Mervyn Peakes Gormenghast

  • Hallo Lesefreunde,


    ich habe Weihnachten zum Anlass genommen, ein paar DVDs zu besorgen, die sich die ganze Familie wünscht. Darunter eine Verfilmung von Mervyn Peakes Romantrilogie "Gormenghast".


    Vor ein paar Jahren habe ich im Literaturcafé an einer "Leserunde" mit diesem Buch teilgenommen. Ich setze Leserunde in Anführungszeichen, weil ich, glaube ich, die einzige Teilnehmerin der Runde war, die den Roman wirklich zu Ende las. Meine ältere Tochter, jetzt 19, hat es sich nach mir vorgenommen. Nun haben wir, als Geschenk an uns selbst zu Weihnachten, die DVD gekauft, die es zwar nur in Englisch gibt, aber es soll eine gute Verfilmung sein und die Szenenfotos im Beiheft sind vielversprechend.


    Da ich ab Mitte Januar in die Klinik und danach in eine längere Reha muss, liebäugele ich schon damit, mir als Bettlektüre diesen Schmöker in den Koffer zu packen - wenn ich die DVD gesehen habe.


    Gibt es jemanden hier, der dieses Buch kennt?


    Ich habe fast alles vergessen, außer der großartigen "Lesestimmung" dieses Buches, die mich vollkommen gebannt hat. Obwohl der SUB weiß Gott hoch genug ist, freue ich mich aufs Wiederlesen.


    Weihnachtsgruß
    Zefira, die sich über die Feiertage mit ihren Töchtern eine Vollversion des "Herrn der Ringe"-Films reinzieht (muss einfach sein - Weihnachtsplätzchen satt, Kissen hinter den Rücken und HdR glotzen, bis der Arzt kommt :ohnmacht: )

  • Hallo Zefira !


    Ich habe letztes Jahr den ersten Teil gelesen: Titus Groan


    Ich muss sagen, dass ich von dem Buch einigermaßen verwirrt war, denn es führt ja sozusagen "nur" in die Welt von Gormenghast ein. Die Atmosphäre war aber schon klasse, düster, archaisch und die Charaktere - einfach irre !


    Allerdings, um nochmal auf die Verwirrung zurückzukommen, ich habe es im Original gelesen und obwohl ich damit normalerweise keine Probleme habe, bin ich in diesen Stil nur sehr schwer reingekommen. Ich glaube, die vielen Gedankensprünge waren mit ein Grund.


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    ich lese den Roman zwar in Deutsch, der Film war aber in Englisch ... und da saß ich auch zum Teil ziemlich hilflos davor, wegen der vielen ungewöhnlichen Wörter (wobei ich einige zwar nicht kannte, die Bedeutung sich aber leicht erschloss, z.B. bei dem Wort "pisslump" :breitgrins: )


    Ich habe gerade den ersten Teil gut zur Hälfte durch; es ist wie gesagt schon die zweite Lektüre. Als verwirrend empfinde ich vor allem die vielen, vielen Perspektivenwechsel, zum Teil mehrfach immerhalb eines Dialogs. Das ist zumindest heute unüblich und wirkt auf mich sogar ein wenig anfängerhaft. Aber sonst finde ich es sehr gekonnt geschrieben, soweit man das von einer Übersetzung her beurteilen kann.


    Dass der erste Teil nur in die Welt von Gormenghast einführt, würde ich so nicht sagen. Der Zentralkonflikt der ersten beiden Bände, nämlich die Karriere des Aufsteigers Steerpike vom Küchenjungen zum (wenn ich mich recht erinnere) Zermonienmeister, wird bereits im zweiten Kapitel des ersten Bandes eingeleitet. Der dritte Band unterscheidet sich sehr stark von den beiden ersten, sowohl in den erzählerischen Mitteln wie auch in der Erzählabsicht. Hier muss man zum Verständnis wohl auch Peakes Biographie heranziehen.


    Eine leichte Lektüre ist es nicht - aus meiner Sicht hauptsächlich deshalb, weil Peake zwar angenehm ironisch erzählt, andererseits aber auch immer wieder seltsam "berauscht". In einer früheren Leserunde zu dem Roman schrieb ich dazu mal, er suche nicht den treffenden, sondern den stärksten Ausdruck, bis hin zur Ekelgrenze. Das kann ich beim momentanen Lesestand zwar nicht mehr belegen (weiß nicht mehr, worauf genau ich mich damals bezog), aber der Eindruck bleibt, dass der Autor sich von seiner eigenen Schöpfung gleichsam fortreißen lässt - andererseits macht gerade das die Lektüre auch wieder sympathisch.


