Mai 2008 - J. Green "Leviathan"

  • Was vier Stunden Sonne bewirken können - ich bin fertig, und noch ziemlich geschockt. Mit dem Ende habe ich bei weiten nicht gerechnet.


    Bei allen Charakteren habe ich entweder das Gefühl, dass sie mir leid tun, oder dass ich sie verabschaue. Einzig bei Madame Großgeorge schwanke ich, welches Gefühl ihr gebührt.


    Denn einerseits tut sie mir sehr leid, sie wohnt in einem großen Haus, hat alles, nur die Liebe nicht. Und als sie sich in jemanden verliebt, muss sie feststellen, dass dieser jemand eine andere begehrt. Andererseits verabscheue ich sie wegen dem was sie getan hat. Wieso musste sie ihn gleich verraten?


    Angele tut mir sehr leid, sie hat Gueret doch geliebt, auch wenn er sie geschlagen und gedemütigt hat.


    Warum das Buch allerdings Leviathan heißt, bleibt mir verborgen.


    Bei jedem weiteren Klassiker, den ich lese, habe ich auch das Gefühl, dass das Lesen von Fantasy-Büchern (so sehr ich diese auch gern lese) vertane Liebesmüh ist, denn ein Fantasy Buch lege ich beiseite und greife zum Nächsten. Oft verwechselt man die Bücher untereinander und sie regen selten zum Nachdenken nach der Lektüre an. Ein Klassiker dagegen fesselt mich noch längere Zeit.




    Ich bin jedenfalls froh, durch diese LR den "Leviathan" kennengelernt zu haben. Zurück bleibt das Gefühl, nach langer Zeit wieder einmal ein sehr gutes Buch gelesen zu haben.
    Ich habe schon überlegt, ob ich mich von der zeitgenössischen Literatur nicht gänzlich verabschieden werde. Die Lebenslesezeit ist viel zu kurz, um sich mit schlechter Lektüre abzumühen.


    Das gleiche ging mir auch durch den Kopf.


    Was ich sehr spannend fand an dem Buch: Ich hatte das Gefühl, dass das Tempo immer gleich geblieben ist, aber es wurde dennoch nie langweilig und ich hätte es nicht ganz weglegen können ohne zu wissen wie es ausgeht.


    Katrin

  • Hallo zusammen,


    in der Tat bin ich gestern Nacht auch mit dem "Leviathan" fertig geworden, allerdings nicht während des Nachtdienstes, @ Madeleine, sondern weil ich nachts häufig - und gerne - ca. zwei Stunden wach bin und dann genussreich und ungestört lesen kann. Ich gleiche das durch relativ frühes zu Bett gehen aus.


    Nun - auch ich bin froh über diese Lektüre, wenn mir - wie geschrieben - auch Passagen des zweiten Teils weniger gut gefielen. Am Ende kam das Geschehen dann aber wieder in die Gänge und endete ähnlich katastrophal wie ich vermutete. Nur Mme Londes Schicksal blieb offen, warum nur? Wahrscheinlich ist es noch trostloser als die "Liebestode" von Angèle und Mme Grosgeorge, denn dass die Restaurantbesitzerin auf dem absteigenden Ast ist, wird ja aus dem ganzen zweiten Teil deutlich.


    Im Moment habe ich noch andere Lektüre, überlege mir aber, ob ich mir in nicht allzu ferner Zukunft die "Adrienne Mesurat" des gleichen Autors aus meinem SuB-Vorrat vornehme.


    Vielen Dank für die angenehme Leserunde und auf baldige Wiederbegegnung in einer solchen!


    HG


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Schade, dass unsere LR schon vorbei ist, aber ich glaube wir sind jetzt alle fertig mit dem Buch.


    Ich denke, Jaqui, Madame Grosgeorge hat Gueret verraten, als sie erfahren mußte, dass er wegen Angele und nicht wegen ihr zurückgekommen ist. Da sieht man wieder, dass es mit der wahren Liebe nicht sehr weit her ist, wenn persönliche Eitelkeiten im Spiel sind.


    Ich glaube auch nicht, dass Angele Gueret wirklich geliebt hat. Einerseits hat sie seine Verehrung in irgendeiner Weise genossen, aber im Grunde ihres Herzens ist ihr wohl nicht viel an ihm gelegen. Und dass sie mit ihm fliehen wollte, dürfte in ihrer Angst vor ihm ihre Ursache gehabt haben. So habe ich mir das jedenfalls erklärt.


    Ich hätte auch noch gerne etwas über Madame Londes Schicksal erfahren. Wie ging es mit ihrem Restaurant weiter? Konnte sie davon noch leben? Ein trostloses Alter ist ihr wohl gewiß, in dem traurigen Zustand, in dem wir sie verlassen haben.


