Karl Kraus und die Bücherverbrennungen 1933

    Weiß jemand von Euch, warum Karl Kraus 1933 nicht mit auf den Listen der zu verbrennenden Bücher stand?
    "Die letzten Tage der Menschheit" wären als Kriegskritik doch prädestiniert dafür gewesen.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

    Kraus war dem deutschen Nationalsozialismus gegenüber eigentlich recht hilflos. Wahrscheinlich aus Angst, dass man seine Aussagen zum Vorwand nehmen würde, sich an Unschuldigen zu rächen, hat er sich nie recht deutlich öffentlich geäussert; was er sagte bzw. schrieb, wurde hüben wie drüben missverstanden. Er unterstützte das Kabinett Dollfuss, weil er glaubte, dass dieses Österrreich vor dem Nationalsozialismus bewahren würde.


    Er war später verboten, und Kopien der Letzten Tage der Menschheit zirkulierten in den Konzentrationslagern. Ich vermute, 1933 wussten die Nazis ihrerseits wohl auch nicht so recht, was sie von Kraus halten sollten. Wahrscheinlich wurde er (vorläufig) als innerösterreichische Angelegenheit eingestuft - zu einer Zeit, als Österreich noch Ruhe hatte, weil sich Hitler und Mussolini gegenseitig nicht so ganz grün waren. Das sollte ja ändern - und damit das österreichische Schicksal.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

    Zitat von BigBen


    Weiß jemand von Euch, warum Karl Kraus 1933 nicht mit auf den Listen der zu verbrennenden Bücher stand?
    "Die letzten Tage der Menschheit" wären als Kriegskritik doch prädestiniert dafür gewesen.


    KK hat sich selbst darüber gewundert und Mutmaßungen angestellt. Etwa daß sie in ihm einen Verbündeten gegen die Juden gesehen hätten. Kritik von KK an Juden gibt es natürlich zu Hauf, aber nicht völkisch oder religiös motivierte. (Trotzdem hat man im nachhinein an einigen seiner Formulierungen zu schlucken.)


    Zitat von sandhofer


    Kraus war dem deutschen Nationalsozialismus gegenüber eigentlich recht hilflos.


    Falls Du auf "Mir fällt zu Hitler nichts ein." anspielst, so ist dies erstens der erste Satz eines Buches von 300 Seiten und zweitens heißen die Leute, denen etwas eingefallen ist, Churchill, Roosevelt und Stalin. Schriftsteller war keiner darunter.


    Zitat von sandhofer


    Wahrscheinlich aus Angst, dass man seine Aussagen zum Vorwand nehmen würde, sich an Unschuldigen zu rächen,...


    Nicht wahrscheinlich sondern diesen Grund hat er selbst genannt.


    Zitat von sandhofer


    Er unterstützte das Kabinett Dollfuss, weil er glaubte, dass dieses Österrreich vor dem Nationalsozialismus bewahren würde.


    Ja. Er glaubte schon 1933, daß Österreich das erste Ziel deutscher Aggression sein und ein Weltkrieg folgen würde. Oberstes Ziel war es daher, die Unabhängigkeit Österreichs zu bewahren. Und Dollfuss hielt er für einsichtiger (was die Größe dieser Gefahr betrifft) und für tatkräftiger, sie abzuwehren, als beispielsweise die Sozialdemokraten.


    TH