GOETHE: "Die Leiden des jungen Werthers"

  • :smile: "Die Leiden des jungen Werthers" ist der beste Klassiker, den ich je gelesen habe. Welche Sentimentalität! Welch' Gefühle! Naturbeschreibung pur! Sollte man unbedingt gelesen haben. Werthers Leiden sind auch unsere Leiden. Sein Suizid bedeutet das Ende seines Leidens. Im Literaturschock habe ich auch meine Meinung dazu geschrieben.

  • Hallo Inci


    Ich habe den Werther vor langer Zeit in der Schule gelesen und mag das Büchlein auch sehr. Ich finde zwar nicht, dass es der beste Klassiker ist, aber gut ist die Geschichte allemal.
    Nur - wieso sind Werthers Leiden unsere Leiden? Also meine nicht und sie waren es auch nicht, als ich das Buch gelesen habe.


    Kannst Du Dich irgendwie mit seinen Leiden identifizieren?


    :schmetterling:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Oh ja ich habe sehr gelitten als ich das buch gelesen habe - schrecklich (ja ich bin germanist und hasse das buch trotzdem). dieser weinerliche weichling und dann schafft er es nichtmal sich ordentlich umzubringen und lässt den leser weitere 30 seiten leiden auf denen er stirbt.

    "Ganze Literaturen waeren nicht, riegelten die Maedchen ihre Tueren auf" Kurt Tucholsky

  • Hallo!



    Oh ja ich habe sehr gelitten als ich das buch gelesen habe - schrecklich (ja ich bin germanist und hasse das buch trotzdem). dieser weinerliche weichling und dann schafft er es nichtmal sich ordentlich umzubringen und lässt den leser weitere 30 seiten leiden auf denen er stirbt.


    Das ist aber eine ziemlich "ungermanistische" Meinung. Vergleicht man den Werther mit anderen deutschen Büchern der Zeit, liegen die positiven Unterschiede doch auf der Hand. Nicht zu reden von den literaturgeschichtlichen Einflüssen ...


    Ich lese den Roman jedenfalls immer wieder mal gerne.


    CK


  • Oh ja ich habe sehr gelitten als ich das buch gelesen habe - schrecklich (ja ich bin germanist und hasse das buch trotzdem). dieser weinerliche weichling und dann schafft er es nichtmal sich ordentlich umzubringen und lässt den leser weitere 30 seiten leiden auf denen er stirbt.


    Ja, genau das!
    Ich studiere auch Germanistik, und kann mit dem Buch auch rein gar nichts anfangen. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt mit dem Protagonisten mitfühlen, genau weil er so ein "weinerlicher Weichling" ist. Ich habe damals meinem Deutschlehrer die Frage gestellt, was genau an dem Buch so herausragend ist, und er antwortete mir: Ach, soo gut ist das auch nicht, Goethe hat einfach damals den Nerv der Zeit getroffen.


    Dazu muss ich einräumen, dass ich das Buch in der Schule lesen musste, also war es möglicherweise einfach die falsche Zeit am falschen Ort für mich, das Buch zu lesen. Also vieleicht werde ich das Buch in einigen Jahren nochmal anrühren, aber nicht so bald.

    &quot;Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung.&quot;<br /><br />( Desiderius Erasmus)

  • Hallo!


    Ich studiere auch Germanistik, und kann mit dem Buch auch rein gar nichts anfangen. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt mit dem Protagonisten mitfühlen, genau weil er so ein "weinerlicher Weichling" ist. Ich habe damals meinem Deutschlehrer die Frage gestellt, was


    Wenn du wirklich Germanistik studierst, solltest du eigentlich schon zu Beginn gelernt haben, dass es bei einer literaturwissenschaftlichen Lektüre völlig belanglos ist, ob man subjektiv mitfühlen kann. Es geht um die ästhetischen und strukturellen Qualitäten des Romans oder um den literatur- und geistesgeschichtlichen Kontext. Ein Literaturstudium sollte es einem nicht nur ermöglichen zwischen objektiven Gegebenheiten und subjektiven Vorlieben zu unterscheiden, sondern dann auch zugunsten der Objektivität Urteile zu fällen.


    Nimm mal ein anderes Fach und stell dir vor ein Botanikstudent schreibt: Ich studiere Botanik aber diese Blume gefällt mir nicht, weil sie blau ist. Das mag ein akzeptables subjektives Urteil sein, hat aber nichts mit Botanik zu tun.


    CK

  • Ja sicher, aber es sollte doch auch möglich sein, neben den literaturwissenschaftlichen Aspekten auch noch eine eigene Meinung, oder ein eigenes Gefühl beim Lesen zu entwickeln.
    Davon abgesehen sagte ich ja, dass ich damals, als ich das Buch las, damit noch nicht viel am Hut hatte.
    Aber mal ehrlich, jeder hat doch irgendeinen Klassiker, der zwar objektiv gut ist, mit dem man selbst nichts oder nicht viel anfangen kann, oder?

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  • Hallo!



