Hallo zusammen,
seit langem wollte ich schon Brideshead Revisited/Wiedersehen mit Brideshead von Evelyn Waugh lesen, und bin nun endlich dazugekommen. In meiner Ausgabe (Penguin, 2000) steht folgendes Zitat von Waugh über sein Werk: "I regard writing not as investigation of character but as an exercise in the use of language, and with this I am obsessed." Diesen Schwerpunkt merkt man seinem Roman durchaus an. Die Sprache ist wunderschön und unglaublich angenehm zu lesen, die Dialoge wirken sehr poetisch, auch wenn die Themen der Unterhaltung banal sind. Er versteht es sehr gut, Schauplätze und Stimmungen zu beschreiben. Die Charaktere dagegen bleiben etwas flach und hohl, ihre Handlungen oft nicht nachvollziehbar.
Das Buch handelt vom Untergang einer adligen katholischen Familie, der quasi exemplarisch für den Untergang des "goldenen Zeitalters" vor dem Zweiten Weltkrieg steht. Da Waugh ein konvertierter Katholik war, habe ich ein besonderes Augenmerk darauf geworfen, ob bzw. wie sich das im Roman widerspiegelt. Es kam mir so vor, als wären die Regeln, nach denen die katholische Familie lebt, eher unpraktisch und hinderlich im Leben. Mehrere von ihnen leiden darunter und distanzieren sich davon. Man hält an Gegebenheiten fest, obwohl meist gar nicht verstanden wird, was genau dahintersteckt, so z.B. als der kranke Vater auf dem Sterbebett gegen seinen Willen die letzte Ölung bekommen soll (es wird überlegt, ob man den Priester heimlich zu ihm schickt, wenn er gerade schläft bzw. nicht bei Bewußtsein ist; Hauptsache er hat die letzte Ölung bekommen, ob er es will oder nicht).
Ich hatte beim Lesen eher das Gefühl, als ob der Katholizismus als etwas Negatives dargestellt wird, der den Figuren hinderlich dabei ist, ein unbeschwertes, selbstbestimmtes Leben zu führen. Möglicherweise habe ich aber die Absichten Waughs nicht richtig verstanden, denn wenn man der englischen Wikipedia glauben darf, war es Waughs Absicht, den katholischen Glauben als etwas Positives darzustellen, zu dem über kurz oder lang alle zurückfinden. Deutlich wird das in der seltsam unverständlichen Szene, als der bewußtlose Vater bei der letzten Ölung dann doch noch erwacht und sich bekreuzigt (obwohl er sein ganzes Leben nie gläubig war und nur wegen seiner Gattin in die katholische Kirche eingetreten ist). Auch zeitgenössische Autoren fanden diese Szene unpassend bzw. absurd.
Waugh wollte wohl den katholischen Glauben sehr subtil anpreisen und nicht mit dem Holzhammer; ich denke, er ist dabei wohl etwas zu subtil vorgegangen, sodaß man ihn – oder zumindest ich – leicht mißverstehen kann. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, weil ich Waugh hier mißverstanden habe, fand ich das Buch ganz lesenswert. Die wunderbaren Beschreibungen von Oxford und auch von Brideshead werden mir noch länger im Gedächtnis bleiben.
Viele Grüße
thopas