Glückliche Menschen lesen

  • Nach einer Studie der Universität Maryland steht es nun fest: wer fernsieht, ist unglücklich, wer liest, ist glücklich. (Etwas grobschlächtig formuliert^^)


    Meine Interpretation: die geringen Denkaufwands-Kosten des TV-Glotzens machen die Menschen träge und schlaff, während das Lesen mehr Aufwand verursacht und damit ein bisschen wie Sport wirkt.


    Eine Frage, die sich mir allerdings stellt: macht Lesen glücklich oder lesen glückliche Menschen mehr? Macht Fernsehen unglücklich oder sehen unglückliche Menschen mehr fern?

  • Solchen typisch amerikanischen Studien scheint mir eine gewisse Skepsis gegenüber angebracht.
    Ich würde Lesen nicht unbedingt mit Kategorien wie Glück/Unglück korrelieren.


    Das ist ungefähr so wie mit den Gedichten, über die Paul Celan einmal treffend schrieb:
    Gedichte verändern wohl nicht die Welt, aber das In-der-Welt-sein.


    Mit Gedichten ist man womöglich nicht glücklicher oder was auch immer, aber ohne Gedichte möchte ich dennoch nicht leben...

  • Hallo,


    Manche Bücher machen mich glücklich, bzw. begeisterungsfähig. Dauerndes Fernsehen empfinde ich als abstumpfend. Es ist auch nachgewiesen worden, das Fernsegucken sich negativ auf das Gehirn auswirkt (vielleicht entdecke ich den Literaturtipp noch hierzu, den ich leider verschlampt habe).


    Fazit: Man solle doch das tun, was einem selbst gut tut. :smile:


    Liebe Grüße
    mombour

  • Solchen typisch amerikanischen Studien scheint mir eine gewisse Skepsis gegenüber angebracht.


    Nur weil die US-Amerikaner die Credit Swaps erfunden haben, muss man deshalb einer Studie nicht grundsätzlich misstrauen, sofern sie aus der USA stammt. Skepsis ist allerdings immer angebracht, ganz gleich, in welchem Land eine Studie erstellt wurde.


    Zitat

    Ich würde Lesen nicht unbedingt mit Kategorien wie Glück/Unglück korrelieren.


    Grundsätzlich kann man alles miteinander korrelieren, auch wenn dir persönlich das überflüssig oder widersinnig erscheint. Z.B. kann man erfassen, ob die Ausübung des Hobbies der Schneckenzucht eine Auswirkung auf die Gesundheit hat. Korreliert so etwas wirklich, dann muss der Korrelierer seinen Hintern lüften und nachschauen, warum.


    Mit Gedichten von Celan hat es aber wahrscheinlich weniger zu tun. Bei mir hatten dieselben eher die Auswirkung instantanen Unwohlseins.

  • ich kann nicht beurteilen ob diese studie repräsentativ ist oder nicht, das vorweg. sollte sie es sein, könnte sie sicher auf mehrere motive zurückzuführen sein, die mehr von der motivation ab hängen als von der frage ob papier umblättern mehr glückshormone freisetzt als an der fernbedienung zappen. wenn ich persönlich fernsehe, tu ich das in wenigen fällen weil mich das programm so begeistert, sondern weil ich mich ablenken will von meinem stressigen alltag/ problemen/ unliebsamen aufgaben...denke, dass das den meisten menschen genauso geht. lesen erfordert schon eher einen klaren kopf, konzentrationsfähigkeit und innere ruhe. abgesehen davon könnte auch ein sozialer faktor eine rolle spielen, eine gutsituierte lehrerfamilie, in denen das lesen zum alltag und guten ton gehört dürfte sicher glücklicher sein als der alkoholkranke arbeitslose oder überforderte eltern, bei denen rund um die uhr der fernseher läuft. will da natürlich nichts verallgemeinern...

    "Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?" Stanislaw Jerzy Lec

  • In einem extract von Houellebecqs Buch über Lovecraft las ich gestern:


    "Those who love life do not read. Nor do they go to the movies, actually. No matter what might be said, access to the artistic universe is more or less entirely the preserve of those who are a little fed up with the world."


    (Einen Teil hiervon hat auch Berch, auf Deutsch, in seiner Signatur.)


    Bei Statistiken muss man nur im Auge behalten, dass die Interpretation stimmig ist, eine Korrelation keine Kausalität beweist bzw. beweisen kann.
    Schönes Beispiel: Wenn es in einem Gebiet mit vielen Störchen auch viele Kinder gibt, dann beweist das nicht, dass der Storch die Kinder bringt, sondern deutet eher darauf hin, dass sich Familien mit Kindern lieber außerhalb der Großstadt ansiedeln, also dort, wo es mehr Störche gibt. Keine Ahnung, ob das mit den Störchen wirklich korrekt ist... - jedenfalls ist das Beispiel bildhaft.