    Aber mal ehrlich, jeder hat doch irgendeinen Klassiker, der zwar objektiv gut ist, mit dem man selbst nichts oder nicht viel anfangen kann, oder?


    Klar. Man sollte als Germanist aber meiner Meinung nach ein Anwalt der Literatur sein und versuchen seinem Umfeld die entsprechenden Vorzüge von Klassikern zu erklären als sie abzuwerten. Das Unverständnis ist ja ohnehin hinreichend weit verbreitet ...


    Ich selbst lese den Werther durchaus gerne. Finde das Buch entwickelt einen gewissen Sog und es ist auch sehr sorgfältig komponiert (Metaphorik, Symbolik etc.).


    CK

  • Ja, das stimmt schon auf eine gewisse Art.
    Deshalb habe ich meinen Beitrag am Schluss ja direkt nochmal relativiert. Ich musste nur über den Beitrag von moosmutzel lachen, weil das eben damals genau das war, was ich dachte, ohne mich großartig für das Buch interessiert zu haben. Ich möchte dem Buch ja auch kein Unrecht tun, durch mein Halbwissen darüber.


    Anna

    &quot;Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung.&quot;<br /><br />( Desiderius Erasmus)


  • Oh ja ich habe sehr gelitten als ich das buch gelesen habe - schrecklich (ja ich bin germanist und hasse das buch trotzdem). dieser weinerliche weichling und dann schafft er es nichtmal sich ordentlich umzubringen und lässt den leser weitere 30 seiten leiden auf denen er stirbt.


    *lach* moosmutzel, irgendwie ist mir dir Ansicht in der Sekundärliteratur schon öfters zwischengekommen. :breitgrins:
    DU kannst es aber auch positiv sehen -
    der Showdown spannt die Leserschaft möglichst lang auf die Folter. :breitgrins:



    Ja, genau das!
    Ich studiere auch Germanistik, und kann mit dem Buch auch rein gar nichts anfangen. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt mit dem Protagonisten mitfühlen, genau weil er so ein "weinerlicher Weichling" ist.


    Also, ihr seid sehr jung, ich bin schon älter; den Roman hab ich nur einmal gelesen, und da war ich auch sehr jung, und bin zwar nicht in Mitleid, aber in Selbstmitleid zerflossen. So wie sonst bspw. bei Hermann Hesse. "Unterm Rad" und so, obwohl meine Schule so schlimm nicht war.
    Eventuell war das ja damals, in den 70ern, anders mit der Rezeption :breitgrins: weil da ja auch der Trend zur Empfindsamkeit und Selbstfindung und so war, und der ist längst vorbei. :zwinker:


    ICH war jedenfalls damals ein verdammt weinerlicher Weichling :zwinker: und konnte sehr gut mitfühlen.
    Also, ich war mitfühlend gegen mich selbst.


    Zitat


    Ich habe damals meinem Deutschlehrer die Frage gestellt, was genau an dem Buch so herausragend ist, und er antwortete mir: Ach, soo gut ist das auch nicht, Goethe hat einfach damals den Nerv der Zeit getroffen.


    Das hatte er fraglos, siehe die Empfindsamkeit. Und außerdem, dafür, dass er so jung war, ist es sooo schlecht doch nun auch wieder nicht geschrieben. :zwinker:
    Und außerdem hat er es geschafft, einen gigantischen Bestseller zu fabrizieren, und abgesehen mal davon, dass ich, bei aller Stilversessenheit, auch ein Anhänger der subjektivistischen Literaturbetrachtung bin -
    wir sollten den Roman ja auch im Kontext seiner Zeit sehen.
    Die Jungend fand sich darin wieder.


    Und was noch doller ist, er hat noch einen zweiten Bestseller dieses Erfolgsgrades fabriziert gekriegt, und da haut er in eine etwas andere Kerbe ... Haben ihm nicht viele nachgemacht.


    Zitat


    Dazu muss ich einräumen, dass ich das Buch in der Schule lesen musste, also war es möglicherweise einfach die falsche Zeit am falschen Ort für mich, das Buch zu lesen. Also vieleicht werde ich das Buch in einigen Jahren nochmal anrühren, aber nicht so bald.


    Das ist eine sehr vernünftige Art, mit dem Thema Ungeliebte Schullektüre umzugehen. :winken:


    LG
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo!



    Sehr gut: Dann investiere ich die Antwortzeit stattdessen in Lektüre :breitgrins:


    Unbedingt, unbedingt. Das hätte doch nur ein psychopathologische Studie scheichsbeutelscher Schlafstörungen werden können. Aber beizeiten werde ich darauf zurückkommen, Literaturkritik und -wissenschaft fein säuberlich zentrifugieren (lassen!), ästhetische Grundsätze ohne subjektiven Einschlag über die Texte breiten (lassen!) und dann endlich eine Begründung für das jetzt mit Gewissheit Geahnte kennen. So irgendwie :-).


    Wünsche erhellende und erfreuliche Lektüre.


    s.


