Edgar Allen Poe - Der Mord in der Rue Morgue

  • Hallo zusammen!


    Bei der Lektüre des o.g. Titels war ich zunächst enttäuscht über den sehr sachlichen Ton auf den ersten Seiten später entwickelte sich mehr und mehr eine Mischung aus Neugier und Spannung. Was habt Ihr für Meinungen zu dieser Geschichte?


    Christoph

  • Hallo Christoph,


    ich habe den "Mord in der Rue Morgue" als Hörspiel gehört, muss aber gestehen, dass ich mich nicht mehr an all zu viel erinnern kann :redface: Ich weiß nur noch, dass das Anhören ziemlich anstrengend war, weil die Unterschiede in der Lautstärke zwischen Musik und Textpassagen so groß waren, dass man immer aufstehen und runterdrehen musste.
    So viel also zu meinen Eindrücken... Ich werd mir das Hörspiel auf jeden Fall noch einmal anhören,


    HG, Monolith :winken:

  • Hallo zusammen!


    Ich werd mir das Hörspiel auf jeden Fall noch einmal anhören, [...]


    Hörspiel :confused: ? Das ist doch eine Kurzgeschichte, oder? Zu Poes Zeit gab's meines Wissens noch kein Radio ...


    Zur Story: Ich finde sie sehr spannend; die Auflösung ist absoluter Unsinn, aber auch in dieser Hinsicht ist Poe der Ahnherr des Kriminalromans geworden - eine absolut hirnverbrannte Auflösung wird so präsentiert, als ob sie völlig logisch und "normal" sei ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • eine absolut hirnverbrannte Auflösung wird so präsentiert, als ob sie völlig logisch und "normal" sei ...


    Hallo Sandhofer,


    die Auflösung der Morde ist ohne Zweifel völlig unrealistisch, es sei denn, das Tier wäre sehr intensiv dressiert worden, wovon nicht auszugehen ist.


    Für Poe spielt es meiner Meinung nach jedoch keine so große Rolle, ob die Handlung realistisch ist, es kommt ihm vor allem auf die Wirkung an, die seine skurrilen Bilder im Kopf des Lesers auslösen. Bei anderen Stories von ihm ist es ähnlich (z.B. der Untergang des Hauses Usher). Seine Werke werden ja auch als Geschichten zwischen "Tag und Traum" bezeichnet. Wenn man sich darauf einläßt fühlt man sich am Ende der Geschichte so, als sei man aus einem unheimlichen Traum erwacht :rollen:.


    Mit wachen Grüßen


    Christoph :zwinker:


  • Für Poe spielt es meiner Meinung nach jedoch keine so große Rolle, ob die Handlung realistisch ist, es kommt ihm vor allem auf die Wirkung an, die seine skurrilen Bilder im Kopf des Lesers auslösen. Bei anderen Stories von ihm ist es ähnlich (z.B. der Untergang des Hauses Usher). Seine Werke werden ja auch als Geschichten zwischen "Tag und Traum" bezeichnet. Wenn man sich darauf einläßt fühlt man sich am Ende der Geschichte so, als sei man aus einem unheimlichen Traum erwacht :rollen:.


    So seh ich das auch.
    Es ist eine Schauergeschichte, oder wie immer wir das nennen, romantic, oder gothic, und Poe hat zusätzlich das detektivische Element reingebracht.


    Ob er wirklich der "Erfinder" der Detektivgeschichte und des Privatdetektivs war, weiß ich nicht.
    ( Hab vor zig Jahren mal die sehr dickleibige Poe-Biographie von Frank Zumbach gelesen, vielleicht bietet der Hinweise.
    Aber das Buch ist in einem der Kartons Gelesener Bücher :wink: )


    Die Auflösung lässt sich aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
    Dupin macht das, was später Sherlock Holmes perfektioniert.
    Er schließt das Unmögliche aus, und hat damit das Ergebnis.


    So gesehen ist es eine auf die Spitze getriebene Darstellung der wissenschaftlichen Ermittlung.
    Das grässliche Vieh MUSS der Täter sein, weil es alle anderen Möglichkeiten auszuschließen sind.


