Deutsche Klassiker

  • Hi erstmal!


    Also ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, wie ich anfangen soll...
    Naja, ich stelle einfach meine Frage und hoffe ihr seht das nicht als Unverschämtheit an, in seinem ersten Beitrag gleich irgendwas zu fragen...?


    Ok die Sache ist die: eine gute Freundin von mir, Russin, meinte, die deutschen Klassiker wären den russischen bei weitem
    unterlegen und das es in der deutschen Literatur keine "Mammutwerke" wie die von Dostojewski,.., gäbe.
    Ich konnte das natürlich nicht auf mir sitzen lassen und habe gesagt, die deutsche Literatur wäre "pervers geil" ( :rollen: )
    zu meiner Schande kenne ich mich aber mit Literatur allgemein nicht so gut aus und konnte außer Goethe, Schiller und Thomas Mann auch irgendwie nichts sagen.... Könntet ihr mir vielleicht sagen, welche "Mammutwerke" es in unserer Literatur gibt??
    Achso, also es drehte sich um Romane, deswegen wäre es nett, wenn ihr mir auch Romane nennen würdet, die den Dostojewski vor Neid erblassen lassen würden :zwinker:


    Viele liebe Grüße und ich bedanke mich schon mal

  • Hallo!



    Ok die Sache ist die: eine gute Freundin von mir, Russin, meinte, die deutschen Klassiker wären den russischen bei weitem
    unterlegen und das es in der deutschen Literatur keine "Mammutwerke" wie die von Dostojewski,.., gäbe.


    Von so einem Wettbewerb halte ich zwar nicht sehr viel, aber die großen Romane von Thomas Mann (Buddenbrooks, Zauberberg, Josefs-Tetralogie, Dr. Faustus) können mit D. sicher mithalten. Weitere dicke gute Bücher wären z.B. der "Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil, "Die Strudlhofstiege" und "Die Dämonen" von Heimito von Doderer sowie Uwe Johnsons "Jahrestage".


    CK

  • Wenn Du jetzt "deutsch" im Sinne von "deutschsprachig" meinst, gibt es sehr viele "Mammutwerke" auch in dieser Literatur:


    Jean Paul: Titan
    Adalbert Stifter: Der Nachsommer
    ders.: Wittiko
    Karl May: Ardistan und Dschinnistan
    Franz Kafka: Der Process
    Jeremias Gotthelf: Uli der Knecht
    Gottfried Keller: Der grüne Heinrich
    Theodor Fontane: Der Stechlin
    Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
    Joseph Roth: Radetzkymarsch
    und ... und ... und..

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,


    es fängt ja schon mit den großen höfischen Romanen an: der <i>Parzival</i> von Wolfram und Gottfrieds <i>Tristan</i>. Beides übrigens schöne Beispiele dafür, wie unsinnig es ist, von der Überlegenheit einer nationalen Literatur über die andere zu sprechen, denn der <i>Parzival</i> und der <i>Tristan</i> sind ja alles andere als rein deutsche Gebilde, sie sind in die europäische Literatur eingebettet, insbesondere der Einfluß der französischen Literatur und Sprache ist hier unübersehbar - und beim Lautlesen auch unüberhörbar.


    Auch die deutsche Barockliteratur war teilweise sehr dickleibig. ;-) Da gibt es einige umfangreiche Romane, davon ist Grimmelshausens <i>Simplicissimus</i> zwar nicht der dickste, aber der wohl bekannteste und wichtigste.


    Der umfangreiche Briefroman <i>Aristipp</i> von Wieland fällt mir auch noch ein. So etwas hätte Dostoevskij nicht schreiben können - wäre ihm aber wahrscheinlich egal gewesen, weil er ganz andere Dinge und Stoffe im Kopf hatte. :-)


    Auffällig an der klassischen, älteren russischen Literatur ist übrigens das Fehlen von weiblichen Autoren. Erst gegen Ende des 19. Jh.s rücken dort die ersten weiblichen Autoren ins Rampenlicht. Das betrifft nicht nur die "dicken Romane", sondern die Literatur generell, so auch die Unterhaltungsliteratur (in Deutschland: Marlitt) oder die Lyrik (in Deutschland: Droste-Hülshoff), wobei natürlich die deutsche Literatur hier wiederum gegenüber der englischen Literatur deutlich abfällt: Eine Jane Austen oder eine Emily Brontë gab es seinerzeit auch in Deutschland nicht.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Geht es hier nur um die Seitenanzahl? Dann will ich auch Goethes "Wilhelm Meister" erwähnen.