    Grüße aus dem Schloss
    Zefira

  • Ich bin am Reread und hänge hier mal meine Eindrücke von Gormenghast I, "Der junge Titus", an.


    In 2007, als ich diesen Faden hier anfing, habe ich die Lektüre nicht beenden können. Ich weiß sogar noch, was mir damals dazwischenkam ... :rolleyes:


    Diesmal werde ich mich nicht ablenken lassen.


    Gormenghast I - Der junge Titus


    "Eine Umgebung, in der jede Veränderung ein Verbrechen wäre."


    Zeit und Ort beliebig, ein abgeschlossenes Kontinuum. Das Schloss Gormenghast ist so gewaltig, dass man eine Fußballarena samt Zuschauerrängen darin unterbringen könnte. (Es gibt eine Szene gleich am Anfang, in der ein entlaufener Küchenjunge auf dem Dach des Gebäudes eine Wandelhalle abschreitet, also wohlgemerkt nur ein einziger Raum des Gebäudes - diese Halle ist, so wie beschrieben, mindestens so groß wie ein Fußballfeld.)


    Gormenghast ist uralt; derzeit bewohnt es der sechsundsiebzigste Graf Groan, Lord Sepulchrave. Sein Nachfolger, der junge Lord Titus, wurde soeben geboren, damit nimmt das Werk seinen Anfang. Es ist schwer vorstellbar, wie es zu dieser Geburt kam, denn ein größerer Gegensatz als zwischen Lord Sepulchrave und Titus' Mutter Lady Gertrude lässt sich gar nicht denken: er alt und vergeistigt, nur mit seinen Büchern beschäftigt; sie ist körperlich ziemlich mächtig, geistig eher schlicht und spricht eigentlich nur mit ihren Katzen und Vögeln. Die beiden haben bereits eine Tochter, die fünfzehnjährige Fuchsia, die völlig sich selbst überlassen unter der Aufsicht eines winzigen, schwächlichen Kindermädchens lebt, und zwar in einer Phantasiewelt - notgedrungen, sie hat sonst nichts. Und damit haben wir schon fast alle wichtigen Schlossbewohner; es kommt noch der Chefkoch Swelter dazu, der Leibdiener Flay, der Archivar Sourdust, die beiden Schwestern von Lord Sepulchrave, mit Namen Cora und Clarice, sowie der Leibarzt und seine mannstolle Schwester. Natürlich noch eine Menge Unterpersonal (allein 25 Gärtner), aber die zählen kaum. Alle führen so ihr mit Staub und Spinnweben bedecktes Leben. Der Schlossherr ist den größten Teil des Tages damit beschäftigt, völlig sinnlose Rituale zu absolvieren, die seiner Vorfahren geprägt haben - zum Beispiel um neun Uhr früh auf der östlichen Zinne ein Glas Wein heben und dergleichen. Genau genommen ist der "Zeremonienmeister" Sourdust, der ihm diese Aufgaben zuteilt, die wichtigste Person im Schloss.


    Bis mit der Person des Küchenjungen Steerpike so etwas wie eine Erobererfigur auftaucht. Steerpike entwischt aus der Küche, verdingt sich zunächst als Diener des Leibarztes, sein Ziel ist aber, sich bei allen unentbehrlich zu machen. "Die Macht zu haben" ist ja immer ein beliebter Impetus in klassischen Geschichten - in diesem Fall witzlos, denn was bedeutet schon die Macht in einem Gemäuer wie Gormenghast? Für Steerpike (und alle Schlossbewohner) ist Gormenghast die Welt. Steerpike ist übrigens das genaue Gegenteil des Prinzips, das im Schloss herrscht: er ist energisch, effektiv, um es mit Peake zu sagen "aktiv wie ein Aal an der Angel". Sein Aufstieg ist das zentrale Thema des ersten Bandes; erst im zweiten und dritten tritt der junge Lord Titus als sein Gegenspieler ernsthaft in Erscheinung.


