Die Kunst des Überspringens ...


  • Wenn sich die langatmigen Passagen oft auch nicht lohnen, dann empfindet man doch einen gewißen Stolz, es endlich geschafft zu haben, ohne etwas übersprungen zu haben.


    So masochistisch bin ich nicht, dass ich stolz darauf wäre, mich zu quälen. Und wenn sich die Mühen noch nicht mal gelohnt haben, dann sollte man das Buch zur Seite legen. Lektüre ist kein Leistungssport.

  • Diesen Masochismus habe ich auch nicht. :smile:
    Entweder ein Buch gefällt mir, hat aber hin und wieder Exkurse, die ich gerade weniger spannend finde, dann überspringe ich die Seiten mit sehr schnellem diagonalen Querlesen. Oder ein Buch hat nur langweilige "Exkurse", dann breche ich es ab.
    "Krieg und Frieden" fand ich zum Beispiel hervorragend, aber die Schlachtbeschreibungen fand ich öde. Also habe ich diese zu großen Teilen nur überflogen. Das Gemeine von Tolstoi ist nämlich, dass er an diesen Stellen die zwei(?) phantastischen Monologe von Andrei und Nikolai einflechtet, und die fand ich wiederum grandios. Auch seine Anspielungen auf die Kriegstheorie von Clausewitz hätte ich ungern verpasst. Man muss also schon sehr vorsichtig sein mit dem Querlesen, damit man nichts verpasst. :zwinker:
    Aber ein schlechtes Gewissen gegenüber Tolstoi habe ich nicht. Ich sehe es als Recht jedes Lesers an, über bestimmte Stellen hinwegzulesen, wenn man damit das Buch als ganzes für sich "rettet". Und "Krieg und Frieden" würde ich trotz einiger überlesener Seiten auf die ganz, ganz vordern Plätze meiner Lieblingsbücher setzen.

  • Bei Literatur hab ich mit Überspringen meine Probleme. Vor allem frage ich mich, ob man sich wirklich ein Urteil über ein Buch erlauben kann, sei es nun positiv oder negativ, das man derart abkürzt. Vllt. hat man dann die wertvollste Stelle übersehen - oder man wurde von abgrundtief stumpfen Geschwafel verschont, jedenfalls war es doch nicht das eigentliche Buch. Ich bin aber auch inkonsequent und lege das Buch erstmal beiseite.


    Bei Fachbüchern ist es wohl unmöglich, diese ganz zu lesen, zumindest wenn vom jeweiligen Themenkomplex nur ein Aspekt interessiert, und man nicht erstmalig in ein neues Thema reinschnuppern will oder es zum Job gehört, alle relevanten Fachbücher zu einem bestimmten Thema zu lesen.

  • Hallo zusammen


    Ich überspringe nur, wenn ich mich einlese oder wiederholt nachschaue, aber ich würde nie ein Buch als gelesen betrachten, das ich nicht wirklich vollständig (mit allen Passagen) gelesen habe. Das wäre ja wie Mogeln! :breitgrins:


    Außerdem kann ich mir dann nicht wirklich vollumfänglich ein Urteil über das Werk erlauben, genau genommen ...

  • Hallo, Ihr,
    ich überspringe nur im "Notfall" Passagen, und kann das Buch dann auch nicht als "gelesen" betrachten.
    Doch, es ist mir auch eine Genugtuung und Freude, auch ein Buch mit selbst mit langatmigen Passagen "bezwungen" zu haben. Das macht einen Teil meiner "Lesesucht" aus.
    Ohne diese Fähigkeit hätte ich sicher diverse Lektüre nicht bewältigt, die mir endlich doch Gewinn (nicht nur stolz über die Bewältigung) gebracht hat.
    Mir hilft, dass übersprungene Passagen und nicht beendete Bücher mich wie eine kleine Niederlage belasten, und dass ich den Verdacht dann nicht unterdrücken kann, dass ich dadurch einen kleinen Goldschatz - vielleicht auch nur für mich gedacht- nicht entdeckt habe.
    Es ist eine wunderbares Gefühl, ein Buch zu Ende gelesen zu haben und zu schließen.
    Noch gute Lesetage wünscht
    Emma

  • Hallo Emma,



    ich überspringe nur im "Notfall" Passagen, und kann das Buch dann auch nicht als "gelesen" betrachten.
    Doch, es ist mir auch eine Genugtuung und Freude, auch ein Buch mit selbst mit langatmigen Passagen "bezwungen" zu haben. Das macht einen Teil meiner "Lesesucht" aus.
    Ohne diese Fähigkeit hätte ich sicher diverse Lektüre nicht bewältigt, die mir endlich doch Gewinn (nicht nur stolz über die Bewältigung) gebracht hat.
    Mir hilft, dass übersprungene Passagen und nicht beendete Bücher mich wie eine kleine Niederlage belasten, und dass ich den Verdacht dann nicht unterdrücken kann, dass ich dadurch einen kleinen Goldschatz - vielleicht auch nur für mich gedacht- nicht entdeckt habe.
    Es ist eine wunderbares Gefühl, ein Buch zu Ende gelesen zu haben und zu schließen.


    Das kann ich von A bis Z so unterschreiben. Gut auf den Punkt gebracht! Deshalb verbringe ich über einigen Büchern Monate und Jahre, sogar ein halbes Leben, denn im Rückblick bin ich für jede Zeile dankbar.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Übersprungen wird nichts, weil ich erst am Ende wissen kann, worauf es ankommt und worauf nicht. In guten Büchen kommt es sowieso auf alles an.


    Gronauer

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