Hallo zusammen
In Kapitel 4 steht die Liebe Aschenbachs zu Tadzio im Vordergrund. Thomas Mann spricht von einem Knaben, nicht von einem Jüngling. Er beschreibt den Jungen in seiner aufblühenden Pubertät. Noch ist er ganz Kind und gerade das macht den Zauber aus. Ein Kind, das sich seiner aufkeimenden sinnlichen Reize in keinster Weise bewusst ist. Sicherlich kommt hier die homophile Sicht des Autors zum Tragen, doch betrachtet er den Jungen nicht als voll geschlechtsreifen Jüngling, sondern eben doch als "Knaben", den Aschenbach nie ansprechen wird. Das Tabu ist vorhanden und wirksam. Damit setzt Thomas Mann selbst das Schutzalter fest und respektiert es.
Vor ein paar Jahren schrieb ich hier in einem anderen Tod-in-Venedig-Thread Folgendes dazu:
Thomas Mann gelang bei seiner Novelle Tod in Venedig eine ganz besondere Atmosphäre, geprägt von einer todhaften Jenseitigkeit und schicksalhaften Fügung.
Wie wir Menschen alle dem Tod entgegensehen, so auch der Protagonist in dieser Novelle: Entsprechend den alten Jenseits-Mythen fährt er mit dem Schiff in das seinen Tod ankündigende Venedig über, wobei der Junge Tadzio das Motiv des göttlichen Kindes, des Engelführers verkörpert, ein schönes tiefes Sinnbild und die mythischen Motive gut umgesetzt.
Ich finde, diese Novelle wird noch weitgehend verkannt in seiner wahren Bedeutung und Intension. Das liegt nur an Tadzio und die m. M. n. falschen Spekulationen um diese Kunstfigur. Literarisch gesehen musste es dem unschuldig-göttlichen-Kind-Motiv entsprechend ein Junge sein, in Wirklichkeit jedoch übertrug Th. Mann seine Vernarrtheit in einen bereits volljährigen Schweizer Kellner auf ihn, ist also alles halb so wild.
Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass Th.Mann tatsächlich in Venedig einen dermaßen faszinierend schönen Jungen beobachtet hatte und so entstanden die Stoff-Übertragungsverschmelzungen, wie so oft bei Th.Mann.