Klagen und Träumereien“ betrifft, kann ich mich Eurem begeisterten Urteil nur anschließen. Ein paar Gedanken dazu:
- Sehr schön fand ich die Geschichte des Hauptmanns in VII. Die Erinnerungen, die sich um so schneller verflüchtigen, je mehr man sie zu halten versucht, wie der „Glanz der Flügel eines Schmetterlings“; und am Schluss schmerzt der Verlust der Erinnerung nicht einmal mehr: wie traurig, wie wahr.
- Die „Lobrede auf die schlechte Musik“: habt Ihr das als ernst oder ironisch empfunden? Ich bin mir nicht ganz sicher…
- in XVI „Der Fremde“ taucht wie bei Baldassare Sylvande der viel zu selten eingeladene Gast – man selbst – auf. Ein sehr schönes Bild für die Flucht in die Gesellschaft, weil man nicht allein sein kann.
- XIV „Begegnung am See“ und XVII „Der Traum“ greifen wieder das Motiv auf, dass Liebe ohne Mitwirkung der angebeteten Person, nur im Kopf des Liebenden entstehen kann. Die Geschichten sind sicher auf die Spitze getrieben, aber ich finde, Proust stellt hier sehr gut dar, wie viel von der Zuneigung gegenüber anderen Menschen gar nicht von diesen herrührt, sondern aus den eigenen Gedanken und Empfindungen.
- XXII „Leibhaftige Gegenwart“ hat mich an die Gedanken in Teil 1 der Recherche zu den Ortsnamen erinnert.
Dieses Buch ist viel später entstanden als "Tage und Freuden". Vielleicht hat Proust viele Hemmungen mit zunehmendem Alter abgelegt ...
Je oller, je doller?
...
Marcel Proust nahm auch Privatstunden bei Darlu und man vermutet, dass hier die Wurzel für Prousts Verachtung gegenüber dem Besitz von Büchern liegt. Er leiht sich lieber Bücher aus und wenn er sich eines kauft, verschenkt er es oder lässt es wieder zurückbringen. Er verschenkt, aber er behält nicht. (S. 268, Marcel Proust Biographie von Jean-Yves Tadié). Eine solche Handlung findet sich auch in Jean Santeuil.
Das ist sehr interessant, danke Maria! Immerhin was den Besitz von Büchern betrifft, habe ich etwas mit Proust gemeinsam…
Viele Grüße
Manjula