    Das Bild von Gormenghast wäre nicht vollständig, würde man die "Lehmhüttenbewohner" nicht erwähnen. Sie leben im Schatten des Schlosses, ernähren sich mehr schlecht als recht und haben mich, so wie sie beschrieben werden, an die "Prolls" in George Orwells 1984 erinnert, das wir gerade in der Leserunde vorhatten. Die junge Witwe Keda, die sich nicht zwischen zwei Verehrern entscheiden kann, wird Titus' Amme. Nach ihrer Rückkehr in ihr Dorf wird sie ausgestoßen, weil man ihr die Schuld dafür gibt, dass die beiden Rivalen einander umgebracht haben. Keda ist eine äußerst lebendige Figur, im Grunde neben Fuchsia die einzige Sympathiefigur in diesem ersten Band. Dieser schließt übrigens mit dem Tod des alten Lords. Titus, zu diesem Zeitpunkt zweijährig, ist nun die Spitze der Ahnenreihe. Was er selbst darüber denkt, wissen wir noch nicht.





    Dem Buch ist deutlich anzumerken, dass der Autor Maler ist. Jede Situation, die er beschreibt, hat er zweifellos genau "gesehen". Andererseits muss man einen derart wortverliebten Autor wohl suchen gehen. Ihm entgeht nichts, und die kleinste Kleinigkeit wird so behaglich auserzählt, als ob man alle Zeit der Welt hätte. Es hat keinen Zweck, sich so ein Buch mal eben zwischendurch vorzunehmen (diesen Fehler habe ich vor ein paar Jahren gemacht, und prompt ging mir am Anfang des zweiten Bandes die Puste aus). Gormenghast ist kein Sprint und auch keine Wanderung mit Schrittzähler. Den Rucksack schultern und spazieren - egal, wie lang es dauert; so muss man das Buch lesen.


    Demnächst folgt hier (hoffentlich :rolleyes: ) die Fortsetzung über Band II "Im Schloss".

  • Ah, thx.


    Gerade wollte ich mir bei Amazon mal rasch einen Überblick verschaffen - es ist eine einzige Katastrophe: englische Titel, italienische Titel, Kindle-Ausgaben: aber die Ausgaben bei Klett-Cotta wurden mir nicht gezeigt. Drecksladen.


    Aber die Lektüre will wolh gut überlegt sein. Hm. Mal vorsichtig auf die Liste setzen …

  • Wenn man "Phantastik", wozu auch etwa Marquez, Kafka, Perutz und Jean Ray gehören, als Subgenre der Fantasy ansieht, ist die grobe Zuordnung in Fantasy richtig. Ich würde eher umgekehrt Fantasy als Subgenre der Phantastik verstehen und Peake in die Phantastik tun. Übrigens direkt neben Jean Rays "Malpertuis" - da gibt es auch einige Verwandtschaft.
    Es gab aus der Hobbit Presse mal zwei "Almanach"-Ausgaben, in deren erster der Unterschied zwischen Phantastik und Fantasy sehr ausdrucksvoll herausgearbeitet wurde.


    Bei dem Vergleich zu Dickens musste ich lächeln - ich neige auch immer dazu, Steerpike "Steerforth" zu nennen, obwohl er wohl mehr der Uriah Heep-Typ ist.

  • Ich habe "Peake's Progress" inzwischen bekommen (eine Ausgabe "gesammelte Werke", zusammengestellt von Peakes Frau nach seinem Tod) und bin ich ganz klein bisschen enttäuscht, weil ich mir mehr Zeichnungen erhofft hatte. Aber es ist schon einiges drin, zum Beispiel einige Illustrationen zu Dickens' "Bleak House" und zur Stevensons Schatzinsel, sowie zu Peakes eigenen Gedichten.


    Peakes Verwandtschaft mit Dickens springt beim Lesen seiner Werke geradezu ins Auge, besonders merke ich das gerade bei Lesen des zweiten Bandes "Gormenghast". Er handelt bisher (ich habe ein Drittel gelesen) nur von Titus, zum Beispiel auch von seinen Lehrern, die zum Schlosspersonal zählen. Dere Aufsteiger Steerpike kommt bisher nur am Rand vor, obwohl er eigentlich der Motor des ganzen Geschehens ist, soweit ich mich erinnere.

