Der Trug des zum Ring geschmiedeten Rheingoldes

  • In Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ verheißen die Rheintöchter (Elfen, die im Rhein leben) Alberich (einem Angehöriger des Zwergenvolkes der Nibelungen) die Weltmacht, wenn er das Gold des Rheines ergreift, es zu einem Ring schmiedet und fortan der Liebe entsagt. Unmittelbar davor hatten sie den Zwerg, der hässlich ist, aber noch nicht bösartig, frivol geneckt und seine sexuelle Begierde erregt, ihn dann aber höhnisch verstoßen. Der Gepeinigte greift die Verheißung auf, verflucht die Liebe, schmiedet den Ring und will sich fortan mit uneingeschränkter Macht für die Entbehrung an Liebe schadlos halten. Ein Zwerg hat die Weltmacht an sich gerissen. Die nun folgende Handlung beschreibt den Kampf um den Besitz des Ringes.


    Bis hierhin die tradierte Interpretation. Doch der Ring verleiht keine Macht. Wohl bringt er seinem jeweiligen Träger nur Unglück, denn er ist verflucht worden von seinem Erstbesitzer Alberich. Der Zwerg hatte den Ring verflucht, als er ihm genommen wurde. Aber noch nicht verflucht, konnte der Ring Alberich keineswegs schützen. Alberich wurde überlistet, gefesselt und ausgeraubt. Beeindruckt hatte der Ring nur Alberichs eigenes Volk, die Nibelungen. Die Zwerge hatten die Prophezeihung geglaubt, vor dem Ring staunend gezittert und sich Alberich unterworfen. Alberich kommt durch Trug zur Macht und fällt durch List.


    Dass Wagner den Ring von Anbeginn als wirkungslos konzipiert hat, zeigt das ihm zugeordnete musikalische Motiv. Das Ringmotiv geht hervor aus dem Rheingold-Motiv. Als Gold-Motiv ertönt es klar und strahlend. Zum Ring denaturiert, ist sein musikalischer Ausdruck nicht mehr feierlich, sondern leichtfüßig, schnell und stets in ''piano'' gehalten. In seiner deutlichsten Ausprägung («Das Rheingold», Überleitung zur 2. Szene, noch vor Erprobung der angeblichen Macht des Ringes)


    - setzt das Ringmotiv in piano ein,
    - mit einem verdeutlichenden Wechsel der Tonart und
    - als gebrochener Akkord;
    - für das piano ist ein Leiserwerden vorgeschrieben.


    Der kraftlose musikalische Ausdruck, dessen Klang etwas Verlogenes hat, steht für die Wirkungslosigkeit des Ringes. Wagners künstlerische Aussage: Es gibt keine absolute Macht. Die Dynamik des mythischen Geschehens, das vier Opernabende füllt, beruht auf einer falschen Prophezeiung, die die Rheintöchter in aller Unschuld in die Welt gesetzt haben. Die Götter verfallen diesem Irrtum und gehen zugrunde.


    Der Text formuliert den Irrtum. Der wahre Sachverhalt ertönt aus dem Orchestergraben. Diese Interpretation stellt die tradierte Ring-Rezeption auf den Kopf.


    Das Ringmotiv als Klavierauszug:
    http://de.wikiversity.org/wiki…geschmiedeten_Rheingoldes

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)

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  • Hallo zusammen,


    Der "Ring" dieses Jahr in einer Neuinszenierung. Bayern4Klassik bringt die Übertragungen, die gestern mit "Rheingold" begann. (Wiederholung "Rheingold" auf SR 2 Kulturradio 29.07.06 // 20.05 Uhr.)


    27.07. 06 // 15.55 Uhr //Bayern 4 Klassik "Die Walküre"
    29.07.06 // 15.55 Uhr// - " - "Siegfried"
    31.07.06 // 15.55 Uhr// - " - "Götterdämmerung"


    http://www.nmz.de/kiz/modules.…ws&file=article&sid=13078


    Viele Grüsse
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Suchbegriffe: Wagner - Ring des Nibelungen - Ringmotiv


    Hallo Wagnerianer,


    ich freue mich, dass mir niemand widerspricht. Oder trage ich Eulen nach Athen und meine, einen Trug zu entlarven, den jeder Ring-Kenner längst durchschaut hat ?


    Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit dem Walhall-Motiv. Es ist klangschön und feierlich, aber milde und indifferent. Beim Einzug in die neu errichtete Burg wird es wieder intoniert. Es folgen Anklänge von Ring- und Erda-Motiv, und dann setzt im Fortissimo sehr energisch das Schwert-Motiv ein, eine neue Generation ankündigend.


    Dass es mit der Macht der Götter nicht mehr zum Besten steht, weiß Loge und höhnt: "Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen". Hier orientiert der Operntext. Den Irrtum "Weltmacht", den der Ring symbolisiert, verrät nur der musikalische Ausdruck.


    Alle guten Grüße
    von einem Wagner-Verfallenen!

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)

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  • Hallo Wagnerianer,


    kein Echo! Keine Replik! Was bleibt mir anderes übrig, als mir selber zu antworten!


    Mir geht das verhexte Ringmotiv nicht aus dem Kopf. Die Weltmacht ist an ein Liebesverbot gebunden. Führt Lieblosigkeit zu Macht? Das wäre ein weiterer Irrtum. Eine Zeit lang mag das Ausgrenzen von sozialen Impulsen einer Karriere förderlich sein. Auf Dauer aber nicht, wie die Götter- und Zwergenschicksale in Wagners Ringdichtung zeigen.


    H.-P.Haack

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)

  • Um nicht als Wagner-Gegner missverstanden zu werden, habe ich den zweiten Abschnitt überarbeitet und 'künstlerische Paradoxie' gegen 'hintergründige Wahrheit' ausgetauscht.


    H.-P.Haack, Leipzig

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)

  • Die Interpretation ist unter dem Titel "Der Trug des zum Ring geschmiedeten Rheingoldes" von WIKIPEDIA überommen worden und von da in weitere Internet-Lexika. Mit den Wagnerianern bei WIKIPEDIA gab es ebenfalls keinen Widerspruch gegen diese neue Auslegung, lediglich eine marginale Diskussoin darüber, ob die Rheintöchter absichtlich oder unwissend den Kreislauf des Goldes (und damit den Untergang der Götter) herbeigeführt haben.


    H.P.Haack

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)