    Ich weiß leider über den Begriff Leviathan auch nicht mehr als ich im Internet nachgelesen habe, nämlich dass es sich um ein biblisch-mythologisches Seeungeheuer handelt. Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht, wer damit gemeint sein könnte, und ich glaube immer mehr, dass es womöglich das gesamte Milieu sein könnte, in dem der Roman spielt. Ein Ungeheuer, das auf Grund seiner Herzlosigkeit die Menschen in den Abgrund reißt. Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch.


    Jedenfalls ist es gut, wenn man Bücher zu lesen bekommt, mit denen man sich auch nach deren Ende noch gedanklich befaßt. Das ist ein ganz anderes Gefühl, wie es die moderne Literatur in den meisten Fällen vermittelt, da gebe ich Dir sehr recht, Jaqui. Ich lese zwar keine Fantasyromane, dafür aber so ziemlich alles andere, was der Buchmarkt zu bieten hat, und das empfinde ich mit zunehmendem Alter für mich ganz persönlich als immer weniger befriedigend.
    Ich habe mir für die Zukunft jedenfalls vorgenommen, mehr auf Qualität als auf Quantität zu achten.


    Mit finsbury (finde ich eine gute Idee bei Schlaflosigkeit zu lesen) hoffe ich, dass wir uns alle wieder einmal in einer so netten Leserunde zusammenfinden.


    Liebe Grüße, Madeleine.


  • Jedenfalls ist es gut, wenn man Bücher zu lesen bekommt, mit denen man sich auch nach deren Ende noch gedanklich befaßt. Das ist ein ganz anderes Gefühl, wie es die moderne Literatur in den meisten Fällen vermittelt, da gebe ich Dir sehr recht, Jaqui. Ich lese zwar keine Fantasyromane, dafür aber so ziemlich alles andere, was der Buchmarkt zu bieten hat, und das empfinde ich mit zunehmendem Alter für mich ganz persönlich als immer weniger befriedigend.
    Ich habe mir für die Zukunft jedenfalls vorgenommen, mehr auf Qualität als auf Quantität zu achten.


    Ja, je älter ich werde, desto mehr empfinde ich auch so.




    Mit finsbury (finde ich eine gute Idee bei Schlaflosigkeit zu lesen) hoffe ich, dass wir uns alle wieder einmal in einer so netten Leserunde zusammenfinden.


    Ich würde mich auch sehr freuen wenn wir uns bald in einer LR wieder begegnen würden. :winken:


    Katrin

  • Ihr Lieben,


    schade, dass es schon vorbei ist.


    Inhaltlich ist Vieles gesagt worden, ich möchte mich daher zum Schluss auf den Buchtitel beschränken. Der Begriff "Leviathan" ist mir als Metapher seit meiner Schulzeit geläufig. In William Goldings "Lord of the flies" (ein wunderbares Buch!) steht das biblische Ungeheuer für die menschlichen Urängste vor Gewalt und Brutalität, die immer dann zur Herrschaft gelangen, wenn die niedrigen Zäune der Zivilisation eingerissen werden. Bei Golding ist der Leviathan aber auch ein Symbol für Bedrohungen, die nicht fassbar, sondern allenfalls als dumpfes Bauchgefühl spürbar sind. Julien Green zeigt uns in seiner Geschichte etwas über das latente Gewaltpotenzial, das in jedem Menschen schlummert und jederzeit ausbrechen kann. Menschliche Niedertracht und Verrat sind weitere Themen, die seit der berühmten philosophischen Abhandlung von Thomas Hobbes ("Der Mensch ist des Menschen Wolf") mit dem Leviathan-Metapher assoziiert werden können - und davon haben wir in Greens Roman wahrhaftig genug gezeigt bekommen!



    Im Moment habe ich noch andere Lektüre, überlege mir aber, ob ich mir in nicht allzu ferner Zukunft die "Adrienne Mesurat" des gleichen Autors aus meinem SuB-Vorrat vornehme.


    finsbury: Da hast Du eine weitere schöne Erfahrung vor Dir!




    Ich habe mir für die Zukunft jedenfalls vorgenommen, mehr auf Qualität als auf Quantität zu achten.


    Madeleine: Ist das nicht ein schönes Leserundenergebnis?




    Bei jedem weiteren Klassiker, den ich lese, habe ich auch das Gefühl, dass das Lesen von Fantasy-Büchern (so sehr ich diese auch gern lese) vertane Liebesmüh ist, denn ein Fantasy Buch lege ich beiseite und greife zum Nächsten. Oft verwechselt man die Bücher untereinander und sie regen selten zum Nachdenken nach der Lektüre an. Ein Klassiker dagegen fesselt mich noch längere Zeit.


    Jaqui: Ich finde, die Mischung aus Klassikern und anderen Stoffen (ob Fantasy, Krimi oder was auch immer) macht´s, wobei natürlich der Nachhall bei guten Klassikern weitaus größer ist, da stimme ich Dir zu.


    Es war mir eine Freude, mit Euch zusammen zu lesen und hoffe auf ein baldiges neues Zusammentreffen dieser Art!


    Liebe Grüße


    Sir Thomas