  • einige Illustrationen zu Dickens' "Bleak House" und zur Stevensons Schatzinsel

    Ich habe hier irgendwo eine Ausgabe von "Dr. Jekyll and Mr. Hyde", die Peake illustriert hat, und ich finde die Illustrationen sehr passend.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe mir eine ganze Anzahl seiner Bilder online angeschaut und gestaunt über die stillistische Vielfalt. Gleichzeitig bin ich aber - gerade heute - wieder aufs Neue hingerissen von seiner sprachlichen Meisterschaft. Es gibt in Gormenghast II eine Szene, in der Titus, sieben Jahre alt, wegen Ausreißens vom Schloss (das macht er mehrmals) mit Karzer bestraft wird, und sein Lehrer Bellgrove ihn dort besucht. Die beiden verbindet im Grunde gar nichts, weil Bellgrove, wie alle Lehrer und überhaupt alle Schlossbewohner außer Titus, seiner Schwester und Steerpike seelenlose Puppen sind, Sklaven des Rituals. Gerade die Lehrerschaft ist ein absolut lächerlicher Haufen, die pädagogische Kompetenz erschöpft sich im Wiederholen der Anweisung "Nenne eine Meerenge" (ist wirklich so!). Trotzdem ist das Zusammentreffen von Titus und Bellgrove derart zauberhaft, dass ich es am liebsten komplett hier zitieren würde - Peake zelebriert in einem einzigen Satz, der sich über die komplette Buchseite erstreckt, alle (nicht genutzten) Möglichkeiten der beiden, einander zu lieben. Und das in einem unvergleichlich süffigen Stil, die Worte rennen der Leserin förmlich unter den Augen davon. Das ist ganz, ganz großes Kino. Ich lese das Buch ja derzeit zum zweiten Mal, aber vieles, wenn nicht das meiste, ist für mich neu. Vielleicht war ich damals nicht bereit dafür.

  • Gormenghast II habe ich gestern, da ich vier Stunden als Beifahrerin unterwegs war, abgeschlossen und auch gleich Gormenghast III angefangen. Über den zweiten Band "Im Schloß", der Titus Groans Jugendjahre beschreibt (am Anfang ist er sieben, am Ende siebzehn Jahre alt) habe ich oben schon etwas berichtet. Über weite Strecken gerät der skrupellose Aufsteiger Steerpike etwas aus dem Fokus, es geht lange Zeit um Titus' Lehrer Bellgrove und seine Liebesgeschichte mit Irma Prunesquallor, der altjüngferlichen Schwester des Leibarztes. Dieser Strang ist "sehr Dickens" und für die eigentliche Handlung mehr oder weniger entbehrlich, enthält aber einige köstliche Beschreibungen und Dialoge. Am wichtigsten sind die immer wieder eingeflochtenen Visionen des jungen Grafen von einem Leben in Freiheit, ohne die tausend sinnlosen Pflichten, die ihm sein Geburtsrecht auferlegt.

    Gegen Ende wird es richtig spannend, das Schloß wird bei einem mehrwöchigen Dauerregen überflutet bis in die höchsten Stockwerke hinauf, und als das Wasser wieder abgelaufen ist, ist in den unteren Stockwerken alles vergammelt und muss gesäubert, repariert oder zum Großteil gleich entsorgt werden. Ein interessantes Sinnbild für das ganze System. Für Titus aber nicht mehr wichtig, da er nun endgültig seiner Wege geht.


    Der dritte Band ist sehr viel kürzer als die anderen und sehr anders, sowohl in Stil als auch in der Erzählabsicht - "spannend" im üblichen Sinn ist es nicht. Ich habe knapp die Hälfte gelesen, ein durchgehender Handlungsfaden lässt sich bisher kaum auffinden. Das Setting ist, verglichen mit den beiden ersten Bänden, merkwürdig disparat, ich kann mir keine Vorstellung machen, wie Titus' Umgebung jetzt eigentlich aussieht. Immerhin gibt es ein paar interessante Charaktere wie den Zoodirektor Muzzlehatch (der Name ist wieder echt Dickens!), der mal einen Hirsch, mal ein Lama als Reittier benutzt und sein Auto beim Aussteigen an einen Baum bindet.