  • Aber beizeiten werde ich darauf zurückkommen, Literaturkritik und -wissenschaft fein säuberlich zentrifugieren (lassen!), ästhetische Grundsätze ohne subjektiven Einschlag über die Texte breiten (lassen!) und dann endlich eine Begründung für das jetzt mit Gewissheit Geahnte kennen. So irgendwie :-).


    Hört sich nach einer Lebensaufgabe an :breitgrins:



    CK

  • hey, es hat ja keiner gesagt, dass ich meinen literaturwisseschaftlichen senf dazu geben sollte. ja ja für seine zeit war das buch gut und erfolgreich, aber ich denke auch das goethe machmal überbewertet wird und wenn ich was gutes aus dem sturm und drang lesen will, dann ziehe ich mir schillers "räuber" tausendmal vor.


    ich kann schon meine eigene meinung über literatur beseitestellen. ich bin auch nicht wirklich ein fan von trivialliteratur des 19. jahrhunderts und trotzdem schreibe ich meine diss. darüber.

    &quot;Ganze Literaturen waeren nicht, riegelten die Maedchen ihre Tueren auf&quot; Kurt Tucholsky

  • Hallo!



    Hört sich nach einer Lebensaufgabe an :breitgrins:


    Möglich :breitgrins:. Der Gefahr ins Auge sehend und die Kürze meiner mir noch verbleibenden Lebenszeit bedenkend, habe ich Klammern geöffnet und auf die Möglichkeit einer Delegation dieser Aufgabe hingewiesen. Ich hatte da einen Vorsokratiker im Auge :winken:.


    Grüße


    s.

  • Ich habe den Werther auch schon zweimal gelesen und schwanke immer noch zwischen den beiden hier im Thread vertretenen Ansichten. Der Roman entwickelt auch für mein Empfinden einen Sog, der mich mit Werther mitfühlen lässt, hinenversetzen kann ich mich in seine Lage aber nicht. Ich bin mir absolut sicher mich nie aus solchen Gründen wie Werther umzubringen, deshalb fällt eine Identifizierung mit dem Helden für mich schwer. Literaturgeschichtlich in jedem Fall ein bedeutendes Werk, das ich schätze, aber nur mit einer gewissen Distanz.



    Ich hoffe übrigens, dass es okay ist, wenn ich nochmal ein bisschen in alten Treads stöbere und wenn möglich etwas dazu beitrage. Vielleicht ergeben sich ja neue Diskussionen.

  • Für einen Laien ist das aber schwer umzusetzen, was Xenophanes von Germanistikstudenten sicher zu Recht verlangt.
    Wie soll ich urteilen ohne zu empfinden? Die Belletristik ist für jemanden, der aus Freude liest, kein wissenschaftliches Aufgabengebiet.


    Und meine Einstellung dem "Werther" gegenüber hat sich mit dem Alter verändert. Zum 1. Mal habe ich ihn mit 17 gelesen und wäre fast mit ihm gestorben. Beim 2. Mal war ich so Mitte 30 oder älter und habe nicht mehr ganz verstanden, was mich an dem verweichlichten Jüngling, der sein Leben nicht in den Griff bekam, denn so fasziniert hatte.
    Die Sprache des Herrn Geheimrat hat mir aber auch bei wiederholter Lektüre gefallen. Und zwar so gut, dass ich ihn, unabhängig vom Inhalt sicher noch öfter lesen werde.
    Wie müßte ich ihn denn nun bewerten, wenn ich das objektiv tun wollte?

  • Hallo Madeleine! :winken:



    Und meine Einstellung dem "Werther" gegenüber hat sich mit dem Alter verändert. Zum 1. Mal habe ich ihn mit 17 gelesen und wäre fast mit ihm gestorben. Beim 2. Mal war ich so Mitte 30 oder älter und habe nicht mehr ganz verstanden, was mich an dem verweichlichten Jüngling, der sein Leben nicht in den Griff bekam, denn so fasziniert hatte.


    Genau so ging es mir auch. Aber das ist ja auch häufig bezeichnend für Werke sehr junger Autoren. :breitgrins:


    Zitat


    Wie müßte ich ihn denn nun bewerten, wenn ich das objektiv tun wollte?


    Objektive Bewertungen sind eigentlich ein Paradoxon, oder? Man kann nur versuchen, sich seine Wertmaßstäbe bewusst zu machen (die sich im Laufe des Lebens ja durchaus ändern) und sie wenn nötig zu erklären. Streit über Literatur ist doch eigentlich immer ein Streit über Erwartungen und implizite Wertmaßstäbe, die eben nicht bei allen gleich aussehen.

    Der Grad der Identifikationsmöglichkeiten wird in der "Hochliteratur" ja eher nicht als Kriterium akzeptiert oder umgekehrt proportional angelegt: je größer die (unreflektierte) Identifikation des Lesers, desto wertloser die Literatur. Die unglaublich unterschiedlichen Leserpsychen und das Positive an Werken, die sehr unterschiedliche Wahrnehmungsweisen erlauben, wird dabei ziemlich oft übergangen.