    Übrigens fand ich, von der psychologischen Einsicht her, "Der entwendete Brief" wesentlich interessanter.
    Und da ist die Lösung auch keineswegs so abstrus.
    Für "Das Geheimnis der Marie Roget" nahm er sich einen realen Kriminalfall als Vorlage und präsentierte eine Lösung.


    Gruß
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallöchen,


    Der Mord in der Rue Morgue war das erste (und bisher einzige), was ich von Poe gelesen habe. Ich war sehr über den sachlichen Ton am Anfang erstaunt, weil ich Poe immer mit Lovecraft in Verbindung bringe und der ja alles andere als sachlich schreibt. In dieser Passage hat mir außergewöhnlich gut die Ausführung gefallen, warum Schach absolut überbewertet ist :smile: Da fühlt man sich gleich ein wenig weniger dumm, wenn man sich nie für dieses Spiel begeistern konnte *g*
    Ansonsten fand ich die Geschichte sehr amüsant, den Stil sehr lesenswert und die Idee sehr ungewöhnlich.
    Ich muss bei Gelegenheit unbedingt noch mehr von Poe lesen *vornehm*


    lg,


    mondpilz

  • Hallo Mondpilz,


    mag durchaus sein, dass sich Lovecraft (wie eine Menge anderer Autoren auch) einiges von Poe abgeguckt hat.
    Umgekehrt wohl eher nicht. :breitgrins:


    Poe ist hauptsächlich bekannt als Autor von, wie wir es nennen, Horrorstories.
    In Wirklichkeit eher romantische Schauergeschichten.
    Diese Sehweise wird ihm nur nicht gerecht.


    Er war auch einer der großen Lyriker der Romantik, er war Mitbegründer der amerikanischen Literaturkritik. Und er wird auch, seiner beiden großen imaginären Reisen wegen, als einer der Urväter der Science Fiction reklamiert.
    Man kann ihn auch als einen Begründer der Short Story sehen.


    Die "Wissenschaftlichkeit", mit der er seine Erzählung beginnt, ist natürlich ein Trick.
    Der dazu dient, das Irrationale, das Schauerliche, um so mehr ins normale, reale Leben zu holen. Und es auf die Art wirksamer zu machen.
    Denn der beste Horror ist der, von dem wir uns vorstellen können, dass er tatsächlich in unserem Leben stattfinden könnte. Ein Horror, der mit psychologischen Mitteln arbeitet, anstatt mit viel Blut und/oder geheimnisvollen Außerirdischen, wie sie bspw. Lovecraft eingesetzt hat.


    Gegen den sag ich gar nichts. Ich hab früher viel von ihm gelesen. Und wirken tut das durchaus.
    Aber nicht so intensiv, wie eine ganze Menge der Poe-Geschichten.
    Oder der (unvollendete) Roman "Arthur Gordon Pym".


    Was Poe selbst vom Schach hielt, weiß ich übrigens nicht. :wink:
    Außer, dass er wohl mal einen Schachautomaten als Fälschung entlarvt hat.


    Gruß
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo zusammen,


    die bisherigen Beiträge beleuchten ja schon viele Aspekte, die sowohl diese als auch viele andere Geschichten von Poe kennzeichnen. Er ist also sehr darauf aus, mit seinen Geschichten einerseits Spannung zu erzeugen und den Leser durch gezielten Einsatz psychologischer Mittel zu manipulieren. Wenn sich der Leser manipulieren läßt, tritt er über in die dunkle Gedankenwelt des Autors und wird zu seinem Spielball.


    Es bleibt sicher noch zu klären, inwieweit die Kindheit des Autors mit dem frühen Tod seiner Eltern zu dem düsteren Weltbild beigetragen hat und er sich vielleicht durch seine Schriften an einer ungerechten Welt rächen wollte. Oder ist das Unheimliche, Gruselige, das Makabere, das in vielen seiner GEschichten dominiert, auch Ausdruck dessen, was er, in welcher Form auch immer, in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat?


    Was meint Ihr?


    Viele Grüße


    Christoph