  • So, nun habe ich auch den dritten Band und damit das Gesamtwerk, wie es mir vorliegt, durch.
    Peake scheint ja für seinen Helden Titus Groan insgesamt zehn Bände geplant zu haben; es gibt wohl auch Versuche, da etwas zusammenzustellen, aber ich habe wenig Lust, dem nachzugehen.

    Wie schon erwähnt, unterscheidet sich der dritte Band deutlich von den beiden ersten. Gormenghast ist ein geschlossener Raum mit überschaubarem Personal und einem zentralen Drama, obwohl Peake als lustvoller Erzähler kaum einen Seitenweg auslässt. Im dritten Band befindet sich Titus "in der Welt" und hat es mit einer wesentlich größeren Vielzahl zerstörerischer Kräfte zu tun.


    Man könnte den Inhalt kurz so wiedergeben: Titus begegnet, nach einigen weniger wichtigen Episoden, dem Zoodirektor Muzzlehatch. Dessen Exfreundin Juno nimmt ihn unter ihre Fittiche - sie ist wohl etwa doppelt so alt wie er und wird ihm gleichzeitig Mutterersatz und Geliebte. Zwei Zentralmotive fallen auf: Erstens kennt niemand Gormenghast, und wenn er darauf besteht, er sei Lord Titus und habe einen gewissen Anspruch auf Ehrerbietung, zuckt man darüber die Achseln. Zweitens gibt es eine Art unklarer Bedrohung über dem gesamten Setting der Geschichte. Mehrere Kapitel widmet Peake dem verarmten Volk, das "unter dem Fluss" lebt - einem Heer von Obdachlosen. (Hier fällt besonders ein Dichter auf, der fünfhundert Bücher hat drucken lassen, aber nur zwölf verkauft hat; die übrigen schleppt er ständig mit sich herum und schläft nachts darauf.)


    Nachdem Titus zwei schwebende "Kugeln", die ihn verfolgen - man denkt an die heutigen Drohnen -, zerschlagen hat, legt man ihm nahe, dass er die Stadt besser verlässt. Muzzlehatch, der ihn unterstützt hat, wird ebenfalls vertrieben; seine Zootiere durch irgendwelche "Strahlung" ermordet. Titus, der anscheinend nicht allein bleiben kann, schließt sich nun einer jungen Frau namens Cheetah an, der Tochter eines "Wissenschaftlers", der eine "Fabrik" betreibt. Da er auch ihr mit seinem Status als Lord Groan in den Ohren liegt, veranstaltet sie eine Party, auf der sie alle Figuren seiner Vergangenheit - seine Eltern, Steerpike, seine geliebte Schwester Fuchsia usw. - in einer Art Scharade nachstellen lässt. Er wendet sich daraufhin von ihr ab und kehrt nach Gormenghast zurück. Es wird angedeutet, dass er sich sogleich wieder abwendet, da er seine Heimat "im Herzen trägt".


    Der Stil ist äußerst blumig und verliert sich, seien wir ehrlich, oft in selbstverliebten Romantizismen - mir kam beim Lesen der SF-Autor Samuel Delany in den Sinn ("der Weltenwind brüllte"). Trotzdem oder gerade deshalb ist es interessant zu lesen, wie Peake in der Dickens'schen bemoosten Idylle unterschwellig eine Art unpersönlicher Qual und Tötung etabliert, ohne dass man es recht merkt. Zuerst durch die bewussten Kugeln oder Drohnen, danach in einer Vielzahl feiner Andeutungen. Im Nachwort zum dritten Band heißt es: "Peake schien Unheil und Tragödien als berührbare Kräfte zu sehen". Wir haben hier also einen Vorläufer der gesamten Fantasy-Literatur, die das Böse greifbar macht, etwa als Drache, die Kröte im Brunnen oder als Ring, der vernichtet werden muss. In die Visionen von der kalten Welt der "Fabrik" des Wissenschaftlers, mit Existenzen, die in sich zusammenfallen, wenn ihnen der weiße Schutzanzug abgestreift wird, und tausend gleichartigen Gesichtern, die aus den Fenstern schauen, wirkt sich aber gleichzeitig die moderne Todesindustrie aus. Wie Peake sie als Berichterstatter bei der Befreiung Belsens erlebt hat.


    Den dritten Band zu lesen, ist weder leicht, noch muntert es auf. Ich weiß noch nicht, wohin ich mich jetzt wende am Regal, aber bestimmt to something completely different.