    Auffällig an der klassischen, älteren russischen Literatur ist übrigens das Fehlen von weiblichen Autoren. Erst gegen Ende des 19. Jh.s rücken dort die ersten weiblichen Autoren ins Rampenlicht. Das betrifft nicht nur die "dicken Romane", sondern die Literatur generell, so auch die Unterhaltungsliteratur (in Deutschland: Marlitt) oder die Lyrik (in Deutschland: Droste-Hülshoff), wobei natürlich die deutsche Literatur hier wiederum gegenüber der englischen Literatur deutlich abfällt: Eine Jane Austen oder eine Emily Brontë gab es seinerzeit auch in Deutschland nicht.


    Es sind vielleicht bloß Einzelerscheinungen - aber ich mein', dass die Karschin (Anna Louise Karsch) zur Zeit der Vorklassik eine hohe Reputation besaß (zumindest mag man das aus Briefen ihrer zeitgenössischen Dichter schließen); auch gefiel mir Sophie von La Roches "Sternheim", doch vor allem liebe ich einige kleinere Texte von Karoline von Günderrode.


    Aber freilich, so nachhaltig berühmt wie die von dir genannten Britinnen sind sie nicht geworden. Es ist mir peinlich, aber die einzige deutschsprachige Romanschriftstellerin, die mir, spontan, als eine sehr berühmte einfällt, ist Ingeborg Bachmann...! Aber womöglich überseh' ich in meiner Müdigkeit vieles...


    Gruß

  • Über die patridiotische Vereinnahmung von Literatur habe ich mich hier ja schon an anderer Stelle geärgert. Es ist halt so: wer die großen Autoren in eigene und fremde aufteilt, gibt für die eigenen den Anspruch auf, Weltliteratur zu repräsentieren.


    Wer sich mit Mammutwerken brüsten will, hat auch nicht ganz verstanden, dass sich Qualität von Literatur nicht nach Seitenzahlen bemisst. Dicke Bücher sind zunächst einmal nur dick, und ich würde einen einzigen Bartleby nicht gegen zehn Vom Winde verweht tauschen wollen. Übrigens hat der urrussischste aller Mammutschinken, Krieg und Frieden, auf seinen vielen, vielen Seiten auch ganz entsetzliche Längen.


    Und wenn es denn unbedingt zur Materialschlacht kommen soll: abgesehen von Großbüchern wie Jean Pauls Titan und den weiter ober schon genannten ist W.F. Meyerns Machwerk Dya Na Sore um einiges länger als alles, was Dostoijewski jemals schrieb, länger als Tolstojs Anna Karenina, länger als Krieg und Frieden, länger als Die Brüder Karamasow...


    Und nochmal in die nationalen Hacken getreten: bis ins mittlere 19. Jahrhundert gibt es nichts, was Deine Kontrahentin, liebe Cecilia, als konkurrenzfähiges Mammutwerk anführen könnte. Es gibt KEINEN EINZIGEN russischen Vertreter, der für so etwas wie Aufklärung gestanden hätte (gibt es die bis heute?) - in deutscher Sprache schrieben da unter anderen Lessing, Herder und Wieland, in Frankreich Voltaire, Rousseau und Diderot. Sturm und Drang, Klassik, Romantik fanden in Echtzeit praktisch unter Ausschluss der russischen Öffentlichkeit statt. Und etwas bahnbrechend neues, etwa die Entwicklung der Form eines bürgerlichen Romans - z.B. in Henry Fieldings Tom Jones, der mit über 1000 Seiten nun wirklich Mammutformat hat, aber ohne Langeweile zu verbreiten - fällt mir aus russischer Feder auch nicht ein. Nicht einmal die Ehre der Erfindung des psychologischen Romans kann man Dostoijewski zubilligen, da war Karl Philipp Moritz mit dem Anton Reiser (leider nur ca. 450 Seiten) etwas früher dran.


    Grüße,


    Gronauer