    Nebenbei: Springer ist ein renommierter Fachbuchverlag.


    Ich hab die Studie zwar noch nicht wirklich gelesen, aber auch in der Zusammenfassung auf Slashdot wird neben Lesen "socializing" angeführt. Also Lesen und socializing vs. Fernsehgucken. In der Studie selbst steht dann, was auch zu Yoanas Interpretation passt: "Television is a refuge for people who are already unhappy."


    Jedenfalls eine interessante Studie. Muss ich mir in einem ruhigen Moment nochmal genau durchlesen.

  • Nicht glückliche Menschen lesen, sondern beim Lesen kann man ein Glück erfahren, dass es im sonstigen Leben nicht gibt.

  • Bevor man aus dieser kleinen amerikanischen Studie weitreichende Schlüsse zieht oder sich zu philosophischen Betrachtungen hinreißen lässt, sollte man sich eine Pause können, und in Zeit- online den Artikel:
    "Der flanierende Sitzriese"
    lesen.


    In der Studie ist übrigens nur von Zeitung lesen die Rede und: in die Kirche gehen macht viel glücklicher als lesen! :zwinker:


  • Bevor man ... sich zu philosophischen Betrachtungen hinreißen lässt ...


    Ich erinnere mich an eine Studie aus den 80er Jahren, die sich mit den Auswirkungen des Medienkonsums beschäftigte. Sie behauptet, dass Fernsehkonsum einschläfernde, das Denken verlangsamende, beinahe hypnotische Effekte haben kann. Das sind keine philosophischen Betrachtungen, sondern hirnphysiologische Messungen. Sicher enthält die Studie auch Aussagen über die Wirkung des Lesens; diese sind mir aber entfallen - genau wie die Quelle, die ich deshalb leider schuldig bleiben muss.


    Ebenfalls aus den 80er Jahren stammen Forschungsergebnisse, die besagen, dass Leser (von Zeitungen, Büchern ...) in der Regel besser und vollständiger über bestimmte Themen und Sachverhalte informiert sind als Nur-Fernseher. Das führte zu der berüchtigten Knowledge-Gap-Hypothese (Leser werden immer schlauer, Fernseher immer dümmer; die Kluft zwichen beiden wächst deshalb unaufhörlich). Lässt sich daraus generell ableiten: "Fernsehen = dumm und böse; Lesen = intelligent und gut"? Ich glaube das nicht, auch die These vom "glücklichen Leser" ist mir etwas zu pauschal.


    Andererseits: Fragt Euch doch einfach mal, was Euch eher in den Schlaf wiegt: Das Abhängen vor der Glotze oder das Lesen eines Buchs ...


    Es grüßt


    Tom


  • "Those who love life do not read. Nor do they go to the movies, actually. No matter what might be said, access to the artistic universe is more or less entirely the preserve of those who are a little fed up with the world."


    Sehr schön!
    Pessoa schrieb im "Buch der Unruhe": "Die Literatur ist die angenehmste Art, das Leben zu ignorieren." (Fragment No. 116). Und: "Die Fiktionen der Phantasie können ermüden, doch sie schmerzen und erniedrigen nicht." (No. 159)


    Von Houellebecq: "Leben ohne Lesen ist gefährlich, weil man sich mit dem Leben begnügen muss. Das kann dazu führen, dass man Risiken eingeht." Ich meine das entstammt dem Roman "Plattform", bin mir aber nicht sicher.


    Lesen als Eskapismus: Das trifft mE. die Sache ziemlich genau.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Wenn ich so die Leserunde von "Buch der Unruhe" sehe... :zwinker:


    Welche Auswirkungen würde da erst eine Verfilmung des "Buchs der Unruhe" bzw. deren TV-Ausstrahlung haben... :zwinker: :breitgrins:

  • "Those who love life do not read. Nor do they go to the movies, actually. No matter what might be said, access to the artistic universe is more or less entirely the preserve of those who are a little fed up with the world."


    würde gerne mal den menschen treffen, dessen leben so ausgefüllt ist, das er nicht dann und wann auf ablenkungsmanöver zurückgreifen muss...befürchte fast, der muss wohl noch geboren werden. ein recht utopisches zitat also. kommt also darauf an was die wahl der ablenkung über den persönlichen zustand aussagt. ich persönlich lese nicht nur um mich von der realität abzulenken, sondern unter anderem auch um dieselbe ein stückchen mehr zu begreifen. auch utopisch vielleicht. ab und an hab ich auch keinen bock grinsend durch die welt zu rennen, sondern einfach nur zu lesen, hat nichts damit zu tun ob ich die nase voll von allem hab oder nicht. wenn letzteres der fall ist, hau ich mich wie gesagt vor die glotze. :D

    "Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?" Stanislaw Jerzy Lec